Die Banlieues und der Islamismus-Heimatgefühl mal anders

Die Banlieues und der Islamismus-Heimatgefühl mal anders

Zu den Pariser Attentaten melden sich nun auch viele Soziologen, Politikwissenschaftler, Psychologen und Sozialarbeiter zu Wort mit dem Hinweis, dass Perspektivlosigkeit, Ausgrenzung durch die Gesellschaft, Rassismus und neoliberale Politik und deren Verelendungstendenzen samt Arbeitslosigkeit Terrorismus und Islamismus hervorbringen.Das klingt geradezu nach einem Automatismus.Die umgekehrte Frage wäre aber auch einmal, der dabei gar nicht nachgegangen wird: Warum machen das hunderttausende und Millionen ausgegrenzte Jugendliche in den Banlieues und vergleichbaren Ghettostadtteilen der Welt eben nicht? Warum greifen sie nicht zum Terrorismus und Islamismus, sondern bleibt dies auf eine absolut kleine Minderheit beschränkt, die jedoch volle Medienaufmerksamkeit erheischt?

Auch eine andere Frage: Warum organisieren sie sich nicht politisch in NGOs, politischen Initiativen, Gewerkschaften und Parteien, um etwas gegen ihre Exklusion zu machen? Sind sie zu ungebildet, zu unpolitisch, zu egozentrisch, haben sie den Glauben an diese Institutionen verloren (berühmte Politikverdrossenheit)? Oder werden sie auch von den genannten Organisationen längst abgeschrieben, nach dem Motto, dass dies ohnehin arbeitsloses, prekäres Lumpenproletariat ist,das zu nichts taugt und nicht gewinnbar ist und man sich mehr auf die produktiven, disziplinierten Kernmmanschaften des Proletariats und auch noch die Facharbeiter, ja vielleicht auch Teile der Angestellten konzentrieren sollte?Liegt hier nicht auch ein Versagen der Linken vor?

Ein Linker sagte mir, den Jugendlichen fehle Arbeit, die sie in die Gesellschaft eingliedere und integriere. Vielleicht wollen sie das aber gar nicht, denn die Arbeiten, die ihnen zwangsmäßig zugeteilt werden sollen , sind prekärer Niedriglohnsektor und an diesen von hochdotierten Feuilletonschreibern und Marxisten vertriebenen Quatsch, dass Lohnarbeit geradezu theologisch sinnstiftend sei und das eigentlich gesellschaftliche Wesen des Menschen ausmache. halten sie eben gar nichts. Diesen Arbeitsfetischismus, der sich von der Rechten bis zur Linken durchzieht, von Lenins „Wer nicht arbeitet, soll nicht essen“über Max Webers protestantische Arbeitsethik und der „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ der Sozialdemokratie, „Jobs, jobs, jobs“ der US-Politiker bis zum „Arbeit macht frei“der Nationalsozialisten, ist möglicherweise gerade das , was diese Jugendlichen ablehnen, da Input und zu erwartender Output niemals dazu reichen werden, dass man  auch mit härtester Arbeit aus den Banlieues jemals herauskommt und man sich einem brutalem, unmenschlichen, selbstverleugnenden, militärisch durchorganiserten, disziplinierten Arbeitsrhytmus aussetzen muss, den die prekäre Sozialstaatsexistenz, die Nachbarschaftshilfe, die subkulturell-hedonistische Partykultur und Kleinkriminalität nicht braucht. Da richtet man sich lieber in diesem Klein Bonum ein und verzichtet auf die Heilsversprechungen diverser Provinienz , nimmt eher das greifbar, überschaubar und konkret Organisierbare: Sozialhilfe, Kleinkriminalität, quasi zivilgesellschaftliche Nachbarschaftshilfe und Partys. Dass die Banlieus für diese so abgeschriebenen Jugendlichen so etwas wie eine Heimat sind und sie da auch eine Art Heimatgefühl und Schutzgemeinschaft fühlen und erleben, scheint dem außenbetrachtenden Soziologen und Bürger, schon gar dem Bildungsbürger als Ding der Unmöglichkeit, der sich Heimat nur in kitschigen und inflationären Heimatkrimis vorstellen kann, wie sie der Renner auf der Frankfurter oder Leipziger Buchmesse sind und in denen mehr gemordet wird als in den Banlieus.

