Philosemitismus als partielles Gegenstück zum Antisemitismus

Philosemitismus als partielles Gegenstück zum Antisemitismus

Der Vorwurf des Antisemitismus wird oft erhoben, weniger geläufiger ist der Vorwurf des Philosemitismus, der zumeist auch gar nicht als Vorwurf gilt, da wer für Juden sei, eben nicht gegen diese sei und daher kein Extremist , Rassist,etc. sein könne. Oft wird Antisemitismus mit rechts, bzw. rechtsradikal gleichgesetzt und Philosemitismus mit positiv und nicht rechtsradikal.Dennoch zeigt sich, dass die heutige Rechte, wie auch die Linke sich innerhalb ihres eigenen Spektrums über die Frage der Positionierung zum Judentum und zu Israel selbst wieder spaltet und diese Lager stehen sich sehr unversöhnlich gegenüber. NPD und FPÖ auf der Rechten, BAK Shalom und die Antiimperialisten in der Linkspartei seien als Beispiele des Streits zwischen Antisemitismus/Antizionismus und Philosemitismus nur kurz genannt.Dabei ist auch schon die Fragestellung ob man für oder gegen („die“) Juden sei (oder alterntaiv für oder gegen „die“ Palästinenser/“die“Muslime) auch schon etwas seltsam, da hier ja auch die pauschalsierende Positionierung zu einem völkischen /religiösen Kollektiv beansprucht wird. Man sollte sich nicht dazu hinreissen lassen in den Kategorien rassischer, völkischer, religiöser oder kultureller Kollektive zu argumentieren, sondern sich immer das ganze Spektrum an politischen und ökonomischen Gruppen ansehen, ihre jeweiligen Positionen und welche man für unterstützenswert hält, als Pauschaliserungen über Völker , Religionen, Klassen oder Kulturkreise ala Samuel Huntingtons „Clash of Civilizations“ oder „Who we are“ oder Francis Fukuyamas „Ende der Geschichte“mit der globalen Mittelklasse als neuer Träger des historischen Materialismus eines weltweiten Liberalismus vorzunehmen. Philosemitismus speist sich aus drei wesentlichen Quellen:

Der primäre, pseudomachiavellistische Philosemit ist wie der Antisemit der Ansicht, dass die Juden die Welt beherrschen oder zumindestens eine wesentliche Macht konstituieren würden, zumal ein sehr intelligenter, gerissener und durchtriebener Menschenschlag (wie man selbst–wahrscheinlich auch eine gute Portion Selbstprojektion), ja fast eine überlegene Rasse, Religion, Herrscher des Finanzkapitals und Geldes oder Kultur seien, mit denen man sich besser nicht anlegt, sondern sich besser gutstellt. An ihnen komme keiner vorbei, der an die Macht will. Ganz Machiavellist und Scheinrealist will er sich dann mit den vermeintlich Mächtigen verbünden und an ihrer Seite die Welt beherrschen und unterdrücken. Bestes Beispiel hierfür ist der Philosemitismus von Tojo-Japan, welches wie sein Achsenverbündeter Nazideutschland davon ausging, dass die Juden die Welt beherrschten, aber anders als die Nationalsozialisten daraus den Schluss zogen, dass man die Juden nicht vernichten, sondern sich eben mit ihnen verbünden müsse. Genau über die Frage Antisemitismus ala Hitler oder Philosemitismus ala Tojo-Japan waren die beiden besten Achsenverbündten innerhalb ihrer Kriegskoalition gegen die Allierten so zerstritten wie heute eben die NPD und die FPÖ oder eben der BAK Shalom und die Antiimperialisten. Eigentlich also nichts Neues, wenngleich auf höherer Ebene damals. Hierzu ausführlich auch ein älterer Artikel in Global Review „Japans Judenpolitik 1933-1945“:

http://www.global-review.info/2011/03/24/japans-judenpolitik-1933-1945/

Ähnlich argumentierte auch Konrad Adenauer, der solche Altnazis wie Globke in höchste Ämter beförderte, dass die Juden in den USA sehr mächtig seien und man sich daher mit ihnen gutstellen müsse. Jüngste Beispiele von Philosemitismus sind der Front National, die FPÖ, Geert Wilders oder die Freiheit. Sie unterscheiden sich gerade zu den traditionellen Rechtsradikalen, dass sie sich philosemitisch geben. So distanziert sich Marine Le Pen bewusst von den antisemitistischen Tiraden ihres Vaters und hat ihn auch aus der Partei ausgeschlossen. Die FPÖ hat die Jerusalemer Erklärung veröffentlicht, in der sie philosemitische Positionen bezieht.Nun hat sie auch das FPÖ-Mitglied Susanne Winter ausgeschlossen, das  auf seiner Facebookseite antisemitischen Äußerungen über das „Geldjudentum“zugestimmt hatte. Antisemitismus habe keinen Platz in der FPÖ, heisst es nun. Der rechtsradikale Islamhasser Geert Wilders wiederum bezieht ebenso philosemitische Positionen.Zum einen sehen diese Rechtsradikalen die Juden in den USA und Israel als sehr mächtig an, zum anderen wissen sie, dass Auschwitzleugnung und Antisemitismus in Europa geächtet ist, zumal auch strafrechtlich verfolgt werden kann  und die Bevölkerungen diesbezüglich nach dem Holocaust sensibilisert sind. Desweiteren dient ihnen ihr taktischer quasimachiavellistische Philosemitismus dazu, sich als Nichtrassisten darstellen zu wollen, um desto beherzter gegen andere Minderheiten und Religionen hetzen zu dürfen, speziell gegen Muslime, zumal sie hoffen dafür Unterstützung seitens der US-Rechten und Israels Rechter zu bekommen. Ihr Philosemitismus dient ihnen vor allem dazu, ihre rassistisch- faschistisch-autoritäre Gesinnung zu tarnen und ihren taktischen Philosemitismus als Freibrief und Blankoscheck für rassistische Hetze gegen andere Minderheiten zu nutzen.

