Digitalisierung aus gewerkschaftlicher Perspektive:Interview mit Dr. Engelen-Kefer über Industrie 4.0 und Arbeit 4.0

Digitalisierung aus gewerkschaftlicher Perspektive:Interview mit Dr. Engelen-Kefer über Industrie 4.0 und Arbeit 4.0

Global Review will eine Serie “Digitalisierung aus linker Perspektive”veröffentlichen. Wir haben als erste Interviewpartnerin und Gastautorin für die Digitalisierung Prof. Dr Ursula Engelen-Kefer (Ex-DGB/SPD). Digitalisierung mehr aus der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Perspektive als Anfang.

BIOGRAFIE

Ursula Engelen-Kefer studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln. Dort wurde sie mit der Arbeit „Umschulung in einer wachsenden Wirtschaft“ über Arbeitsmarktprobleme in den USA promoviert. Zunächst war sie als freie Journalistin in den USA tätig. 1970 wurde sie als wissenschaftliche Referentin für Arbeitsmarktanalyse und Arbeitsmarktpolitik beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes eingestellt. 1974 holte sie der DGB als Leiterin des Referates Internationale Sozialpolitik, wo sie 1980 zur Leiterin der neu gegründeten Abteilung Arbeitsmarktpolitik aufstieg. In dieser Zeit vertrat sie den DGB in verschiedenen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Gremien der OECD, der EU und der Internationalen Arbeitsorganisation. Seit 1978 war sie Vertreterin des DGB im Vorstand der damaligen Bundesanstalt für Arbeit.

1984 wurde sie zur Vizepräsidentin der Bundesanstalt für Arbeit benannt. In diese Zeit fielen heftige Auseinandersetzungen – um die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit in der Metallindustrie und den so genannten Streikparagraphen im Arbeitsförderungsgesetz – zwischen Bundesregierung, dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke, und den Gewerkschaften.

1990 wurde Ursula Engelen-Kefer zur Stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes gewählt. Diese Funktion erfüllte sie mit dreimaliger Wiederwahl bis Mai 2006. Gleichzeitig war sie alternierende Vorsitzende von Vorstand und später Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit. Darüber hinaus war sie über mehrere Jahre auch Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund – vormals Verband Deutscher Rentenversicherungsträger. Hierbei hatte sie heftige politische Auseinandersetzungen über die Zukunft der gesetzlichen Sozialversicherung und ihrer Organisationen einschließlich der Selbstverwaltung zu bestehen. Die Konflikte über den Abbau der  gesetzlichen Rentenversicherung durch die Riesterreformen  sowie die Einrichtung der Hartz-Kommission und deren Ergebnisse bis zu den Hartz-Gesetzen waren politische Höhepunkte. Ursula Engelen- Kefer war Mitglied in der Rürup-Kommission zur Reform der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.

Als Mitglied im Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation von 1990 bis 2008 war sie Sprecherin der Arbeitnehmer im Ausschuss für Vereinigungsfreiheit, mithin für die Durchsetzung von Rechten der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände und der Tarifvertragsfreiheit auf internationaler Ebene.

1972 trat Ursula Engelen- Kefer in die SPD ein. Es war die Zeit der Ostpolitik und der Reformen von Willy Brandt. 1986 wurde sie zum ersten Mal in den Parteivorstand der SPD gewählt und war dort bis 2009 mit Wiederwahl alle zwei Jahre tätig.

Darüber hinaus war sie über Jahrzehnte Mitglied in der Kammer für Soziale Ordnung der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) sowie zwei Perioden in der Synode der EKD. Ebenfalls vertrat sie den DGB über mehrere Perioden im Senat der Max Planck Gesellschaft, im ZDF Fernsehrat und von 1990 bis 2006 im Aufsichtsrat von Saarstahl.

Seit ihrem Ausscheiden aus dem DGB war Ursula Engelen- Kefer als Lehrbeauftragte an mehreren Hochschulen tätig, vor allem an der Freien Universität Berlin, Otto-Suhr-Institut, an der Alice Salomon Hochschule Berlin und an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA).  Dabei behandelte sie insbesondere die Themenbereiche der sozialen Gestaltung von Europäischer Integration und Globalisierung sowie der Arbeitsmarkt- und Personalpolitik für die Gesundheits- und Pflegeberufe. Am 28. April 2010 hat der Senat der HdBA Ursula Engelen-Kefer die Urkunde zur Ernennung als Honorarprofessorin für das Lehrgebiet ”Internationale und europäische Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik” an der HdBA mit Wirkung vom 1. April 2010 überreicht. Sie ist im dreisemestrigen Lehr- und Forschungsbereich  tätig und behandelt zusätzlich die Themen von Demographie und Fachkräftesicherung.

