USA und der Tripple A– Indikator für die nächste Finanzkrise?

USA und der Tripple A– Indikator für die nächste Finanzkrise?

Ob man nun die Krisentheorie von Marx zitiert oder aber die herkömmliche bürgerliche Volkswirtschaft—beide sagen im wesentlichen, dass der Kapitalismus nicht ohne zyklische Krisen funktioniert. Von Seiten einiger Marxisten wurde dies auch in eine Theorie der sich tendenziell verschärfenden Krisen des Kapitalismus interpretiert, deren Klimax zahlreiche Zusammenbruchstheorien waren. Schon mit dem Schwarzen Freitag 1929 wurde der Kapitalismus totgesagt, aber die Nachkriegsentwicklung sah einen noch nie dagewesenen florierenden Kapitalismus und Wirtschaftswunder, die alle marxistischen Theoretiker überraschte und wohl auch selbst wohlgesonnene bürgerliche Ökonomen.Letztere prognostizierten in den 50er Jahren gar eine Krisenfreiheit des Kapitalismus, doch schon 1967 wieder trat die erste Überproduktionskrise ein und erstmals wurde in westlichen Ländern wieder Arbeitslosigkeit zum allgemeinen Phänomen.Dennoch hielten sich die Wirtschaftskrisen in den westlichen Ländern in engen Grenzen und wurden bald durch den nächsten Aufschwung behoben.Bis Mitte der 70er Jahre war noch die von Keynes in den 30er Jahren ersonnene antizyklische Krisenpolitik en vogue und wurde erst unter Reagan und Thatcher in Form der angebotsorientierten Austeritäts-und Privatisierungspolitik abgelöst. Der damalige Chefideologe und Guru der angebotsorientierten Politik war der US-Ökonom Milton Friedmann und er wurde mit einem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet für den desaströsen Kurs, den diese Entwicklung noch zeigen sollte.

Mit dem Zerfallen des Ostblocks wurde dieser sogenannte Washington Consensus (Deregulierung, Austeritätspolitik und Privatisierung) zum Modell der 90er Jahre, auch unter der Clintonadminstration. Der Kommunismus war besiegt, selbst China hatte den Kapitalismus eingeführt.

Wurden viele Staaten früher noch Entwicklungsländer genannt, so entwickelten sie sich nach Japan, den vier kleinen Drachen und den 4 kleinen Tigern in den 70er und 80ern nun zu Wirtschaftswundern und „emerging markets“.

Man meinte nun vom Modell der sozialen Marktwirtschaft wieder zurück zu dem Laizefairekapitalismus früherer Jahre als Wachstumsmodell übergehen zu können, da der Welthandel und die Weltproduktion in nie dagewesenem Masse boomte. Die Krisen blieben begrenzt. In den 70er und 80er Jahren waren die Krisenländer zumeist 3-Weltländer der Peripherie wie Mexiko und Brasilien.Der Börsencrash 1987 in den USA blieb ohne Auswirkungen auf die Real- oder Finanzwirtschaft und löste keine Weltwirtschaftskrise, geschweige denn eine amerikanische Krise aus.Zwar hatten die USA unter Reagan enorme Staatsschulden aufgehäuft, doch schon unter Clinton verwandelte sich das Haushaltsdefizit dank boomender New Economy in ein Surplus.Dann jedoch kam es zur Asienkrise, die anfangs eine Währungskrise war, sich aber dann auch auf die Kapital- und Finanzmärkte auswirkte.

Der damalige deutsche Aussenminister Klaus Kinkel nannte sie „die erste Globalisierungskrise“.Neu daran war, dass die asiatischen Boomländer betroffen waren und  mit Japan, das schon eine geplatzte Immobilienblase in den Spät-80ern hatte, nun erstmals ein Land des kapitalistischen Zentrums getroffen wurde und das Krisenphänomen eben nicht mehr nur ein Problem der Peripherie war. Japan hat sich seitdem wirtschaftlich nicht mehr erholt, von „2 lost decades“ ist die Rede. Paul Krugmann mahnte damals schon an, dass die nächste Krise möglicherweise nicht mehr von der Peripherie ausgehen würde, sondern ähnlich wie in Japan auch von den USA oder Europa ausstrahlen könne. Bald darauf platze auch die New Economy, die neuen Industrien, die wesentlicher Wachstumsträger der 90er Jahre waren.9-11 war zwar ein kurzer Einbruch, aber keine wesentliche Krise.Die Weltwirtschaft wurde davon nicht getroffen. Das Problem war nun, dass es kaum mehr Kapitalanlagemöglichkeiten gab, die nicht schon gesättigt waren. Die BRIC-Staaten und anderen „emerging markets“ waren schon mit genug Kapital geflutet, es fehlte nach der langen Welle der New Economy an Anlagemöglichkeiten in neuen oder neu entstehenden Industrien—daher fingen Banken und Hedge Funds mangels Verwertungsmöglichkeiten an, in eigentlich kreditunwürdige Risikoanleihen und Spekulationsfonds zu investieren , die sich nur mittels eines Schnellballsystems aufrechterhielten und wuchsen, das aber von Anfang an dazu verdammt war zu platzen. Am spektakulärsten waren die Subprime-Kredite und die Immobilenfonds, die platzten als die Grundstückpreise fielen. Die Ähnlichkeiten zur Zeit vor 1929 sind offensichtlich: Damals die lange Welle durch die Automobilindustrie unter Ford und als diese auslief die Entdeckung der Finanzproduktinnovation Ratenkredit, der damals ebenso eine massive Verschuldung der privaten Haushalte bewirkte. Heute die auslaufende IT-Welle ab 2000 und die Erfindung der subprimekredite.Es soll hier nicht noch einmal eine der vielen ausführlichen Darstellungen der jeweiligen und zahlreichen Finanzierungsvarianten erfolgen, die immer erfindungsreicher wurden, bis sie angeblich keiner mehr durchblickte, sondern an dem Anfangspunkt und an der Ursache begonnen werden: Mangelnde Anlagemöglichkeiten aufgrund der Saturiertheit der emerging economies und dem Auslaufen der langen Welle der New Economy, die die Kreditinstitute zwangen sich in Hassadeurgeschäftezu verwickeln. Neu an der Finanzkrise 2008 ist, dass sie nun nicht mehr von der Peripherie des Kapitalismus ausgeht, sondern von seinem Zentrum: den USA.Insofern stellt dies eine neue Qualität dar.Die Hoffnung, Obama könne die Krise wie Clinton in den 90er Jashren schnell beheben und aus der Haushaltsverschuldung ein Surplus machen, haben sich nicht erfüllt, da eben die emerging markets schon gesättigt sind, keine neuen Industrien bisher entstanden sind, die neue Anlagemöglichkeiten bieten und einen neuen Boom auslösen könnten.Dass Standard and Poor erstmals in der Geschichte die USA von ihrem Tripple A auf eine negative Bewertung degradieren möchte, ist ein Indikator, dass die nächste Finanzkirse sich auf höherer Stufe erst ankündigt.

