Moralismus — Was hat Hughes Heffner, was Berlusconi nicht hat?

Moralismus — Was hat Hughes Heffner, was Berlusconi nicht hat?

Es ist schon etwas seltsam. In Celebritymagazinen oder MTV und VIVA werden Pop- und Filmstars in den Himmel gehoben mit all ihren luxuriösen Villen, Frauen, Yachten, Autos, Schmuck, Markenklamotten, hedonistischen Großfeiern  und sonstigen Statussymbolen. Hier reichen bei MTV und VIVA schon nicht mehr Millionäre, sondern nur noch Milliardäre. Je größer und teurer desto glamouröser. Ein Spektakel der Superlative, der den American Dream und den Lifestyle vorgeben soll. Hugh Heffner ist der große King, ein alter reicher Tattergreis, der sich als Playboychef mit jungen Mädels umgibt und diese in seinen Magazinen nackt ablichten lässt.Nur Alice Schwarzer beschwert sich zu Recht.

Hier kommt seltsamerweise nie die Kritik von Korruption, Dekadenz, Ausbeutung — all diese Figuren haben es nur „ehrlich verdient“ und keinen ausgebeutet — sondern bezeichnenderweise nur bei politischen Gestalten soll dies dann der Fall sein — sei es nun Berlusconi oder Ghaddafi mit seiner angeblich 1 vollbusigen ukrainischen Krankenschwester. Daraus wird schnell die Gleichung gemacht, dass es Politikern auch nur um Yachten, Villen, Sexorgien, etc. ginge und selbst bei so biederen Figuren wie Helmut Kohl (nur ein Reihenhaus in Oggersheim kann ja nicht sein) oder Erich Honnecker (Jagd!) oder  Wagenknecht (Hummeressen), Klaus Ernst (Porsche!) und Lafontaine (teure Weine)  werden da vor allem nur hedonistische Motive und ein geheimes Schattenleben in Saus und Braus unterstellt.

Die billige Botschaft „Denen geht es nur um das eine“, nämlich Privilegien, Macht und Luxus kürzt so alles aus den politischen Entscheidungen von Politikern heraus, will auch keine Analyse der Politik liefern und erklärt nichts, sondern will nur moralische Verdammnis über Politik verbreiten, dass eben Politik immer schon was Dreckiges war, ist und sein wird. Dass Macht korrumpiert. So suhlt sich die Volksgemeinschaft wonnig in der angeblichen Politikverdrossenheit. Es ist die totalitäre Vorstellung, dass einem gesunden und sauberen Volkskörper, der alle Hartz-4-ler, Sozialschmarotzer/Lebenskünstler, politisch Unliebige und ausländischen Einflüsse eliminiert, auch ein ebenso sauberer Politikerapperat, der nur dem 1 Volk dient, gegenüberzustehen habe. Idealisierungen und Totalwahnphantasien in beiden Richtungen. Als gäbe es 1 Volk und nicht unterschiedliche politische Meinungen oder unterschiedliche Interessenslagen — aber mittels des Moralismus und der Vorstellung von 1 sauberen Volk, das auch einen ebenso sauberen Politiker bräuche, soll die Volksgemeinschaft hergestellt werden. Deswegen ist auch keine moralische Verurteilung zu billig.

Es sind nur so Pseudoerklärungen: Lafontaine lässt Sarah Wagenknecht so weit in der Linkspartei hochkommen, weil er mit ihr vögelt und seine Frau hintergeht, etc. (eine solche Affäre z.B.versuchte das Qualitätsjournalismusjournal SPIEGEL Lafontaine anzudichten). Auch in der Berichterstattung über Berlusconi erfährt man jede Menge über Patronagen, geile Girls,aber eben nichts über seine Politik. Was hat er eigentlich POLITISCH die letzten Jahrzehnte gemacht? Darüber erfährt man seltsamerweise recht wenig bis gar nichts. Persönliche Angriffe und illustre Ausschmückungen von einem angeblich ausschweifenden Politikerleben haben mehr Quote, als Berichte und Analysen über die jeweilige Politik des Politkers.