Seit ihrem Ausscheiden aus dem DGB engagiert sie sich ehrenamtlich im Sozialverband Deutschland (SoVD) als Mitglied im Sozialpolitischen Ausschuß und Vorsitzende des Arbeitskreises Sozialversicherung sowie in den Landesverbänden Berlin-Brandenburg und Schleswig Holstein. Bei der Bundesverbandstagung des SoVD im November 2015 wurde sie in den Bundesvorstand gewählt.

Während ihres gesamten Berufslebens hat Ursula Engelen-Kefer vielfältige wissenschaftliche und politische Publikationen veröffentlicht, unter anderem ein Standardwerk zur Beschäftigungspolitik, das bisher in dreifacher Auflage erschienen ist.

Ursula Engelen-Kefer hat verschiedene Ehrungen auf nationaler und internationaler Ebene erhalten – insbesondere das Bundesverdienstkreuz am Bande, verliehen vom damaligen Bundesarbeitsminister Norbert Blüm.

 

Global Review: Frau Dr. Engelen-Kefer. Industrie 4.0 und Digitalisierung sind so die neuen Schlagwörter in der Elitediskussion. Dennoch hat man den Eindruck, dass vielen noch nicht bewußt ist, dass es sich um eine recht grundlegende gesellschaftliche Änderung handelt. Was sind Ihrer Meinung nach die wesentlichen Merkmale und Auswirkungen der sogenannten „4. industriellen Revolution“?

Dr. Engelen-Kefer: Bei der 4. Industriellen Revolution unter dem gängigen Begriff Industrie 4.0 geht es um völlig neue Typen von Arbeit  durch die Vernetzung digitaler Produktion, Dienstleistungen und menschlicher Arbeit. Es entstehen neue Wertschöpfungsketten und gemischte Produkte z.B. aus materiellen Gütern, Dienstleistungen und Wissensarbeit – in vertikaler Vernetzung von Produktion, Dienstleistungen und Vertrieb sowie horizontal insbesondere zwischen Produzent, Zulieferer, Dienstleister, Kunde. Es ist daher nur folgerichtig, wenn Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles mit ihrem konzeptionellen Ansatz zu Arbeit 4.0 die Auswirkungen der „Digitalen Revolution“ auf die Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt stellt: Vorlage eines Grünbuches, Durchführung eines gesellschaftlichen Dialogprozeßes, Erstellung eines Weißbuches zu den Ergebnissen und Empfehlungen

Global Review: Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt und für die Arbeitnehmer? Markus Blume, der Autor des CSU-Grundsatzprogramms rechnet damit, dass 40% der Arbeitsplätze gefährdet sind, eine Studie der Deutschen Bank kommt zu ähnlichen Zahlen. Panikmache oder reale Gefahr, denn schon in den 60er Jahren prophezeite der SPIEGEL arbeiterfreie deutsche Werkshallen mit nur noch Robotern.Geht die Arbeit nie aus, wie dies etwa Christian Lindner sagt und es ist nur eine Frage, wie die Arbeit organisiert und bezahlt wird?

Dr. Engelen-Kefer: Zu den Auswirkungen  dieser „Revolution des Digitalen“ auf den Arbeitsmarkt sind zunächst nur Spekulationen möglich. Dabei lassen sich einige Entwicklungslinien erkennen. Die „Wahrheit“ wird -wie immer- in der Mitte liegen, also zwischen Markus Blume und Christian Lindner, sofern es sie in diesen ständig fluktuierenden Problemfeldern überhaupt geben kann. Bereits seit Jahren erleben wir erhebliche Veränderungen in Organisation, Verfahren und Bedingungen der Arbeit, die nicht nur zum Wegfall alter und Entstehung neuer Arbeitsplätze führen. Ganz entscheidend sind die ständigen und teilweise sehr gravierenden Veränderungen in den Qualifikationsanforderungen sowie Arbeitsbedingungen. So sind immer weniger Arbeitsplätze verfügbar, die nicht mit dem Einsatz digitaler Technik verbunden sind. Betroffen sind  auch geistig/psychische Arbeitsprozesse.

Auf der einen Seite fallen physisch hoch belastende oder sich wiederholende Tätigkeiten weg. Auf der anderen Seite nehmen die Anforderungen an den Ein- und Überblick hochkomplexer digitaler Prozesse und Verfahren zu. Einerseits ermöglichen die neuen digitalen Arbeitsformen für die Beschäftigten größere Spielräume bei der Wahl von Raum und Zeit. Gleichzeitig kann dies jedoch auch mit höherer bis zu unzumutbarer Belastung bei Erreichbarkeit, Verfügbarkeit, Überwachung und Kontrolle verbunden sein.