Ein Kommentator schrieb:

“Was wir wissen, ist: Wenn wir junge Männer verwahrlosen lassen, wenn wir zulassen, dass sie gesellschaftlich an den Rand gedrängt werden, dann wird’s gefährlich”

Linke und bürgerliche Menschen reden immerzu von “Verwahrlosen”. Vielleicht haben sich es die Jugendlichen in den Banlieues auch mit ihrer hedonistischen Partykultur selbstorganisiert gemütlich gemacht und sehen in der sogenannt sinnvollen und allesintegrierendnen Arbeit für Niedriglohn nur einen Lebenstil, der ihnen außer harter Schufterei eben keinerlei Perspektive bringt und eben nichts Gutes, weswegen sie den ihren nicht als “Verwahrlosung”, sondern als zufriedend stellende Option innerhalb des Machbaren ansehen. Viellciht sehen sie in ihrer selbstorganisierten, angeblich „persepktivlosen“ Kleinexistenz da mehr Perspektive als diese ihnen Sozialarbeiter, Bürger und Islamisten je bieten könnten.

Aber kirchliche Religiösenfreunde, arbeitsethische Bürger und arbeitsfetischisierende Marxisten im ganzen Spektrum von Sozialarbeitern bis hin zu Gewerkschaftern und Sozialisten wollen  nur den Menschen eingebunden in sinnstiftende religiöse oder Arbeitskolletive als solchen wahrnehmen und gelten lassen–alles andere ist dann “Verwahrlosung”. Die Jugendlichen würden eher sagen: Müssiggang während der Woche, geile Party am Wochenende. Das ist doch lebenswerter als jeder Islamismus und seine Spaßbremsen, auch von Sozialarbeitern, die ihnen prekäre Niedrigstlohnjobs vermitteln wollen, bei denen man sich für nichts abschuften muss ohne jemals eine Perspektive zu haben aus den Banlieues jemals herauszukommen–das nennen sie dann Perspektive für die angebliche Perspektivlosigkeit des Jugendlichen.Wie sinnstiftend und integrierend sind eigentlich diese prekären Scheißjobs oder sind sie nicht auch selber wieder Quelle von Unzufriedenheit, Frust und Hass, könnten nicht auch Quelle von Islamismus und Terrorismus sein, wenn sie selbst zum Überleben nicht reichen und ihre bürgerlichen Befürworter diese für sich selbst strikt ablehnen würden und als „Verwahrlosuung“ , assozial und bildungsfern ansehen würden.Aber gutdotierte Feulletonisten und saturierte Bildungsbürger phantasieren und fabulieren da eher von dem Sinn und dem gemeinschaftsbildenden Wesen der Arbeit als solcher und per se, würden aber wahrscheinlich selbst eher zum Terroristen als solche Scheißjobs jemals anzunehmen oder jemals zu dieser Schicht gehören zu wollen, für die sie selbst mehr als genug sozialdarwinistische Verachtung hegen.

