Empire—US-Afrodallas aus dem Gangsterrapmilieu

Empire—US-Afrodallas aus dem Gangsterrapmilieu

Die Serien afroamerikansicher Provinienz im Fernsehen sind übersehbar: Die Cosby Show, What´s up, Dad, Der Prinz von Bel Air, Alle unter einem Dach, Alle hassen Chris und nun Empire. Die Cosby Show war so die erste afroamerikanische Serie, die eine schwarze Mittelschichtsfamilie schilderte, die es zu Erfolg gebracht hatte, sehr spießig und sehr bürgerlich lebte, ihre Kinder vor bildungsfernen schwarzen Mitmenschen und dem Ghetto fernhielt und ein sehr pädagogisches Programm war, um das Abrutschen der Kinder in leistungsfeindliche Einstellungen zu verhindern. Man blieb als schwarze Mittelschicht, der Vater Arzt, die Mutter Rechtsanwältin mit ihrem Familienanhang unter sich und seinesgleichen, besuchte ausnahmsweise einmal in der endlosen Serie ein Ghetto um an einer Charityaktion teilzunehmen, um zu zeigen, dass man seine „Wurzeln“nicht vergessen habe, die ansonsten ausgespart blieben. Die Serie blieb ansonsten ohne politische Anspielungen, thematisierte keine Rassenkonflikte. Cosby wurde auch zugute gehalten, dass er die Schwarzen als Bestandteil der WASP-Mittelschicht salonfähig gemacht habe und der telegene Wegbereiter einer angepassten schwarzen Mittelschicht, die von der weißen Ober- und Mittelschicht akzeptiert wurde, ja auch letztendlich der Wegbereiter für den Aufstieg Obamas war.

What´s up, Dad wiederholt das pädagogische Konzept der Cosbys, wobei sich der schwarze Vater maximal auf eine pädagogisch nicht wertvolle gezeugte Frühschwangerschaft seines Sohnes als Maximum der Konflikte einlassen muss und ansonsten die Kinder ewig mittels Law- and-Order-Pädagogik davon abhält unter Stand abzusinken.Aber alle Konflikte bleiben ansonsten außen vorgehalten.

Von anderer Qualität war da wieder „Der Prinz von Bel Air“mit Will Smith. Hier kommt ein Ghettojugendlicher, der sich mit einer Gang angelegt hat zu seinem reichen und erfolgreichen Onkel, der in einer Villa in Bel Air wohnt.Hier treffen die unterschiedlichen Lebensstile beider schwarzen Klassen aufeinander, wird der Onkel und die Tante auch an ihre afroamerikanischen Afropop-und discozeiten erinnert, wie auch in einer Seire eine ehemalige befreundete Black-Power-Terroristin, die vom FBI wegen eines Bombenattentats gesucht wird, in der Villa Unterschlupf findet.Letztendlich wird sie zwar ausgeliefert und sie meint auch zu Will, dem Prinz von Bel Air, der ihre Revolution stilistisch nachahmen will, dass er zu einer anderen Generation gehöre, er sie nicht nachäffen solle und dies andere Zeiten gewesen wären. Zum Ende wird die Blackpoweraktivistin auch dem FBI rechtstaatlich ohne jegliche Subversivität ordnungsgemäß überstellt.Ist die Cosbyshow eher eine Vermeidung sozialer Konflikte, thematisert sie der Prince von Bel Air gerade, aber eben systemaffin und harmonsieriert sie als klassenübergreifenden Kompromiss zwischen den Lebenstilen.

Desweiteren gab es auch noch die völlig unpolitische Serie „Unter einem Dach“, die eine nette schwarze Polizistenfamilie zeigte, bei der sich die Hauptkonflikte in Form einer verhinderten Liebesbeziehung zwischen dem exzentrischen nachbarjugendlichen Brillenmonster Steve Örkel und der Polizistentochter abspielten, der dann in einem modisch gekleideten Alter Ego die Schöne wieder erfolgreich beziertst, aber die Serie hatte keinerlei politische oder soziale Bezüge. Die völlige Nullserie.