Darüber hinaus kann diese „Revolution des Digitalen“ den humanen Rahmen der Arbeit weitgehend sprengen, wie z.B. in prekären Arbeitsformen von Befristung, Leiharbeit, Werkverträgen, Selbständigkeit und als vorläufiger Höhepunkt im digitalen Wettbewerb um einzelne Arbeitsaufträge, dem sog. Crowd Working.    Dabei ist noch nicht absehbar, ob und wieweit Arbeitsplätze wegfallen, welche Qualifikationsanforderungen und Arbeitsbedingungen damit verbunden sind – vor allem ob und mit welchen Belastungen die betroffenen Beschäftigten dies überhaupt bewältigen können.

Dabei nimmt der Anteil gering qualifizierter Arbeit immer weiter ab. Dies ist mit eine der Gründe für die hohe Langzeitarbeitslosigkeit unter einzelnen Gruppen von Beschäftigten, vor allem gering qualifizierte und ältere Arbeitnehmer, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen sowie Behinderungen oder Migrationshintergrund und sprachlichen Defiziten. Dabei ist zu unterscheiden, inwieweit die Einstellungshemnisse auf objektiven Defiziten beruhen oder auf Vorurteilen wie vor allem gegenüber Älteren, Behinderten und Migranten.

Global Review: Was halten Sie von der Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen. (BGE. Anfangs war dies ja eher eine Forderung von alternativen Lebensreformlern, inziwschen aber sprechen sich zahlreiche Firmenvertreter des Silicon Valley, wie auch Siemenschef Joe Kaeser dafür aus, während die Linkspartei eher noch bei dem gewohnten Hartz-/Alg-System bleiben will, da unklar ist, in welcher Höhe das BGE ausgezahlt wird. Konservative sehen darin eine Anleitung zum Faulsein und die Infragestellung des Leistungsprinzips. Andere sehen wiederum infolge der Digitalisierung das Ende der Erwerbsarbeit und der darauf aufbauenden Sozialsysteme, wie auch den Einbruch von zahlungskräftigen Konsumenten, die infolge von Nachfragemangel die Wirtschaft kollabieren lassen würden. Wie beurteilen Sie das BGE?

Dr. Engelen-Kefer: Dem bedingungslosen Grundeinkommen -sowohl bei Arbeit wie auch im Alter- stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Dies gilt vor allem, wenn dann alle sonstigen Leistungen der Sozialversicherungen und Sozialtransfers entfallen. Damit würde den Menschen „Steine statt Brot“ gegeben. Die vom Grundgesetz geschützten auf Beitragszahlungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern beruhenden Sozialversicherungssysteme haben es in der Bundesrepublik trotz aller politischen Einschränkungen vermocht, über Jahrzehnte und schrecklichen Weltkriegen hinweg einen gewissen Schutz für die großen Lebensrisiken zu bieten. Nach meinem Dafürhalten ist der Gesetzgeber, vor allem unter der schwarz-gelben Regierungskoalition von Helmut Kohl wie auch der rotgrünen Bundesregierung mit Gerhard Schröder, bereits zu weit gegangen, die Leistungen der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung einzuschränken.

Die Absicht, hiermit Arbeitskosten einzusparen und die Beschäftigung zu fördern, hat zu der erheblichen Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt, vor allem seit 2010, beigetragen. Allerdings mussten viele Menschen hierfür einen hohen Preis zahlen. Prekäre Beschäftigung, Niedriglöhne, Langzeitarbeitslosigkeit sowie Armut bei Arbeit und im Alter sind mit etwa 20 Prozent in Deutschland schneller und höher gestiegen als in vergleichbaren Ländern der Europäischen Union (EU) und haben sich seit über 10 Jahren verfestigt. Dies hat zu einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft geführt- mit abnehmendem Anteil der Löhne sowie der öffentlichen Investitionen einerseits und der Konzentration von hohen Einkommen, Kapitalerträgen und Vermögen in den Händen von immer weniger Privaten andererseits.

Diese Erosion von Sozialstaat und sozialer Gerechtigkeit würde auch durch das BGE nicht verändert werden können. Zwar hätten die  auf  ALGII. HARTZ IV sowie Grundsicherung im Alter angewiesenen Menschen erhebliche Erleichterungen- vor allem bei Bürokratie und Ausgrenzung, abgesehen von den materiellen Belastungen von Niedriglöhnen und Armut. Allerdings wäre dies mit erheblichen Gefahren verbunden, das BGE je nach finanzieller Kassenlage und politischen Erwägungen der jeweiligen Bundesregierungen und ihrer Finanzminister einzuschränken. Auf die Leistungen der Sozialversicherung bestehen grundgesetzlich und rechtlich festgelegte Ansprüche, deren Veränderungen parlamentarischen Entscheidungen mit teilweise hohen Hürden vorbehalten sind, auf die mithin die Bürger mit ihren Wahlentscheidungen und sonstigen politischen Äußerungsformen stärker Einfluss nehmen können als auf ein BGE.

