What if… migration was class struggle?

What if… migration was class struggle?

Eine grundsätzliche Frage, die ich mir mal überlegt habe: Wären die Bedenken vieler Teile der Bevölkerung gegenüber Migranten und Flüchtlingen so groß, wenn sie wüssten, dass es sie gar nichts kosten würde? Wenn die Frage der Finanzierung, Steuererhöhungen, Flüchtlingssoli, Kürzung in anderen Bereichen, um einen ausgeglichenen Haushalt und eine schwarze Null aufrechtzuerhalten oder Neuverschuldung nicht auf sie zurückfiele? Wenn z.B. die Linkspartei die Finanzierung der Integration und der Unterhaltung der Neumitbürger, Fachkräfte, neuen lohndrückenden Reservearmee und Hartzempfänger mittels einer Millionärssteuer und anderer Solibeiträge für die Oberschicht fordern würde? Wenn die Linkspartei sozialen Wohnungsbau für alle fordern würde, wenn die sozial schwachen Migranten  in den Reichen- und Mittelstandsvierteln einquartiert würden? Wenn die Industrie und die Wirtschaft für die Fortbildung, Sprachkurse und die weitere Integration selbst aufkäme?Wenn die Kommunen die Lohnerhöhungen der Kita-Pädagogen nicht aufgrund der Mehrausgaben für Flüchtlinge infrage stellen könnten? Wenn Hartz4-empfänger nicht darum bangen müssten, dass ihnen die ohnehin mageren Bezüge infolge Sozialabbaus gekürzt werden? Wenn man also aus der Migrationsfrage eine ausschliesslich soziale Frage und letztendlich Klassenfrage macht? Zum einen ist auffällig, dass dies nicht einmal die Linkspartei  fordert, zum anderen ist absehbar, dass dies auf wütenden Protest stossen würde aus im wesentlichen zwei Gründen: Zum einen würden die besitzenden Schichten dies verweigern, es als Aufgabe von „uns allen“ proklamieren, wobei der“ deutschen Wirtschaft“ keine Lasten im globalen Standortwettbewerb auferlegt werden dürften, sondern man diese Lasten dem Staat und der ansonsten steuerzahlenden Bevölkerung aufhalsen will, vor allem wenn die deutsche Konjunktur einmal—wie abzusehen- auch wieder in eine rezessive Phase kommt, allein schon um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zum anderen bestünden selbst bei Negierung sozialer Kosten nationale Bedenken in Sachen Selbstverständnis von deutschem Volk, Staatszugehörigkeit und eigener Identität und Leitkultur. Zum einen werden die Migranten als kulturfremd und nichtdeutsch angesehen, auch auf interkulturelle Differenzen und Integrationsprobleme verwiesen, die viele als unüberwindbar oder gar zu einem neuen Bürgerkrieg eskalieren sehen oder mehr Kriminalität, Terrorismus, abnehmender Einheit des nationalen Konsenses aufgrund neuethnischer Gruppeninteressen. Anhand dieses Gedankenspiels kann man sehen, dass es nicht nur die Ängste vor sozialen Kosten sind, die die bisherigen Biodeutschen umtreiben, auch wenn eine Linkspartei hier einen Klassenkampf führen wollte. Die Migrationsfrage hat eben neben den ökonomischen Aspekten zumindestens eine staatsidentitäre, sicherheitspolitische und kulturelle Dimension, die man ebenso addressieren sollte, mit der die Linke aber in diesen Ausmassen noch nie konfrontiert war. Vor allem im Zentrum steht die Frage des herkömmlichen Nationalstaats–soll er denn noch solch eine homogene Staatsbevölkerung, ein dominant deutsches Volk haben oder sich nicht funktional nur noch in die Produktions- und Reproduktionsbedingungen eines globalistischen Kapitalismus einreihen, wo nur noch die Füllung der demographischen Lücke, der Erhalt von Fachkräften und Nachwuchs, auch als Konsument das Ziel ist und dies auf der gewöhnten Anstammung und der bisher gekannten Dominanz der deutschen Bevölkerung sekundär wird? Was soll man dem entgegensetzen? Den Weltbürger, eine Weltregierung, die Weltföderation, die Vereinigten Staaten von Europa, ein soziales Europa, ein sozial-ökologisches Europa, einen Weltsowjet, Seperatismus oder eben doch den Nationalstaat. Viele Nationalisten werden sich eben auch als nationale Humanisten sehen, die eben Angst haben, dass Flüchtlinge die nationalen Sozialetats, die gemeinsame Quelle der nationalen Solidarität überlasten. Die Solidarität und Empathie des nationalen Humanisten gilt dem nationalen Kollektiv und nicht allgemein dem Menschen.Am deutlichsten kann man dies in der NPD-Parole “Sozial geht nur national” sehen. Die Flüchtlingsfrage rührt eben auch an einem identitären Kern: Begreift man sich als Deutscher, als Europäer, als “globalen Menschen”, als “demokratischen Humanisten” (unabhängig von der Nation). Diesen alten identitären Spannungsbogen zwischen Nationalismus und Internationalismus gab es schon bei der Arbeiterbewegung und im Kommunismus und erlebt im Zeitalter der Globalsierung und der Massenmigration seine Renaissance. Viele nehmen den Nationalstaat noch als sozialen Schutzraum für eine nationale Volksgemeinschaft wahr, da sie in der EU einen solchen (noch) nicht finden (es gibt nur eine unverbindliche Sozialcharta und der deutsche Sozialstaat ist in vielen europäischen Ländern noch gar nicht existent) und da es keine Weltregierung oder einen Weltstaat gibt, bzw. die UNO auch ein denkbar zerstrittener Verein ist, orientieren sich halt viele noch am Nationalstaat., speziell die Deutschen im deutschen Sozialstaat, da dieser eine weltweit führende Errungenschaft ist, den es vielerortens im unsozialen Dunkeleuropa und der Dunkelwelt nicht gibt. Der alte Gegensatz zwischen Nationalismus und Internationalismus kommt hier wieder auf, vor allem in der Globaliserung. Oder soll man den Dreiklang Region als Heimat, Deutschland als Vaterland und Europa als Zukunft ala CSU gehen, der ein wenig an die Dreifaltigkeit des Christentums erinnert oder moderner ausgedrückt: Eine multiidentitäre Identität? An dieser staatsidentitären Frage setzen ja alle Überfremdungsängste an, alle Theorien des „Volksmordes“, des „Bevölkerungsaustausches“ oder aber verschwörungstheoretisch „Kalergiplänen“.Zum zweiten hat Angela Merkel ja in ihrer Rede gesagt, dass Deutschland Migrationswellen immer integriert hat. Seien es jetzt die 15 Millionen Vertriebenen der ehemaligen deutschen Ostgebiete, seine es die Gastarbeiter der 50er und 60er Jahre, sei es die Integration der Ostdeutschen in Gesamtdeutschland, die zumeist nach Westdeutschland siedelten infolge der Wiedervereinigung, seien es die Balkanflüchtlinge infolge des Jugoslawienskrieges. Also alles machbar. Dennoch ist klar, dass sich die ethnische Zusammensetzung des deutschen Staatsvolkes infolge der Gastarbeitermigration und nun neuen Migration –anders als bei der deutschen Migration der Vertriebenenflüchtlinge aus den Ostgebieten und der deutschen Wiedervereinigung– verändern wird inwieweit sich diese kulturell integrieren oder nicht selbst Ansprüche auf ihre herkunftskulturellen Traditionen fordern, inwieweit sie arbeitsmarkttechnisch integrierbar sind und inwieweit es die Alteingessenen nicht als Gefahr sehen oder aber eine neue Generation diese heutigen Differenzen zu einer neuen Identität verschmelzen wird.  Von daher stehen staatsidentitäre und kulturelle Fragen ebenso oben an, wie die rein ökonomistischen und sozialen Fragen. Kurz: Die Veränderung des Nationalstaats in der Globalisierung. Die grüne Taz hat in ihrem Artikel „Das neue Deutschland“ einmal die Auswirkungen der Migration skizziert:

„Es bleibt die mentale Schwierigkeit selbst der Gutwilligen und Hilfsbereiten, sich auf derart rasanten sozialen Wandel einzustellen und dermaßen „andere Verhältnisse“ zu antizipieren, ohne nervös zu werden. Das bewundernswerte Improvisationstalent, das in verschiedensten Initiativen jetzt zum Vorschein kommt, muss enttäuschungsresistent werden. Einwanderungsgesellschaften heizen die soziale Konkurrenz an, sie lassen ethnische Nischen und Religionsgemeinschaften zu, die schwer in unser Staat-Kirchen-Verhältnis hineinpassen, und sie sind für native speaker irritierend vielsprachig. (…) Ähnlich hochgespielt werden in Einwanderungsgesellschaften Identitätsfragen. Multikulti, wir sagen es seit Jahrzehnten, bedeutet eine anstrengende Daueraushandlung von Normen und Werten. Dass Konflikte gewaltfrei zu lösen, Frauen und Mädchen zu respektieren und andere Konfessionen unbedingt zu tolerieren sind, bleibt klar und sollte nicht „postkolonial“ relativiert werden. Aber auch diese Selbstverständlichkeiten muss man in Institutionen und Alltagssituationen immer neu plausibel machen und einüben.(…)

Wert- und Verteilungskonflikte

Sie wird dieses Land nicht nur beim Brandschutz verändern. Wie die Bundesrepublik alt 1990 etwas weniger gläubig, weniger westlich und kurzzeitig weniger „durchmischt“ wurde, wird die Bundesrepublik neu von erheblich mehr Nichtweißen, Gläubigen und Menschen bevölkert sein, die Bürgerfreiheiten bisher selten in Anspruch nehmen durften und mit demokratischen Prozeduren wenig Erfahrung haben. Deutschland wird Wert- und Verteilungskonflikte erleben, gewohnte Routinen und symbolische Ordnungen werden herausgefordert.(…) Aus Menschen, die derzeit in Notaufnahmen oder auf Transitwegen zu sehen sind, werden Nachbarn, Kollegen und Wettbewerber um Transferleistungen, Lohneinkommen und öffentliche Güter wie Bildung und Gesundheit – und dies vor dem Hintergrund seit Jahren wachsender sozialer Ungleichheit. Und es kommt eine ganze Generation begeisterter Konsumenten in ein Land, das sich im Blick auf den Klimawandel und andere Übel gerade postmateriell einzustellen begonnen hat.