Anders „Alle hassen Chris“:Die Serie spielt im Brooklyn der frühen 1980er-Jahre und behandelt ironisierend Themen wie Vorurteile bedingt durch Rassismus, das Außenseiterdasein und auch die in einigen New Yorker Vierteln herrschende Armut. Als Sohn einer afro-amerikanischen Familie muss die Hauptfigur Chris den Alltag meistern. Dabei wird er ständig von seiner jüngeren, intriganten Schwester Tonya schikaniert und von seiner Mutter Rochelle mit Pflichten belastet. Rochelle zeichnet sich durch ihren Stolz aus, der sich als Running Gag durch die Serie zieht: So kündigt sie besonders am Anfang der ersten Staffel in fast jeder Folge aufgrund von Kleinigkeiten ihre Arbeit mit der Begründung, dass sie nicht darauf angewiesen sei, weil ihr Mann zwei Jobs habe. Ihr Mann Julius ist deshalb oft sehr erschöpft. Die Familie verfügt über ein geringes Einkommen, weshalb Chris auch die alte Kleidung seines jüngeren, aber körperlich größeren Bruders Drew auftragen muss. Daher und weil Chris zunächst der einzige Schwarze an seiner Schule ist, wird er oft Opfer von Schulschläger Caruso und anderer Rowdys an seiner Schule. Sein Schulalltag ist außerdem von ungerechten Lehrern geprägt und sein bester Freund Greg ist auch sein einziger. Zudem wird Chris ständig davon genervt, dass ihm Obama als ersterschwarzer US-Präsident vorgehalten wird und ähnliches von ihm erwartet wird–ganz aktuell und nicht mehr in den 80ern.

Spielt „Alle hassen Chris“ noch eher im proletarischen Millieu, so nun die neue Serie „Empire“ im aufgestiegenen Gangsterrappermileu.Kurz: Wenn man als Schwarzer aus der Unterschicht in die Oberschicht nicht mittels Bildung und Studium aufsteigt und aufgrund des Ghettos den Kämpfergeist des Kapitalismus eben völlig internalisiert hat.Ein Gangster und Gangsterrapper hat Karriere gemacht und ist nun Chef einer der bedeutendsten afroamerikanischen Plattenimperien, der Erfolgstyp und neue Saubermann in der Black Community, der inzwischen auch die Akzeptanz der weißen Ober.- und Mittelschicht erreicht hat.  Mit seiner Ex-Frau Cookie hat er aber sein Startkapital über viele kleinkriminelle Drogengeschäfte und Gaunereien zustande gebracht, gibt sich der Firmenpatriach nun bieder und angepasst, beherrscht alle Political Correctness im Umgang mit den Medien und in der Musik, nicht zuletzt, um auch die Zielgruppe weißer Jugendlicher und ihrer Eltern für Rapmusik zu gewinnen. Während er musikalisch und geschäftlich aufstieg, saß seine Frau für ihn im Knast, wird durch ein FBI-Zeugenprogramm frühzeitig entlassen und fordert nun ihren Anteil an der Firma wie sie auch seine Erinnerung an seine Unterschichtenroots und die angeblich authentische schwarze Musik ist. Auch andere Gestalten aus seiner Vergangenheit verlangen eine Partizipation an dem Geld und drohen Details seiner Vergangenheit zu lancieren. Da Firmenchef Lucious Lyon einen Börsengang seines Empire plant, zumal auch todkrank an ASL erkrankt ist und unter seinen drei Söhnen einen Nachfolger für sich und seine AG sucht, versucht er alle Störfaktoren mittels Mord, Betrug (falsche Arzttestamente,etc.) auszuschalten, wobei er auch seinen ehemaligen Weggefährten Banky erschiesst.

