Börsencrash in China? Sündenbocksuche statt Kapitalismusanalyse

Börsencrash in China? Sündenbocksuche statt Kapitalismusanalyse

Während alles von Griechenland und Europa redet: Wie bewertet man dann Chinas vermeintlichen Börsencrash? Schon werden Horrorszenarien mit Rückwirkungen auf chinesische Realwirtschaft und die Weltwirtschaft an die Wand gemalt.Meiner Ansicht nach wird das Ganze etwas zu alarmistisch gesehen.
Die chinesische Börse hat nach einem Höhenflug um 150% in einem Jahr einen Rückschlag um 30% erhalten.What goes up, must come down. Dabei wird aber übersehen, dass sich der Börsenwert in den letzten Jahren mehr als verdoppelt hat–also selbst im Falle heftiger Verluste dürften da viele immer noch enorme Gewinne gemacht haben. Ebenso scheint die Regierung und/oder ein Konsortium von Börsenbrookern gewillt zu intervenieren–also das Horrorszenario innerer Unruhen und eines Crashs ist wahrscheinlich zu senstationslüstern düster gemalt.Nun sucht man dazu einen Sündenbock und findet ihn in den USA:

„Schuld daran, dass innerhalb von nur drei Wochen umgerechnet 2,4 Billionen Dollar Kapital von 90 Millionen chinesischen Anlegern vernichtet worden ist, sei die amerikanische Investmentbank Morgan Stanley, schrieb die Zeitung „Financial News“ in einem programmatischen Leitartikel. Das Blatt, dem Chinas Reformer Deng Xiaoping einst den Namen gab, ist das offizielle Verlautbarungsorgan der chinesischen Zentralbank. Chinas Aktienkurse seien erst stark gefallen, nachdem Morgan Stanley ihren jahrelang positiven Ausblick auf chinesische Aktien geändert und öffentlich zum Verkauf geraten habe. Die Amerikaner verfolgten „geheime Motive“. „Wollen internationale Investmentbanken Chinas Reformprozess stören?“, fragt das Notenbankblatt, das 1987 von der Kommunistischen Partei gegründet wurde.“

Die Gründe für die Bewertung von Morgan Stanley werden gar nicht beleuchtet, auch keine Angaben zu den Fundamentaldaten der chinesischen Wirtschaft gemacht. Vergessen scheint schon, dass die KP China ja selbst erklärte, dass das Zeitalter doppelstelliger Wachstumsraten in China vorbei sei, die Wachstumsaussichten selbst heruntersetzte, zumalvor den Gefahren einer Immobilienblase sowie von immensen Überproduktionskapazitäten in vielen Branchen der chinesischen Wirtschaft warnte und Morgan Stanley hierbei wohl etwas Realismus in den völlig überbewerteten chinesischen Aktienwerten, die zumal den grössten Börsenboom in der chinesischen Geschichte darstellen, vornahm.Eine ebenso unendliche Geschichte sind die Verschuldung chinesischer Kommunen und Staatsbetriebe–seit über 20 Jahren wird in regelmäßigen Abständen vor einem Bankencrash gewarnt, ohne dass bisher jemals etwas passiert wäre.Dazu wird mal wieder mit Superlativen gearbeitet. Zum einen die Zahl, dass der Verlust an der chinesischen Börse 10 mal der Wirtschaftskraft Griechenlands ausmachen würde–dabei ist die griechische Wirtschaft doch eher ein Zwerg–was soll also dieser irreführende Vergleich mit Suggestionswirkung? Damit soll wohl suggeriert werden, wenn 1 Griechenland schon Euroland in die Krise reinziehen kann, welche Auswirkungen hätten dann 10 Griechenlands in China, Asien und der Weltwirtschaft? Man hätte auch 100 Lehmannpleiten als Propagandabild verwenden können.Dann ist die Rede, dass der Aktienmarkt seinen Wert innerhalb eines Jahres um 150% gesteigert hätte–da sind 30% Verlust nicht viel.Eigentlich eine normale Korrektur der überbordenden Märkte. Zumal es nur 90 Millionen Aktionäre in China gibt, die anderen 1,2 Milliarden Chinesen davon also überhaupt nicht direkt betroffen sind. Und über die Auswirkungen auf die Realwirtschaft sind die Ökonomen auch gespalten. Während die einen ein mittleres 1929 kommen sehen, verweisen andere auf den US-Börsencrash von 1987, der ohne wesentliche Rückwirkungen auf die Realwirtschaft ablief. Wahrscheinlich dürfte sich also das Wachstum etwas verlangsamen, aber ob dies schon innere Unruhen und die soziale Stabilität gefährdet, ja gar Asien oder die Weltwirtschaft–mal dahingestellt.