Global Review:Wenn immer mehr Arbeitsplätze infolge der Digitalisierung wegfallen, erübrigt sich dann auch der Fachkräftemangel und ist dies vielleicht sogar die Lösung der demographischen Lücke? Wie soll man die zahlreichen Flüchtlinge integrieren angesichts der Digitalsierung von Wirtschaft und Gesellschaft, wenn Arbeitsministerin Nahles heute schon sagt, dass 90% der Flüchtlinge mittelfirstig gar nicht auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar sind, zumal auch gut integrierte einheimische Arbeiter Probleme haben mit den steigenden Qualifikationen infolge der Digitalisierung bildungsmäßig Schritt zu halten?

Dr. Engelen-Kefer: Demographisch bedingt erfolgt bereits seit Jahren eine Schrumpfung in Bevölkerung und Erwerbtätigkeit verbunden mit einer Verschiebung der Altersstrukturen nach oben.  Ein weiterer Trend ist die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen und damit auch die Anforderungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.   Eine der beherrschenden Herausforderungen in Wirtschaft und Politik ist der Mangel an Arbeits- und Fachkräften. Dies verstärkt sich noch im Zuge der „Digitalen Revolution“, die mit erheblichen Steigerungen der Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten verbunden ist. Auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik geht es seit Jahren um die Ausschöpfung der Beschäftigungs- und Qualifikationsreserven bei den sog. schwerer vermittelbaren Arbeitskräften. Dies betrifft vor allem gering qualifizierte Jugendliche, Frauen, Menschen in höherem Lebensalter, mit Behinderungen oder mit Migrationshintergrund.

Dies gilt ganz besonders für die berufliche Integration der über eine Million Flüchtlinge, die seit Ende 2014 in die Bundesrepublik gekommen sind und nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums bis 2020 auf weit über 3 Millionen ansteigen. Dabei sind auch die auch die mit Zeitverzögerungen beginnenden Familiennachzüge zu berücksichtigen. Allerdings ist hierbei ein “ langer Atem“ erforderlich. Nach bisherigen Erfahrungen ist nicht damit zu rechnen, dass ein größerer Teil der Flüchtlinge in die Tätigkeitsbereiche mit Fachkräftemangel eingegliedert werden können. Hierbei handelt es sich vielfach um Arbeitsplätze mit hohen Qualifikationsanforderungen auch sprachliche Kompetenz und Ausbildung. Dies gilt z.B. für den schon heute vorhandenen und in Zukunft weiter steigenden Fachkräftebedarf in den Gesundheits- und Pflegeberufen, aber auch im Betreuungs- und Erziehungsbereich sowie in vielen handwerklichen Tätigkeiten.

Zu befürchten ist eher eine steigende Konkurrenz um die weiter abnehmenden Tätigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen. Zudem bestehen große Herausforderungen darin, den zumeist jungen männlichen Flüchtlingen in Deutschland die Notwendigkeit deutlich zu machen, dass sie einige Jahre in Sprache und Ausbildung investieren müssen, bevor sie eine reguläre Arbeit mit besserem Einkommen und sozialer Sicherheit erwarten können. Vielfach wollen die jungen Flüchtlinge zunächst vor allem Geld verdienen, um ihre hohen Schulden für die Flucht oder die Familien in der Heimat zurückzahlen zu können.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist in Kooperation mit dem Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (BAMF) mit besonderer Priorität darum bemüht, die berufliche Integration der Flüchtlinge voranzubringen. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stehen die Einweisung in Sprach- und Integrationskurse, die Feststellung beruflicher Kompetenzen, die Vermittlung in Praktika, berufliche Vorbereitung, Ausbildung und Arbeit in Kooperation mit der Wirtschaft.  Verflogen ist allerdings die anfängliche Euphorie in der Wirtschaft, mit den Flüchtlingen den Fachkräftemangel zu beheben. Nach allen Erfahrungen ist mit mindestens 15Jahren zu rechnen, bevor Flüchtlinge bei der Erwerbsbeteiligung das Niveau der Einheimischen erreichen. Noch länger dauert der Nachholprozess beim Einkommen.

Global Review:Welche organisatorischen und inhaltlichen Veränderungen ergeben sich für die Gewerkschaften als Arbeitnehmervertreter durch die Digitalsierung? Zum einen für die Gesamtgewerkschaft (DGB), zum anderen für die Betriebsräte?

Dr. Engelen-Kefer: Gewerkschaften und Betriebsräte müssen sich in ihrer Tarif- und Betriebspolitik sowie Einflussnahme auf die Gesetzgebung und praktische Umsetzung auf die „Digitale Revolution“ ein- und umstellen. Dies sind ständige Herausforderungen, die bereits seit Jahren in zunehmendem Ausmaß die Gewerkschaftspolitik bestimmen.