Anders als die Cosbyshow oder Der Prinz von Bel Air, wo die handelnden Schwarzen keine kriminelle Vergangenheit und Gegenwart hatten, sondern ehrliche Aufsteiger  mittels Bildung und Studium sind, wird in Empire die Wechselwirkung zwischen Kapitalismus und Sozialdarwinsismus gezeigt, wo man sich eben auch mittels krummer Mittel im Schein der Legalität und des Saubermannimages durchsetzt. Dem Börsengang und dem kapitalistischen Verwertungsprozess wird alles untergeordnet, auch die ganze Familie, wie auch zu allen Mitteln gegriffen. Von daher ist Empire ein ganz gutes Portrait des Kapitalismus, wie aber des afroamerikanischen Gangsterrapmilieus, der Musikindustrie, die auch politische Themen, wie Obama als ersten schwarzen Präsidenten, die Nation of Islam, die Inhalte der Rapmusik inklusive Homophobie oder Förderung von Gewalt beleuchtet.

Ein Bekannter meinte: Das sei nur das übliche „Bad Guy“-Kitsch der Gangsterrapszene, ich selber sehe da zwar ein US-Afrodallas oder US-Afrosopranos aus dem Gangsterrapmilieu, aber gleichzeitig ist diese Serie tiefgründiger, da sie mit politischen  Themen , den Projektionen und den Images spielt, ja auch einen ganz guten Einblick in die Musikindustrie und die schwarze Subkultur gibt, die nun auch Mainstreamkultur wurde.Bezeichnend auch der Dialog zwischen Lucious Lyon und seiner Frau Cookie. Lucious weigert sich der Nation of Islam finanzielle Unterstützung zu geben, da diese ja rassistisch sei. Cookie meint: „Ja und?! Amerika ist eine rassistische Gesellschaft.“ Es bleibt offen, wer seit den Erschießungen Schwarzer infolge von Polizeigewalt oder dem Anschlag auf die Civil-Rights-Schwarzenkirche in Charleston sowie 8 anderen Schwarzenkirchen mehr recht hat. Ob wohl Obama Empire ansieht, wenn er da schon selbst als Verräter seitens Lucious Sohn Hakeem bezeichnet wird? Empire behandelt letztendlich die Frage, inwieweit der Kapitalismus eine integrative Funktion auch für kriminelle Unterschichten entfalet, also ein Integrator ist, der alle religiösen, rassischen, nationalen, sozialen, geschlechtsspezifischen Unterschiede zwischen den Menschen nivelliert und jedem eine Chance gibt, der nur will, kurz: Es geht um den American Dream des Reichwerdens unabhängig von Klassen-, Rassen, Geschlechts-, Religionszugehörigkeit und sexueller Orientierung, der unbegrenzten sozialen Mobilität im Land der begrenzten Unmöglichkeiten. Wenn ein Schwarzer US-Präsident werden kann, kann dann auch ein krimineller Gangsterrapper Chef eines Firmenimperiums werden? Aber die Grundsatzfrage bleibt: Darf man erfolgreich werden, wenn man kriminell war und auch noch ist und auch Morde begeht? Da bin ich mal gespannt auf die Auflösung von Empire und mit welcher Moral  die Serie daraus hervorgeht. Scheitert Lucious Lyon und das gesamte Empire, wird ein sauberer Nachfolger gefunden oder kommt er mit seinen kriminellen Morden durch oder wird ein irgendwie gearteter Kompromiss gefunden? Inzwischen ist die Serie zu Ende. Leider blieb sie weit unter meinen anfänglichen Erwartungen, da sie alle politischen Bezüge oder milieuanalystischen Momente zugunsten eines reinen Familiendramas und des familiären Nachfolgekampfes rauskippte, das Ganze nur noch ein kitschiges Afrodallas wurde, zudem der Patriarch dann auch für sein Verbrechen ins Gefängnis geht, zumal mit der Pointe, dass seine tödliche Krankheit eine Fehldiagnose war. Schade, Empire hätte viel Potential für einen Aufklärungsthriller über die Black Community und ihr Innenleben, sowie ihr Zusammenwirken mit der restlichen US-Gesellschaft gehabt.

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