Sahra Wagenknechts „Reichtum ohne Gier“, die BRD-Nostalgie und das Manifest des Globalismus

Sahra Wagenknechts „Reichtum ohne Gier“, die BRD-Nostalgie und das Manifest des Globalismus

Der Tortenwurf auf Sahra Wagenknecht scheint so das einzige, was von dem Linksparteitag in der Erinnerung hängen bleiben wird, der ja ein Aufbruchssignal senden wollte.Auch ein Indikator, wie es um linke Streitkultur bestellt ist. Bezeichnend, dass Sahra Wagenknecht für ihre Forderung nach Kapazitätsgrenzen in Flüchtlingsfragen nun als linke Beatrix von Storch gesehen wird.Interessant auch wie sich die ehemalige Vertreterin der Kommunsitischen Plattform nun zur glühenden Verfechterin der sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards und der BRD der 50er/60er Jahre verwandelt hat.

Nachdem Gauweiler mit Lafonatine seinen gemeinsamen Auftritt in München hatte,der vor allem von CSUlern besucht und bejubelt wurde, lobt Gauweiler nun in der SZ das neue Buch von Sarah Wagenknecht“Reichtum ohne Gier“:

„Ich habe diese Frau viele Jahre im Deutschen Bundestag erlebt und weiß, dass sie – bei aller Linkheit – mit Haltung und geradem Rücken etwas retten will, was uns allen wichtig ist: Marktwirtschaft. Ausgerechnet Sahra Wagenknecht wird mancher sagen – sie entstammt doch der Ursuppe des Marxismus-Leninismus, der das Gegenteil von alledem verkörperte. Das kann schon sein. Aber auf der anderen Seite hat sich die bei der Wende 19-jährige Abiturientin, von Ostberlin übrigens wegen Insubordination mit einem Studienverbot belegt, seit ihrem ersten Auftauchen in der deutschen Politik vor mehr als 20 Jahren ein Verständnis des Wertekanons der bundesrepublikanischen Gründerväter erarbeitet, das manchen geborenen BRDler erblassen lassen könnte.Unsere Autorin kennt – wie schon in ihren vorhergehenden Schriften gut nachlesbar – ihren Ludwig Erhard, und zitiert ihn voller Respekt. Diesmal bei der Darstellung seines Ausgangspunkts – Erhards Text über den Nationalökonomen Franz Oppenheimer: „Er erkannte den Kapitalismus als das Prinzip, das zur Ungleichheit führt, ja, das die Ungleichheit geradezu statuiert, obwohl ihm gewiss nichts ferner lag als eine öde Gleichmacherei. Auf der anderen Seite verabscheute er den Kommunismus, weil er zwangsläufig zu Unfreiheit führt. Es müsse einen Weg geben – einen dritten Weg -, der eine glückliche Synthese, einen Ausweg bedeutet.

Die goldenen Jahre der frühen Bundesrepublik beschreibt sie heute so: „Erstmals zeigte in den Industrieländern die persönliche Wohlstandskurve für alle Schichten nach oben. Die Ungleichheit wurde geringer, die Armut ebenso, eine breite Mittelschicht entstand und über mehrere Jahrzehnte schien das Wachstum von Produktion und Konsum keine Grenze mehr zu kennen.“ Dem kann man so wenig widersprechen wie ihrer Diagnose, dass diese positive Phase von Marktwirtschaft und Demokratie in der Mitte Europas inzwischen Geschichte ist.

Eine der wichtigsten Ursachen für den Abstieg sieht Wagenknecht in der sich seither – vor allem seit der globalen Wende 1990 – entwickelten Asymmetrie zwischen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft. Letztere von Manhattan, der Wall Street sowie der Londoner Börse  verordnet, verformt, außer Rand und Band gebracht und um sich selbst rasend. „Lag der jährliche Umsatz mit Finanzderivaten 1986 bei weniger als 50 Billionen Dollar, setzt das globale Wettcasino heute Jahr für Jahr Derivate im Wert von 1500 Billionen um. Allein in den 20 Jahren zwischen 1990 und 2010, in denen sich die Weltwirtschaft verdreifachte, hat sich die Finanzwirtschaft mehr als verdreihundertfacht.“

Fast im gleichen Atemzug erinnert sie uns daran, was davor war: „In der Zeit zwischen 1945 und 1971 gab es keine einzige nennenswerte Bankenkrise. Niemand vermisste all die Derivate, Verbriefungen und sonstigen Finanzinnovationen, über deren existenzielle volkswirtschaftliche Bedeutung uns die Finanzlobby heute Lügenmärchen erzählt.“ Diesen heutigen Vorrang einer entfremdeten Finanzwirtschaft nennt sie „Kapitalismus“. Das legitimiert ein bisschen den parteipolitischen Standort, wird linke Leser erfreuen und Nichtlinke irritieren.

