Demokratisierung Chinas—„Als China gelb wurde“ und die Rolle der Volksbefreiungsarmee bei einer Demokratisierung Chinas

Demokratisierung Chinas—„Als China gelb wurde“ und die Rolle der Volksbefreiungsarmee bei einer Demokratisierung Chinas

Demokratisierung Chinas—„Als China gelb wurde“ –eine Erklärung der political fiction

Die political fiction „Als China gelb wurde“ skizziert die worst-case-Szenarien einer möglichen Demokratiserung Chinas. Es soll dazu dienen, zu zeigen, dass eine Demokratisierung keineswegs eine reibungslose Angelegenheit mit garantiertem Erfolgsergebnis sein muss, sondern auch sehr negative Konsequenzen hervorrufen kann wie politische Instabilität, außenpolitische Krisenkompensation und Abenteuertum zur Schürung eines einigenden Nationalismus, der in einem Krieg kulminieren kann und, dass auch eine Demokratie in China zu einer neuen autoritären Herrschaft führen kann, falls sich etwa die führerzentrierte Falungong oder eine andere neoautoritäre Bewegung zu einer Massenpartei politisieren würde. Ohnehin wird in der Sinologie und den Politikwissenschaften die Möglichkeit, dass sich die Falungong zu einer politischen Massenpartei umwandeln könnte,- mit Ausnahme Thomas Heberers- völlig negiert und die einzigen bedeutenden politischen Kräfte in säkularen, demokratischen Parteien und Zusammenschlüssen vermutet. Dabei liegt diese Entwicklung nahe, wenn man sich die Entstehung der Muslimbruderschaft, der türkischen APK oder der indischen BJP betrachtet. Warum sollte es nicht möglich sein, dass sich ebenso wie im politischen Islam oder politischen Hinduismus mit der Falungong auch ein politischer Buddhismus-Daoismus herausbildet, der  politische Macht anstrebt. Warum sollten immer nur die Mittelschichten die aktive Rolle für sich in der Geschichte beanspruchen und z.B. nicht die abergläubischen Bauern und ländliche Bevölkerung, die zum einen in die Städte dringt und das Dorf mit sich bringt, zum anderen für die Inaussichtstellung eigenen Landbesitzes ein gehöriges Mobilisierungspotential aufwiesen dürfte. Zwar hat sich die Falungong noch nicht zu einer politischen Massenpartei mit politischen Forderungen umgewandelt, aber in einer solchen Entwicklung könnte ihre Zukunft liegen, wenn sie nicht in die  Bedeutungslosigkeit versinken möchte. Zumindestens existiert mit dem Falungongbuch „Die 9 Kommentare zur Kommunistischen Partei Chinas“ ein Manifest, in dem offen zum Sturz und Austritt aus der KP China aufgerufen wird. Diese Variante einmal durchzuspielen, soll das erste Kapitel , das als political fiction gehalten ist, ermöglichen. Dabei werden auch die autoritären Züge der Falungong (Massensekte mit Führerstruktur, wertekonservativ, manäichistisch) herausgestellt und die Möglichkeit, dass der demokratische Traum der Opposition auch in einem neototalitären Fiasko enden kann.

Zu glauben, die politische Entwicklung in China würde sich primär auf die Mittelschichten stützen, ist angesichts des breiten Kontingents an Bauern, Wanderarbeitern und Arbeitern eine recht exklusive, idealtypische und vereinfachende Denkweise. Eher wahrscheinlich sind hier schon Bündnisse zwischen diesen Schichten und Klassen, wie es auch wahrscheinlich ist, dass diese Schichten und Klassen gar nicht so als geschlossene, homogene Blöcke auftreten. Auch zeigt etwa die Entwicklung in Thailand, in der die neuen Mittelschichten und die alten Eliten (ja sogar eine Prinzessin ist beteiligt)in der antidemokratischen Volksfront antidemokratische Forderungen gegen die populistische, demokratisch gewählte Regierung Samak stellen (Abgeordneten sollen ernannt und nicht mehr vom Volk, vor allen den Bauern gewählt werden), dass das elitäre Bewußtsein der neuen Mittelschichten nicht unbedingt eine demokratische Beteiligung der Bauern und Arbeiter wünscht, d.h. das Bürgertum auf eine demokratische Standesgesellschaft hofft, in der diese Stände von politischer Partizipation ausgeschlossen werden. China müsste erst einen doppelten Emanzipationsprozess durchlaufen, um eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu werden: Den seines Bürgertums/seiner Mittelschicht gegenüber der KP China, sowie der der Bauern- und Arbeiterklasse gegenüber beiden.

Hierbei ist es durchaus möglich, dass sich die neuen Mittelschichten mit den alten Eliten wie nach der gescheiterten Revolution 1848 in Deutschland gegen die Arbeiter und Bauern verbünden, zumal ein beträchtlicher Teil der neuen Mittelschicht aus kollektiveigenen Eigentumsmischformen mit dem Staat und in organischer Verbindung mit diesem hervorgegangen ist und unabhängige Klein- und Mittelunternehmer erst ein neueres Phänomen sind. Zudem vertragen sich die Unternehmerinteressen dieser neuen Mittelstandes partiell sehr gut mit denen der KP China; da letztere die Rechte und Löhne der Arbeiter in großem Umfange beschneidet. Selbst Sun Yatsen glaubte nicht an eine Demokratisierung Chinas in einem Schritt, sondern wollte als zweite Stufe eine Erziehungsdiktatur dazwischenschalten, in der sich zum Staat loyale Bürger herausbildeten und auch die Arbeiter und Bauern im staatskundlichen Sinne erzogen würden.

Die potentiellen Kollateralschäden einer möglichen Demokratisierung  Chinas werden oft kaum beachtet bei Befürwortern des demokratischen, bzw. kapitalistischen  Friedens, sondern hier dominiert ein Zukunftsoptimismus der sich am Modell der friedlich und unblutig verlaufenen „soft revolutions“ im Gebiet des Warschauer Paktes 1989 und Nachfolgezeit orientiert oder von einer „friedlichen Evolution“ ausgeht, wonach sich mit den wirtschaftlichen Liberalisierungen zwangsläufig langfristig auch die politischen Liberalisierungen und eine von der Mittelschicht getragene Demokratie einstellen werde .Die Mittelschicht nimmt in diesen Modellen eine Rolle als Subjekt und Träger des historischen und gesellschaftlichen Fortschritts ein, die sonst nur dem der Arbeiterklasse beim historischen Materialismus des Marxismus gleichkommt. Überspitzt könnte man sagen: Die Ideologie der Mittelschicht als Träger einer demokratischen Transformation ist der historische Materialismus des Bürgertums. Dabei wird die historisch negative Rolle der Mittelschichten und des Bürgertums ausgeblendet, sei es wie sie im aufsteigenden Deutschen Reich unter Wilhelm 2 vorherrschte und in der Figur und im gleichnamigen Roman von Heinrich Mann “Der Untertan“ verkörpert wird, oder ebenso vergessen scheint die unterstützende Rolle des Kleinbürgertums und der Mittelschichten bei der Machtergreifung faschistischer Diktaturen in Deutschland, Italien und anderen europäischen Ländern,d.h. seiner Radikalisierung durch die Wirtschaftskrise 1929. Dass hier nationalistisch verblendete, aggressive, innenpolitisch antidemokratische und autoritäre Mittelschichten hervorgehen, die bereitwillig und mit Hurrah in zwei Weltkriege hetzten, wird unterschlagen. Vorbild ist vor allem das anglosächsische Bürgertum und dessen Mittelschichten (middle class), das sich relativ totalitarismusimmun erwies und—mit Ausnahme des Mc Carthyismuses- nicht den autoritären Makel des deutschen Bürgertums hatte und  die Klassen  soziologisch in  einer geradezu missionarischen Mittelschichtenideolgie auflöste. Kurz: Das Bürgertum und die Mittelschichten werden in den Demokratisierungstheorien als vorwiegend liberal und demokratisch portraitiert und die neuen Debatten um eine Neue Bürgerlichkeit versuchen den unter den 68ern als Protofaschisten gescholtenen Bürger samt einhergehender kleinbürgerlicher Familie wieder zu rehabilitieren.Lipsets Theorie der Radikalisierung der Mitte wird wieder hintenangestellt, der Bürger als Träger der liberalen Gesellschaft gesehen.