Der von Rechtspopulisten geschürte Verdacht, vor allem die Ärmsten müssten die Kosten der Masseneinwanderung tragen, muss effektiv widerlegt werden. Migration stellt oft manchesterkapitalistische Verhältnisse (wieder) her, aber sie stellt auch die soziale Frage in größerer Schärfe.

Mittel- und langfristig mag sich Migration rechnen, indem sie Arbeitsmarktlücken und Rentenlöcher stopft und Steuersäckel und Sozialkassen füllt, kurzfristig kommt es jedoch zu Belastungen, die auch die Mittelschichten treffen werden und ihre Willkommensbereitschaft erschüttern können. Einwanderung löst dann eine neue Gerechtigkeitsdebatte aus, die Reiche und Superreiche in Zugzwang bringen sollte.“

http://www.taz.de/Folgen-der-Zuwanderung/!5224379/

Wäre also eine originäre Aufgabe für die Linkspartei, doch hört man wenig. Und Gerhard Schröder hat jetzt eine Agenda 2020 angesichts der Migration gefordert, wobei zu befürchten ist, dass er damit weiteren Sozialabbau meint.Doch wie schon herausgestellt, geht es nicht nur um die ökonomischen Lasten, sondern auch um staatsidentitäre Fragen, das demokratische Selbstverständnis und kulturell–falls falsch behandelt-um einen „Clash of civilizations/Kampf der Kulturen“. Aufgabe linker Politik wäre es die soziale Frage mit der staatsidentitären Frage, die die kulturellen Werte der Aufklärung und Moderne ebenso verteidigt und nicht in allem „Fremden“ oder „Flüchtling“a priori den guten Menschen und nur das arme Opfer oder aber das vermutete und erhoffte neue revolutionäre Subjekt sieht.

“Bei der Linken hat die Idealisierung des Fremden eine lange Tradition. Der Publizist Frank A. Meyer hat mir vergangene Woche eine interessante Erklärung gegeben, warum so viele Leute links der Mitte dazu neigen, in jedem Asylbewerber gleich einen Neubürger zu sehen. Für die einen sei der Flüchtling der “edle Wilde”, wie schon Rousseau ihn erträumte, ein Geschöpf, das von der Moderne noch nicht verdorben sei. Die anderen imaginieren in ihm die “Auferstehung des Proletariers”, der ihnen in den Kulturkämpfen der Vergangenheit abhandengekommen sei, und auf dem nun die Hoffnung ruht, dass er den Kampf gegen den Kapitalismus wieder aufnimmt. Dazu muss man wissen, dass Meyer politisch eher den Sozialdemokraten nahe steht. Außerdem ist er Schweizer, die dürfen so etwas sagen.” (Jan Fleischhauer im SPIEGEL). Flüchtlingen Schutz zu gewähren ist richtig, sie aber pauschal als Verbündete zu erklären, ist falsch.Einfaches Beispiel: “Die Syrer”als Kriegsflüchtlinge scheint auch etwas idealisiert. Zwischen den Syrern dürfte es auch verschiedene politische Gruppen und soziale Klassen  geben–von demokratisch-säkularen über Muslimbrüder und andere Islamisten–gemeinsam ist eigenlich nur, dass sie vor Assad und dem IS fliehen, aber das heißt noch lange nicht, dass es nicht auch einen größeren Anteil sonstiger Islamisten unter den Flüchtlingen geben könnte. Die Auseinandersetzungen im Flüchtlingslager Suhl um den Koran gibt da ja mal einen Vorgeschmack. Zudem muss man auch sehen, dass auch rechte, fundamentalchristliche und islamistische Gruppen in Fragen sozialer Gerechtigkeit verbal mit der Linken mithalten können, da aber klare staatsidentitäre Vorstellungen vom faschistischen Volkstaat bis zum Gottesstaat hat, während die Linken bestenfalls die Idee von einem sozial gerechten Europa haben, das sich aber immer sozial ungerechter gebärdet Nicht alles , was sozial geknechet ist, ist deswegen schon automatisch fortschrittlich und in der Moderne angekommen, nicht alles, was sich der Aufklärung verpflichtet sieht, ist automatisch sozial oder humanistisch–siehe z.B. Geert Wilders oder die Libertären.

 

 

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