Manifest des Globalismus–gegen Kapitalismus, Kommunismus und Nationalstaatenkonkurrenz-für den Weltstaat mit einer neuen Ökonomie (Teil 2)

Manifest des Globalismus–gegen Kapitalismus, Kommunismus und Nationalstaatenkonkurrenz-für den Weltstaat mit einer neuen Ökonomie (Teil 2)

Viele Kritiker der westlichen Außenpolitik im Nahen Osten  behaupten, dass man die jetzt gefragte Ursachenforschung viel tiefer ansetzen müsse, nämlich in der Geschichte des westlichen Imperialismus.Aber was meinen sie mit einer Kritik am Imperialismus eigentlich? Da kommen dann merkwürdig lokale Zuschreibungen davon vor: Der Putsch gegen Mossageh sei der wesentliche Grund für die Existenz aller Übel in der Region und in der gesamten darauffolgenden Nahostgeschichte.Andere Liebhaber und intime Kenner des Nahen Ostens machen das Sykes-Picots- Abkommen oder Israels angeblichen „Aggressionskrieg“ gegen Ägypten und die Araber abwechslungsweise 1956 oder 1967 für alles Böse verantwortlich. Der historischen Daten, die den Wendepunkt von allem gebracht haben sollen gibt es mindestens so viele, wie es Orientalisten und Islamwissenschaftler gibt.Dabei ist auffällig, dass hier keine Imperialismustheorie folgt, die auf Ökonomie und  Nationalstaatenkonkurrenz grundsätzlich eingeht, sondern nur der moralische Zeigefinger gegen einen Putsch gegen einen scheinbar einsamen Helden erhoben wird. Irgendwie ging es ums Öl, das sich die Amis sichern wollten, das der Mossadegh dem iranischen Volk als Wohlstandsquelle zugute kommen lassen wollte, dabei wurde er von den US-Ölmultis und ihrer Regierung gehindert und deswegen büssen wir heute an allem was im Nahen Osten seitdem geschah.Damit ist eigentlich die ganze Story und die Imperialismustheorie in Richtung „Ungerechtigkeit“ vollbracht, aber eben keine Imperialismusanalyse gebracht, sondern eher ein Politthriller mit unschönem Ausgang, bei dem der Held quasi als Märtyrer und geschichtliche Wendemarke aller Geschichte des Nahen Ostens dient.Hierbei wird oft so getan, als wenn die USA nicht Mossadegh im Iran gestürzt und durch den Schah ersetzt hätten, die heutige Weltlage friedlich  und harmonisch wäre und es all die Kriege, Massaker, menschlichen Abscheulichkeiten im Nahen Osten nie gegeben hätte.

Zum einen ist dies sehr monokausal gedacht, zum anderen auch fragt man sich dann, ob man nicht noch weiter in die Geschichte zurückgreifen könnte, sei es nun die französische Revolution samt Aufklärung und Napoleons Ägyptenfeldzug oder die Spaltung der muslimischen Welt in Sunniten und Schiiten oder aber die christlichen Kreuzzüge. Als Ursache taugt alles allessamt und kann man auch Kausalketten bis in die Gegenwart und Zukunft verlängern und weiterspinnen.Aber zum einen stellt sich die Frage: Da man diese Ereignisse nicht rückgängig machen kann, was „man“/“wir“ denn nun tun soll und zum zweiten, ob man an die heilsgeschichtliche Story glaubt, wenn „man“ /“wir“  sich aus allem raushalten würde, die ganze Sache eine bessere Entwicklung nehmen würde. Wobei eben die Frage ist, wer „man“/“wir“immer sein soll, wenn nicht Nationalstaaten und die Wirtschaft, die das per Wahlen alle 4 Jahren akklamieren lassen oder nicht und das  Sagen haben, Nationalstaaten auf Basis des Kapitalismus, zumal eben die ganzen Kriege, Krisen sich ja gerade nationalstaatlicher und kapitalistischer Konkurrenz , also von Nationalstaat und Kapital als Ursachen verdanken. Soweit geht die Imperialismusanalyse nicht, sondern man konzentriert sich auf einzelne Symptome, märtytrerhafte einzelne historische Ereignisse und Personen als vermeintlich weltgeschichtliche Wendemarken.Und umgekehrt: Falls „der Westen“ oder andere Mächte intervenieren, wie dies geschehen soll und inwieweit das dann die Widersprüche beseitigen kann oder aber eben nicht neue Widersprüche hervorbringt.