„Ein Land steht unter Schock – und beginnt eine chaotische Hetzjagd auf vermeintlich Schuldige für das jähe Ende einer ein Jahr währenden Hausse, die als die größte in der Geschichte gilt. Jeden Spätabend, zwischen neun und elf, spielt Chinas Regierung dieser Tage das „Blame Game“: Wem alles könnte man die Schuld für das Desaster zuschieben? Schließlich ist der jüngste Kursverlust so groß wie seit 1992 nicht. Was seit dem Höchststand des Indizes Schanghai Composite vom 12. Juni an Marktkapitalisierung vernichtet wurde, übertrifft den Wert des griechischen Bruttoinlandsprodukts um das Zehnfache. Selbst 1997 fiel der Rückgang der Kurse in China kleiner aus, dem Jahr der Asien-Krise. 470 von 2800 auf dem chinesischen Festland zugelassenen Aktien waren laut der Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag deswegen vom Handel ausgesetzt. Allein in der zurückliegenden Woche hatten 100 Unternehmen ihre Titel wegen zu großer Verluste vom Markt nehmen lassen.
„Es ist ein Desaster“
Die Politik ist in Panik angesichts der immer schlechter werdenden Stimmung im Land. Am Donnerstagabend kündigte die Börsenaufsicht an, wegen angeblicher „Marktmanipulation“ zu ermitteln. Vor allem auf die Leerverkäufer hat sie es abgesehen, die auf fallende Kurse wetten. Die Schanghaier Terminbörse CFFEX hat 19 Leerverkäufer vom Handel suspendiert.
Doch die Ablenkungsstrategie verfängt nicht. „Die Regierung soll den Markt nicht mit leeren Worten retten, sondern mit Geld“, sagt Analyst Fu Xuejun von Huarong Securities. Würde die Blase platzen und Chinas überhitzte Börsen einen Crash hinlegen, treffe das Banken, Konsum und Unternehmen. Fu sieht die soziale Stabilität in Gefahr: „Es ist ein Desaster.“ Gefährlich ist, dass nicht nur Kleinanleger im Internet wegen ihrer Verluste wüten, sondern auch die Elite verloren hat: Umgerechnet 34 Milliarden Dollar haben Chinas 45 Reichste laut Bloomberg allein im Juni an Aktienvermögen eingebüßt.(…) Doch das Vertrauen in den Staat ist dahin. Den Regulatoren und ihren Beteuerungen, die Kurse würden irgendwann wieder steigen, sei nicht zu trauen, heißt es unter den Kommentatoren in Chinas sozialen Medien. Die Regierung stelle den Anlegern eine „Falle“, die alle Investoren „in den Tod reißen“ werde. Selbst ranghohe Beamte, die öffentliche Sicherheit garantieren sollen, lassen im persönlichen Gespräch ihrem Ärger über die eigenen Verluste Lauf und schimpfen auf die Regierung, sie müsse Schutz bieten.“

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/boersen-maerkte/chinas-baisse-wird-zur-nationalen-krise-13683605.html

Bedrohlich ist da scheinbar, dass es vor allem reiche Chinesen, geschäftstüchtige Kader, Sicherheitskräfte und andere Oberschichtenmitglieder erwischte, obwohl sie wahrscheinlich trotzdem immer noch Gewinne gemacht haben.Und warum „das ganze Land“ im Schock sein soll, erklärt sich auch nicht, wenn China nur 90 Millionen Aktionäre und Anleger hat und 1,2 Milliarden dies nicht sind.Da steht wohl vor allem ein sehr ausgewähltes Eliteelement der Gesellschaft unter „Schock“, das den Hals gar nicht voll genug bekommen konnte. Es scheint weniger die Angst vor Rückwirkungen auf die Realwirtschaft oder gar des normalen Volkes inklusive eines Volksaufstandes zu sein, sondern vor allem die Reaktion der chinesischen Oberschicht und Oligarchen und deren Loyalität, die die Regierung zum Reagieren nötigt.

