Ist Trumpism Jacksonianism?

Ist Trumpism Jacksonianism?

Es kommt nun in Mode, Trump mit dem früheren US-Präsidenten Andrew Jackson zu vergleichen, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich bei Trump um eine alte Traditionslinie in den USA, die nicht weiter zur Sorge Anlass geben müsste. Zum einen zieht die Breitbart News von Trumps neuem Chefstrategen im Weißen Haus Steve Bannon den Vergleich bezüglich der Methode des Antiestablishments-Populismus, der Jackson gegenüber seinem damaligen Konkurrenten zum Sieg verhalf:

„You can substitute “Donald Trump,” for “Andrew Jackson” in the history of a candidate winning against huge odds, and then sub “Hillary Clinton” for “Richard Nixon” in the account of a scandal-plagued candidate who won a landslide victory without winning either chamber of Congress.

Right now the polls fall between the two — a smaller Clinton win — but the final push could lead this campaign to follow one of two similar historic paths.

If you substitute “Trump” for “Jackson” in the Miller Center’s review of the election of 1824, the campaign looks very similar:

Crawford’s [Jeb Bush’s] … consequent image as the insider’s choice rather harmed than helped his chances. … Many political professionals, especially [Speaker Henry] Clay, did not take Jackson’s [Trump’s] candidacy entirely seriously at first. The returns showed their mistake. He proved to be the only aspirant with a truly national popular following. He led the field with 43% of the popular vote and 99 electoral votes, less than a majority. Adams ran second, with 84 electoral votes … the choice between the top three now fell to the House of Representatives. Speaker Clay … announced his support for Adams, warning that Jackson was … unfit by training or temperament for the presidency … Jackson [Trump] swore that a “corrupt bargain” had swindled him out of the office. Promptly he began to gird for a rematch in 1828. [Which he easily won].“

http://www.breitbart.com/2016-presidential-race/2016/08/15/clinton-mirrors-nixon-re-elect-trump-andrew-jackson

 

ZEIT online wiederum zieht Paralellen zwischen Trump und Jackson bezüglich der Außenpolitik:

„Trumps Haltung ist „America First“

Aber nichts spricht in Wahrheit dafür, dass es in Trumps Amtszeit schon nicht so schlimm kommen werde. Die tröstliche Erinnerung an Ronald Reagan, der ja auch zu Beginn als Mann des Entertainments verachtet und als kalter Krieger gefürchtet wurde, um dann doch Frieden mit Gorbatschow zu machen – sie hilft hier nicht weiter: Reagan war zuvor Gouverneur von Kalifornien gewesen, und er hatte eben nie hetzerischen Wahlkampf geführt; seine Siegesformel war optimistisch („Morning in America„). Reagan war außenpolitisch – selber Teil der Kriegsgeneration – ein Internationalist, der glaubte, dass Amerika eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der liberalen Weltordnung zu spielen hatte. Das bedeutete damals: die Sowjetunion zurückdrängen, aber auch jede Chance zur Verhandlung wahrnehmen.

Nichts davon gilt für Trump. Im Gegenteil: Seine Haltung ist „America First„. Und wenn es dazu passt, schließt das sogar Deals mit Feinden der Freiheit ein. Starke Führer teilen die Welt unter sich auf.

Man muss verstehen, dass diese Haltung nicht allein aus Trumps Erfahrungen als Geschäftsmann gespeist wird. Was ist Donald Trumps außenpolitische Philosophie?

Weder widersprüchlich noch wirr

Anders als Frank-Walter Steinmeier suggeriert, sind die Ideen des kommenden Präsidenten weder widersprüchlich noch wirr.

Seine Forderungen lassen sich problemlos auf einem Bierdeckel zusammenfassen: Putin integrieren, Mexikaner draußen halten und die amerikanischen Alliierten künftig wie die Kunden eines Wachdienstes behandeln. Schutz gibt es nur noch gegen Cash, auch in der Nato.

So verständlich der Schock darüber ist: Steinmeiers Behauptung, Trumps Weltsicht ergebe keinen Sinn und man könne sich daher nicht darauf einstellen, ist nicht richtig.

Es mag sein, dass die Weltsicht des neuen Präsidenten den Deutschen, den Europäern, Amerikas Partnern im Nahen Osten und in Asien weder einleuchtet noch gefällt – aber sie ist weder vage noch unstimmig. Es ist einfach nicht wahr, dass Trump keine kohärente geopolitische Vision hätte. Im Übrigen entspricht sie einem der ältesten Stränge amerikanischer Außenpolitik. Er wird nach dem siebten Präsidenten Andrew Jackson (1829–1837), übrigens einem der Gründer der Demokratischen Partei, als Jacksonianismus bezeichnet.

Trump ist ein Jacksonian

Jacksonians sehen die Vereinigten Staaten als zurückhaltenden, prinzipiell gutmütigen tough guy, der eigentlich in Ruhe seinen Geschäften nachgehen will, aber leider immer wieder von Neidern und Störern angegriffen wird. (Dass Trump mit dieser Sicht sympathisiert, wird niemanden überraschen.)