Auch bei Jung Chang in ihrer Mao-Biographie darf nicht fehlen, dass Mao stank und Sex mit jungen Bauernmädels und Anhängerinnen/Groupies gehabt haben soll. Womit sich jedes Groupie wie Uschi Obermeier schmückt, nämlich mit Rainer Langhans und den Rolling Stones Sex gehabt zu haben und was als toll gilt, soll dann gerade im Bereich der Politik als verdammenswert gesehen werden. Dahinter steckt immer die Vorstellung, der Politiker habe „dem Volk zu dienen“ und ein Musterschüler zu sein. Aber so wohl wären solch Moralkritikern solche keuschen Politiker dann auch wieder nicht, da sie zu unmenschlich erscheinen und Zweifel aufkämen, ob ein Mächtiger auch ein Mächtiger sei, wenn er nicht solche Ausschweifungen oder mal Ansätze dazu habe. So richtig recht kann es ein Politikern seinen höchst doppelmoralischen Untertanen nicht machen. Franz Josef Strauss wurde ja mit ebenso billiger Moralkritik von Berndt Engelmann angegangen: Mit einer schwarzen Prostituierten soll er etwas gehabt haben auf Kosten Lockheeds. Was wollte Engelmann jetzt eigentlich kritisieren? Dass Strauss eine Schwarze gevögelt haben soll („Rassenschande“?–ein recht seltsamer Vorwurf von Seiten eines Linken…), die Prostituierte („Käufliche Liebe“) oder dass das ganze auf Lockheeds Kosten ging? Dass Strauss die Bundeswehr mit den Starfightern vor allem deswegen beliefern wollte, da man diese nuklear ausrüsten kann und ein nukleargerüstetetes Deutschland Strauss Ziel war, kommt in dem gesamten Schwarzbuch nicht.Es ist schon bezeichnend, dass ein deutscher Linker den deutschen Militarismus mit Oma- Schreckgeschichten von Moral, die höchstens Kaffeetanten aufschreckt, meint schrecken zu müssen. Die CSU-Anhänger interessieren solche Sachen nicht: Ein „Batzi“ und ein „Hund“ sei er gewesen, so schön katholisch doppelmoralisch wie es eben einem Machtpolitiker zusteht. Das ist eben auch der Unterschied zwischen Guttenberg und Strauss: Strauss hat nie den Saubermann rausgelassen, sondern immer augenzwinkernd zu verstehen gegeben, dass man die Bereiche Politik und Wirtschaft und Luxus nie so eng ziehen solle. Auch hätte Strauss nie wegen einer plagiatierten Doktorarbeit seinen Rücktritt eingereicht, verbrannte seine Doktorarbeit angeblich doch im Flammenfeuer des 2. Weltkriegs unter antideutschem Alliertenbombardement. Strauß hat immer den Barock in der deutschen Politik verkörpert. Das war auch der Abtrittsgesang Streibels „Servus Amigos“ und läutete mit  Stoiber die puritanische CSU ein — ein neuer Politikstil, der sich nur noch als sauberer, korrekter und höchstmoralischer Diener des Volkes und Dienstleister einer einigen und einheitlichen Volksgemeinschaft versprach und all diese Bereiche strikt trennen wollte, die Strauss noch lockerer nahm, da er nie der Illusion aufsaß, Politik und Korruption könne man so voneinander trennen. Durften die begleitenden Polizeibeamten unter Strauss noch am Fressbuffett der Reichen mittafeln, so gab es unter Stoiber nur separat  lauwarme Leberkässemmeln, dafür aber eben auch die Landesbankaffäre mit Milliarden Verlusten, die über ein Jahrzehnt den bayerischen Haushalt in den Knochen steckte.Sauber, aber verschuldet!. So rein wie Stoiber wollte keiner mehr sein in der CSU und Seehofer muss sich ja schon wieder sein Doppelleben mit einer Geliebten nebst Ehefrau vorhalten lassen, als ob es nichts politisch zu kritisieren gäbe.

Was ist die Lehre daraus? Wir werden auf dieser Webseite Politiker vor allem politisch kritisieren, aber nicht wegen irgendwelchen Ausschweifungen. Das ist Programm. Und dadurch wollen wir uns auch vom Qualitätsjournalismus, Wikileaks und Celebritymagazinen unterscheiden.

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