„Doch das Vertrauen in den Staat ist dahin. Den Regulatoren und ihren Beteuerungen, die Kurse würden irgendwann wieder steigen, sei nicht zu trauen, heißt es unter den Kommentatoren in Chinas sozialen Medien. Die Regierung stelle den Anlegern eine „Falle“, die alle Investoren „in den Tod reißen“ werde. Selbst ranghohe Beamte, die öffentliche Sicherheit garantieren sollen, lassen im persönlichen Gespräch ihrem Ärger über die eigenen Verluste Lauf und schimpfen auf die Regierung, sie müsse Schutz bieten.
Regierung könnte Rettungsfonds auflegen
Chinas Regierung lernt die Kehrseite der eigenen Finanzmarktpolitik kennen. Ein Jahr lang hat sie das Volk mit Propaganda zum Kauf von immer mehr Titeln getrieben, hat Liquiditätsschübe ausgelöst und die Kurse in der Folge um bis zu 150 Prozent nach oben gepeitscht.
Nun verdichten sich die Gerüchte, die Regierung werde einen Rettungsfonds zur Stützung der Kurse auflegen. Dieser Fonds müsse zwischen 500 und 1000 Milliarden Yuan (75 bis 150 Milliarden Euro) schwer sein, fordert Chefanalyst Li Huiyong von Shenwan & Hongyuan Securities, 1996 in Schanghai als erstes Brokerhaus in China gegründet und mit Kapital von umgerechnet 5 Milliarden Euro. Li fordert: „Ranghohe Regierungskader sollten öffentlich zu den Anlegern sprechen, um den Markt zu beruhigen.“ Präsident Xi Jinping persönlich müsse in einer Regierungsansprache den Chinesen den Glauben in die eben noch amtlich propagierte und nun bereits stotternde Geldmaschine namens Börse zurückgeben, schreiben Analysten.Dass die Zentralbank vor einer Woche gleichzeitig die Reserveanforderungen der Banken sowie die Zinsen gesenkt hat, um die Kreditvergabe anzukurbeln, habe die Kurse offensichtlich nicht stark genug beeindruckt, sagt Ökonom Yuan Gangming von der führenden Regierungsdenkfabrik Chinesische Akademie der Sozialwissenschaften im Gespräch mit dieser Zeitung. Ein Crash habe „gigantische Auswirkungen“ auf die chinesische Realwirtschaft: „Der Aktienmarkt hat jeden einzelnen Teil der Wirtschaft durchdrungen.“
So sei Chinas junge Internetwirtschaft vom Aktienmarkt abhängig, weil sie von den Staatsbanken kein Kapital erhalte. Der Wissenschaftler mit Funktionärsstatus gibt die Richtung vor, in die Chinas Politik nun marschieren dürfte: „Wir können uns keinen Crash erlauben. Was die Regierung bisher getan hat, um den Markt zu stützen, ist bei Weitem nicht genug. Doch nun hat sie die bedeutende Rolle der Börsen für Chinas Wirtschaft erkannt. Wir werden bald fundamentale geldpolitische Maßnahmen sehen.““

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/boersen-maerkte/chinas-baisse-wird-zur-nationalen-krise-13683605.html

 

Vielleicht sollte die KPChina ihren Mitgliedern auch mal eine Kapitalschulung verpassen, in dem sie den marxistischen Grundsatz lernen, dass die kapitalistische Krise, wie auch der Boom eben Bestandteil aller kapitalistischen Entwicklung ist. Aber dies zeigt, wie wenig die chinesischen Kommunisten noch marxistisch sind, sondern eben vor allem Propagandatheorien von der „harmonischen Gesellschaft“ und „dem friedlichen Aufstieg Chinas“ und den Kräften des Marktes als harmonischem Projekt Glauben schenken. Dass  solch Idealismus da mal zwischenzeitlich  enttäuscht werden kann, scheint die einzige Besorgnis der Partei zu sein.Ebenso zeigt dieser Fall, unter welchem hohen Erwartungsdruck bezüglich Wachstumsraten die Partei steht und sich, aber auch die Gesellschaft setzt.

Aber die chinesische Opposition, vor allem die Falungong sucht die Schuldigen für den Börsencrash in der Kommunistischen Partei , portraitiert den Börsensturz als vermeintlichen politischen Machtkampf zwischen  Jiang Zemin und Xi Jinping, der mittels gezielter Börsenmanipulation herbeigeführt wurde, wobei völlig unklar bleibt, was denn nun das Motiv und das Ziel gewesen sein soll–Bereicherung, politische Schwächung des jeweiligen anderen,etc. -hier wird verschwörungstheoretisch ein normaler kapitalistischer Börsensturz ebenfalls als politisches Wirken dunkler Netzwerke der verschiedenen Fraktionen der KP China propagandistisch ausgeschlachtet–so heißt es im Falungongzentralorgan „Neue Epoche“:

„Was ist nur mit Chinas Börsen los? Nachdem fünf führende Experten von offensichtlichen Manipulationen gesprochen hatten, nahm gestern die Börsenaufsicht Stellung: „Böswillige Leerverkäufe bei Futures haben zu einem Crash der A-Aktien geführt“, so ein Sprecher. Man werde eine Sonderermittlung einleiten, um den Spuren illegaler marktübergreifender Manipulation und Steuerung nachzugehen.Innerhalb von drei Wochen sind an Chinas Börsen 2,125 Billionen Euro verpufft, das entspricht dem zehnfachen BIP Griechenlands. Durchschnittlich verlor jeder Anleger 320.000 Yuan (rund 46.500 Euro).(…)