Meiner Ansicht nach geht die ganze Vorstellung von einem sehr linearen Bild aus: Eine Intervention oder eben Nichtintervention könne Widersprüche beseitigen anstatt zu sehen, dass jegliche Intervention und Nichtintervention neue Widersprüche hervorbringt, solange man eben nicht an den Grundwidersprüchen ansetzt, die diesen Widersprüchen zugrunde liegen, nämlich Kapitalismus, aber vor allem nicht-internationale Identitäten auf Basis von Nationalstaat, Ethnie oder Religion, wobei ersterer ja meistens mittels letzterer beiden legitimiert wird. Hier möchte ich auf die Yin- und Yang-Lehren des Daoismus und die Widerspruchslehre von Mao Tsetung hinweisen, wonach „der eine Widerspruch den anderen neuen schon in sich birgt“und „die Beseitigung eines Widerspruchs neue hervorbringen wird“.Mao sah wie Trotzki nie ein zu erreichendes Endziel einer harmonischen Gesellschaft, sondern stellte dies als langen, anstrengenden  Kampf dar oder wie Trotzki als „permanente Revolution“. Trotzki und Mao wurden von all den anderen Marxisten, vor allem den Sowjetmarxisten dafür kritisiert, dass sie die Emanzipation der Arbeiterklasse nicht als historisch-materialistisch-linearen Fortschrittsvektor sahen, bei dem der Kommunismus mit dem historischen Materialismus zwangsläufig kommen müsste, sondern als ständigen Kampf gegen revisionistische und reaktionäre Tendenzen, die auch Mitstreiter haben konnten. Aber während Trotzki da noch die Idee von einem Weltsowjet, einer grossen Weltgemeinschaft hatte, so fabrizierte sich Mao nur auf ein nationalkommunistisches China innerhalb dessen man seine Klassenkämpfe austragen sollte und weniger weltweit. Deswegen legte Mao auch wesentlich mehr den Fokus auf den Klassenkampf nach innen, namentlich der Kulturrevolution als nach außen, während Trotzki immer noch den Ideen der Weltrevolution, des Weltsowjets oder später weniger ambitioniert den Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa nachging, bevor er samt allen Anhängern vom Nationalkommunisten Stalin ermordet wurde .

Beispiele, wie ein Widerspruch gelöst wurde, um den nächsten zu befördern, gibt es genug. Sei es Großbritannien, das Preußen gegen Frankreich unterstützte, bis sich dann Preußen ins Deutsche Reich transformierte und 2 Weltkriege gegen das britische Empire, Russland und Frankreich gleichzeitig losbrach. Sei es Roosevelts Bündnis mit Stalin gegen Nazideutschland, um damit letztendlich den Sowjetkommunismus bei seiner Expansion zu fördern, um dann den Kalten Krieg zu erhalten, dann China und alle Islamisten zu fördern, bis die Sowjetunion kollabierte, um dann China und den Islamismus als neuen Rivalen fürs nächste 21. Jahrhundert zu erhalten.Man sieht: Ein Widersprcuh gebiert den nächsten Widerspruch.

Detailierter: Nehmen wir einmal China. Als die maoistische Revolution in China siegte, bestand die Möglichkeit einer ganz grossen Sowjetuion, die die UdSSR mit China als Gesamtgebilde verschmelzen lassen hätte können. Stattdessen beharrte Mao auf der Eigenständigkeit Chinas, reproduzierte damit eigentlich Stalins grossnationalistisches Credo vom Sozialismus in einem Land, das Trotzki immer kritisiert hatte , da er für eine Weltrevolution und einen Weltsowjet eingetreten war, was beide Nationalkommunisten wie Stalin und Mao eben nicht mehr interessierte, weswegen dann auch die nationalstaatlichen Differenzen zwischen beiden kommunitsischen Nationalstaaten aufkamen. Die Versuche Chrustschows sich China unterzuordnen, begegnete Mao mit einem Schisma zwischen Peking und Moskau. Gleichzeitig schlug die Sowjetunion den USA dann als nächstem Schritt unter Breschenjew vor, einen gemeinsamen Militärschlag gegen in China befindliche Atomanlagen zu starten,um das Erstarken eines neuen Chinas zu verunmöglichen, was Nixon dann ablehnte.Ja, Nixon  leitete seinen historischen Chinabesuch ein, liess China Atommacht und UNO-Sicherheitsratsmitglied und unter Deng Xiaoping dann eine semikapitalistische Macht werden. Resultat war, dass die UdSSR durch die US-/NATOaufrüstung und die zweite Front durch China samt Förderung des Islamismus in Afghanistan und weltweit eben so geschwächt wurde, dass sie kollabierte, China aber gleichzeitig nun als neuer Herausforderer der US-Hegemonie heranwuchs, die den US-Imperialismus noch bis zum vermeintlichen Endkampf ins nächste Jahrhundert beschäftigen wird, wenn es nicht zuvor zu einem sinoamerikanischen Krieg kommt, insofern sich nicht eine Macht der anderen unterordnet oder ala Brzezinski eine G-2 eingeht oder ein Chimerica wird.