In einigen Branchen haben die Tarifparteien sog. Demografie-Tarifverträge vereinbart und umgesetzt.  Dabei kommt dem Arbeits- und Gesundheitsschutz zunehmende Bedeutung zu. Zu verweisen ist hierbei auf das Projekt „INQA“ (Initiative „Neue Qualität der Arbeit“) beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Beteiligung der Tarif- und Betriebsparteien sowie der Wissenschaft. Entwickelt werden hierbei Konzepte für eine Demografie feste betriebliche Personalpolitik. Organisiert werden aber auch praktischer Erfahrungsaustausch, Kooperationen zwischen großen, mittleren und kleineren Betrieben bis zu personellen Beratungshilfen. Hierzu gibt es eine Fülle praktischer betrieblicher Beispiele. In dem Projekt PINA (Gesund und qualifiziert älter werden in der Automobilindustrie – Partizipation und Inklusion von Anfang an)  wird in Kooperation von Wissenschaft und verschiedenen Automobilfirmen ein alters/alternsgerechte Personalmanagement am Beispiel der Automobilindustrie entwickelt. Dabei geht es nicht nur um die Vernetzung der betrieblichen Abläufe und der dabei beteiligten Akteure, sondern auch mit Trägern von Prävention und Rehabilitation- insbesondere mit Krankenkassen, Unfall- und Rentenversicherung.

Die Gewerkschaften haben über Jahrzehnte erfolgreich zur Verbesserung der rechtlichen Grundlagen des Arbeitsschutzes in der EU und der Bundesrepublik beigetragen. Zu nennen sind insbesondere: die umfassende Rahmenrichtlinie zu Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in allen Wirtschaftssektoren in der EU mit der ständigen Erweiterung durch zahlreiche Richtlinien zu unterschiedlichen Arbeitsschutzaspekten und für verschiedene Sektoren und Personengruppen; Einführung des Arbeitsschutzgesetzes von 1996 in der Bundesrepublik sowie die laufenden Verbesserungen nach dem „Dreiklang“  Verankerung von Gefährdungsbeurteilung, Maßnahmenplanung und deren Aus- und Bewertung; Weiterentwicklung der gesetzlichen Unfallversicherung (SGBVII) vor allem mit den präventiven Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation.

Dabei bleibt die EU ein wichtiger Motor für den Arbeitsschutz auch in der digitalen Arbeitswelt, der von den deutschen und europäischen Gewerkschaften genutzt und vorangetrieben wird. In dem Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014-2020 geht es vor allem um:  Einführung wirksamer Risikopräventionsstrategien in Klein- und Kleinstunternehmen; Verbesserung der Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen; Berücksichtigung des Alterns der Erwerbsbevölkerung.  Besonders gefördert werden Online Plattformen für die interaktive Gefährdungsbeurteilung einzelner Tätigkeitsbereiche.   Ebenfalls verbessert werden soll die Wirksamkeit der Überwachung durch die nationalen Arbeitsaufsichtsbehörden Dies sind hochaktuelle und brisante Problembereiche, die auch im Arbeits- und Gesundheitsschutz der Gewerkschaften in der Bundesrepublik und auf europäischer Ebene im Rahmen des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) eine entscheidende Rolle spielen.  Nach dem Betriebsverfassungsgesetz von 1972 haben die ca. 750 000 Betriebsräte umfassende Kontroll- und Mitbestimmungsrechte, die auch Raum für Anpassungen an die veränderten Bedingungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung und damit der Anforderungen der Arbeitnehmer ermöglichen.

Diese neuen Herausforderungen erfordern mehr und neue Qualifikationen der Interessenvertretung und Unterstützung wie z. B. durch die Bildungs- und Beratungsangebote der gewerkschaftlichen Technologieberatungsstellen. Die „digitale Revolution“ erfordert vor allem Regelungen zum Schutz von Arbeitsbedingungen, Persönlichkeitsrechten und Datenschutz, zur Qualifikation, Partizipation und Verhinderung unzulässiger Überwachung auch für mobile Arbeit. Dies gilt ebenso für die neuen Formen digitaler Beschäftigung – von prekärer  unselbständiger und selbständiger Tätigkeit bis zum Crowd Working.  Neue Beteiligungsmöglichkeiten sind heute gerade in vielen modernen, hochproduktiven Unternehmen Realität. Dies gilt vor allem für die „Entgrenzung“ und „freiwilligen“ Unterminierung insbesondere der Arbeitszeit-Bestimmungen oder bei den Selbständigen die neuen Formen wie insbesondere das sog. Crowd Working. Hier müssen die Gewerkschaften  neue „Wieder“-Begrenzungen erkämpfen, die vor allem auch Menge, Intensität und zeitliche Verteilung der Arbeitsleistung selbst angehen. Für die neuen Selbständigen bedeutet dies vor allem Einflussnahme der Betriebsräte  auf das Werkvertragsrecht. Damit sind neue, vor allem auch tarifliche Konzepte für den großen Bereich der Zeitlöhne erforderlich – ein wichtiger Aktionsbereich für die Gewerkschaften und Betriebs-sowie Personalräte. Auch hierbei spielen der Arbeits- und Gesundheitsschutz ein wichtige Rolle- insbesondere die Konzipierung und Umsetzung von beteiligungsorientierten Gefährdungsanalysen sowie überbetriebliche Rahmen z.B. durch lokale und regionale Gesundheitszirkel unter Beteiligung von Sozialversicherungsträgern und Unternehmen.