Es wird auch oft und gerne argumentiert: Wenn China sich nicht demokratisiere, drohe ihm genau eine politische und wirtschaftliche Krise, die zum Zerfall und Auseinanderbrechen dieses Staates führen werde. (vgl.:Arthur Waldron: China after Communism, AEI- Website 2000).Noch am ehesten sind sich die Vertreter der Demokratischen Partei Chinas über die Schwierigkeiten und möglichen Konsequenzen einer Demokratisierung  im klaren, die in ihrer Neue-Jahrhunderterklärung schreiben:

“ Wir erwarten auch nicht, dass der Übergang von einem autoritären System zu einer Demokratie ein einfaches Umstellen ist .China, das eine lange Tradition autoritärer Herrschaft hat, wird einige Rückschläge in seiner Wanderung hin zur Demokratie durchlaufen. Die Geschichte vieler demokratischer Staaten zeigt uns, dass die Demokratie am Ende siegt. Reife Demokratien sind nun in vielen Ländern errichtet. Chinas Wanderung zur Demokratie begann mit der Hundert-Tage-Reform von 1898.Bis jetzt sind wir mehrmals durch ein Auf und Ab von Reform und Diktatur gegangen. Wir glauben, dass diese Sorte wilder Schwünge mit der Zeit abklingen und sich letztendlich zu einem stabile Zustand der Demokratie übergehen werden.Der Prozess des Auf und Ab ist zugleich schmerzvoll und zerstörerisch. Der hohe Preis dafür schreckt Leute von Reformen ab. Dennoch kann der Schmerz, den wir gegenwärtig ertragen mit den Geburtswehen verglichen werden. Dies ist der Preis, den das chinesische Volk zahlen muss, um Tausende von Jahren despotischer Tradition zu beenden und um in ein neues Zeitalter von Demokratie und Vitalität einzugehen.“

Aber auch die demokratische Opposition bleibt chaostheoretisch und zukunftsoptimistisch:

„Die moderne Chaostheorie wie auch die Geschichte zeigen uns dass alte Systeme in ihrem Endstadium zu Chaos degenerieren.Aus dem Chaos wird eine neue und höhere Ordnung entstehen.“

Ob diese Ordnung dann auch automatisch eine bessere und demokratische Ordnung sein muss, sei hier einmal infrage gestellt.

Als Ausgang einer politischen Krise kann eine wirtschaftliche Krise dienen, die die Legitimität der KP China als Modernisierungs- und Entwicklungspartei des wirtschaftlichen Fortschritts erschüttert. Hier: Eine Finanzkrise, die breiten Teilen der Bevölkerung an die Ersparnisse geht und für eine allgemeine Unzufriedenheit sorgt, die sich nur noch einen Auslöser und Funken sucht. Z.B.: Die Ungerechtigkeiten seitens lokaler Kader gegenüber den Bauern führen zu einer Massenbewegung, der sich andere Bevölkerungsschichten wie Wanderarbeiter, Arbeiter, Teile der Mittelschichten und der Intellektuellen anschließen und die zumal von einem im Untergrund arbeitenden Netzwerk koordiniert werden. Anders als die Kommunistische Partei der Sowjetunion ist die Führung der KP China hierbei nicht bereit, politische Reformen von oben zu vollführen, noch bereit wie die osteuropäischen kommunistischen Parteien auf die Forderungen der Massenbewegung einzugehen, runde Tische zu installieren oder gar die Macht kampflos zu überlassen, sondern antwortet entschieden wie schon 1989 am Tiananmen mit brutaler Repression.

Die innenpolitische Krise wird-ebenfalls anders als 1989-  in diesem Szenario in eine außenpolitische Krise um Taiwan kanalisiert. Desweiteren füllt eine neoautoritäre Kraft , die Falungong das entstandene politische Vakuum und möchte eine antidemokratische und neoreligiöse Herrschaft errichten. Freilich, die Entwicklung könnte auch eine andere sein, viele Szenarien sind denkbar, aber die Hauptakteure werden dieselben sein: Die KP China, die Volksbefreiungsarmee, die säkulare demokratische Opposition, die Falungong und als Klassen die Mittelschicht, die Wanderarbeiter, die Arbeiter und die Bauern—diese sollen daher in den folgenden Kapiteln einzeln vorgestellt werden.

Die Rolle der Volksbefreiungsarmee bei einer möglichen Demokratisierung

Die Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas ist sehr eng mit der Volksbefreiungsarmee verknüpft. Dafür spricht schon Mao Zedongs berühmter Spruch: „Die Macht kommt aus den Gewehrläufen“, wie auch die Tatsache, dass die KP China bei ihren zwei ernsthaftesten Krisen nach der Machtergreifung 1949 die Armee zur Rettung ihrer eigenen Existenz rief: es war dies die Kulturrevolution ab 1966, die völlig außer Kontrolle geriet, wie auch die Studentenbewegung 1989, die sich zu einer  millionenstarken Volksbewegung  auswuchs. Die Partei achtete jedoch immer sehr genau darauf, dass „die Politik die Gewehrläufe kontrolliert und nicht die Gewehrläufe die Politk“. Speziell als die Volksbefreiungsarmee in der Kulturrevolution unter Lin Biao ein immer wichtigerer Faktor wurde, stoppte Mao Zedong diese Tendenz, indem er diesen beseitigte. Die Volksbefreiungsarmee wurde seit langem vor allem  unter dem Aspekt des Machterhalts der Kommunistischen Partei betrachtet und als möglicher Faktor einer Demokratisierung erst gar nicht in die Erwägungen einbezogen. In seinem Szenario „China after Communism“ schildert Arthur Waldron die Volksbefreiungsarmee als Chinas einzige einigende  Kraft, die nach einem Legitimitätsverlust der KP China in das Machtvakuum einspringen könnte—jedoch keineswegs mit demokratischen Absichten, sondern als Militärdiktatur und möglichen neuen Kriegsherren in einigen Provinzen, die Unruhe statt der erhofften Stabilität bringen:

„Only two institutions, the Party and the military, are national, and even then only for people at the very top. (…)A dictatorial und highly nationalistic China is perhaps the most worrying prospect for China´s neighbours and for the United States. Much of it is already in place, as a result of massive military spending program that continues despite weak government finances and pressing needs in areas such as education, agriculture, social security, and so forth.

A formal imposition of military rule may come when the Party itself begins to split(…)What happens when the Party itself cannot agree about what to do, as had happened numerous times in the past? No mechanism exists to resolve such problems except to call in the military. But what if several different officials call in the military? We tend to think of society as being horizontally ordered, so that the thing to watch is, say, workers protesting against owners and managers.(…)But in China´s system, the most dangerous splits have regulary been vertical, not between classes but between rivals at the top. Two men at the top square off and begin mobilizing constituencies, assets, regions ,and so forth, in their support. In 1924 and 1925, as I have written, this process plunged the country into war. It could easily happen again. The same is true of the Communist Party. It splits from the top, and only the military can decide who  wins. How was the cultural revolution ended in 1967?By the army. How were Mao´s choosen successors ousted from office? By the army in 1976.How was the crisis of 1989 resolved? By the military force against the people and against members of the Party on the liberal side.

Zhao Ziyang, the then –prime minister, is still extralegally detained at home, and his colleagues are in prison or on blacklists. So even within the Party there is no order. The crisis may come if the army is ever called upon to do Tiananmen again. Soldiers seek their mission as defending the country against foreign enemies, not shooting their unarmed citizens in order to keep the Party in power. So one can imagine a day when, instead of doing as instructed, a Chinese general will take over and go on television, saying in the first breadth, “Communism is nonsense and the Party are all criminals and we have arrested them”, or words to that effect, but then adds, “We are all Chinese, strong and proud of our homeland. We need order and discipline.”.This may bring unity for a while, but it suffers from the same defects as communist authoritarianism: no mechanism except force for resolving disputes. Even more than the current regime, a military regime is likely to recentralize, and that classically triggers civil war. Such a China would be a menance to its own people and to Asia. Furthermore, it would not be stable. We might see international incidents triggered to build support at home. Eventually we would see rivals at home split the new dictatorship just as the first military rulers had split the communist dictatorship. This brings us to the possibility of disorder.”(Arthur Waldron, China after Communism, September 2000,AEI-Website:

www.global-review.info

Auch die Demokratische Partei Chinas sieht das chinesische Militär als eine Privatarmee der KP China, die zur inneren Machterhaltung dient und einen Hemmschuh einer möglichen Demokratisierung darstellen würde. So heißt es in der Neue-Jahrhundert-Erklärung:

„Unsere Position ist, dass das Militär dem Staat und nicht der Partei gehören muss .Es sollte sich neutral in der Politik verhalten. Wir widersetzen uns jeglicher Einmischung des Militärs in die Politik. Wir stellen fest, dass in vielen Ländern, die im Übergang zu einer Demokratie sind, das Militär gewöhnlicherweise die Seite der Diktatoren ergreift und ein Hemmschuh in Richtung Demokratie wird. Das kommt daher, weil über seine eigenen Interessen hinaus, seine Hauptfunktion in diesen Ländern darin besteht, interne Revolten zu unterdrücken anstatt das Land nach außen zu beschützen .                           .