Man sieht: Ein Widerspruch gebiert den nächsten. Selbiges war ja ebenso, dass die USA eben den Schah ranputschen liessen, um Khomeini zu bekommen oder aber eben die Islamisten von Muslimbrüdern bis hin zu den afghanischen Mudscheddin und Bin Laden gegen die Sowjetunion aufrüsteten, um dann 9-11 und den Islamismus im gesamten Greater Middle East  zu produzieren. Für die Zukunft heisst dies eben auch, dass etwa die Anti-IS-Koalition ebenso dazu führen kann, dass China und Russland neue imperialistische Möglichkeiten in Europa oder in Asien oder anderswo suchen und der Iran eben anstatt des IS die gestärkte Regionalmacht werden könnte, die dann auch wieder mit dem Westen in Widersprüche gerät. Man muss also schon viel gründsätzlicher anfangen bei der Analyse der Grundwidersprüche.Die Hoffnung also auf Nationalstaaten und deren Kompromissfähigkeit zu setzen, dazu auch die Hoffnung zu haben, dass das dem zugrunde liegdende Krisenwirtschaftssystem des Kapitalismus, das eine ebenso ständige Revolution aller gesellschaftlichen Verhältnisse inklusive der Globalsierung mit sich bringt, eine Lösung sein kann, ist da eben der Grundwiderspruch.

Solange es Nationalstaaten und Kapitalismus gibt, wird es auch Konflikte und Kriege geben, zumal Kapitalismus Wirtschaftswachstum und Profitmaximierung um jeden Preis und die Aussenexpansion in andere Märkte, Resourcengebiete,etc. braucht und auch systemimmanente Wirtschafts- und Finanzkrisen hat. Umgekehrt versuchten Katholiszismus und Islam auch einen weltweiten Gottesstaat, bzw. Ummah herzustellen, wie auch der Kommunismus trotzkistischer und leninistischer eine Weltrevolution und einen Weltstaat erhoffte. Man denke nur an die Jesuiten, die damals die Herrscher anderer Länder katholizieren wollte und dem Papst und Vatikan unterordnen wollte, z.B.  Adam Schall und die Jesuiten in China, die China wie spätere Kolonialismusmissionare oder die USA und ihre Evangelikalen China christianisieren wollten. Doch auf dem Weg zu diesem hehren Ziel gab es dann auch wiederum Konflikte und Kriege, seien es die Kreuzzüge und die Religionskriege, was zeigt, dass auch der Weg zu einem Weltstaat wohl nicht unblutig verlaufen würde. Ähnlich wie Globalisierungsfanatiker in Form des US-Pentagonstrategen Thomas Barnett in seinem Buch „The Pentagon´s New Map“ Globalisierungskriege erhofften, die die angebliche Gemeinschaft von connected core states gegen non- connected gap states auch kriegerisch durchsetzen sollten, wofür er den Irakkrieg als den Beginn solch eines angeblich kommenden Globalisierungsvereinigungskriegs betrachtete.

Kommunisten meinten, wenn sie eine Planwirtschaft einführten, dass damit alle Widersprüche gelöst seien. Da die vermeintlich alleinige ökonomische Grundlage der Staatenkonkurrenz beseitigt sei, würde es keine Konflikte mehr geben. Aber es gab auch zwischen kommunistischen Staaten Konflikte, sei es nun zwischen China und der Sowjetunion oder zwischen HoChiMinh- Vietnam und Pol-Pot-Kambodscha. Also selbst kommunistische Planwirtschaften konnten die Nationalstaatenkonkurrenz nicht beseitigen, weder mit imperialistischen Staaten, noch zwischen kommunistischen Staaten. Von daher ist der Glaube, man könne eine reine ökonomische Lösung aller Weltenprobleme durch ein neues Wirtschaftssystem herzubekommen und alles in nationalen Rahmen von Nationalstaaten belasen insofern falsch, inwieweit man eben noch an die Nationalstaaten als Lösung und nicht als Problemursache ,sondern an Nationalstaaten als konstituierendes und positives Grundelement aller Weltordnung glaubt. Gerade die Nationalstaatenkonkurrenz, also  auch die Bündnisse zwischen kommunistischen und kapitalistschen Nationalstaaten gegen andere kommunistische Nationalstaaten zeigt, wie tief die nationale Identität und der Nationalismus auf Basis des Nationalstaates jenseits aller Wirtschaftssystem weiterbesteht.Von daher sollte man für einen Globalismus eintreten, der versucht einen möglichst grossen Weltstaat herzubekommen, natürlich mit Subsidaritätsprinzip und Check- and Balances wie auch ein neues Wirtschaftssystem. Globalismus anstelle von Kapitalismus, Kommunismus und Nationalstaatenkonkurrenz–für einen Weltstaat auf Subsidaritätsprinzip und einer neuen Ökonomie.

