Die Hartz-Maschine:propagandistische Einstimmung auf die Agenda 2020

Die Hartz-Maschine:propagandistische Einstimmung auf die Agenda 2020

Auf Phönix lief gerade die Dokumentation „Die Hartz-Maschine“.Zum einen wird da berechtigte Kritik geübt, z.B. dass Betriebe ihre Ausbildungskosten auf den Staat abwälzen oder eben die Tafeln zu ihrer Müllentsorgung missbrauchen. Sicherlich sind auch einige der sogenannten Qualifizierungsmassnahmen kritikabel. Dennoch ist der Film ein Vorgeschmack auf die kommende Agenda 2020 unter Merkel-Steinbrück und wird das holländische Modell gepriesen.Die Diskussion um eine neue Agenda 2020 hat schon längst begonnen,. wenngleich sie aus bewussten Gründen noch nicht öffentlich gemacht wird–als Beispiel: http://ftp.iza.org/sp24.pdf

Wahrscheinlich wird diese Agenda 2020 dann auch noch von einer Ruckrede des neuen Bundespräsidenten Gauck garniert, wonach Freiheit mehr individuelle Selbstverantwortung und weniger Staat bedeute.Vielleicht wird uns der Protestant Gauck auch noch über die Vorteile protestantischer Arbeitsethik aufklären über die Max Weber ja so treffend schrieb als dem „Geist des Kapitalismus“ oder vielleicht würde er uns auch noch die USA oder die Armenhäuser Hollands des 19.Jahrhunderts empfehlen–zumindestens wird schon wieder vom holländischen Modell und seiner Arbeitsethik gesprochen. Da im Sog der Finanzkrise überall Sparpakete aufgelegt werden und die Banken als Hauptprofiteure geschont werden, wird hier wohl am wahrscheinlichsten bei den Sozialausgaben gekürzt und muss man da eine dementsprechende Stimmung in der Bevölkerung herstellen, die nach Zwangsarbeit und noch drastischeren Zwangsmassnahmen gegen Hartz-4-ler, Sozialhilfeempfänger und Langzeitarbeitslose schreit, während der Staat selbst die noch arbeitende Bevölkerung weiter entrechtet und in Billiglohnsegmente treibt, sowie bei den Rentnern kürzt. Oder wie  CDU-Kauder die kommende Agenda 2020 ohne grosses Kauderwelsch auf die Kurzformel brachte: „Die Finanzindustrie regulieren, die Realwirtschaft deregulieren“. Da sich die Nationalstaaten mit dem internationalen Finanzkapital nicht anlegen wollen, bleibt es eben auch nur bei der Forderung nach noch mehr Deregulierung der sogenannten Realwirtschaft. Aber all diese Kürzungen werden noch hingenommen, solange man noch eine Sau hat, die unter einem steht und die man schlachten kann.Wir dürfen uns also schon freudigst neuen Diskussionen stellen, in denen das holländische Modell oder die Suppenküchen der USA als Vorbild gepriesen werden.Der Film muss aber selbst ganz kurz zum Schluss über das holländische Modell noch eingestehen:

„Einen negativen Effekt hat das allerdings auch: Die Angestellten der Kommunen und beauftragten Betrieben der Privatwirtschaft werden reduziert, da viele Tätigkeiten von Arbeitslosen übernommen werden.“

Kurzum: Sozialversicherte Arbeitsverhältnisse werden durch Minijober und 1-Eurojobs verdrängt–man produziert damit wieder die nächsten Arbeitslosen!!Letztendlich läuft dies auf Lohndumping und Entrechtung der Arbeitnehmer hinaus. Ebenso tendenziös ist die Darstellung von Hartz-4-Empfängern und Langzeitarbeitslosen als arbeitsunwillige Sozialschmarotzern, die sich durch Tafeln durchfuttern und vom Staat alimentieren lassen.Dass Menschen nicht jeden Drecksjob annehmen wollen oder zwischen verschiedenen Alternativen wählen wollen können,wird da schon als indiskutabel dargestellt—freie Berufswahl—vergiss´es!! Friss´Vogel oder stirb!! Der Film ist ein Beitrag, um von der Bankenkrise und deren Profiteuren abzulenken und den öffentlichen Fokus und Hass wieder gegen sozial Unterpriviligierte zu lenken, Zwangsarbeit zu fordern und die von der sich andeutenden Grossen Koalition unter Merkel-Steinbrück abzeichnende Agenda 2020 propagandistisch vorzubereiten.

