Wider die Verharmlosung der Muslimbruderschaft

Wider die Verharmlosung der Muslimbruderschaft

Es ist seit den arabischen bürgerlich-demokratischen Revolutionen in Nordafrika in Mode gekommen, die Muslimbruderschaft zu verharmlosen. So etwa in dem Beitrag in Foreign Affairs:

The Muslim Brotherhood After Mubarak

What the Brotherhood Is and How it Will Shape the Future

CARRIE ROSEFSKY WICKHAM is Associate Professor of Political Science at Emory University [1].

With the end of the Mubarak era looming on the horizon, speculation has turned to whether the Muslim Brotherhood will dominate the new Egyptian political landscape. As the largest, most popular, and most effective opposition group in Egypt, it will undoubtedly seek a role in creating a new government, but the consequences of this are uncertain. Those who emphasize the risk of „Islamic tyranny“ aptly note that the Muslim Brotherhood originated as an anti-system group dedicated to the establishment of sharia rule; committed acts of violence against its opponents in the pre-1952 era; and continues to use anti-Western, anti-Zionist, and anti-Semitic rhetoric. But portraying the Brotherhood as eager and able to seize power and impose its version of sharia on an unwilling citizenry is a caricature that exaggerates certain features of the Brotherhood while ignoring others, and underestimates the extent to which the group has changed over time.

http://www.foreignaffairs.com/articles/67348/carrie-rosefsky-wickham/the-muslim-brotherhood-after-mubarak

Im wesentlichen wird derfolgt argumentiert: Die Muslimbruderschaft sei zwischen einem alten gerontokratischen und jungen modernistischen Flügel gespalten. Golineh Atai erklärte bei Anne Will im ARD gar, in der Muslimbruderschaft gebe es einen jungen und alten Flügel und  eine eigene Art Frauenbewegung. Deutsche Orientalisten sehen mehrheitlich in der Muslimbruderschaft gar eine neue AKP, die Ägypten modernisieren werde. Und dann wird auch noch unterschieden: Es gäbe einen karitativen Flügel der Muslimbruderschaft, der den mangelnden Sozialstaat in Ägypten ersetze und nur den wohlfahrtlichen Zielen verpflichtet sei, während ein kleiner Teil davon separat ein noch  antisemitischer, islamistischer Restverband sei, den man zu negieren habe. Desweiteren wird darauf hingewiesen, dass die Muslimbruderschaft keinen Gottesstaat mehr wolle und sich ganz legalistisch in das Parteienspektrum eingebracht habe: “Realpolitik unter islamischen Vorzeichen“ sei zu erwarten (Verfassungsschutzbericht NRW 2006). Desweiteren wird argumentiert, dass die Muslimbruderschaft noch keine Partei mit eigenem Programm und eigenem Führer sei, sich also noch aufspalten und moderieren werde.

Es ist richtig, dass die Muslimbruderschaft momentan noch keinen auserkorenen Führer und ein Parteiprogramm hat. Aber das wird kommen UND: Ihre Mindestforderung wird die Scharia und ein Staat gemäß der Scharia werden. Hassan El- Banna hat das Programm hierfür geschrieben und davon weicht die Muslimbruderschaft auch bis heute nicht ab. Dass die Muslimbruderschaft keine Theokratie und Gottesstaat fordert, hängt damit zusammen, dass sie selbst kaum nennenswerte Theologen auf ihrer Seite hat, geschweige denn einen ägyptischen Khomeini. Das bedeutet aber nicht, dass die Muslimbruderschaft nicht einen islamistischen Staat fordern würde. Dass die Muslimbruderschaft karitative Institutionen unterhält, ist richtig, aber es wäre genauso zu sagen: Die NSDAP hatte eine SA und die SA hatte Suppenküchen und deswegen wäre die SA die dominante Richtung und nur eine sozialkaritative Organisation gewesen. Wohlfahrtsinstitutionen aufzubauen,um einen Staat im Staate zu etablieren und zur Rekrutierung von Anhängern zu nutzen, die den säkularen Staat unterminieren und stürzen wollen, ist der eigentliche Zweck, nicht Humanität.Da werden Zweck und Mittel ein wenig verwechselt. Die sogenannte Frauenbewegung der Muslimbruderschaft fordert ebenso nur Gleichberechtigung unter der Scharia—ist also keine Frauenemanzipationsbewegung, sondern auf die Unterwerfung der Frau unter den Mann angelegt. Die Muslimbruderschaft wie die tunesische Muslimbruderschaftspartei Ennadha als muslimische CDU zu erklären, übersieht, dass es eben schon eine Abspaltung von der Muslimbruderschaft in dieser Richtung gibt: : die Wasat-Partei.Und auch die AKP von Erdogan will keine islamische Demokratie wie uns dies islamophile Spinner von SPD, Grünen oder US-Demokraten einreden wollen, sondern eine islamistische Diktatur, wenngleich nicht ala Iran als Theokratie, sondern mittels einer Massenpartei, die eine Präsidialdiktatur will, ganz demokratisch gewählt und mit den dann auch definitiv letzten Wahlen. (http://arabist.net/post-islamist-rumblings-in-egypt-the-emergence-of-the-wasat-party/Siehe schriftliche Version:Post-Islamist rumblings in Egypt: the emergence of the Wasat party.Source: The Middle East Journal, Summer 2002 v56 i3 p415(18).).

D iese hat sich gerade aus der Unveränderbarkeit und Unbelehrbarkeit der Muslimbruderschaft –trotz ihres angeblichen Flügels an Jungreformern–abgespalten, weil sie eben weiß, dass die Muslimbruderschaft eine islamistische Vereinigung ist, für die der legalistische Weg nur der Kurs Hitlers nach seinem gescheiterten Putsch an der Feldherrenhalle 1923 ist: In die Parlamente gehen und sich legal erscheinen zu lassen, aber eben nichts an ihrem radikal-islamischen Programm abzuschreiben.

D.h.: Die Muslimbruderschaft wird die größte ernstzunehmende anitsäkulare und antiwestliche Organisation sein in Post-Mubarak-Ägypten. Sie zu isolieren, zu spalten und zu bekämpfen, wird die größte Herausforderung für die säkularen Kräfte in Ägypten sein. Dies wird nur in Kooperation mit dem ägyptischen Militär und unter Auflage von Sozialprogrammen gehen, die den Muslimbrüder ihren direkten Zugriff zu den armen Schichten in Ägypten verwehrt. Ob dies aber geschehen wird, bleibt fraglich. Denn neue Mittelschichten sind meist gefühlsarm gegenüber unteren Schichten. Aber eine Art Bismarck: Islamistenbekämpfung bei Sozialgesetzgebung wäre für Ägypten eine wichtige Sache. Momentan ist die Muslimbruderschaft noch in der Defensive, möchte angeblich nicht einmal einen eigenen Präsidentschaftskanidaten stellen, aber sie wird die Zeit der nächsten 5 Jahre nutzen, um sich für die kommende Offensive vorzubereiten.

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