Natürlich erscheinen die Vorstellungen von einem Weltstaat oder zumindestens einer größeren weltpolitischen Einheit im Moment illusionär und ich werde sie auch nicht mehr erleben, aber man muss sehen, dass man sich solche Gebilde wie den Nationalstaat im Fleckenteppich des mittelalterlichen Feudalismus oder dann die EU oder die NATO oder die SU im Fleckenteppich der Nationalstaaten im Kapitalismus früher auch nicht vorstellen konnte, sondern sie nach einer Katharsis und einer tiefen Krise des Systems, zumeist Kriegen entstanden sind.

Ich rechne für die nächsten Jahrzehnte eher mit einer Verschärfung der regressiven Tendenzen hin zum Nationalstaat, Ethnie und Religionen, auch wieder mit Grossmachtskonflikten, wenn nicht gar Kriegen (davon spricht inzwischen der US-Generalstabschef offen), zudem mit einer erneuten Finanzkrise und den Auswirkungen des Klimawandels–dies obgleich dem erneuten Globalisierungsdruck, der durch die Digitalisierung und Industrie 4.0 ansteigen wird.Aber der politische Überbau hinkt den ökonomischen Tendenzen da oft hinterher, weswegen es zu Friktionen, Spannungen und Konflikten kommt. Ein solcher Druck hin zu globalen Lösungen wird kommen, wenn die Nationalstaaten, die zahnlose UNO und G-20 und das heutige Wirtschaftssystem die globalen Probleme nicht mehr imstande sind zu lösen, da sie sie ja eben gerade hervorrufen. Dann kann es nur noch weitere Regression bis hin zur Barbarei oder aber eine Gegenbewegung hin zu weltweiter Organisation geben.


Erich Kästner

Märchen von der Vernunft

Es war einmal ein netter alter Herr, der hatte die Unart, sich ab und zu vernünftige Dinge auszudenken. Das heißt: zur Unart wurde seine Gewohnheit eigentlich erst dadurch, dass er das, was er sich jeweils ausgedacht hatte, nicht für sich behielt, sondern den Fachleuten vorzutragen pflegte. Da er reich und trotz seiner plausiblen Einfälle angesehen war, mussten sie ihm, wenn auch mit knirschenden Ohren, aufs Geduldigste zuhören. Und es gibt gewiss für Fachleute keine ärgere Qual als die, lächelnden Gesichts einem vernünftigen Vorschlage zu lauschen. Denn die Vernunft, das weiß jeder, vereinfacht das Schwierige in einer Weise, die den Männern vom Fach nicht geheuer und somit ungeheuerlich erscheinen muss. Sie empfinden dergleichen zu Recht als einen unerlaubten Eingriff in ihre mühsam erworbenen und verteidigten Befugnisse. Was, fragt man sich mit ihnen, sollten die Ärmsten wirklich tun, wenn nicht sie herrschten, sondern statt ihrer die Vernunft regierte! Nun also.

Eines Tages wurde der nette alte Herr während einer Sitzung gemeldet, an der die wichtigsten Staatsmänner der Erde teilnahmen, um, wie verlautete, die irdischen Zwiste und Nöte aus der Welt zu schaffen. „Allmächtiger!“ dachten sie. „Wer weiß, was er heute mit uns und seiner dummen Vernunft wieder vorhat!“ Und dann ließen sie ihn hereinbitten. Er kam, verbeugte sich ein wenig altmodisch und nahm Platz. Er lächelte. Sie lächelten. Schließlich ergriff er das Wort.