In einer Demokratie wird das Militär nicht die Rolle der inneren Sicherheit haben. Diese Funktion gehört der Sicherheitspolizei. Daher besteht keine Notwendigkeit in einer Demokratie, dass sich das Militär in die Innenpolitik einmischt.“

Oppositionskräfte in der Volksbefreiungsarmee?

Die Geschichte Chinas wäre jedoch unvollständig, wenn man die Rolle der Armee nur als Quelle des Machterhalts schildern und existierende Gegenkräfte verschweigen würde.

Die Entwicklung der Kommunistischen Partei Chinas und der Nationalpartei Chinas hat als gemeinsamen Kristallisationspunkt die Militärakademie in Whampo, in der Mitglieder beider Parteien ihre militärische Ausbildung erhielten. Es war ein nationalchinesischer Militär, der Jiang Kaitschek entführte und zu einer gemeinsamen Front der Nationalpartei mit der Kommunistischen Partei im Kampf gegen Japan zwang. Nach der Machtergreifung 1949 war es  Politbüromitglied und Verteidigungsminister Marschall Peng Dehuai, der sich in den 50er Jahren gegen Maos Koreakriegsstrategie sowie den Großen Sprung nach vorne wendete:

„In den beiden ersten Jahren des Großen Sprungs fügten sich die meisten Funktionäre Maos Autorität. Nur ein Mitglied des Politbüros, der Verteidigungsminister Peng Dehuai, hatte den Mut zu widersprechen(…) Peng erkannte, dass er bei seiner Suche nach Unterstützung weder auf die Sowjetunion noch auf andere kommunistische Länder zählen konnte. Anscheinend dachte Peng dann in seiner Verzweifelung über einen Militärputsch nach. Als er am 13.Juni nach Peking zurückkehrte, versuchte er als Erstes, Soldaten “zum Getreidetransport in Hungergebiete“ zu verlegen, wie der Stabschef Huang Ke-cheng erklärte, der ein enger Freund und verwandter Geist war. Huang verstand, wofür Peng die Soldaten brauchte, denn er legte ein gewisses Zögern an den Tag, das er sicher nicht gezeigt hätte, wenn er gedacht hätte, dass es dabei tatsächlich um Lebensmitteltransporte gehen sollte. Mao bekam offenbar Wind von dem Gespräch und ließ Peng später intensiv dazu verhören. Da für sämtliche Truppenbewegungen Maos Genehmigung benötigt wurde, konnte Peng keine Soldaten bekommen. Er konnte nur versuchen, Druck auf Mao auszuüben, ihm Berichte über die Hungersnot zu schicken und andere dazu zu bringen, das Gleiche zu tun.“(S.584).

Um Schlimmeres präventiv zu verhindern, berief Mao Zedong eine Konferenz ein.

“Nach der Konferenz wurde Lin Biao an Pengs Stelle Verteidigungsminister und begann sofort, das Militär von Pengs Anhängern zu säubern.“(Jung Chang, Mao, S.591).

Lin Biao galt seitdem als Maos ergebenster Weggefährte und es war dieses Vertrauen in ihn, das ihn während der Kulturrevolution zur Nummer Zwei hinter Mao aufstiegen ließ.

„Bis zum August 1970 hatte die Partnerschaft von Mao und Lin Biao hervorragend funktioniert. In den vorangegangen vier Jahren hatte Lin Biao für die Unterstützung des Militärs gesorgt, die Mao benötigte, um die Partei zu säubern und seine Herrschaft neu zu organisieren. Und Mao hatte das Möglichste getan, um Lin Biaos Machthunger zu befriedigen, hatte ihm im Grunde die Streitkräfte überlassen und ihn in den Parteistatuten als seinen Stellvertreter und Nachfolger aufgeführt(…)Aber in Lushan wurde Mao hinterbracht, dass Lin zu mächtig geworden sei und nun auch eine Bedrohung für ihn selbst darstelle. Alles begann mit einem scheinbar harmlosen Disput über die Präsidentschaft, ein Amt, das zuletzt Liu Shao-chi ausgeübt hatte. Mao wollte die Position abschaffen, aber Lin beharrte darauf, Mao zum Präsidenten zu ernennen. Der Grund, warum Lin an seiner Meinung festhielt, war, dass er Vizepräsident werden wollte, denn dadurch würde er offiziell die Nummer Zwei in der staatlichen Hierarchie werden. Von der fünfköpfigen Führungsriege (Mao, Lin,Chou,Kang Sheng und Chen Bo-da)sprachen sich vier für Lin aus, und Mao stand mit seiner Meinung allein. Das zeigte, was für eine erstaunliche Macht Lin hatte, denn für Maos Kollegen waren Lins Interessen wichtiger als Maos Wünsche.“ (Jung Chang, Mao, S.716). „Nach der Versammlung in Lushan, die am 6.September ergebnislos endete, machte sich Mao daran, Lins Macht zu begrenzen-nicht zuletzt um seiner eigenen Sicherheit willen. Er bestellte verlässliche Generäle zu sich, die nicht zu Lins Clique gehörten, übertrug ihnen das militärische Kommando für Peking und schleuste sie in die Armeeführung ein.“(S.718)

Lin „diktierte einen Brief an Mao, in dem er klar machte, dass Mao im Fall einer Säuberung den ganzen Apperat neu besetzen müsse, den er, Lin aufgebaut hatte; der einzige mögliche Ersatz seien die alten Parteikader, aber das würde bedeuten, die Kulturrevolution rückgängig zu machen. Doch auf Bitten seiner Frau schickte Lin den Brief nicht ab.Eine solche Drohung würde Mao nicht hinnehmen.Eine realistischere Option für Lin war die Flucht, schon früher hatten sich Feinde von Mao ins Ausland abgesetzt: Chang Kuo-tao war in den dreißiger Jahren zu den Nationalisten übergelaufen, Wang Ming in den fünfziger Jahren nach Moskau geflohen. Da Lin die Kontrolle über die Luftwaffe hatte, konnte er ins Ausland fliehen und die Entscheidung für die Sowjetunion lag nahe.“(S.719).

571-bewaffneter Aufstand unter Lin Biaos Sohn-ein chinesischer Staufenberg?

In ihrem Buch „Mao“ schildert Jung Chang den Sohn Lin Biaos, „Tiger“Lin Li-guo als Chinas Stauffenberg, als politischen Oppositionellen, der in Mao einen Tyrannen sah, der Kulturrevolution abgeneigt gegenüberstand, nur zögernd den Roten Garden beigetreten sei und diese auch schnell wieder verlassen habe. Ein „anständiger Mensch“, wenngleich ein Playboy, der westliche Rockmusik hörte und Zugang zu westlichen naturwissenschaftlichen Magazinen hatte, die er verschlang. Die Autorin macht seltsamerweise nicht skeptisch, dass sein Vater Lin Biao der größte ultralinke Apologet der Kulturrevolution war. Inwieweit hier ein Tyrann durch Tyrannenmord lediglich den anderen ersetzt hätte, bleibt unklar. Ob Lin Biao eine andere Linie als Mao gefahren hätte, wäre er der Große Vorsitzende geworden, bleibt Spekulation, aber es spricht auch nichts dafür. Warum nahm er dann nicht Kontakt zu Liu Shaoqi , Deng Xiaoping oder anderen Maogegnern auf, um andere Inhalte durchzusetzen? Inwieweit ein China unter Lin Biao die Kulturrevolution gestoppt hätte, bleibt offen, ebenso die Frage, ob Lin Biao von den Resultaten der Kulturrevolution überhaupt abgeschreckt worden war. Bis heute gibt es keine Dokumente, Äußerungen oder Zeugnisse, das Lin Biao in den politischen Inhalten irgendwelchen Dissens zu Mao gehabt hätte. Inwieweit sich Lin Biaos Sohn Tiger durch Loyalität zu seinem Vater in seinen Handlungen veranlasst sah und inwieweit er inhaltliche Differenzen zwischen Mao und sich, bzw. seinem Vater sah, bleibt unklar. So existiert zwar ein Dokument, in dem er inhaltliche Kritik an Mao und den Ergebnissen der Kulturrevolution übt, aber ebenso bleibt die Tatsache, dass er erst mit den Attentatsüberlegungen begann, „als er merkte, dass Mao es auf seine Eltern abgesehen hatte“.

