Der Wohnungsmarkt: „Mieter wählen SPD, Miethaie wählen CSU!“

Der Wohnungsmarkt: „Mieter wählen SPD, Miethaie wählen CSU!“

Gastautor: Genova

Der nackte Kaiser von München

Veröffentlicht am 28. August 2016 von

Gerhard Matzig schreibt in der Süddeutschen (19.8., S. 10) über die jahrhundertealten Verheißungen von Stadt, die sich aktuell massiv änderten: von „Stadtluft macht frei“ zu „Stadtluft macht arm“:

Die Lebenshaltungskosten sind in München inzwischen so hoch, dass sie auch von den oft überdurchschnittlichen Löhnen und Gehältern nicht mehr abgefedert werden können. Wer nach München zieht, geht also dort das Risiko ein, immer ärmer zu werden…

In Tirschenreuth in der Oberpfalz ist laut Matzig ein Euro lebenshaltungstechnisch 1,40 Euro wert, in München sind es nur 60 Cent. Matzig fragt und antwortet:

„Macht Stadtluft also in Wahrheit arm? Es sieht so aus.“

Es ist bezeichnend für den Neoliberalen Matzig, dass er das zwar bedauert, danach aber mit Floskeln wie „Städte sind Chancen, keine Garantien“ oder „Städe müssen Jobmotoren sein“ kommt und die Ursachen der von ihm sicher richtig diagnostizierten Steigerungen der Lebenshaltungskosten nicht in den Blick bekommt: Sie gehen komplett auf die sogenannten Wertsteigerungen von Immobilien. Es ist der einzige Preis, der in Stadt steigt.

Lieber Gerhard Matzig, just for info: Je effektiver der Jobmotor läuft, desto massiver die Immobilienwertsteigerungen. Bis auf die Spekulanten wird diesen Wettlauf niemand gewinnen.

Dabei kann man heute Häuser preiswerter bauen als vor 50 Jahren. So wie das bei Autos, Küchenschränken und Klopapier auch der Fall ist. Die Löhne für Bauarbeiter sind nicht massiv gestiegen, die Materialkosten und die Honorare für Architekten ebensowenig.

Das Haus in München kostet – kapitalismusbereinigt – weniger als das in Tirschenreuth. Sämtliche Infrastrukturkosten sind in der Stadt niedriger als auf dem Land. Davon abgesehen ist das Stadtleben ökologischer als das Landleben.

Wäre dieser Staat ernsthaft an der Lösung von Ökologieproblemen interessiert, müsste er die Immobilienspekulation beenden.

Ein paar Tage später interviewt die Süddeutsche eine Rapperin aus München, die es auch schade findet, dass die hohen Mieten „die Kreativen“ vertreiben. Man könne sich kaum ein Atelier anmieten und bei ihr gegenüber sei gerade eine Vierzimmerwohnung für 2.500 Euro kalt weggegangen. Auch hier keinerlei Interesse oder Verständnis für die ökonomischen und gesellschaftlichen Ursachen dessen, was beklagt wird.

Es ist, wie hier schon oft geschrieben, die smarte und deshalb so effektive neoliberale Gehirnwäsche, der wir alle ausgesetzt sind. Kapitalismus ist wie das Wetter: Man motzt, wenn es regnet, aber man kann das Wetter ja nicht abschaffen.

Der Kaiser stünde dann nackt da.

https://exportabel.wordpress.com/2016/08/28/der-nackte-kaiser-von-muenchen/#comment-15001

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Als ehemaliger Münchner kann ich das bestätigen. Oft vergessen wird dabei zu erwähnen, dass es gerade die SPD-Regierung unter dem so allseits gefeierten Oberbürgermeister Christian Ude war, die den sozialen Wohnungsbau zurückfuhr und auch die Genossenschaftswohnungen und Sozialwohnungen privatisierte. Dabei hatte sich Ude vor allem als Mieteranwalt und Vertreter der kleinen Leute in Nichtregierungszeiten einen Namen gemacht. Ich kann mich noch erinnern, wie Ude gegen Gauweiler kandidierte, als er noch keinen Namen hatte. Da die Umfragewerte sanken, musste der vorige Oberbürgermeister Kronawitter , der „rote Schorsch“aus seinem Urlaub als Wahlkamphelfer geholt werden, da Ude in seinen Reden sehr akademisch und statistiklastig verfuhr und sein Wahlvolk vor lauter Differenzierungen gar nicht mehr verstand, was Ude eigentlich sagen wollte. Kronawitter machte damals auch die Wohnungssituation zum wesentlichen Wahlkampfthema, während Gauweiler auf innere Sicherheit, Law and Order setzte und SPD- München als Hauptstadt der Kriminalität und als Metropole des Verbrechens portraitierte.Der „rote Schorsch“verwendete in seinen Reden dabei die griffige Formel: „Mieter wählen SPD, Miethaie CSU!“. Diese proletarische Ansage kam an und Ude wurde gewählt. Naja. Unter Ude und unter seinem Nachfolger Reiter explodierten die Mieten dann ins Astronomische.

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