In eine solche Lage wollen die Banlieuesjugendlichen eben vielleicht gar nicht reinkommen.Dann lieber: Sozialknete, Kleinkriminalität, quasi zivilgesellschaftliche Nachbarschaftshilfe und Partykultur. Die Banlieuejugendlichen sind da neoliberalen und islamistischen Heilsversprechungsideologen, die ihnen den Märtyrertod über prekäre Niedriglohnstjobs oder aber eben durch den Islamismus und lebensverneinenden Terrorismus versprechen, gleichermassen ablehnend gegenüber eingestellt.Ebenso zu hinterfragen. wäre einmal die Redewendung, dass sich die Jugendlichen „an die gesellschaftliche Wand gedrängt und ausgegrenzt fühlen“ würden. Vielleicht haben sie eben keine Lust sich den Bildungs- und Arbeitsstress, das ganze Mobbing, die lohnarbeitende Tretmühle als Idealvorstellung eines gesellschaftlichen Miteinanders anzutun, sondern fühlen sich innerhalb ihrer eigenen Gruppe wohl. Vielleicht erleben sie dies ja gar nicht als Exklusion von etwas, was sie vielleicht gar nicht wollen, sondern als Inklusion einer eher egalitären Gemeinschaft.

Auch wird oft vergessen, dass Islamisten oder die Muslimbrüder in Ägypten und anderen sunnitischen Ländern so erfolgreich waren, da sie den nichtexistenten Sozialstaat in diesen Ländern kompensierten und teilweise ersetzten über ihre Charityorganisationen. In den europäischen Ländern aber existiert in vielen Ländern ein Sozialstaat, auch für die Ban Lieues und besteht daher nicht der Zwang sich aus materieller Not an eine islamistische Organisation zu wenden und dort radikalisiert zu werden. Auch die deutsche Arbeiterbewegung radikalisierte sich aufgrund Bismarcks Sozialstaat nicht und deswegen hatten revolutionäre Parteien und Gruppen, auch in Nachkriegsdeutschland die K-Gruppen da niemals Erfolg bei ihren Revolutionsplänen. Schon Lenin, Rosa Luxenburg und Karl Liebknecht verzweifelte an den deutschen Arbeitern. Und ebenso wahrscheinlich eben Islamisten an den Banlieues-Jugendlichen. Solange eben noch der Sozialstaat, die Kleinkriminalität, die Nachbarschaftshilfe und die subkulturell-hedonistische Partykultur existiert–ansonsten wären Neuorientierungen dann durchaus möglich.

Ein Kommentator schrieb desweiteren bezüglich der „Verwahrlosung“:

“Die eine hat mit Unterschicht, Schulversagen, Arbeit zu tun. Die andere mit emotionaler Verwahrlosung – wenn einem in der Familie kein vertraunsvolles Zuhause, keine tiefere Bindung gelingt.”

Vom Schulversagen bis zum Islamismus und gar Terrorismus ist es aber ein sehr langer Weg. Warum machen dies eben Hunderttausende Schulversager nicht? Die Antwort bleibt er schuldig. Auch muss man sehen, dass er etwas den Maßstab eines Bildungsbürgers und Lehrers anwendet, der der Ansicht ist, Schulversagen sei eine derartige Katastrophe. Lehrer, Pädagogen und Bildungsbürger können sich einfach nicht vorstellen, dass menschliches Leben auch ohne die Lektüre von Kants „Kritik der praktischen Vernunft“oder Adornos“Dialektik der Aufklärung“ überhaupt denkbar auf diesem Planeten und lebenswert wäre, ja existieren könnte–ihnen kommt dies aufgrund ihres eigenen Erfahrungshorizont eher wie eine außerirdische, nichthumanoide Lebensform vor.Viele Schulversager empfinden das vielleicht gar nicht so, sondern sind froh, dass sie von dem Paukdrill und dessen Pädagogen befreit sind und hängen lieber mit ihrer Clique unter der Woche ab, leben in den Tag und feiern Party am Wochenende. Zum zweiten: Meiner Ansicht nach unterschätzt er, das (kleinkriminelle) Cliquen und Gruppen da eben ein Auffangbecken und Ersatz für mangelnde elterliche Liebe sein können. Der Jugendliche erfährt Anerkennung und Zuwendung in seiner In-Group und das müssen eben keineswegs Islamisten sein, die zudem rechte Spaßbremsen sind und eben auch in dem Ruf stehen den Tod zu verbreiten. Es bedarf schon der Überwindung einer hohen Hemmschwelle sich diesen Fanatikern anzuschliessen und das ist auch der Grund, warum dies Millionen “verwahrloste”Jugendliche in den Ban Lieues und anderen Ghettos der Welt eben nicht tun. Zudem erinnert mich die Argumentationsweise an die Kritik an Videospielen bei Amokläufern. Abermillionen Jugendliche spielen Egoshooterspiele und werden nicht zum Amokläufer. Aber weil ein paar einzelne mal Videospiele gespielt haben und Amokschützen geworden sind,wird eine riesige Gruppe unter Generalverdacht gestellt.Selbiges mit Armut, “Verwahrlosung” und eben angeblicher Zwangsläufigkeit sich Extremisten, Islamisten und Terroristen anschliessen zu müssen.