Doch folgen wir zuerst Jung Changs Schilderungen über den chinesischen Stauffenberg:

„Tiger wurde zu einem scharfen Kritiker von Maos Tyrannei. Im März 1971 brachte er und drei Freunde ihre Gedanken zu Papier:

Ranghohe Funktionäre sind wütend, wagen aber nicht,den Mund aufzumachen;

Den Bauern fehlen Lebensmittel und Kleider;

Die gebildete Jugend wird aufs Land geschickt;

Die Roten Garden wurden getäuscht und am Anfang…als Kanonenfutter(und dann) als Sündenböcke benutzt…

Die Löhne der Arbeiter wurden eingefroren: verdeckte Ausbeutung.

Diese Stichpunkte gehörten zu einem Dokument mit dem Titel „Abriss von Projekt 571“.Tiger wählte den Namen, weil „571“(wu-qi-yi)im Chinesischen gleich ausgesprochen wird wie „bewaffneter Aufstand“ und die Freunde dachten tatsächlich an einen Staatsstreich. Das Dokument war eine messerscharfe Kritik an Mao. China unter seiner Herrschaft wurde als „der Staat reich, das Volk verarmt“ bezeichnet, Tiger und seine Freunde wollten daraus „die Leute reich und den Staat mächtig“ machen. Erklärtes Ziel war es „den Menschen genug zu essen, Kleider und ein friedliches Leben zu verschaffen“-das genaue Gegenteil von Maos Zielen(…)Tigers Meinung über Mao unterschied sich völlig von den Ansichten der früheren Gegner Maos. Er durchschaute Mao und hielt ihn für böse und ungeeignet, das Land zu regieren. Tiger erkannte auch, dass ein Dialog oder Kompromiss mit Mao unmöglich war. In dieser Hinsicht war er fast so etwas wie ein chinesischer Claus von Stauffenberg. Tiger und seine Freunde begannen über einen Anschlag auf Mao nachzudenken ,als er merkte, dass Mao es auf seine Eltern abgesehen hatte. Die Freunde hatten viele Ideen, aber alle waren ganz allgemein gehalten, wie „Giftgas einsetzen, biologische Waffen, Bomben…“, und es gibt keine Anzeichen, dass sie jemals so weit kamen, eine Idee konkret in Angriff zu nehmen, Mao hatte strenge Gesetze, was Waffen und Truppenbewegungen betraf, und einen phänomenalen Sicherheitsapperat. Vor allem war, wie Tigers Gruppe selbst feststellte, „das blinde Vertrauen der Massen in B 52 (gemeint ist Mao, R.O.)sehr groß“(ironischerweise nicht zuletzt ein Verdienst von Tigers Vater),daher wagten sie es nicht, ihr Vorhaben anderen Freunden oder Lins Clique an der Spitze des Militärs zu enthüllen.Tiger überließ seinen Eltern eine Kopie,aber Lin blieb unverbindlich.“(S.720/721).

„Aber Tiger wollte nicht fliehen, ohne zumindestens ein Attentat auf Mao zu versuchen.Zu der Zeit befand sich Mao in der Gegend von Shanghai, wo Lin treu ergebene Offiziere Schlüsselpositionen innehatten und sogar teilweise für Maos Sicherheit im äußeren Kreis verantwortlich waren. Anscheinend erklärte sich Lin Biao in letzter Minute damit einverstanden, dass Tiger den Versuch wagen sollte(…) In Peking bat Tiger den stellvertretenden Stabschef der Luftwaffe Wang Fei, einen Angriff auf das Grundstück bei der kaiserlichen Fischteichen zu verüben, wo Madame Mao und ihre Clique lebten. Tiger sagte ihm, „im Süden“, wo Mao sich aufhielt,werde gleichzeitig ein Anschlag verübt.Wang Fei war ein guter Freund, aber seine Antwort fiel enttäuschend aus.Er glaube nicht, dass er Soldaten überreden könnte, Tigers Bitte zu erfüllen.Außerdem sei es seinen Leuten nicht erlaubt, Waffen nach Peking zu bringen.Als Nächstes traf sich Tiger mit einem ranghohen Offizier der Luftwaffe namens Jiang Teng-jiao, dem jüngsten General Chinas, der Mao aus verschiedenen Gründen hasste.Tiger bat ihn, ein Attentat auf Mao zu verüben, während dieser sich noch in Shanghai aufhielt.Jiang war einverstanden, und die beiden sprachen verschiedene Ideen durch.(…) nachdem Tiger die Ideen ausgegangen waren schickte er am 10 September einen Freund nach Beidaihe, der dafür sorgen sollte, dass sein Vater dem Stabschef der Armee, Huang Yongsheng schreib und ihn bat, mit Tiger zusammenzuarbeiten. Lin schreib den Brief, aber er wurde nicht abgeschickt. Die Verschwörer konnten Huang nicht vertrauen und fürchteten, er würde sie verraten.(…)Alle Anschlagspläne wurden verworfen, und Tiger beschloss, zum ursprünglichen Plan zurückzukehren und über Kanton nach Hongkong zu flieghen. Am Abend des 12. Septembers flog er in Lins Flugzeug, einer Trident zurück nach Beidaihe, am nächsten Morgen wollte er mit seiner Familie fliehen.(…) Dann bat Tiger fatalerweise seine Schwester Dodo, sich für den nächsten Morgen reisefertig zu machen. Dodo war zwei Jahre jünger als Tiger und gläubige Anhängerin des Systems(…) Für sie bedeutete ein Fluchtversuch ins Ausland, dass man zum Feind überlief, und das war Verrat, auch wenn sie wusste, dass ihr kranker Vater, den sie liebte, unter Maos Regime nicht lange im Gefängnis überleben würde. Als Tiger ihr sagte, sie solle am nächsten Morgen bereit sein, meldete sie das der Leibwache(…) Diese Tat besiegelte das Schicksal ihrer Familie.“

Die Geschichte endete mit dem  Flugzeugabsturz Lin Biaos und seiner Familie in Nordchina, womit Maos politischer Gegner auf der Linken ausgeschaltet wurde. Danach mußte Mao mangels Masse auf die alten, „rechten“ Kader mit Deng Xiaoping an der Spitze zurückgreifen, den er abwechselnd einsetzte und dann wieder verhaften ließ. Dass Deng Xiaoping nicht ermordet wurde, verdankte er unter anderem seinen guten Beziehungen zu Teilen der Volksbefreiungsarmee, aus deren Mitte nun auch Putschpläne gegen die Viererbande hervorgingen.

„Mao ließ Deng verhaften und in einen anderen Teil Pekings verbringen. Aber anstatt Deng auf die gleiche grausame Weise zu bestrafen wie seine anderen Feinde, fügte ihm Mao keinen Schaden zu. Das lag nicht an besonderer Zuneigung zu Deng, sondern er konnte nicht riskieren, eine Situation zu erzeugen, die womöglich Dengs zahlreiche Anhänger beim Militär zum Eingreifen veranlassen würde. Dengs Verbündeter, Marschall Yeh, war zwar ebenfalls verhaftet worden, aber er hatte weiterhin praktisch die Kontrolle über die Streitkräfte inne. In seinem Haus auf einem abgeschiedenen Militärgelände in den Westbergen empfing er einen Strom von Generälen und Offizieren(…)Die Armeeführer besprachen, was sie tun sollten. Einer mit dem Spitznamen der „Bärtige General“ drängte Yeh, sofort zu handeln und sich die Viererbande „einfach zu schnappen“. Aus Furcht vor Wanzen sprach Yeh seine Antwort nicht aus, sondern drehte den Daumen nach unten, schüttelte ihn ein paarmal und drehte ihn dann nach oben, was bedeutete: Wartet, bis Mao tot ist.“(Jung Chang, Mao, S.801).