Jacksonians sehen die USA als eine Nation, die am besten fährt, wenn sie ihre Interessen alleine verfolgt. Die Vereinigten Staaten sollen sich in die Angelegenheiten anderer Länder weder aus kommerziellen Interessen noch zum Zweck der Demokratieverbreitung tiefer einmischen (wie es etwa die Wilsonians wollen, die konkurrierende außenpolitische Schule).

Werden die USA angegriffen, müssen sie nach der Ansicht der Jacksonians mit massiver, überwältigender Vergeltung reagieren, ohne Rücksicht auf Kollateralschäden. Von Pearl Harbour über den 11. September bis zur Bedrohung durch den IS argumentierten die Anhänger dieser Lehre immer schon so. Auch Donald Trumps Ankündigung, den IS durch Flächenbombardements zu pulverisieren („bomb the shit out of Isis„), steht in dieser Tradition.

Zurückschlagen ja, andere Interventionen nein

Frank-Walter-Steinmeier sagte Spiegel Online: „Es ist einfach widersprüchlich, wenn das Motto ist ‚Make America great again‘ und gleichzeitig der Rückzug aus der Welt propagiert wird, wenn Kritik an amerikanischen Militäreinsätzen geübt und gleichzeitig gefordert wird, schnell Schluss zu machen mit dem IS in Syrien und im Irak.“

Für Jacksonians wie Trump ist das aber keineswegs ein Widerspruch: mit allen Mitteln gegen einen Feind zu(rück)zuschlagen, steht eben nicht im Gegensatz zur Ablehnung anderer Interventionen – seien sie „humanitär“, zum Zweck eines Regimewechsels oder zur Durchsetzung internationaler Normen.

Man kann, ja man muss diese Weltsicht kritisieren: Amerika als gutmütige, von immer neuen Bösen überfallene Unschuld – das ist natürlich ein Mythos. Und wohin führt denn das massive Zurückschlagen (siehe Kambodscha, Afghanistan, Irak)?

 

Sehr klare, aber sehr falsche Antworten

Allerdings ist der ebenfalls gescheiterte liberale und neokonservative Interventionismus mitverantwortlich dafür, dass einer wie Trump heute bei den Leuten ankommt. Wir halten uns künftig raus und schlagen nur noch massiv zu, wenn es uns nützt oder unvermeidlich ist – das ist Trumps Antwort auf die Krise jener imperialen Überdehnung amerikanischer Einmischungspolitik, für die Hillary Clinton stand.

Um das klarzustellen: Niemand kann wissen, ob Präsident Trump tatsächlich dieser Linie folgen wird. Man muss auch daran zweifeln, dass dies in der heutigen, interdependenten Welt überhaupt möglich wäre. Es gilt allerdings, sie erst mal zur Kenntnis zu nehmen – schon um zu verstehen, warum seine Äußerungen vielen Amerikanern keineswegs so außerirdisch vorkommen wie den Europäern.

Man kann vier Grundzüge von Trumps Außenpolitik erkennen:

Sie ist isolationistisch – keine Beteiligung an militärischen Aktionen ohne direkten Bezug zur nationalen Sicherheit (man erinnere sich an das Zögern der USA vor dem Eintritt in beide Weltkriege).

Sie ist protektionistisch – an höchster Stelle steht der Schutz vor unfairem Wettbewerb (was sowohl Strafzölle gegen China wie auch eine Mauer gegen irreguläre Migration beinhaltet, beides zum Schutz einheimischer Arbeiter).

Sie ist realistisch – in dem Sinn, dass ein starker amerikanischer Präsident mit anderen Führern ungeachtet ideologischer Differenzen und ohne Rücksicht auf Werte Deals machen sollte, die den eigenen Interessen nutzen.

Sie ist transaktionistisch – und damit ein Bruch mit dem Selbstverständnis der USA als Hegemon, der als Vorleistung Institutionen bereitstellt (Nato, Uno, Nafta), die ihm nicht unmittelbar gleich viel nutzen wie seinen Partnern.

Es wäre falsch, diese klar erkennbaren Leitlinien von Trumps Außenpolitik einfach für Unsinn zu erklären.

Zurücklehnen wäre fahrlässig

Jeder der vier Punkte nimmt legitime Anliegen auf: Die vielen Kriege haben Amerika und die Welt nicht sicherer gemacht. Die Kosten für den Freihandel und die Massenmigration tragen die weißen Arbeiter, die Trump gewählt haben, in Form von Outsourcing und Lohnstagnation. In der neuen Weltordnung diktiert Amerika nicht mehr die Bedingungen. Und schließlich: Die sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei vom Amerikas Partnern – Deutschland ganz vorneweg – ist anstößig, was ja übrigens auch Obama bemerkt hatte. (Die Deutschen sparen bei der Bundeswehr und kritisieren den amerikanischen Militarismus. Sie zeigen gerne auf die NSA, sind aber abhängig von US-Erkenntnissen, um Anschläge hierzulande zu verhindern.)