Es gab in den 80er Jahren mal den Kultfilm “The Warriors”, der über New Yorker Gangs handelte. Diese treffen sich eines Tages alle zusammen, da sich ein Führer aufgeschwungen hat, um diese alle zusammenzubringen und zu einer geschlossenen Streitmacht der Organsierten Kriminlaität zu vereinigen. Während des Treffen wird der selbsternannte Führer wegen Bandenrivalität erschossen und die Gangs bekriegen sich wieder. Eine Gang wird dabei falscherweise des Mordes bezichtigt und von den anderen gejagt. Jedenfalls zeigt der Film, wie atomisiert und kleinkariert solche Gangs denken, die meistens nicht weiter als ihren Block oder ihren Stadtviertelteil hinausblicken. Das Los Angeles Police Department weist auch darauf hin, dass im Raum Los Angeles mehr als 400 Gangs mit ca. 200 000 Mitgliedern existieren–eine eigentlich formidable Streitmacht, zumals die meisten ja aufgrund der lockeren US-amerikanischen Waffengesetze auch noch bewaffnet sind.Aber das LAPD weist darauf hin, dass diese ein sehr atomisiertes Revierbewusstsein haben und deswegen auch keine wirkliche Gefahr für die Staatsmacht sind. Nun nehmen wir einmal an, Islamisten z.B. in den Ban Lieues oder die Nation of Islam versucht in den schwarzen Ghettos eine Schariapolizei einzuführen, die Jugendlichen zu organisieren,etc., ich schätze mal, sie würden zum einen auf den erbitterten Widerstand der Gangs stossen, die sich in ihrem westlich-hedonistischem Lebensstil und ihrem Geschäftsmodell von Sex and Drugs and Rap &Roll gefährdet sehen. Ein Schariapolizist im Ghetto liefe offenkundig selbst Gefahr Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden. Zum anderen dürften auch in den Ghettos sich die vielen Jugendlichen nicht den Spaß an den wenigen Partys und Amusements nehmen lassen wollen.

In einem Bericht über die Banlieues kam ein Jugendlicher zu Wort, der auf Plakate mit dem Slogan “Egalite, Fraternite, Liberte”, die die Regierung aufgehängt hatte, meinte, seine Lebensrealität spreche diesen säkularen Aufklärungsparolen Hohn. Egalite-dieser Säkularismus und seine Ideen der Aufklärung gelten nur für den besseren Teil der Gesellschaft. Fraternite, Brüderlichkeit, Bruderschaft finde er nur in seiner kleinkriminellen Jugendbruderschaft, nicht aber in der französischen Gesellschaft. Aber mit Islamismus und Terrorismus wolle er nichts zu tun haben. Die umgekehrte Frage wäre eben auch einmal: Warum machen das hunderttausende ausgegrenzte Jugendliche eben nicht? Warum greifen sie nicht zum Terrorismus und Islamismus? Oder nochmals umgekehrt mal gefragt: Warum sollten sie denn überhaupt? Scheinbar liegt den Sozialarbeitern und Bürgern der Gedanke näher, dass wenn man arm ist, deswegen lebensbedrohlicher und lebensverneinender Terrorist, Extremist und Islamist werden müsste als den Banlieuejugendlichen selbst, in die dieses von eben jenen reinprojeziert wird.