Als Kontrast: Auf RTL 2 lief das neue Magazin „Investigativ“. Ich war jedoch angenehm überrascht.Es zeigte Hartz-4-ler als reale Menschen mit all ihren Nöten, Träumen und Wünschen. Der Reporter ging zusammen mit Hartz-4lern einkaufen, besuchte die Tafeln, liess alleinerziehende Mütter ausgiebig zu Wort kommen, informierte über von Hartz-4-lern selbst in die Hand genommene Initiativen und Projekte–alles in einer entspannten Atmosphäre ohne sensationsheischende Aufputschstimmung.Das Sahnehäubchen des Berichts: Der in allen Talksshows gehypte Vorzeigesozialschmarotzer der Nation Arno Dübel. Nachgewiesen wurde, dass Herr Dübel sich über eine Medienagentur vermarkten lässt und pro Auftritt etwa 1000 Euro kassiert. Das Fazit des Reporters: „Dieser Sozialschmarotzer diskreditiert die Millionen Hartz-4-Empfänger und Arbeitslosen“. Der Bericht hob sich angenehm ab von der Hetzsendung auf Phönix „Die Hartz-Maschine“. Nun ja, das scheint eher der Unterschied: RTL 2 dürfte wohl als Zielgruppe mehr ein Hartz-4-Sender sein, während Phönix als Bildungsbürgersender mehr soziadarwinitisch-sarrazinische Verachtung für die Unterschichten zum Ausdruck bringt.

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Hier noch kurz die Inhaltsangabe der Phönix-Dokumentation „Die Hartz-Maschine“ durch den Sender für alle, die den Film noch nicht gesehen haben und der Link, für alle, die sich ihn noch ansehen wollen:

http://www.youtube.com/watch?v=R1C9nmntOmc

Die Hartz-Maschine

Geschäfte mit der Arbeitslosigkeit

In Deutschland existiert ein ganzer Wirtschaftszweig, der Dauerarbeitslosigkeit und Armut verwaltet. Um die Bundesanstalt für Arbeit hat sich ein Kreis von sogenannten Bildungsträgern gebildet, welche Dauerarbeitslose in den Arbeitsmarkt integrieren sollen – hier winken Milliardengeschäfte, finanziert aus Steuermitteln.

Arbeitslos: Strickseminare und Theaterkurse?

Egal, wie stark die Konjunktur ist, bei den Langzeitarbeitslosen tut sich nichts. Die Bundesanstalt für Arbeit räumt ein, dass über die Hälfte von ihnen „Kunden mit komplexer Profillage“ seien. Das ist auf Hartz-Chinesisch die Beschreibung für „nicht mehr vermittelbar“. Um diese Personen kümmern sich verstärkt Bildungsträger und machen damit Milliardengeschäfte. Für nicht vermittelbare Arbeitnehmer gibt es Strickseminare, Ausbildungs-Supermärkte mit Gummi-Eiern, Theaterkurse und Telefonausbildung. Diese ganzen „Maßnahmen“ werden angeboten, damit Langzeitarbeitslose einen geregelten Tagesablauf erlernen und wissen, wie eine moderne Supermarkt-Kasse funktioniert.

Das Problem: Diesem Wirtschaftszweig rund um die Langzeitarbeitslosen geht es umso besser, je mehr Menschen auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Jeden Monat kassieren die oft gemeinnützigen Bildungsträger 500 bis 800 Euro pro Teilnehmer von den Jobcentern für solche oft halbjährlichen Kurse. Manche Arbeitslose sitzen bereits zum fünften Mal im Seminar „Wie bewerbe ich mich richtig?“.

Das Milliardengeschäft der Bildungsträger

Das Jobcenter finanziert den Kurs für Gerüstbauhelfer für Thyssen-Krupp.

Fernfahrer werden mit Geldern des Jobcenters qualifiziert. Spediteure aus der Privatwirtschaft können sich so teure Ausbildungsmaßnahmen sparen, der Steuerzahler springt ein. Auch Gerüstbauhelfer werden von den Jobcentern ausgebildet. Früher erledigten das die Firmen selbst – heute können sich die Betriebe, die wenig qualifizierte Arbeitnehmer suchen, das Geld für Ausbildung auf Kosten der Steuerzahler sparen. Für alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen waren im Haushaltsplan 2010 noch Ausgaben in Höhe von 16,67 Milliarden Euro eingeplant. Bei Förder- und Qualifizierungsprogrammen, wie bei der beruflichen Weiterbildung, wurden 2011 allerdings Gelder gestrichen. Die Bundesregierung hatte die Mittel für diese Leistungen von 6,6 Milliarden im Vorjahr auf 5,3 Milliarden Euro 2011 verringert.

Die Hartz-Maschine brummt

Die Entsorgung von Biomüll kostet die Berliner Tafel 40.000 Euro im Jahr, finanziert aus Spenden.

