Fukushima und der Geist des Samurai

Fukushima und der Geist des Samurai

Wohl auch um von der Diskussion abzulenken, ob ein Ausstieg aus der Kernkraft die praktische Schlussfolgerung aus der Havarie in Japan ist, entdecken munterere  Geister der deutschen Konservativenszene neuerdings den vorbildlichen Volkscharakter der Japaner.

So lobte Claus von Dohnany, seines Zeichen Seeheimer Kreis der SPD und Atomkraftbefürworter, die sagenhafte Opferbereitschaft des japanischen Volkes angesichts Fukushimas und pries Trümmerfrauenromantik. Ebenso lenkte Arnulf Baring bei „Hart, aber fair“ die Diskussion auf die Frage, ob die Anwesenden denn zu gleichen Opfertaten fürs Vaterland bereit sein würden wie die Japaner und bejahte aus dem bequemen Talkshowsessel diese Frage für seine Person. Dem Rest gab er zu verstehen, dass er sie damit für vaterlandslose Gesellen hielt. (Wir müssen leider noch einen deutschen AKW-GAU abwarten, um zu sehen, ob Herr Baring seinen grossspurigen Worten auch reale Taten folgen lassen würde, denn Fukushima ist für ihn eine japanische und keine deutsche Angelegenheit–es ist noch nichts bekannt geworden, dass er sich in Fukushima heldenhaft einsetzen lassen will). Peter Gauweiler schrieb im Münchner Merkur:

„Für die Beratung, wie es jetzt weitergehen soll, brauchen wir etwas, das die Japaner „Jishuku“ nennen—Selbstdisziplin. Unsere Medien sind ziemlich wütend, dass in Japan Politiker als Respektspersonen behandelt werden(…) Es ist für Hysteriker unerträglich, wenn andere Menschen selbst in größtem Leid Form und Haltung bewahren (…) Was für ein Bild: Der Abschied der Feuerwehrmänner nach Fukushima, um den Reaktor zu kühlen und den Stromanschluss wiederherzustellen (…) Friedrich Schiller hat für diese Männer eine Ode geschrieben, in Wallensteins Lager,  im Chor: „Und setztet Ihr nicht das Leben ein/ nie wird Euch das Leben gewonnen sein!“Die Japaner sind so geduldig, gesittet und sachlich.“

(MM v.24.März 2011).

Ja, es kann scheinbar gar nicht genug Opfer geben, um die Opferbereitschaft zu loben. Auch in Teilen der Medien zirkulieren Berichte vom angeblichen Samuraigeist der Japaner, von dem vorbildlichen japanischen Volkscharakter, der Selbstdisziplin, Folgsamkeit, Gefühlskontrolle, Würde und anderes mehr beinhalte. Ab und zu taucht auch einmal der weniger positive Begriff des Kamikaze auf und wird gefragt, ob soviel Untertanengeist für die eigene physische Existenz auch so gesundheitsverträglich sei. Manchmal fragt man sich auch, ob hier nicht einfach Ohnmachtsgefühle, Verdrängung, Defätismus und Zweckoptimismus, also die Hoffnung, alles möge nicht so schlimm kommen, vorliegen. Es ist schwer zu sagen. Dieses blinde Vertrauen in den japanischen Volkscharakter hatte einst auch Japans Militärdiktator Tojo. Während er bei seiner  Auslandsreise ins militaristische Deutschland hier gleichwertige Volkscharaktere von Disziplin und blindem Gehorsam entdeckte, führte ihn seine darauffolgende USA-Reise zu der Schlussfolgerung, dass der amerikanische Volkscharakter individualistisch, undiszipliniert  und hedonistisch sei—solch eine Nation könne auf dem Schlachtfeld schon gar kein realer Gegner sein. Wie man dann in der Realität sah, war dies wohl eine der krassesten Fehleinschätzungen. Dieser abstrakte Appell an die Opferbereitschaft, unabhängig von einem Inhalt, soll wohl die Bevölkerung zu blindem Gehorsam konditionieren. Wie in Grossbritanien der Slogan heisst: „Right or wrong-my country“, so soll hier eine Art Blankoscheck der Untertanen an ihre Herrschaft für alle möglichen Handlungen ausgestellt werden. Die neue Version für: Es ist süss fürs Vaterland zu sterben oder wie einst die HJ als Motto hatte: Geboren, um für Deutschland zu sterben! Für Dohnanny, Baring, Gauweiler und gleichgerichtete Konservative ist die Katastrophe von Fukushima Vorlage, um die alte Schicksals- und Volksgemeinschaftsidylle wieder hochleben zu lassen, die uns in die Schützengräben der Weltkriege führte und Trümmerfrauenromantik und Landserromane pries..

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