Entweder wirkt die staatliche Abschreckung und/oder aber es gibt eben doch so etwas wie allgemeine moralische Hemmschwellen, dass man keinen unbeteiligten Menschen oder gar unschuldige Menschen in Massen tötet, auch wenn man arbeitslos und auf Hartz4-Niveau lebt–von kleinkrimineller, zielgerichteter Gewalt einmal abgesehen. Möglich auch, dass die meisten Jugendlichen in den Banlieues auch säkularer sind als schlechthin angenommen und mit den Parolen der Islamisten nichts anzufangen wissen, zumal die ja auch ihren Lebensstil und das bißchen Spaß, das sie in Alkohol, Frauen, westlicher Musik, konsumistischer Popkultur, Partys und Drogen finden auch noch streichen wollen.Vielleicht sind die meisten dieser Banlieue-Jugendlichen trotz Perspektivlosigkeit und tristem Alltag einfach dennoch zu lebensfroh, um sich einer islamistischen Ideologie anzuschliessen, die ja auch nicht mehr als Askese, Puritanismus und den Tod anzubieten hat. Vielleicht steht die nischenhafte Partysubkultur, die ihre eigene Musikszene samt Rapper hervorbringt, die Spaßkultur und der lebensbejahende Eskapismus, der sich in leerstehenden Fabrikhallen, besetzten Häusern, Privatwohungen oder Wohnblocks der tristen Banlieues selbst organisiert und als Event trifft den Partyleuten im Bataclan näher als dies Islamisten gefallen würde. Bildungsbürger können sich Ghettostädte immer nur als trostlos vorstellen, gerade so als würde da nicht kräftig gefeiert und gepartyt–von den schwarzen Ghettos in den USA bis eben zu den Banlieues in Frankreich.Zudem dem Prekariat diese Momente des seltenen Amusements wichtiger sind als dem eher von der protestantischen Arbeitsethik geprägten Mittelstandsbürger. Von daher dürfte sich auch eine recht instinktive Abwehrhaltung ergeben, wenn Puristen und sei es in Form von Islamisten die Spaßbremse spielen wollen.

Vielleicht können die ausgegrenzten Jugendlichen in den Banlieues auch soweit denken, dass die berühmt-berüchtigten 5 minutes of fame des Märtytrertods in den Medien, wo man mal als anonymer Einzelner aus der Masse im Namen von etwas Größerem als einem Individuum oder einer kleinkriminellen Gruppe heraustritt und in die Schlagzeilen kommt eher negativ sind und einer jahrlangen Existenz unter schwierigen materiellen Bedingungen, in dem es aber immer wieder hedonistische Highlights gibt, nicht vorzuziehen sind. Vielleicht fühlen sie mehr Anerkennung und Wohlbefinden in ihrer Kleingruppe in ihrer kleinen, überschaubaren Welt ihrer Sorte Zivilgeselschaft und Nachbarschaftshilfe als einer utopisch klingenden, gewalttätigen . lebensverachtenden Weltherrschaftsideologie von Islamisten auf Weltmissionstrip angehören zu wollen, die sie zudem aus ihrem Banlieus in ungewohnte ferne und unbekannte Länder eines Dschihhads entführen will. Warum in die Ferne ins Ungewisse reisen, hat man doch seine Heimat sicher vor Ort.Weswegen sich töten und verstümmeln lassen, ist das Leben in der Banlieu-Heimat zwar nicht optimal, aber eben vertraut und lebenswert?