Volksbefreiungsarmee unter Deng Xiao Ping

So erfolgte die Verhaftung der Viererbande auch bald nach Maos Tod durch Teile der Volksbefreiungsarmee und wurde die Kulturrevolution beendet. Nach dem Übergangsführer Hua Guofeng eroberte schließlich Deng Xiaoping die Macht und führte seine weitgehenden Reformen durch. Zum einen wurde die KP China von einer Führerpartei wieder zu einer kollektiv geführten Kaderpartei im leninistischen Stil zurückgeführt. Zum anderen die 4 Modernisierungen (Industrie, Landwirtschaft, Wissenschaft und Technik und Militär) und die Öffnungspolitik seit 1979 eingeführt. Deng Xiaoping achtete darauf, dass die Volksbefreiungsarmee weitgehend von politischen und zivilen Ämtern zurückgedrängt wurde und sich entpolitisierte. Der Schwerpunkt lag auf dem wirtschaftlichen Aufbau und außen- und militärpolitisch wollte er ein friedliches Profil gegenüber dem Westen pflegen.

Den Kontakt zum Militär hielt er jedoch institutionell in seiner Funktion des Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission, die er bis in die 90er Jahre innehatte, wie er auch als elder statesman  hinter den Kulissen immer noch in die Politik eingriff, wenn es ihm dringend erschien. Dies war vor allem bei der Protestbewegung 1989 der Fall, bei der Deng Xiaoping ein letztes Mal seine alten Veteranen und die zuverlässigen Teile der Partei und der Volksbefreiungsarmee hinter sich brachte, um  die Bewegung zu unterdrücken. Zumal sich unter den Demonstranten auch Kadetten der Volksbefreiungsarmee befanden und sich Teile der Armee weigerten auf die Protestierenden zu schießen.

„Am 17.Mai (1989)marschierte eine Million Menschen zum Tiananmen-Platz, den Boulevard des Ewigen Friedens in seiner ganzen Breite füllend. Zusammen mit den Studenten, marschierten Professoren und Wissenschaftler, Schriftsteller und Journalisten, Regierungs- und Parteiangestellte, Lehrer der Zentralen Parteischule, Kadetten der Volksbefreiungsarmee und sogar Angehörige des Staatssicherheitsdienstes-die meisten von ihnen hinter Schildern, die ihre Arbeitseinheit nannten. Was aber die Lage besonders bedrohlich erscheinen lassen musste, war die Tatsache, dass mit den Studenten Hunderttausende von Fabrikarbeitern marschierten (…)Die Studentenbewegung weitete sich zur Volksbewegung aus(…)Deng nahm nun die Dinge selbst in die Hand. Er mobilisierte die Parteiveteranen, die –in der Zentralen Beraterkommission zusammengefasst-eine Schattenregierung im Hintergrund bildeten, und setzte mit ihrer Hilfe im Politbüro die Entscheidung durch, das Kriegsrecht auszurufen(…) Doch die Pekinger Bevölkerung war nicht mehr einzuschüchtern. Sie glaubte wohl auch, dass die Volksbefreiungsarmee niemals auf das Volk schießen würde. In der Tat waren die ersten Soldaten, die zum Tiananmen-Platz vorstoßen sollten, offensichtlich nicht bereit, das Feuer auf Zivilisten zu eröffnen. Als ihre Panzer und gepanzerten Mannschaftswagen von Menschenmassen, quergestellten Bussen und anderen Barrikaden blockiert wurden, blieben sie hilflos stehen, manche der Soldaten verbrüderten sich sogar mit den Pekinger Bürgern. Für einen Augenblick schien es Beobachtern, dass Deng aufgegeben und Zhao Ziyang als Verhandler zurückrufen müsse. Doch wer dies glaubte, kannte Dengs eiserenen Willen nicht. Er schickte die 38.Armee, die vor den Menschenbarrikaden „versagt“ hatte, in die Kasernen zurück und ersetzte sie durch die kampfgestählten Veteranen der 27.Armee, die 1979 an der Invasion Vietnams teilgenommen hatten. Die meisten dieser Soldaten stammten-wie Deng-aus Sichuan, und es gab keinen Zweifel, dass sie jedem Befehl Dengs gehorchen würden.“( Konrad Seitz, China- Eine Weltmacht kehrt zurück S.290f.)

Neben ihrer früheren Rolle in den parteiinternen Machtkämpfen, spielte die Volksbefreiungsarmee nun  die Rolle des Herrschaftserhalters der KP China. Zwar kam es teilweise zu kurzen Auflösungserscheinungen der an der unmittelbaren Front in Peking eingesetzten Truppen, doch es wurde nichts bekannt, dass sich im Inneren oder an der Führung der Volksbefreiungsarmee eine Fraktion bildete, die sich zugunsten der Demonstranten gegen die Führung der KP China um Deng oder auf Seiten ihrer liberalen Teile um Zhao Ziyang gestellt hätte wie dies z.B. in Rumänien gegen Ceaucescu seitens des Militärs und des Komitees zur Nationalen Rettung der Fall gewesen war. Von Seiten der Demonstranten wurde keine Bewaffnung angestrebt, noch sich auf eine gewaltsame Reaktion eingestellt, auch kam es nicht zur systematischen Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten, die auch Auswirkungen auf die Kasernen oder die Volksbefreiungsarmee als Ganzes hätte zeitigen können. An eine gewaltsame Revolution oder an einen Bürgerkrieg hatten die Demonstranten von Anbeginn kein Interesse. Die Bewegung war sehr spontan entstanden und es fehlte ihr auch an  Zeit und das theoretische und praktische Wissen, um auch systematisch Agitation und Propaganda in Richtung der Volksbefreiungsarmee zu eröffnen. Zudem befanden sich breite Teile der Bewegung in der Illusion, dass die Volksbefreiungsarmee nicht auf das Volk schießen würde, dass es ein gutes Ende geben werde und war es in anderen Städten wie z.B. in Shanghai auch gelungen die Proteste ohne Militäreinsatz zu befrieden. Die Demonstranten konnten nur einen ersten Überraschungseffekt gegen die Volksbefreiungsarmee erzielen, hatte sich aber scheinbar prinzipiell mit der Gewaltfrage nicht zuvor auseinandergesetzt, sondern vertrauten auf eine friedliche Reform wie in der Sowjetunion und Osteuropa.

Volksbefreiungsarmee a.D. im Dienste einer Demokratisierung in China?

In der US-Denkfabrik Heritage Foundation machte sich zu diesem Thema Demokratisierungsstratege Larry M. Wortzel Gedanken, der zuvor Assistant Army Attache in China während des Tiananmen-Massakers1989 und 1995 Armeeattache der USA in China war, im Büro des Verteidigungsministerium im sicherheitspolitischen Stab diente und Direktor des Strategic Studies Institute des U.S.Army War Colleges in Carlisle, Pennsylvania war. In einem programmatischen Papier namens „Challenges as China´s Communist Leaders Ride the Tiger of Liberalization“ analysiert er die Verlässlichkeit der Volksbefreiungsarmee gegenüber der KP China und ihre mögliche Rolle als Unterstützer einer Demokratisierung. In dem Papier werden Trends aufgezählt, die zu einer Unterminierung der Loyalität der Volksbefreiungsarmee gegenüber der KP China führen könnten:

Demographie, Liberalisierung, demobilisierte Militärs, die mit ihrem militärischen Wissen selbst Arbeiter in Betrieben werden und schlechte Bezahlung der Militärs, sowie deren Kontakte zur Bevölkerung. So schreibt auch Konrad Seitz: „Eine dritte Welle neuer Arbeitsloser schließlich kommt auf die Wirtschaft aus der Volksbefreiungsarmee zu, die über drei Jahre hin 500 000 Soldaten entlassen muss.“ (S.380).Laut Wortzel führt die Liberalisierung und die Truppenreduzierung dazu, dass ausgebildete Militärs in die Reihen der Arbeiterklasse eintreten und diese somit potentiell eine Proliferation von Kampfwissen einhergeht. Dazu könnten viele Soldaten mit ihrem Einkommen nicht ihre Familie unterhalten und würden andere arbeitslos. Es könne mit Hilfe der alten und unzufriedenen Volksbefreiungsarmisten ein Volkskrieg gegen die Volksbefreiungsarmee organisiert werden. Dabei wird auf die Erfahrungen um das Tiananmen-Massaker 1989 als wegweisender Keim einer noch zu organisierenden Saat rekuriert.

