Ägyptens Revolution und die Mangelwirtschaft

Ägyptens Revolution und die Mangelwirtschaft

Eine wichtige Frage für jede neue Regierung in Ägypten und anderen arabischen Ländern wird sein, ob sie die erhofften wirtschaftlichen Versprechungen auch einhalten kann. Oft wurde an den alten Regimen bemängelt, dass sie aufgrund der Korruption alle wirtschaftliche Dynamik bremsen würden.Man muss aber sehen, dass Äygpten eben eine Mangelwirtschaft ist mit unterentwickelter Landwirtschaft, kaum Industrie oder tertiärem Sektor, lediglich Tourismuseinnahmen  und Suezkanalgebühren.

 Mubarak verwaltete einen 3-Weltkapitalismus, der eben die wenigen Ressourcen unter einem Patronagesystem aufteilte und hier auch Arbeits- und Einkommenschancen mittels Beziehungsgeflechten regelte. Korruption ist immer auch Ausdruck einer Mangelwirtschaft und deswegen nicht nur moralisch zu kritisieren. Korruptionskritik geht aber am Kern des Problems vorbei.Auch wenn eine neue Regierung antritt, wird sie dies nur ändern können, wenn sie eine wirtschaftliche Dynamik entfaltet, die ein Mehrprodukt anhäuft, das man dann auch verteilen kann.Sollte dies nicht geschehen, wird sie auch wieder nur eine Mangelwirtschaft verwalten können und werden eben demokratische Parteien und Netzwerke über Anteilhabe an den knappen Resourcen entscheiden.Dann werden die alten Korruptions- und Patronagevorwürfe wiederkehren und kann die Muslimbruderschaft sich als „saubere neue Kraft“inszenieren, die dann  auch wieder nur Korruption moralisch bemängelt, um es bei der alten Mangelwirtschaft zu belassen und halt die Verteilung der knappen Ressourcen über ihre religiösen und sozialkarikativen Netzwerke und Institutionen bewerkstelligt. Es ist in Mode gekommen, Mubarak und Ben Ali jetzt als Diktatoren, Regime, Unterdrücker oder Despoten zu bezeichnen.All diese Labels sehen aber davon ab, auch einmal eine Analyse ihrer bisherigen Wirtschaftspolitik vorzunehmen.So hatten ja sowohl Mubarak wie auch Ben Ali viel in die Bildung ihrer jungen Unteranen investiert.Daher kommen auch all jene arbeitslosen Jungakademiker, die aber keinen Arbeitsplatz fanden, da zwar ausgebildet wurde, aber diese eben in der Mangelwirtschaft keinen Platz finden konnten.Heihnsons „youth buldge“ platzte hier, nur, dass sie sich nicht dem Terrorismus und Radikalismus zuwandte, sondern, dass die jungen Mittelschichtler ihre Hoffnungen auf eine Demokratisierung setzen, von der sie sich auch eine Verbesserung ihrer materiellen Situation verpsrechen. Die vielen jungen Akademiker sind ja gerade das Produkt von Mubaraks und Ben Alis Bildungsprogrammen. Ebenso nahm Mubarak immense Investitionen in die landwirtschaftliche Entwicklung des näheren und fernen Nildeltas vor. Aber angesichts der Bevölkerungsexplosion konnte die Entwicklung der Landwirtschaft nicht mit der Bevölkerungsentwicklung mithalten. Bevölkerungspolitik und Geburtenkontrolle wird eines der Themen einer jeden neuen Regierung sein müssen, wenn sie denn ernsthaft die Probleme angeht. In muslimischen Ländern mit starken Muslimbruderschaften kein leichtes Unterfangen.Von daher bietet sich wirtschaftliche Entwicklung an, die die Geburtenrate senkt, da eine 1-Kind-Politik oder staatliche Verhütungsprogramme eher angefeindet werden würden.Aber die Frage ist, wie dies bewerkstelligt werden kann. Soll man mehr auch arbeitsintensive Infrastrukturprojekte und Förderung der Landwirtschaft setzen und darüber hinaus auch Sonderwirtschaftszonen wie in China, Singapur,etc. fördern, bei denen sich moderne Industrien ansiedeln und auch neue Industrien, wie die IT-Branche ansiedeln können? Hat Ägypten und die anderen nordafrikanischen Staaten hierzu das gleiche Potential wie die asiatischen Tigerstaaten, 4 kleinen Drachen, Vietnam und China?Besteht im Kapitalismus überhaupt eine Nachfrage nach noch mehr Wirtschaftswundern wie in Asien? Kann sich eine nordafrikanische Landwirtschaft überhaupt angesichts des Protektionismus von USA und EU entwicklen? Hatten Mubarak und Ben Ali niemals versucht ähnliche Wege einzuschlagen? Wie sehen die Wirtschaftsprogramme der sich neu etablierenden Parteien aus? Während bei der Wafd-Partei vor allem der Neoliberalismus und die marktradikale Variante als Partei des Grossbürgertums auszumachen ist,ist von den anderen Parteien bisher zu wirtschaftlichen Frage nichts bekannt geworden.Die erste Massnahme, die die neue bürgerliche Regierung verhängte war ein Streikverbot für die Arbeiterorganisationen. Die Arbeiterklasse war während der Revolution recht stil gewesen, es gab zwar einige Streiks, aber keinen Generalstreik. Siewurde erst nach dem Sturz Mubaraks wach. Es wäre aber sinnvoll, wenn sich eine Arbeiterpartei gründen würde oder wenn die Arbeiterorganisationen ein gesamtwirtschaftliches Programm aufstellen würden, da es mittel- und langfristig sinnvoll ist, sich nicht nur in defensiven Lohnerhöhungsforderungen zu ergeben, sondern auch als gesellschaftliche Kraft gesamtgesellschaftliche- und wirtschaftspolitische Forderungen und Ziele zu formulieren.Zum Vergleich noch einen vielsagenden Artikel aus der FAZ, die Ägyptens Mangelwirtschaft der jetzigen Zeit mit der Südkoreas in den 50er Jahren vergleicht:
„Vor 50 Jahren gab es ein Land, das der arabischen Großmacht in den meisten wichtigen Daten glich: Südkorea. Die asiatische Republik hatte ungefähr genauso viele Einwohner, deren Anzahl im gleichen Tempo wuchs. Die Leute waren genauso arm wie die Ägypter, sie litten ebenso unter einer Diktatur und hohen Militärausgaben. Heute ist Südkorea eine technologiegetriebene Industriemacht, die Südkoreaner sind fünfmal so reich wie die Ägypter, sie leben zehn Jahre länger, und das in einer echten Demokratie. […] Südkoreas Führung propagierte seit den sechziger Jahren erfolgreich kleine Familien. […] Diese Politik brachte Südkorea die sogenannte demografische Dividende: Familien und der Staat mussten weniger in Kinder investieren. Das asiatische Land profitierte aufgrund stärkerer Kapitalbildung und niedrigerer Kosten für wirtschaftlich abhängige Altersgruppen von einem sprunghaften Anstieg des nationalen Einkommens. […] Die Folgen sind frappierend: Südkorea schafft es, seine jungen Bürger in Lohn und Brot zu bringen, in Ägypten ist die Söhne- und Töchter-Generation von Arbeits- und Perspektivlosigkeit bedroht und auf die Schattenwirtschaft zurückgeworfen“ (FAZ vom 06.02.2011).

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