Der sekundäre Philosemit speist sich vor allem aus moralischen Erwägungen, man könnte ihn auch als den moralischen Philosemiten bezeichnen.  Dieser begreift Auschwitz als den zentralen Zivilisationsbruch der Menschheit und der Weltgeschichte, als Bezugspunkt aller weltpolitischen und weltgeschichtlichen Betrachtungen. Also auf die Idee die Weltgeschichte auch mal unter der Kategorie von 30 Millionen Opfern des 30-jährigen Krieges oder die 25 Millionen Opfer des Ersten Weltkriegs oder der 20 Millionen sowjetischen Opfer des Antislawismus des zweiten Weltkriegs oder der Millionen toter Chinesen aufgrund des mit Nazideutschlands verbündeten, aber eben philosemitischen japanischen Militarismus zu sehen, käme ein solcher Philosemit nicht, der vor allem die 6 Millionen ermordeten Juden als den alleinigen Zivilisationsbruch aller Weltgeschichte und aller Weltmenschheit ausmacht. Daraus entwickelt der sekundäre Philosemit einen Philosemitismus, der sich in bedingungsloser Solidarität zum Judentum und mit Israel, unabhängig von anderen weltgeschichtlichen und weltpolitischen Zivilisationsbrüchen und unabhängig von der jeweiligen politischen Positionierung und konkreten Handlungen der israelischen Regierungen setzt. Als Vorwurf käme dann, man wolle von deutscher Schuld ablenken, aber 20 Millionen sowjetische Soldaten sind ebenso deutsche Schuld wie die 6 Millionen des Holocaust, wenngleich die Lesweise des Kalten Krieges, der an den Hitlerfaschismus anknüpfte dann wohl war, dass die Vernichtung von 20 Millionen kommunistischen Slawen wohl weniger zählen, da diese als Kommunisten und Slawen selbst schuld waren, während die Juden unschuldig waren–das sah freilich die NS-Ideologie nie so, die von der jüdisch-bolschweistischen Weltverschwörung und der jüdisch- liberalen USA genauso sprach..Aus dieser einzigartigen Sichtweise des Zivilisationsbruchs ergibt sich dann eine Art lemminghafter Nibelungentreue zu Israel, „Right or wrong—my country Israel“, die er zugleich als Lackmustest sieht, ob einer Antisemit oder nicht ist, auf Seiten der Aufklärung und Zivilisation steht oder eben nicht. Ein geradezu simplizistisches, binär- manichäistisches Weltbild offenbart sich hier . Extrembeispiel hierfür sind die Antideutschen und ihr Zentralorgan Jungle World und Bahamas. Israelkritik wird pauschal als Antisemitismus bezeichnet ohne jegliche Differenzierung, ganz wie früher die K-Gruppen alles für richtig erklärten, was aus den von ihn jeweils präferierten kommunistischen Zentralen aus Moskau, Peking, Tirana, Pjöngjang, Phnom Phen oder Havanna zu vernehmen war, so verteidigen die moralischen Philosemiten, die sich wie die Antideutschen eben hauptsächlich aus Mitgliedern ehemaliger K-Gruppen rekrutierten jetzt eben alles, was aus Tel Aviv und Israels Hauptverbündeten den USA kommt. Vor  allem besteht auch keinerlei Distanz zu den rechten Republikanern, George W. Bushs Administration oder eben der Netanjahuregierung, dem Likud oder noch rechteren israelischen Parteien. Ganz im Gegenteil: Je radikaler und rechter, desto besser, gewinnt man den Eindruck und je projüdischer, proisraelischer, prokapitalistischer, desto mehr steht man scheinbar auf der Seite der Aufklärung und der Zivilisation. Oft wird dann auch jeder außenpolitische Gegner des Westens oder Israels zum neuen Hitler erklärt, ein neues Auschwitz beschworen und damit eben auch der Irakkrieg 2003 legitimiert, wie auch andere sogenannte humanitäre Interventionen befürwortet. Gepaart ist dieser moralische Rigorismus, diese extrem selektive Wahrnehmung von einem wesentlichen Zivilisationsbruch in der Weltgeschichte und Weltpolitik trotz zigfacher Zivilisationsbrüche, die eben keineswegs eurozentrisch sind,  eben auch mit einer gehörigen Portion Militarismus und Bellizismus.

Die dritte Sorte Philosemit, der christliche Philosemit ist fundamentalistisch-christlich geprägt mit den 80 Millionen US-Evangelikalen oder der Partei Bibeltreuer Christen (PBC) in Deutschland als exponiertestem Beispiel. Israel wird biblisch als das Heilige Land angesehen, die Israeliten und die Juden als Volk Gottes, das das Heilige Land besiedeln und ausdehnen soll, wobei die Israelis stellvertretend für die fehlenden christlichen Kreuzritter gegen die Muslime einen biblischen Kampf um das gelobte Land führen sollen, was je nach Lesart auch zu einem letzten Gefecht, dem Armaggeddon führen kann. Diese christlichen Fundamentalisten sehen auf das Judentum freilich als minderwertige Religion gegenüber dem Christentum hinab, sehen in den Israelis eher Kanonenfutter für ihre Zwecke, geben sich aber vordergründig philosemitisch.

Politische Positionen zwischen den Extremen Antisemitismus und Philosemitismus zu beziehen, ist immer eine Gradwanderung und sehr kompliziert. Dennoch sollte man sich nicht scheuen, politische Positionen trotz solcher Labelversuche einzunehmen, ansonsten würde man zum Opportunisten. Man sollte Juden als ganz normale Mneschen sehen und behandeln und nicht als etwas Besonderes, sei es nun kollektiv negativ oder positiv. Ebenso sollte man beachten, dass der primäre, sekundäre und tertiäre taktische Philosemitismus auch schnell wieder in Antisemitismus umschlagen kann, wenn die Juden in dessen Kalkulationen den Zweck erfüllt haben und nicht mehr gebraucht werden oder nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen.

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