Im Bereich der überbetrieblichen Mitbestimmung kommen neue Herausforderungen auf die Gewerkschaften in den Selbstverwaltungen der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) zu. Dabei geht es um die Umsetzung der gewerkschaftlichen Leitvorstellunge zur umfassenden überbetrieblichen Unterstützung einschließlich Regelung und Kontrolle der Betriebe in allen Fragen von Sicherheit, Gesundheit und menschengerechter Arbeitsgestaltung und damit Weiterentwicklung zu einer „Agentur für Prävention“ im Zusammenwirken mit anderen Zweigen der Sozialversicherung. Darüber hinaus erfordern die Globalisierung sowie weltweite Produktions- und Dienstleistungsketten eine stärkere Befassung mit den internationalen Bedingungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes auch und insbesondere vor dem Hintergrund der sich ständig weiterentwickelnden „Digitalen Revolution“.

Global Review: Das Neue an der Digitalisierung soll sein, dass nicht nur niedrig qualifizierte Arbeitsplätze gefährdet werden, sondern dass die durch die Computerentwicklung geförderte Künstliche Intelligenz und die Algorithmenprogramm auch bisher hoch qualifizierte und akademische Arbeitsplätze wegrationalisieren sollen wie etwa Ärzte. Architekten, Übersetzer, Juristen,etc. Ist die kommende Digitalsierung tiefgreifender als die vorhergehenden technologischen Veränderungen oder ist eine solche Ansicht eher moderne Maschinenstürmerei?

Dr. Engelen-Kefer: Die gravierenden Auswirkungen der neuen Formen der Digitalisierung werden auch vor hochqualifizierten und professionellen Berufen nicht haltmachen. Allerdings würde ich vor überspannten Erwartungen bis zur Panikmache warnen. Digitale Umstellungen sind seit vielen Jahren im Gang und haben auch bisher nicht zur Vernichtung der professionellen Arbeit geführt. Im Gegenteil sind neue Anforderungen entstanden: z. B. an Rechtberatung und Rechtsvertretung in den sich ständig verändernden digitalen Angelegenheiten;  medizinische Versorgung vor allem bei psychischen Erkrankungen; Übersetzungen in hochsensiblen bilateralen und multinationalen neuen Formen digitaler Zusammenarbeit; zusätzliche Aufgaben in der Wissenschaft im Zusammenhang mit den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der digitalen Entwicklung; neue Formen im Rahmen des privaten und öffentlichen Bauwesens einschließlich der wirtschaftlichen und sozialen Infrastrukturen.

Global Review: Welche Auswirkungen hat die Digitalsierung auf das Bildungs- und Sozialsystem?Gibt es da schon Studien oder neue Modelle, wie die Folgen der Digitalsierung bewältigt werden sollen?

Dr. Engelen-Kefer: Auch im Bereich des Bildungswesens bedarf es erheblicher Anpassungen und Verbesserungen. Unabhängig von den jeweiligen Formen und Stufen ist eine bessere Ausstattung mit Hard- und Software vordringlich. Entscheidend ist jedoch ein quantitativ und qualitativ ausreichendes Angebot an qualifizierten Ausbildern und Lehrern. Die fortschreitende Digitalisierung muss nicht nur in Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen einbezogen werden, sondern auch Teil der Aus- und Weiterbildung der Erziehungs-, Lehr- und Betreuungskräfte werden. Hierzu bedarf es eines ständigen Informations- und Erfahrungsaustausches auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene.

Global Review: Thematisieren die existierenden Parteien das Thema Digitalisierung überhaupt ausreichend?Momentan wird ja nur noch über Sicherheits- und Flüchtlingspolitik geredet, aber man gewinnt den Eindruck, dass außer der FDP keine der Parteien das Zukunftsthema der Digitalisierung im Wahlkampf und darüber hinaus als wesentliches Thema hat.

Dr. Engelen-Kefer: Diese umfassende und interdisziplinäre Problematik der Digitalisierung und ihrer Weiterentwicklung muss in allen Bereichen der Wirtschafts- und Sozialpolitik berücksichtigt werden. Dazu muss die diesbezügliche Verantwortung, einschließlich ihrer inhaltlichen und personellen Ausgestaltung in allen Parteien gestärkt werden.