Mit Futures manipuliert

Führende Finanzexperten analysierten auf der Phönix Finanzwebsite: „Starke Kräfte“ hätten die Leerverkäufe der letzten Zeit verursacht. „Diese Kräfte verfügen über sehr große und starke Finanzmittel, über sehr viel Erfahrung und waren sehr gut vorbereitet.“ Die Manipulatoren seien systematisch vorgegangen und hätten die Reaktionen und Hebelwirkungen zu unterschiedlichen Zeitphasen gekannt. Sie nutzten Aktien der CSI 500 Futures, ETFs und andere Finanzderivate in geschickter Kombination. Ihre Aktionen waren derart auf einander abgestimmt, dass sie keinesfalls von unabhängigen Einzelperson stammen konnten. Es waren Experten mit Taktik und Erfahrung.Einige Beobachter sagten darauf ganz klar: Der Machtkampf zwischen Staatschef Xi Jinping und seinem Amtsvorgänger, dem 88-jährigen Jiang Zemin, hat das Börsenparkett erreicht. Jiang kontrollierte über ein Netzwerk von Gefolgsleuten auch nach seinem Amtsausscheiden weite Teile von Chinas Politik, Sicherheitsapparat und Wirtschaft. Ein Problem, gegen das Xi mit eiserner Hand und seiner „Anti-Korruptionskampagne“ vorging. Mittlerweile ist Jiangs Einfluss auf den Finanzsektor zusammengeschmolzen, weshalb dieser ein Hauptschlachtfeld der beiden Kontrahenten geworden ist.

http://www.epochtimes.de/Maechtige-Manipulatoren-Chinas-Boerse-ist-jetzt-politisches-Schlachtfeld-a1251827.html

Während also die KPChina die USA und Morgan Stanley als Sündenbock des Börsensturzes propagandistisch an die Wand malen, so wiederum die chinesische Opposition, vor allem die Falungong die KP China. Als Kapitalismuskritik oder gar als Analyse der ökonomischen Vorgänge darf man dies jedoch nicht verstehen. Dass Kapitalismus eben nach jedem Boom mit Krisen einhergeht, seien es nun Überproduktionskrisen, Finanzkrisen und Börsenstürzen, dieser einfache Zusammenhang soll gar nicht hergestellt werden. Genauso wie in kommunistichen Systemen immer Saboteure oder feindliche Agenten als Ursachen für die nichterfolgte Erfüllung des Plansolls ausfindig gemacht und beseitigt wurden, nie das System als Ursache ausgemacht wurde, so sehen kapitalistische Apologeten da nur Manipulatoren, zuviel Staatseingriffe, Individueen wie Soros oder einzelne Marktteilnehmer wie Lehmann oder unproduktive Gesellschaftsgruppen als die Saboteure eines sich ansonsten harmonisch vollziehenden und ewig prosperierenden Kapitalismus ohne Krisen. Die ganz einfache Tatsache, dass zu jedem Boom eben systembedingt eine Krise im Kapitalismus gehört, interessiert diese Leute nicht und da sind sie so dogmatisch wie ihre kommunistischen Gegenüber. Inzwischen ist der Börsensturz mittels Regierungsintervention vorläufig gestoppt. Westliche Medien sehen nun auch das chineische Modell des staatsregulierten Kapitalismus in der Krise und am Ende, die Legitimität der KP China infrage gestellt. So etwa die WELT in dem programmatischen Artikel „Die dramatische Krise des gelenkten Kapitalismus“:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article143749820/Die-dramatische-Krise-des-gelenkten-Kapitalismus.html

Interessant, dass westliche Journalisten im Falle der Finanzkrise 2008 da nicht auch den ungelenkten Kapitalismus westlicher Prägung samt Washington Consensus grundsätzlich infrage gestellt haben. Hier wird schon wieder der Eindruck erweckt, dass Börsenstürze ala China nur Resultat staatlicher Intervention und Regulierung seien. Richtig ist zwar, dass diese kapitalistische Entwicklungen zwar etwas beschleunigen oder aber auch verlangsamen können, aber sie verursachen nicht die zyklischen Überproduktions-, Finanz- und Börsenkrisen des Kapitalismus. Diese sind systemimmanent und auch ein unregulierterer Kapitalismus westlicher Provinienz verhinderte eine Finanzkrise 2008 ja auch nicht. Dass also eine weitgehende Liberalisierung des chinesischen Wirtschaftssystems wie westlicherseits und von der chinesischen Opposition immer gefordert auch eine krisenfreie Entwicklung bedeuten würde, ist nicht anzunehmen. Vielleicht sogar das Gegenteil. Jedenfalls haben beide Systeme, der Washington und der Beijing Consensus nun eine relative Delegitimierung erfahren.

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