Bei Banlieusjugendlichen und sonstigen Bewohnern hat sich zudem sehr wohl schon rumgesprochen, dass Islamisten da Türverkäufer des Todes sind, die einen über den Tisch ziehen wollen und die meisten stehen der IS-Propaganda vom Paradies eines islamistischen Vollversorgungsparadieses mit eigenem Harem und Sexsklavinnen, Reichtum im IS-Staat und mit Jungfrauen im Jenseits skeptisch und ablehnend gegenüber, da sie die billige Schmierentour eines Nepper, Schleppers und Bauernfängers als materialistisch denkender Kleinkrimineller, der ähnliche Touren drauf hat, eben durchblicken.Im praktischen Ghettoleben und dessen Materialismus und Hedonismus gestählt, wissen sie sehr schnell, wenn sie einer mit billigen Versprechungen über den Tisch ziehen will, die zudem auch noch utopisch klingen und auch mit Krieg und Selbstmord enden.Das hat sich längst rumgesprochen,so bildungsfern ist keiner der aus der Universität und Schule des alltäglichen Überlebens Gebildeter und nur eine absolut dumme und verzweifelte Mikrominderheit ist für so etwas empfänglich.

Vielleicht fehlt es den Prekariatsjugendlichen auch an dem bürgerlichen Ehrgeiz, unbedingt Berühmtheit erlangen zu wollen, über die Mittelmäßigkeit hinauszuwachsen und Karriere wie auch immer geartet zu machen, an Disziplin und dazugehörigem Eifer. Vielleicht reicht ihnen die selbstzufriedene und keineswegs todessehnsüchtige Bestätigung innerhalb ihrer kleinen Gruppe von Freunden, mit denen man faul, träge und manchmal feiernd den ganzen Tag und die Nacht abhängt–womöglich noch auf Staatsknete und auf Kosten des hart arbeitenden und notorisch unzufriedenen, gestressten und neiderfüllten Steuerzahlers, der sich als mündiger Staatsbürger dazu immer noch  erregt den Kopf aufmacht, wie er den Staat und die Wirtschaft noch effektiver, noch stressiger und noch menschenfeindlicher gestalten kann. Vielleicht fehlt ihm einfach die Verbissenheit des staatstragenden Bürgers , ja schon gar des Islamisten und lebt er lieber in den Tag hinein.

Dann wird von Feministinnen und  andersweitigen Bürgerinnen bemäkelt, dass die Banlieus ein Sumpf des Sexismus, des Machogehabes und der Frauenverachtung seien. Irgendwie mischt sich dann alles zusammen: Armut, Sexismus, Gewalt und alles entlädt sich dann in Islamismus und Terrorismus. Dass die Banliues hochgradig sexistisch sind, sollte man nicht bezweifeln. Das stimmt schon, aber man sollte eben auch berücksichtigen, welche Sorten des Sexismus sich hier eben unversöhnlicherweise gegenüberstehen. Ein islamistischer Puritanismussexismus und ein hedonistischer Machosexismus, die eben nicht kompatibel sind, sondern sich eifrigst befeinden: Heilsversprechungen gewisser Sorte stehen Banliueujugendliche skeptisch gegenüber, sei es Islamisten, die mit vollschwarzverschleierten Jungfrauen locken–der sexistische Banlieue-Macho will eher eine vollaufgetakelte sexy Bitch wie seine Rappervorbilder und er würde alle Energie aufwenden, seine Frauen vor Verschleierung zu bewahren,da er sie eben sexistisch verfügbar hedonistisch denkt und machen will,zumal auch ein Teil dieser von ihm gewünschten Tuzzies Bestandteil seines kleinkriminellen Geschäftsmodells von Prostituierten sind.Womit Islamisten da vielleicht punkten können, sind die frauenverachtenden Sexismen des Hedonismus, in denen die Frau nur Sexualobjekt ist und dass kein Muslim ja wolle, dass seine Schwester als Schlampe rumlaufe, was den Ehrenmord nahelegt oder zumindestens eine Beschneidung der Rechte muslimischer Mädchen, auch mal eine Party zu besuchen.Aber die Banlieuegangs würden dieser Sichtweise sehr konträr begegnen, zumal eben auch nicht die Sichtweise berücksichtigt wird, dass sich junge Banlieuefrauen eher den Hedonisten zuneigen, als sich irgendwelchen islamistischen Moralvorstellungen unterordnen zu wollen und sich einer Schariapolizei oder Kopftuchverschleierungen zu unterwerfen,auch wenn es diesen Trend in den Banlieues gibt. Vielleicht sehen da viele Banklieuefrauen ihr Vorbild eher in den sexy bitches oder einfach gekleideten Frauen als in den vollverschleierten Islamistenfrauen und machen da noch mal ihren eigenen Mittelweg auf.