Es ist fahrlässig, sich jetzt im wohligen Bewusstsein europäischer Überlegenheit zurückzulehnen. Trump zuzurufen, man verstehe seine Außenpolitik leider nicht, er möge sich bitte noch mal dransetzen, das zeugt im Übrigen von eben jener Arroganz, die gerade bei der Wahl in Amerika abgestraft wurde.

Nein, diese Außenpolitik liegt in ihren Grundzügen offen zutage, und sie beinhaltet sehr klare, allerdings auch sehr falsche Antworten auf echte Probleme.

Es wäre besser, die Europäer setzten sich selber hin und formulierten ihre eigene Außenpolitik endlich einmal aus: Warum der Isolationismus kurzsichtig ist und am Ende teurer als die vielen internationalen Verpflichtungen. Wie man ohne Protektionismus und Mauern die Arbeiter schützt. Warum purer Realismus gegen Wladimir Putin und Xi Jinping unrealistisch ist. Was Amerikas Partner sich für eigene, neue Beiträge zur gemeinsamen Sicherheit vorstellen können.

Das sind doch lohnende Denksportaufgaben.“

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/aussenpolitik-donald-trump-usa/komplettansicht

Wohlgemerkt ist die heutige Welt wirtschaftlich wesentlich verflochtener, hat man internationale Organisationen und Massenvernichtungswaffen mit weltweiter Reichweite, gibt es internationale Telekommunkationsmittel, Digitalisierung und Industrie 4.0–von daher ist fraglich, ob eine US-Außenpolitik ala Jackson, der in einer eher abgeschotteten kontinentalen USA lebte, noch so zielführend und möglich ist, selbst wenn heute ein Jackson US-Präsident wäre. Auch möglich, dass Trump zuerst Jacksonianisch handelt, Putin und Xi Jinping und anderen für seine Deals entgegenkommt, diese dann den ausgestreckten Finger für die Hand in Europa, dem Greater Middle East und dem Pazifik nehmen und in Washington dann Empörung und Panik ausbricht und dann eben extreme Gegenreaktionen ausgelöst werden–denn auch wenn der IS besiegt sein sollte, fragt sich, ob deswegen und wegen Zugeständnissen bei der Krim Russland, China, Erdogan-Türkei, Iran, u.a. satuiriert sein werden oder dies nicht eher als Ermutigung verstehen temporär verabredete Einflußsphären zügig zu erweitern.Desweiteren stellt der Artikel richtig fest, dass man erst einmal abwarten müsse, ob Trumps Erklärungen und seine Taten denn auch dann übereinstimmen werden.Richtig ist jedoch, dass er sich verbal mehr an einer Außenpolitik ala Jackson zu orientieren scheint.

Jedoch bleibt abzuwarten, falls dies der Fall sein sollte, ob dies auch für die Innenpolitik gilt. Denn Trump und Bannon haben angekündigt eine „Bewegung“aus Wutbürgern zu mobilisieren, die die Republikaner durch Aufstellung eigener Trump-Kandidaten bei den nächsten Vorwahlen säubern soll, gegen Trumpgegner mit polizeistaatlichen Mitteln vorzugehen gedenkt, die Medien vielleicht mit Ausnahme von Fox News und rechten Alternativmedien von der Nachrichtenberichterstattung aus dem Weißen Haus auszusperren zu gedenkt, ein eigenes Medienimperium und die sozialen Medien als direkten Draht zu der Trump-Bewegung nebst Demonstrationen und Veranstaltungen zu nutzen. Zu Jacksons Zeiten gab es noch keinen Faschismus und waren autoritäre Diktaturen in den USA verpönt, wurden eher als anachronistische Relikte der Alten Welt, des alten Europas betrachtet, so auch von Jackson. Hingegen wirken Trumps und Bannons Äußerungen eher, als ob sie auch in den USA mittels einer faschistischen Massenbewegung einen autoritären Führerstaat errichten wollten. Ob also der Vergleich Trumps mit Jackson sowohl außen- wie auch innenpolitisch gerechtfertigt ist, bleibt abzuwarten. Oder mit den Worten von Dietmar Bartsch von der Linkspartei zu sprechen: „Beurteilen wir Trump nach seinen Taten und nicht nach seinen Worten“. Und die ersten Taten sind Drohungen gegen die Opposition und Kandidaten für das Kabinett und den Supreme Court, die eher konservative und extreme Hardliner sind–von Guilinai, Bolton, Flynn, Gingricht, Pompeo und anderen, sowie als Finanzminister- und Wirtschaftsministerkandidaten aus der Wallstreet, von Goldman Sachs und Hedgefunds.Selbst ein antirussischer Hardliner wie Romney als potentiellem Außenministerkadidaten erscheint da noch als Zugeständnis an das Republikanerestablishment und gemäßigt. Aber wie gesagt, all diese Leute sind im höchsten Maße von Trump abhängig und müssen seinen Befehlen gehorchen, sonst werden sie ausgewechselt, zumal sie noch nicht definitiv eingesetzt sind.

 

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