Doch nicht nur die Träger der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen profitieren, sondern auch ganz gewöhnliche Supermärkte. Eine gute Idee hat absurde Folgen. Sogenannte Tafeln bieten bedürftigen Harz-IV-Empfängern an, kostenlos abgelaufene aber dennoch verzehrbare Lebensmittel abzuholen. Bundesweit holen etwa 4500 Tafel-Fahrzeuge in Geschäften welkes Gemüse und abgelaufene Lebensmittel ab – alles gegen Spendenquittung. Die Spende lässt sich für die Unternehmen zu 100 Prozent von ihren Steuern Absetzen. Und einen weiteren Vorteil hat die „Spende“. Die Supermärkte bestehen immer darauf, dass alles abgeholt wird, selbst wenn es schimmelt und fault, denn so sparen sich die Betriebe teure Entsorgungskosten, die dann die gemeinnützigen „Tafel-Organisationen“ aus Spendengeldern tragen müssen. Die „Tafeln“ sind in vielen deutschen Großstädten stark verbreitet und es gibt mehre Organisationen und Anlaufstellen für Harz-IV-Empfänger, um sich mit kostenlosen Lebensmitteln zu versorgen. Es entsteht eine Parallelwelt der Lebensmitteltauschgeschäfte, die „Tafeln“ als subventionierte Billigfoodkette.

Klagewelle gegen Hatz IV – auch Anwälte verdienen

Manche Spediteure lassen die Arge ausbilden: Der LKW-Führerschein wird vom Jobcenter bezahlt.

Die Klagen gegen Harz IV nehmen seit Jahren stark zu. Die Regelungen sind oft schwer verständlich, die Sachbearbeiter entscheiden auch öfters zu Ungunsten der Betroffenen und liegen im Dschungel der Sozialgesetze auch das ein oder andere Mail daneben. Für Rechtsanwälte sind Hartz-IV-Klienten gute Kunden, denn das Honorar kommt vom Staat. Harz-IV-Empfänger können sich für die Erstberatung einen sogenannten Beratungsschein beim Amtsgericht besorgen. Die kosten für die Beratung übernimmt die Staatskasse, doch verdienen wird ein Anwalt an so einem Beratungsgespräch nichts, denn die anrechnbaren Leistungen liegen bei nur 25 Prozent eines normalen Satzes. Doch kommt es zu einer Klage des Arbeitslosengeld-Beziehers, so steigen die verminderten Sätze, die der Rechtsanwalt verdient, bei der sogenannten Prozesskostenhilfe auf bis zu 80 Prozent des Üblichen. Über die Masse an Verfahren kann sich ein Anwalt so ein gutes Auskommen sichern.

Alle schielen nach Holland

Theaterkurs – bezahlt vom Jobcenter

Auch für die Immobilienbranche sind Hartz-IV-Bezieher solvente Mieter, denn das Amt zahlt prompt und pünktlich. Der Vermieter kann sich vom Leistungsempfänger die Miete abtreten lassen. Dann zahlt das Amt direkt auf das Bankkonto des Vermieters ein. In manchen Stadtteilen haben sich Vermieter regelrecht auf Empfänger des Arbeitslosengelds II (ALG II – so heißt Harz IV offiziell) spezialisiert. Die Mieten befinden sich genau an der oberen Grenze, was die Ämter pro Quadratmeter zahlen. Studenten und Arbeitende beschweren sich, dass sie bei der Wohnungssuche nach billigem Wohnraum gegenüber den Arbeitslosen von den Vermietern benachteiligt seien.

Wenn es um Modelle gegen Arbeitslosigkeit geht, wird gerne zu unseren holländischen Nachbarn geschaut. 2004 haben die Niederlande radikale Reformen eingeführt. Das Ergebnis war eine erhebliche Reduzierung der Arbeitslosenquote auf knapp vier Prozent. Das holländische Prinzip ist ähnlich den deutschen Fortbildungsmaßnahmen – jedoch konsequent zu Ende gedacht. Wer die – im Vergleich zu Deutschland höheren – Leistungen beziehen möchte, wird nachdrücklich zu Eigenleistungen gezwungen: Schneeschipper, Stadtparkreiniger oder Einkaufshelferin für Alte und Schwache. Zuhause bleiben dürfen holländische Arbeitslose nicht. Jeder Jugendliche unter 27 bekommt ein Angebot, sei es ein Job oder eine Ausbildung. Einen negativen Effekt hat das allerdings auch: Die Angestellten der Kommunen und beauftragten Betrieben der Privatwirtschaft werden reduziert, da viele Tätigkeiten von Arbeitslosen übernommen werden.

Sehen Sie am Freitag, 17. Februar 2012 um 20.15 Uhr einen Film von Rita Knobel-Ulrich. Sie hat sich bei denen umgesehen, die mit der Arbeitslosigkeit in Deutschland gutes Geld machen.

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