„Meine Herren Staatshäupter und Staatsoberhäupter“, sagte er, „ich habe, wie ich glaube, einen brauchbaren Gedanken gehabt; man hat ihn auf seine praktische Verwendbarkeit geprüft; ich möchte ihn in Ihrem Kreise vortragen. Hören Sie mir, bitte, zu. Sie sind es nicht mir, doch der Vernunft sind Sie’s schuldig.“

Sie nickten, gequält lächelnd, mit ihren Staatshäuptern, und er fuhr fort: „Sie haben sich vorgenommen, Ihren Völkern Ruhe und Frieden zu sichern, und das kann zunächst und vernünftigerweise, so verschieden Ihre ökonomischen Ansichten auch sein mögen, nur bedeuten, dass Ihnen an der Zufriedenheit aller Erdbewohner gelegen ist. Oder irre ich mich in diesem Punkte?“

„Bewahre!“ riefen sie. „Keineswegs! Wo denken Sie hin, netter alter Herr!“ „Wie schön!“ meinte er. „Dann ist Ihr Problem gelöst. Ich beglückwünsche Sie und Ihre Völker. Fahren Sie heim und bewilligen Sie aus den Finanzen Ihrer Staaten, im Rahmen der jeweiligen Verfassung und geschlüsselt nach Vermögen, miteinander einen Betrag, den ich genauestens habe errechnen lassen und zum Schluss nennen werde! Mit dieser Summe wird folgendes geschehen: Jede Familie in jedem Ihrer Länder erhält eine kleine, hübsche Villa mit sechs Zimmern, einen Garten und einer Garage sowie ein Auto zum Geschenk. Und da hintendrein der gedachte Betrag noch immer nicht aufgebraucht sein wird, können Sie, auch das ist kalkuliert, in jedem Ort der Erde, der mehr als fünftausend Einwohner zählt, eine neue Schule und ein modernes Krankenhaus bauen lassen. Ich beneide Sie. Denn obwohl ich nicht glaube, dass die materiellen Dinge die höchsten irdischen Güter verkörpern, bin ich vernünftig genug, um einzusehen, dass der Frieden zwischen den Völkern zuerst von der äußeren Zufriedenheit der Menschen abhängt. Wenn ich eben sagte, dass ich Sie beneide, habe ich gelogen. Ich bin glücklich.“ Der nette alte Herr griff in seine Brusttasche und zündete sich eine kleine Zigarre an.

Die übrigen Anwesenden lächelten verzerrt. Endlich gab sich das oberste der Staatsoberhäupter einen Ruck und fragte mit heiserer Stimme: „Wie hoch ist der für Ihre Zwecke vorgesehene Betrag?“

„Für meine Zwecke?“ fragte der nette alte Herr zurück, und man konnte aus seinem Ton ein leichtes Befremden heraushören. „Nun reden Sie schon!“ rief das zweihöchste Staatsoberhaupt unwillig. „Wieviel Geld würde für den kleinen Scherz gebraucht?“

„Eine Billion Dollar“, antwortete der nette alte Herr ruhig. „Eine Milliarde hat tausend Millionen, und eine Billion hat tausend Milliarden. Es handelt sich um eine Eins mit zwölf Nullen.“ Dann rauchte er wieder an seiner kleinen Zigarre herum.

„Sie sind wohl vollkommen blödsinnig!“ schrie jemand. Auch ein Staatsoberhaupt.

Der nette alte Herr setzte sich gerade und blickte den Schreier verwundert an. „Wie kommen Sie denn darauf?“ fragte er. „Es handelt sich natürlich um viel Geld. Aber der letzte Krieg hat, wie die Statistik ausweist, ganz genau soviel gekostet!“

Da brachen die Staatshäupter und Staatsoberhäupter in tobendes Gelächter aus. Man brüllte geradezu. Man schlug sich und einander auf die Schenkel, krähte wie am Spieß und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. Der nette alte Herr schaute ratlos von einem zum andern. „Ich begreife Ihre Heiterkeit nicht ganz“, sagte er. „Wollen Sie mir gütigst erklären, was Ihnen solchen Spaß macht? Wenn ein langer Krieg eine Billion gekostet hat, warum sollte dann ein langer Frieden nicht dasselbe wert sein? Was, um alles in der Welt, ist denn daran komisch?“

Nun lachten sie alle noch lauter. Es war ein rechtes Höllengelächter. Einer konnte es im Sitzen nicht mehr aushalten. Er sprang auf, hielt sich die schmerzenden Seiten und rief mit der letzten ihm zu Gebote stehenden Kraft: „Sie alter Schafskopf! Ein Krieg – ein Krieg ist doch etwas ganz anderes!“

Die Staatshäupter, der nette alte Herr und ihre lustige Unterhaltung sind völlig frei erfunden. Dass der Krieg eine Billion Dollar gekostet hat und was man sonst für denselben Betrag leisten könnte, soll, versichert eine in der „Frankfurter Neuen Presse“ zitierte amerikanische Statistik, hingegen zutreffen.

Quelle: Erich Kästner, «Werke in neun Bänden»

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