Und genauso ablehnend reagieren diese Leute wenn ihnen  das Paradies ganzwöchiger Lohnarbeit im prekären Niedriglohnsektor und Nachtschicht, das ihm der Sozialarbeiter und das Arbeitsamt verheißungsvoll in ferne Aussicht als „Perspektive“ stellen mit einem Lohn, der ihm sicherstellt, dass er auch mit härtester Arbeit nie das Ban Lieu verlassen wird, garantieren wollen. Warum da nicht gleich drinnen bleiben und sich einrichten?  Der Mensch ist im Bürgertum nur als steuerzahlender und sich über Steuerabgaben ewig beschwerender Leistungsträger gefragt, alle anderen Lebensformen werden stigmatisiert und als gefährlich empfunden. Vielleicht sind die meisten Jugendlichen der Banlieues da viel rationaler in der Kosten- Nutzen-Abwägung als immer angenommen.

Vielleicht denken sie da diesseitsorientierter, individualistischer, hedonistischer und materialistischer als das Islamisten oder anderen Extremisten lieb ist.Vielleicht sind sie am Ende doch mehr die Kinder des vielzitierten westlichen Lebensstils und der westlichen Aufklärung auch ohne Voltaire, Montisque oder Kant gelesen zu haben als dies Bildungsbürger vom ungebildeten, bildungsfernen Prekariat schlechthin immer annehmen. Vielleicht empfinden sich die Banlieuesjugendlichen auch weniger als Muslime als ihnen dieser Label von Bürgern, Rechtsradikalen und Islamisten immer wieder aufgedrückt wird.Vielleicht spricht hier auch mehr die Arroganz, die Ignoranz und eine gewisse Portion Sozialdarwinismus und Kulturchauvinismus der (bildungs)bürgerlichen Ober- und Mittelschichten heraus, der es logisch erscheint, dass wenn man arm ist gleich zum Terrorismus greifen müsste.

Vielleicht sagt dies auch mehr über die Bildungsbürger aus als über das bildungsferne Prekariat. Zudem sollte man nicht vergessen, dass sich die Stammmannschaft des linken Terrorismus der 70er Jahre aus Akademikern rekrutierte und die Aufklärung der französischen Revolution auch die bürgerliche und jakobinische Herrschaft des Terreur kannte–vielleicht erscheint es Bürgern, Bildungsbürgern und Akademikern daher logisch, dass man zum Terreur und Terrorismus greifen müsse, zumal wenn man deklassiert und arm wird. Lipset nannte dies auch mal „die Radikalisierung der Mitte“, wenngleich er dies  auf den Faschismus bezog, aber man dies allgemeingültiger sehen kann.