Global Review: In Deutschland und Europa gibt es kein Silicon Valley, noch große IT-Firmen (mit Ausnahme von SAP). Hat Europa die Digitalsierung verschlafen und reichen die zahlreichen kleinen Start-ups und national champions aus, um der US- amerikanischen und chineischen Konkurrenz überhaupt etwas entgegensetzen zu können?

Dr. Engelen-Kefer: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Bundesrepublik sind dringend gefordert, die Weiterentwicklungen der Digitalisierung zu einem ständigen prioritären Anliegen auszugestalten und umzusetzen. Allerdings würde ich vor einer „Fetischierung“ der Digitalisierung warnen. Entscheidend ist vielmehr die konzeptionelle und praktische Berücksichtigung der Digitalisierung als regulärer Bestandteil von immer mehr Arbeits- und Lebensprozessen, ohne andere zu vernachlässigen.

Global Review: Welche Veränderungen für das deutsche Bildungssystem sehen Sie infolge der Digitalsierung kommen? Sollte jeder deutsche Schüler einen Computer- und Medienkrus haben statt Latein und Religion und imstande sein nach dem Abitur einen Algorithmus zuschreiben und eine Programmiersprache zu beherrschen, wie dies Sigmar Gabirel in seinem Digitalsierungsstrategie fordert?Und wie sieht es dann mit dem Berufsbildungs- und dem dualen Bildungssystem aus?

Dr. Engelen-Kefer: Die zunehmende Digitalisierung muss selbstverständlich auch in die berufliche Bildung auf betrieblicher, über- und außerbetrieblicher Ebene einbezogen werden- sowohl in der praktischen Ausbildung am Arbeitsplatz sowie der Begleitung in den Berufsschulen.  Wenig sinnvoll ist es, andere Bildungsformen wie z.B. geistes- oder naturwissenschaftliche Bildungsbereiche für die Digitalisierung einzuschränken. Erforderlich ist vielmehr, die Digitalisierung auch in diese Bildungsbereiche einzubeziehen. Insgesamt ist jedoch nach wie vor die ständige Überarbeitung, Anpassung und Bereinigung der Bildungs- und Ausbildungsinhalte erforderlich. Bei der Berufsbildung ist dies institutionalisierte Daueraufgabe von Tarifparteien, Bildungsbereichen und Wissenschaft, z.B. im Rahmen des BIBB sowie der tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen. In der föderalen Bildungspolitik gibt es erhebliche Schwachstellen und Defizite, wie es sich an den Kontroversen um das verkürzte G8 für die gymnasiale Bildung gerade besonders deutlich zeigt, die dringend überwunden werden müssen. Dazu gehört auch die Bereinigung der Inhalte unter stärkerer Berücksichtigung der digitalen Entwicklung.

Global Review: Wie denken Sie wird sich die Digitalsierung auf die Arbeiterklasse und die Gewerkschaften auswirken? Bedeutet die Digitalsierung die Auflösung der Arbeiterklasse und der Gewerkschaften? Bleiben nur noch hoch qualifizierte Arbeitnehmer übrig, die sich in kleinen priviligierten Spartengewerkschaften organisieren, wenn überhaupt,während der verbleibene weniger qualifizierte Teil der Arbeiterklasse gewerkschaftlich unorganisiert bleibt und eher eine Existenz als moderner Tagelöhner fristet?

Dr. Engelen-Kefer: Durch die digitale Entwicklung wird es keine Eliminierung der sog. „Arbeiterklasse“ geben. Vielmehr wird sich der Prozess der fortlaufenden Veränderungen der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen weiter fortsetzen und eine neue Dimension erreichen. Dies gilt vor allem für die Bereitschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu einem Prozess des lebenslangen Lernens. Dies erfordert jedoch auch quantitativ und qualitativ ausreichende Qualifizierungsmöglichkeiten. Das Angebot von gering qualifizierten Arbeitsplätzen ohne Anforderungen an digitale Qualifikationen wird weiter abnehmen und entsprechend die Konkurrenz der gering Qualifizierten zunehmen, mit verstärkter Konkurrenz durch viele Flüchtlinge.

Allerdings kann die zunehmende Digitalisierung auch gerade für die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligten Personengruppen eine Erleichterung bedeuten. Dies gilt z.B. zu Menschen mit bestimmten Behinderungen, die durch Digitalisierung überwunden werden können oder Migranten, deren sprachliche und kommunikative Kompetenzen mit Hilfe der Digitalisierung verbessert werden können, aber auch Frauen mit Familienverpflichtungen, vor allem Alleinerziehende oder Ältere, die durch die Digitalisierung ihre zeitlichen und sonstigen Probleme der Verfügbarkeit überwinden können.