„A Labor Force with Military Skills

The military´s problems with retention and loss of legitimacy have consequences beyond the immediate impact of its active force. The demobilized soldiers leave the PLA with military skills and training. For Beijing, this means that there are citizens throughout China who have been trained to apply violence in an organized way-and perhaps could use this skills against the government. For example, the level of military training within the general working populace was evident during the pro-democracy demonstrations surrounding the Tiananmen Square buildup in May and June 1989.Workers and students had established and manned roadblocks. At these roadblocks, organized groups of people were ready to fight the PLA troops with Molotov cocktails and to break tracks of the PLA´s tanks and armored personell carriers. Even in the agricultural villages in Beijing´s surrounding counties, organized groups of peasants blocked the military access to the cities and prepared to do battle. The protesting workers in Beijing almost uniformly had military training, and the demonstrating farmers either had seen military service or militia training. At a roadblock on the northeast side of Beijing, for example, one of the young men leading the resistance, holding bottles full of gasoline stuffed with rags hanging in bags from his shoulders, told standers-by “the PLA taught us to conduct “People´s War and we´re going to show them what “People´s War” is about.”.Such “People´s War” is the Beijing leadership´s greatest fear. The improved economy and the flexibility in the labor market have ensured that each city in China has large group of people who know how to use violence and manage force in an organized way.”

Selbst das Szenario China erst in einen Krieg mit Taiwan zu verwickeln, um die Volksbefreiungsarmee und die Kommunistische Partei bloßzustellen und deren Legitimität zu untergraben, dient Wortzel als Ausgangspunkt weiterer euphorischer  Bürgerkriegsszenarien:

„Recent examples of the internal military and security stresses faced by the Chinese Communist Party abound. In February, some 20,000 mine workers faced down the People´s Liberation Army to protest job losses, but the PLA acted to stabilize the situation. Some times later, a similar incident, took place in Liaoning, where factory workers protested and stood up to the PLA. These incidents have the potential to grow in size and seriousness, threatening the grip of the CCP.

Until recently, Beijing was always certain of the military´s support in quashing internal unrest. Today, however, domestic conditions have put a great deal of stress upon the military, making its response to unrest less predictable. If Beijing pursues its nationalist agenda and takes action against Taiwan, it may discover that the PLA, despite its modernization efforts, is not up to the task. Its failure would further undermine the legitimacy of the Communist Party leadership and the stature of the PLA as a force of repression.

The potential for civil unrest is large. Imagine the equivalent of two or three divisions of infantry, each 10,000 men strong with tank and artillery support, in rebellion each of China´s major cities because they are dissatisfied with the government policies. Add to that some rebellious mobs forming from the 100 million unemployed people concentrated in major industrial areas who are dissatisfied with the government and have basic military training. Factor in several hundred million reasonably well-off but volatile peasants on farms who are sick and tired of being gouged by illegal taxes on land, crops, and even machinery by the Communist Party cadre unchecked by a legal system”.

Es ist das erste Mal, dass sich ein höherer Repräsentant des US-Sicherheitsestablishment derart offen über eine gewaltsame Aufstandsoption in China ausläßt. Es ist jedoch bezeichnend, dass er bei aller Euphorie über die möglichen Potentiale eines Volkskrieges gegen die KP China das Ziel einer Demokratisierung gar nicht benennt. Zum einen liegt –ganz in den Kategorien eines Militärattaches denkend- die Betonung auf der militärischen Seite eines Aufstandes und wird die politische, bzw. zivile Dimension einer solchen Erhebung ausgeblendet. Welchen politischen Zielen fühlen sich die ehemaligen Mitglieder der Volksbefreiungsarmee verpflichtet? Nur gegen die KP China zu sein, sagt noch wenig über die inhaltliche Stoßrichtung dieses Resentiments aus. Sind demobilisierte Soldaten  Demokraten oder nicht eher wahrscheinlich von dem Kadavergehorsam der Armee imprägniert und noch immer autoritär geprägt? Inwieweit wären sie ein verlässlicher Bündnispartner einer demokratischen Volkserhebung und inwieweit würden sie  nicht ab einer bestimmten Phase des Konfliktes durch Zugeständnisse seitens der KP China wieder die Seiten wechseln und sich sogar gegen eine demokratische Bewegung stellen, ja vielleicht sogar als Hilfskraft bei der Unterdrückung dienen? Demobilisierte Soldaten, die politisch wurden, haben sich historisch bei politischer Radikalisierung mit antidemokratischen Zielen identifiziert und haben wie der ehemalige Gefreite Mussolini oder Hitler ihre Kritik nationalistisch aufgeladen  und faschistische Bewegungen ins Leben gerufen. Selbst wenn sie sich wie die Soldatenräte der Bolschewiki oder wie der Matrose Rudi Eglhofer in eine politisch linke Richtung entwickelten, so wären sie  radikal autoritär und diktatorisch. Genauso wie die KP China immer auf das Prinzip achtete, dass die Partei die Gewehrläufe kontrolliert, so müsste auch eine demokratische Bewegung darauf achten, dass ihr eventueller militärischer Arm nicht selbst zum Selbstläufer, Lenker und Kommandeur des politischen Geschehens wird und die Regie übernimmt mit womöglich autoritärer Stoßrichtung. Auch bestünde die Gefahr, dass sich ein ehemaliger Volksbefreiungsgarmist selber zum Kommandanten der Bewegung aufschwingt und die demokratischen Kräfte an den Rand drängt. Ebenso kann Militanz, die keine politischen Forderungen stellt zwar zu Widerstand führen, aber dies in Form ungeordneten Chaos. Eine ebenso anschließende Frage wäre, ob das militärische Wissen der ehemaligen Armeeangehörigen über Barrikadenbau und das Bauen von Molotowcocktails und Sprengkörpern wesentlich hinausreicht, d.h. ob sie neben mangelnden politischen Organisationsfähigkeiten rein militärisch betrachtet überhaupt in der Lage wären die Macht der Volksbefreiungsarmee ohne Zugang zu den Waffendepots ernsthaft zu gefährden.  Am wichtigsten aber ist, dass der Großteil der chinesischen Demokratiebewegung aber selbst auf eine gewaltlose Transformation hoffen und die Variante eines bewaffneten Aufstandes, ja eines möglichen Bürgerkrieges gar nicht als ernsthafte erste Option wählen würden, ja sich möglicherweise sogar von Gewalt distanzieren oder über die Gewaltfrage spalten würde.

Chinesische Jungtürken als Demokratiebringer?

Während der Großteil der Literatur über eine Demokratisierung China die Gewaltfrage eher unbeachtet lässt und umgeht und in der Volksbefreiungsarmee eine konservative und antidemokratische Kraft sieht, hat Alfred Chan bei der Jamestown Foundation mit seinem Artikel „A Young Turk in China´s Establishment: The Military Writings of Liu Yazhou“

(Jamestown Foundation, China Brief, Volume 5,Issue 19, September 13, 2005)

die Frage aufgeworfen, ob es innerhalb der Volksbefreiungsarmee nicht auch „Jungtürken“ gibt, die nicht nur das strategische Denken der Armee modernisieren und innovieren könnten, sondern auch für politische Liberalisierungen und Reformen eintreten. Als Indiz hierfür sieht er die Schriften des Schwiegersohnes des ehemaligen chinesischen Präsidenten Li Xiannian, des stellvertretenden Politkommisar und Lieutanant General in der Luftwaffe, Liu Yazhou.

Zum einen soll Liu Yazhou sich gegen Jiang Zemins Taiwanpolitik gestellt haben, die aus seiner Sicht auf einen Krieg hinauslief. Zum anderen sei Liu Yazhou ein Bewunderer der USA , die ihre Stärke dem demokratischen System verdanken. Auch für China sehe er Bedarf an politischen Reformen:

„Democracy, he argues in „Conversation with a Secretary of a County Party Committee”, is a demand, a way of expression, an exchange process and a way to resolve problems. Rules, fairness, and citizen consciousness, the prerequisites of democracy, all have to be cultivated. Rampant corruption is the greatest political challenge and a dictatorial system based on the monopoly of power is itself fertile ground for corruption. In contrast to Asia`s other rising power, Liu notes that China´s poor are not only deprived of adequate food and clothing but they do not even have the vote. The oppressed peasantry, Liu continues, which poses the greatest challenge to communist orthodoxy, must be thoroughly liberated and turned into citizens able to engage in active political participation. If political reform is further delayed, revolution from below may occur, he warns in “Conversation”. As a military officer Liu Yazhou´s free airing of provocative views on both foreign and domestic issues, especially his call for political reform and the freedom of expression, is unprecedented. Though a realist, a nationalist and a hardliner against Japan, Liu´s moderate views contrast sharply with those who still preach “people´s war” or the use of nuclear weapons. In his calls for new thinking and introspection, Liu represents military young Turks dissatisfied with the civilian leadership´s inability to deal with corruption and social crisis. Fears of praetorian intervention in civilian politics may be exaggerated, but the issues Liu raises are real indeed.”