Demokratie statt Arroganz der EU-Kommission

Weil für Letztere das Vorhandensein von „Kapital“ grundsätzlich eher gut ist als sein Fehlen, und Unternehmer und Kapitalgeber einander bedürfen wie die Henne und das Ei. Dass diese neue angelsächsische Finanzwirtschaft – das völlig entpersonalisierte Investmentbanking – mittlerweile aber zu einer tödlichen Gefahr für das freie Unternehmertum wurde, ist auf der anderen Seite freilich völlig unbestreitbar und dass – so heißt es im Text wörtlich – „echte Unternehmer“ dieser Finanzwirtschaft nicht bedürfen, auch.

In gewisser Weise ist dieses Buch in „Pflicht“ und „Kür“ gegliedert. Die Kür bietet ein unmissverständliches Plädoyer für den „historisch entstandenen Staat mit seinen verschiedenen Ebenen“ und gegen die „arrogante EU-Kommission“. Das liest sich ganz ausgezeichnet, ebenso die Warnungen vor den Demokratiedefiziten der immer riesigeren supranationalen Einheiten. Wagenknecht schließt in dieses Demokratiedefizit ausdrücklich das Europäische Parlament ein („. . . viel zu fern, viel zu wenig erfahrbar und der Lebensrealität der Bevölkerung in den einzelnen Ländern viel zu stark entfremdet“).

Eindrucksvoll auch die furiose Abrechnung mit allen Übeln, die sich der globale Managerkapitalismus, insbesondere die Finanzwirtschaft, geleistet hat und was er sich seit Bill Clinton, Tony Blair und der Herrschaft der Rot-Grünen in Deutschland sogar gesetzlich alles herausnehmen darf. Hedgefonds, Europäische Zentralbank, das EU-Gemeinschaftsgeld und die „Euro-Rettung“ inklusive. „Entweder man kappt die Basis ihrer Macht – ihre Fähigkeit, nahezu unlimitiert Geld zu erzeugen und sagenhafte Gewinne damit zu machen -, dieses Geld in realwirtschaftlich sinnlose oder sogar schädliche Kanäle zu lenken, oder man hat verloren.“

Weil es aber dann doch ein paar Unterschiede zu den klassischen Marktwirtschaftlern geben muss – im letzten Kapitel des Buchs kommt endlich die „Pflicht“ zu ihrem Recht, die naturgemäß eine linke sein muss: „Eigentum neu denken“ heißt die Überschrift, was ein bisschen bedrohlich klingt, auch wenn es bloß um Vorschläge wie „Mitarbeitergesellschaften“ geht und „Gemeinwohlgesellschaften“.

http://www.sueddeutsche.de/politik/kapitalismus-die-entfremdeten-1.2922659

Es scheint sich eine Querfront von BRD-Nostalgikern zusammenzutun. Gauweiler und Lafonatine hatten ja auch über Jahre hinweg eine gemeinsame Kolumne in der BILD-Zeitung, bevor Gauweiler dann in Dirk Ippens Münchner Merkur eine gemeinsame Kolumne mit Christian Ude (SPD) aufmachte. Da wächst scheinbar zusammen, was zusammengehört. Vielleicht ist diese Sorte Querfront einem aber sympathischer als eine Querfront Elsässer/Kubitschek/AfD, vielleicht landet man aber mit sozialmartwirtschaftlich-demokratischen Forderungen, die den starken Nationalstaat betonen auch letztendlich gerade wieder bei letzterer Querfront oder gibt dieser Nahrung.