Auch sollte man sehen, dass der Islamismus und Terrorismus keineswegs nur ein Unterschichtenphänomen ist. Dschihaddisten gibt es auch aus Mittelschichtsfamilien, viele haben auch eine Ausbildung oder gar ein Studium. Betrachtet man sich die Liste der Attentäter der letzten 20 Jahre , dann  sind eben es nicht nur entrechtete Minderheiten ohne Arbeit und Perspektive. Sogar ein sehr großer Teil davon waren Studenten oder Menschen mit einem abgeschlossenen Studium. Ingenieure, Ärzte, Dolmetscher mit Sprachstudium usw. usf. Die absolute Mehrheit tauchte völlig unauffällig in den Gesellschaften unter, und zwar nicht nur den Parallelgesellschaften. Flugscheine zu machen ist für unterdrückte Armutspopulationen nicht nur schwer umsetzbar sondern schlicht unmöglich. Osama Bin Laden war kein prekarisierter Prolet, sondern Sproß und gar nicht so schwarzes Schaf einer Oberklassenfamilie im IS-Unterstützenden Saudiarabien. Die meisten Muslimbrüder sind Mittelschicht, Rechtsanwälte, Ärzte, selbst der Vorgänger Erdogans, Erbakan studierte in Deutschland Maschinenbau.

Zudem auch der Glaube, wenn einer Naturwissenschaften studiert, ihn dies von totalitären Weltbildern oder religiösem Fanatismus abhalten würde, hirnsrissig ist. Der Ideologe sieht als Ingenieur eben seine gesellschaftliche Wunschvorstellung in totalitären Analogien der perfekten Maschine und der  Menschen als reibungslosen, funktionierenden Zahnräder, der Biologe und Mediziner gesunde Volks-oder Ummahkörper und Oppositionelle als Krebszellen und Viren, der Kybernetiker alles unter dem Aspekt der Regelkreisläufe und des Funktionieren des Systems,das dann eben als religiöses Regelwerk der Scharia alle als Subsytseme unterordnet, etc.

Den Terrorismus und den Islamismus nur an Klassengrenzen aufzumachen oder daran ob einer Naturwissenschaften studiert hat und daher nicht religiös sein könne, geht da ziemlich in die Irre. Mit derselben Berechtigung, mit der Sarkozy die Banlieues oder man in Belgien Moellenbek als Brutstätten des Terrorismus und Islamismus säubern will, könnte man dies auch in Mittelschichtstadtteilen oder eben gegen Saudiarabien und Katar.Das würde wohlweislich jedoch keiner machen.

Aber Underdogs zur Stigmatisierung machen sich da immer besser als auch die Unterstützer aus bessergestellten Gesellschaftskreisen oder gar reiche Ölscheiche anzuvisieren und in einem Punkt treffen sich Islamisten und Bürgertum: Dass die Banlieues Sodom und Gomorahh sind, die ordentlich gesäubert werden müssen. Während also solch bürgerlichen Elitesatiremagazine wie Charlie Hebdo titeln „Scheiß drauf, wir trinken jetzt Champagner“und das bürgerliche Unterhaltungslokal „Bataclan“ als westlicher Lebensstil erhoben und verteidigt wird, so doch eben die ganzen hedonistischen, westlichen Subkulturen in den Banlieues nicht. Die werden samt dem ganzen Viertel, das dadurch integriert wurde als Hort der Armut, der Verwahrlosung, des Terrorismus und des Islamismus geoutet gegen die die Staatsmacht und gegen das ihr Bürgertum entschieden vorgehen müsse, um den vermuteten bildungsfernen „Sumpf“ trockenzulegen.

Das zeigt nur, dass gerade diesen bildungsbürgerlichen, sozialdarwinistischen Hedonismusbegriff, der Love Parades, Bataclan und Charlie Hebdo als den richtigen Hedonismus sieht, jedoch denselbigen in Armenvierteln, der ja eben eine derartig moderierende Rolle auf den Extremismus spielt sich nur als bildungsfern und extremistisch, ja islamistisch vorstellen kann. Und gerade in diesem Punkt treffen sich unsere Bildungsbürger mit den Islamisten, die Paris als Hauptstadt von „Unzucht und Dekadenz“sehen und selbiges eben auch in den Banlieues.

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