In seinem Artikel  “China´s Changing Military Ideology” geht Dr. Frank Zhou auf Alfred Chans Postulierung einer Jungtürkenfraktion und deren Bedeutung für China und die USA ein, die er jedoch für ambivalent hält:

„Are we going to see more Young Turks? In an article published in China Brief 2005, Alfred Chan described Lieutenant Liu Yazhou as a “Young Turk” in China´s military establishment. Chan marveled at opinions and thinking expressed through writings and speeches by a group of Chinese military strategists under new military Khan, Hu Jintao, and called them “unprecedented” and wondered if such phenomen is a harbinger of major changes in China´s military ideology and whether a new paradigm will emerge in China´s discourse on international configuration and power allignement. Young Turks is a name given in the 20th century to the Ottomans who tried to rejunenate the Turkish empire, and bring it more into line with European ideas as opposed to Old Turks who were against such ideals. It can also refer to any group of young and relatively young men full of new ideas and impatient for change, especially radical or “progressive” element in a political party. In applying this term, Chan is making the assumption, that there is a group of Young Turks within the Chinese military, which may represent this new ideology and therefore are worth following, if one wants to wade through the murky streams of Chinese political and military apparatus(…)

Too many young Turks of Qiao Liang´s and Liu Yazhou´s kind may pose a mixed prospect for the Unites States: they are more progressive, democratic and open-minded, which may contribute to China´s eventual political reform, but they are also producing strategies that can create more difficulties for the US if there was an inevitable confrontation.”

Frank Zhou untersucht die Fälle dreier höherer Militärs der Volksbefreiungsarmee, die er als Beispiele für innovatives und freies Denken halt, die aber allesamt von der Parteiführung und der Armeeführung nicht weiter befördert wurden, wohl um schon präventiv die Saat nicht allzuweit aufgehen zu lassen. Während sich das innovative Denken von Lieutenant General Li Jijun und Colonel Qiao Liang, dem Autor von „Unrestricted Warfare“ ,vor allem auf eine Erneuerung der militärischen Kriegsführung beschränken, sei  bei Liu Yazhou auch politisches Denken in Richtung politischer Reformen vorhanden gewesen, das jedoch verschieden perzipiert worden sei:

„Liu crossed the thin line seperating politics and military affairs in his book Great Power Strategy(…) Instead of perceiving the US as an enemy, Liu tried to identify what has made the United States a great power and called for learning from and maintaining a good relationship with Washington. He also claimed that for China to sustain its economic development and join the club of superpowers, Beijing must not resort to force to unify with Taiwan, and instead should have a coherent policy to develop the Great West, and begin political reforms as soon as possible.

Liberal Chinese intellectuals see Liu as a visionary who can lead China out of the desert of Marxism and Leninism, establish a sensible policy with the West, achieve mutual understanding and reconciliation with Taiwan, and build a new military that will support China´s effort to transform its government into one with accountability and choices. Conservatives perceive him as the ultimate gravedigger for the CCP and should be dismissed from military and incarcerated if possible. Yet a third group believes that China

has suffered horrendously when the military aggressively and arbitrarily intervenes in civilian affairs and as a general Liu is not supposed to delve into domestic politics and offer recommendations on developmental and political reform policies. Since Liu´s writing began to circulate widely on the Internet in April 2004, there has been a deluge of debates on both his admirable strength as a great Chinese thinker and his evil plan to undercut the CCP and turn it over to the conniving lords in Washington. It appears that Liu has suffered a setback in his career when he missed the chance of promotion to a three-star general(the highest rank in the PLA)last year when many believed he was a shoo-in for the Position of Political Commissar of the PLA Academy of Military Science. Again one will never know if his olive branch to Taiwan or his broodings o transforming the military from a Party tool into a state institution has hurt his chances, but it is still too early to say the sun will never rise for General Liu as he is still six years away from the dreadful threshold of sixty when no promotion is possible.”

Die Tatsache bleibt, dass der Militärtypus Liu Yazhou bisher eher die Ausnahme, denn die Regel ist und der Großteil von Chinas Militär noch dem konventionellen Denken, das sich durch Konformität und strengen Gehorsam auszeichnet, verhaftet ist. Doch der Fall Liu Yazhou ist auch eine Art Präzedenzfall, dass ein Militär sich erstmals freizügig politisch äußert zu nichtmilitärischen Fragen der politischen Reformen und ihm hierbei für chinesische Verhältnisse viel Raum zugestanden wurde. Dass Alfred Chan aber keine anderen Repräsentanten oder Beispiele seiner angeblichen Jungtürken benennen kann, mag aber auch damit zusammenhängen, dass es sie (noch) gar nicht gibt.

Die genannten Fallbeispiele der VBA-Militärs Li Jijun, Qiao Liang und Liu Yazhou spielen sich jedoch vor dem Hintergrund ab, dass sich die Volksbefreiungsarmee nicht nur technologisch modernisiert, sondern ihre Offiziere auch zu innovativem, ganzheitlichen Mitdenken erziehen möchte, was auf vielerlei Widerstand konservativer Kräfte stößt.

In seinem Artikel „Soldier Scholars: Military Education as an instrument of China´s Strategic Power“ (China Brief Volume 8, Issue 4, February 14, 2008) beschreibt Thomas M. Skypek die Neuerungen im Erziehungswesen der VBA und den Widerstand, der ihnen entgegengebracht wird:

„There is another element of China´s military transformation that tends to receive much less attention: professional military education (PME).Over the last three decades, China has undertaken significant efforts to enhance the quality of its military education system. The expansion of non-commissioned officer (NCO)education over the last decade within the People´s Liberation Army(PLA) illustrates an important-yet understudied-element of China´s broader military modernization efforts. Washington policy makers should take note of Beijing´s investments in military education as they may yield key insights into Chinese military strategy as well as its grand strategy.(…) By enhancing NCO education, the PLA is able to build a cadre of “strategic tacticians” who operate at the tactical level but are cognizant of their role within the national war effort(…)In July 2007, the PLA awarded five doctoral degrees in military education from the Shijiazhuang Army Command College-a first in the history of China´s PME system. Zhang Fuqiang, writing in the PLA Daily, remarked, “This symbolizes that the PLA has moved up to a new level in the cultivation of high-level talents in the military education and training”(PLA Daily, July 27,2007).In 2001, the curriculum of the Qingzhou Non-Commissioned Officer´s School underwent significant changes with the addition of lectures and courses on strategy and information warfare. The reforms were met with minor resistance by some instructors and NCOs who insisted that matters of strategy were not the purview of the NCO corps. One student remarked, “Our duty is just to follow orders. Why do we need to study strategy?”(Huojangbing Bao, November 29,2001).”