Interessanter Artikel der trotzkistischen World Socialsit Webseite über die Linkspartei und Sahra Wagenknecht im speziellen, auch über ihr neues Buch „Reichtum ohne Gier“, wobei ihr die Nähe zu AfDpositionen, Kapitalismusapologie und Nationalismus vorgeworfen wird.:

„Sahra Wagenknechts Plädoyer für Nationalismus und Marktwirtschaft“

https://www.wsws.org/de/articles/2016/03/24/wage-m24.html

Wagenknechts Plädoyer für die soziale Marktwirtschaft wird als nostalgisch und reaktionär empfunden, ihre Rückbesinnung auf die BRD AG der 50er-80er Jahre als historischer Rückschritt eingestuft, der dem Voranschreiten der Produktivkräfte und ihrer Globalisierung nicht gerecht werde. Auch ihre Verbindung zwischen Demokratie und einem möglichst geschlossenen, homogenen, überblickbaren Volkes sowie eines starken Staats wird als geradezu völkisch angesehen.Umgekehrt fragt man sich dann, was wohl die Trotzkisten anzubieten haben: Auch nicht mehr als nostalgisch-reaktionäres Zurück zur alten Plan- und Kommandowirtschaft unter einer Einheitspartei mit Führerkult.Und in Sachen Abschottung waren die realkommunistischen Systeme ja wasserdichter als jeder kapitalistisch-demokratische Staat.Das lockt aber auch keinen mehr hinter dem Ofen hervor.Man sieht: Solange es kein neues Gegenmodell zu Kapitalismus und Kommunismus gibt, drehen sich die Diskussionen im Kreise und wird für viele Menschen die Vorstellung eines regulierten, sozialmarktwirtschaftlich-demokratischen Kapitalismus die einzig vorstellbare Alternative sein zu dem anglosächsischen Kapitalismus, dem staatsautoritären-oligarchischen Kapitalismus Rußlands oder Chinas, dem gerade im Kollaps befindlichen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“Chavez/maduro-Venezuelazs  oder der gehabten kommunistischen Planwirtschaft. Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch der Global ReviewBeitrag „Manifest des Globalismus–gegen Kapitalismus, Kommunismus und Nationalstaatenkonkurrenz“, in dem eine neue Politökonomie, sowie eine internationale Institution gefordert wird, die stärker als die UNO, aber auch nicht so totalitär wie ein Weltstaat wäre oder aber wenn ein Weltstaat dann mit check and balances und Subsidaritätsprinzip. Gerade hier galten die Trotzkisten ja aufgrund ihres Internationalismus  (im Gegensatz zu Stalins Sozialismus in einem Land oder anderen Nationalkommunisten wie Mao, Pol Pot,etc.) oder der nationalen Beschränktheit des Bürgertums neben den multinationalen Konzernen und dem Finanzkaptal als Vorreiter und Avantgarde des Gedankens der internationalen Kooperation oder von globalisierten Institutionen wie etwa einem Weltsowjet. Interessant, dass dieser verfolgenswerte und aktuelle Gedanke von dem meisten Linken gar nicht mehr aufgenommen wird, sondern man sich zunehmend national und im Rahmen der Standortkonkurrenz orientiert. Neben der Desillusionierung über den planwirtschaftlichen Kommunismus scheint aber auch der Gedanke an grössere Einheiten oder supranationale Institutionen wie etwa die Sowjetunion oder die EU an Reiz zu verlieren und man sich ein Leben in kleineren überschaubaren Einheiten herbeizusehnen. Eine Trendwende dürfte erst erfolgen wenn es grundsätzliche Reformen der EU oder zur weitgehendsten Desillusionierung über die vermeintliche Kapazität von Nationalstaaten bei der Lösung der Krisensymptome des wirtschaftlichen und politischen Weltsystems und seines Weltmarktes und seiner Nationalstaatenkonkurrenz kommt. Als weiterführenden Lesetip:

Manifest des Globalismus–Identität, Globaliserung und “Ich bin Malala”(Teil 1)

http://www.global-review.info/2015/09/18/identitat-globaliserung-und-ich-bin-malala/

Manifest des Globalismus–gegen Kapitalismus, Kommunismus und Nationalstaatenkonkurrenz-für den Weltstaat mit einer neuen Ökonomie (Teil 2)

http://www.global-review.info/2015/12/22/manifest-des-globalismus-gegen-kapitaklismus-kommunismus-und-nationalstaatenkonkurrenz-teil-2/

 

 

 

 

 

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