Die diesbezüglichen Herausforderungen und Aufgaben für Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte, die Risiken der Digitalisierung zu verringern und die Chancen besser zu nutzen, werden erheblich zunehmen. Entscheidend ist jedoch, dass auch sie die notwendigen Qualifikationen und Unterstützungen ihrer jeweiligen Organisationen erhalten. Dabei ist es Aufgabe des DGB, die generellen Konzeptionen einer gewerkschaftlichen Politik für die fortschreitende Digitalisierung einzubringen. In den Mitgliedsgewerkschaften muss deren Anpassung und Weiterentwicklung sowie vor allem die praktische Umsetzung in der Tarif- und Betriebspolitik erfolgen.

Global Review: Sie hatten einen Vortrag über Arbeit 4.0 gehalten. Wie sieht die kommende Arbeit 4.0-Gesellschaft nach Ihrer Meinung nach aus? Was sind die wesentlichen Merkmale?

Dr. Engelen-Kefer: Die Arbeit 4.0 wird keine sofortige radikale Veränderung der Arbeitsbedingungen bedeuten, jedoch einen ständigen Prozess der Anpassung erfordern, wobei lebenslanges Lernen und Bereitschaft zu Mobilität im physischen und psychischen Bereich – beruflich und privat- eine entscheidende Rolle spielen wird.

Global Review: Dr. Engelen-Kefer, Sie bezeichnen das Drei-Säulen- Rentensystem für gescheitert. Doch kann eine Rückkehr zur paritätisch-finanzierten Rente angesichts der Demographie und Digitalisierung/Industrie 4.0 die Lösung sein, da vorraussichtlich immer weniger Arbeiter und Angestellte in das Generationenmodell einzahlen werden? Sollte man eine Maschinensteuer/abgabe zur Rentenfinanzierung oder ein bedingungsloses Grundeinkommen stattdessen einführen?

Dr. Engelen-Kefer: Auch die Sozialversicherungssysteme müssen den fortlaufenden Prozess der Digitalisierung mit den revolutionären Umbrüchen wie Industrie und Arbeit 4.0 beachten und entsprechende Anpassungen vornehmen. Dies gilt zum einen für die eigenen Organisationsverfahren, was seit Jahren bereits überall – wenn auch mit mehr oder weniger Friktionen und ständigen Anpassungen für die Beschäftigten in den Sozialversicherungen-  erfolgt.

Darüber hinaus müssen auch die Leistungsbereiche selbst angepasst werden. So ist es unerlässlich, für die neuen Formen der Selbständigkeit einschließlich des „Crowding Out“ soziale Sicherungsformen zu entwickeln. Hierzu kann die Künstler- Sozialversicherung einen hilfreichen Ansatz geben.

Da nicht davon auszugehen ist, dass die Einkommen aus unselbständiger Arbeit infolge massenhafter Arbeitsplatzvernichtung durch die „Digitale Revolution“ abgebaut werden, bleibt auch die gesellschaftliche Bedeutung der solidarischen Sozialversicherungen erhalten und muss gestärkt werden. Für die gesetzliche Rentenversicherung muss die durch die Riester Reformen erfolgte Privatisierung abgeschafft werden. Entscheidend ist die Wiederherstellung der gesetzlichen Altersrente zur maßgeblichen Absicherung des Lebensstandards im Alter als Gegenleistung für die Zahlung von Beiträgen und Steuern. Dazu sind die willkürlich eingeführten Kürzungsfaktoren aus der Rentenformel zu streichen und das Rentenniveau stufenweise wieder anzuheben.

Ebenfalls ist damit die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung wiederherzustellen, die durch die gesetzliche Deckelung der Beiträge für die Arbeitgeber abgeschafft wurde. Dafür wurden die Arbeitnehmer mit zusätzlichen Beiträgen für die privaten Riesterrenten belastet, die nicht nur weniger Renditen, sondern vor allem hohe Verwaltungskosten verursachen und vor allem die Solidarität z.B. bei Erwerbsminderung, Rehabilitationsbedarf, Ableben des Ehepartners abschaffen.

Für die Einführung der schon vor Jahrzehnten in die Diskussion gebrachten „Maschinensteuer“ als Beitrag der Arbeitgeber gibt es bisher kein überzeugendes Konzept.  Die paritätische Finanzierung über Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ergänzt durch einen höheren Steueranteil für die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung stellt immer noch die am wenigsten ungerechte Form der Finanzierung der Alterssicherung für die große Mehrheit der Bevölkerung dar. Erforderlich ist jedoch die Einführung der längst überfälligen Erwerbstätigenversicherung unter Einbeziehung nicht nur von Arbeitern und Angestellten, wie bisher, sondern auch von Selbständigen und Beamten sowie die Heraufsetzung der Beitragsbemessungsgrenze zur Einbeziehung auch der hohen Einkommen in die Solidarität der gesetzlichen Alterssicherung.

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