Es ist deutlich zu erkennen, dass die Volksbefreiungsarmee weg will von dem kadavergehorsamen Soldatentyp des reinen Empfehlsempfängers, der nur seine Befehle exekutiert hin zu einem in Informationskriegsführung technologisch versierten, den gesamten Kriegsverlauf beobachtenden und strategisch mitdenkenden Soldaten. Dies ist notwendig, um mit der Revolution in Military Affairs(RMA) der USA mithalten zu können. Auch leidet die Volksbefreiungsarmee darunter, dass China seit Sun Tze außer Mao Zedong in der Neuzeit nie mehr einen bedeutenden strategischen Denker hervorgebracht hat. Daher werden im Militär auch mehr Freiräume zum Denken freigegeben, wobei sich dieses Denken vor allem auf die militärische Innovationen, seien sie technologisch oder in der Kriegsführung beschränken soll. Doch schon bei Strategiefragen kommt der Denker automatisch zu Fragen der außenpolitischen Beziehungen, die ihn schnell zu den innenpolitischen Verhältnissen führen kann, so dass die Grenze zum politisch denkenden Soldaten schnell überschritten werden kann. Selbst ein strategischer Militärdenker wie Sun Tze räumte in seiner „Die Kunst des Krieges“ innenpolitischen Faktoren wie der Moral, hier Kampfmoral des Gegners und der eigenen Bevölkerung, d.h. innenpolitischer Stabilität zwischen Herrscher und Beherrschten  hohe Priorität ein. Ab einem gewissen Grad des strategischen Denkens,d.h.strategischen Denken, das auch ernsthaft diesen Namen verdient, ist es schwierig politische und gesellschaftliche Fragen auszuklammern. Diesen Fall der Grenzüberschreitung stellen die Schriften Liu Yazhous dar und inwieweit sie zugelassen und wirksam werden oder eine isolierte Nischenexistenz tristen , ist ein Indikator für die Freiräume, die die KP China ihrem Militär einräumt und kann über den zukünftigen Gang der chinesischen Geschichte entscheiden. Diese Freiräume können darüber entscheiden, ob sich in Chinas Militär Jungtürken wie Kemal Atatürk oder Jungoffiziere wie in Ägypten unter Nasser  oder wie die Putschoffiziere in Südkorea, die sich aus demselben Jahrgang einer Militärakademie rekruierten herausbilden, die vielleicht selbst einmal die Geschicke des Landes in die Hand nehmen oder mitbeeinflussen könnten. Nicht zu vergessen sei auch die aktive Rolle, die preußische Militärs der Politisch-Militärischen Gesellschaft um Clausewitzschüler  Scharnhorst, Freiherr von Stein, u.a. bei der Reform, um nicht zu sagen Revolutionierung des deutschen Staatswesen hatten. Für eine ähnliche Rolle von Jungchinesen in der Volksbefreiungsarmee und in Chinas Gesellschaft  ist es aber wahrscheinlich noch zu früh und die KP China dürfte diese potentielle Entwicklung auch schon mitbedenken und verstärkt auf die Maxime legen:“Die Politik bestimmt die Gewehrläufe“. Man muss aber auch die Möglichkeit bedenken, dass solche Jungtürken nicht an einer Demokratisierung, sondern mehr an Effizienzkriterien gelegen sein könnte und die sich eventuell herausbildenenden Jungtürken auch als Ultranationalisten mit einer entsprechend aggressiven innen- und außenpolitischen Agenda erweisen könnten. Zwar muss man den Faktor Volksbefreiungsarmee bei einer Demokratisierung bedenken, aber Hoffnungen in eine Demokratisierung durch pensionierte Militärs oder Jungtürken zu setzen, wäre eine mehr als fragliche Angelegenheit . Zumal auch Jungtürken bisher eher dem Modell einer Entwicklungsdiktatur, denn einer Demokratisierung zuneigten. Allgemein hat das Militär in der politischen Arena der Weltgeschichte des 20. und 21 Jahrhunderts mehr eine reaktionäre oder bestenfalls passive Rolle eingenommen. In der Sowjetunion unterstützte das Militär die Reformen Gorbatschows und dann Jelzins großteils, aber in einer Situation das System selbst ans Ende gekommen war. Der Gegenputschversuch blieb weitgehend isoliert. Absolute Ausnahmen waren jene Fälle, in denen das Eingreifen des Militärs die Demokratisierung einleitete: die Nelkenrevolution in Portugal 1974, die Rolle des polnischen Militärs unter Jaruzelski, das sich der Demokratisierung Polens trotz Kriegsrechts insgesamt nicht in den Weg stellte und das rumänische Militär, das zusammen mit reformerischen KP-Funktionären und der Opposition den Weg für eine Demokratisierung ebnete. Nichts dergleichen ist jedoch bisher in der chinesischen Geschichte und beim chinesischen Militär bekannt. Dass sich pensionierte und entlassene Volksbefreiungsarmisten organisatorisch an führender Stelle bei sozialen Unruhen hervorgetan hätten, davon ist bisher kein Fall oder prominenter Anführer bekannt geworden, genausowenig, daß sich Volksbefreiungsarmisten im Volkskrieg gegen die VBA geübt hätten.

Die meisten ehemaligen Militärs scheinen sich bisher reibungslos in das soziale Leben eingepasst zu haben. Auch der Beschluss der KPChina 1997 dem Militär sein riesiges Geschäftsimperium an Privatbetrieben wegzunehmen aus der Sorge einer Kommerzialisierung und Untergrabung der Verteidigungsfähigkeit der VBA, ging ohne Proteste ,ernsthaften Widerstand oder gar Erschütterungen sehr diszipliniert und gehorsam vor sich. Bezeichnender als der Jungtürke Liu Yazhou ist eine andere Entwicklung, die sich in der Person Gao Zhisheng kristallisert. Gao war ehemaliger Soldat der Volksbefreiungsarmee, schulte zum Rechtsanwalt um und verteidigte nun nicht mehr das Vaterland, sondern Wanderarbeiter, Bauern, Arbeiter, Bürgerrechtler, Bürger und zuletzt sogar verfolgte Falungong-Anhänger. Er wurde somit zur Stimme, Interessensvertreter und Lobbyisten der Unterdrückten und offiziell als einer von Chinas 10 berühmtesten Anwälten ausgezeichnet, bevor er an das Politbüro, Hu Jintao und Wen Jiabao jeweils einen offenen Brief schrieb und –parallel zur Parteiaustrittskampagne der Falungong—aus der Kommunistischen Partei Chinas austrat, deren langjähriges Mitglied er gewesen war. Manche sehen in ihm den Falungonganwalt, ja den politischen Arm der Sekte und die Falungong preist ihn selbst als den möglichen zukünftigen Präsidenten Chinas. Folgerichtig versuchte die KP China ihn zu isolieren und unschädlich zu machen. Verhaftung und Ausweisung sind wie in all den anderen Fällen möglich, in denen die KP China jeglichen Versuch einer Oppositionsbildung im Land entwurzelt hat, sei es nun Wei Jingsheng, Hu Ping, Wang Dan oder die Mitglieder der Demokratischen Partei Chinas, die alle zuerst inhaftiert und dann in die USA ausgewiesen wurden. Nachdem Gao Zhisheng verhaftet wurde, ist er nun wieder aufgetaucht, möchte sich aber offiziell politisch nicht mehr betätigen.

Einer Fraktionierung der Volksbefreiungsarmee oder deren neue Aufspaltung in regionale Kriegsherren ist die KP China seit 1996 entgegengetreten. Zuvor war es der chineischen Armee erlaubt worden, Privatbetriebe zu betreiben. Diese Kommerzialisierung der VBA führte dazu, dass sich ein riesiges Imperium an Geschäftsbetrieben von Kosmetikunternehmen über Schweinefarmen bis hin zu High-Techunternehmen herausbildete. Ebenso wurde Chinas Militär zunehmend in illegale Aktivitäten wie Schmugglerringe involviert und für Korruption anfällig.Oberste Militärs und der damalige Verteidigungsminsiter Chi Haotian sahen die Volksbefreiungsarmee zunehmen desintegrieren und in der Verteidigungsfähigkeit des Vaterlandes geschwächt. Bei anhaltendem Trend könnten feindliche ausländische Mächte sich dies zunutze machen und die USA und Taiwan  Chinas Militärs und Generäle bestechen und kaufen. Seit 1996 wurden die kommerziellen Aktivitäten der VBA grossteils untersagt und das Firmenimperium aufgelöst. Dies geschah weitgehend ohne Proteste und Widerstand.

Kurz: Auf unzufriedene Ex-Militärs oder Jungoffiziere in der VBA, sowie auf Fraktionierungen innerhalb der Volksbefreiungsarmee zu hoffen, ist für eine Demokratisierung eine sehr waghalsige und spekulative Angelegenheit.Ohne reale Massenmobilisierung, die in China mindestens 100 Millionen erfordern würde, ist solch ein Einlenken des Militärs nicht denkbar.

Dennoch zeigen die Ereignisse in Nordafrika, dass Militärs eine sehr ambivalente Rolle einnehmen können. In Ägypten stellte sich das Militär auf die Seite der Demonstranten und scheint nun eine ähnliche Rolle einzunehmen, wie das türkische Militär als Wächter der türkischen Demokratie.In Libyen laufen ganze Teile des Militärs über,erringen Demonstranten Panzer und bewaffnen sich, obwohl man eher dachte, dass Ghaddaffi „die chinesische Lösung“ durchziehen würde,aber „die chinesische Lösung“ scheint angesichts des Massenprotestes und der Entschlossenheit der Ghaddafi-Gegner nicht mehr durchsetzbar. China ist viel grösser als Ägypten oder Libyen, deswegen bräuchte es viel mehrer Menschen, die aufbegehren.Vor allem die Falungong visiert die Hunderte von Millionen Bauern an, die kein eigenes Land haben, während die Demokratische Partei und die Charta 08 von Liu Ciaobo mehr auf das städtische Bürgertum zugeschnitten ist.Aber dass beide zusammen hier einen nenneswerten Aufstand initieren können, das ist nicht auszuschliessen.Die Alarmsirenen in Peking schrillen bereits trotz Bismarckschem „Demokratieverbot und Sozialgesetzen“.

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