„Die Entscheidung von Standard & Poors kam für viele Teilnehmer an den Finanzmärkten überraschend. Seit 1941 hat S&P die Vereinigten Staaten mit der Bestnote „AAA“ eingestuft. Unter den 19 von der Agentur bestens bewerteten Staaten haben nur die Vereinigten Staaten einen negativen Ausblick. In den vergangenen Jahren hatten etwa Japan 2001 sowie Irland und Spanien 2009 ihre S&P-Bestnote verloren. Die Ratingagentur wies darauf hin, dass unter vergleichbaren mit „AAA“ bewerteten Ländern allein die Vereinigten Staaten noch keinen Plan für einen mittelfristigen Defizitabbau beschlossen hätten. Nach den jüngsten Prognosen des Internationalen Währungsfonds zur Entwicklung der Staatsdefizite verläuft die Entwicklung in den Vereinigten Staaten schlechter als in diesen Ländern.“

http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~ECFA33421150546D1925686020981DEB0~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Die Frage ist aber, ob ein mittelfristiger Defizitabbauplan überhaupt noch ausreicht, denn viele asiatische Staaten sehen die Kreditwürdigkeit der USA seit 2008 ständig am Erodieren, wie auch kein neues Wirtschaftswachstum in Sicht ist, das die Steuereinnahmen und die Staatsverschuldung positiv beeinflussen könnte. Möglicherweise hat Standard and Poors aufgrund seiner anglosächsischen Verbindungen sogar noch Rücksicht auf die USA beim Rating genommen.Inzwischen fragt sich auch die FAZ, ob die USA ein Riesenhellas darstelle:

Wie griechisch ist Amerika?

Bis vorige Woche bewertete die Ratingagentur Standard & Poor’s die Anleihen der Vereinigten Staaten mit der Bestnote „AAA“. Gerät das Land der Stars’n Stripes jetzt in eine ähnlichen Lage wie das Land der verfallenen Tempel und Säulen? (…)

Schließlich hängt für uns am Wohl Amerikas einiges. „Wenn Amerika eine Staatsschuldenkrise bekommt, können wir einpacken“, meint Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Und zwar, weil die Weltwährungsreserven zum Teil in amerikanischen Staatsanleihen stecken. „Wenn Amerika seine Schulden nicht mehr bedient, reißt der Anker des Weltwirtschaftssystems.“ Eine neue weltweite Finanzkrise wäre die Folge.

Die Währung macht den Unterschied

Doch es gibt einen Unterschied zwischen Griechenland und Amerika. Und der könnte eine Antwort geben auf die Frage, wer Amerika retten würde. „Wir Amerikaner haben unsere eigene Währung“, sagt Eichengreen. „Das ist der Unterschied.“ Griechenland hat schließlich nur begrenzten Einfluss auf den Euro. Über ihn entscheidet die Europäischen Zentralbank. Und dort hat Griechenland nur eine Stimme unter vielen.

Amerika dagegen hat den Dollar fest im Griff. „Wir können mehr Dollar drucken, um die Schulden zu finanzieren“, sagt Berkeley-Ökonom Eichengreen. „Deshalb ist die Antwort auf die Frage, wer Amerika retten kann – die Fed.“ Wirft die Notenbank die Notenpresse an, steigt die Inflation. Alle Ersparnisse sind dann weniger wert – aber auch alle Schulden.

Bill Gross von der großen Fondsgesellschaft Pimco meint, so werde es wohl kommen. „Wenn es nicht zu tiefgreifenden Reformen kommt, wird das Land seine Schulden nicht zurückzahlen.“ Er spricht vom „default“ – dem Ausfall. Der werde sich aber nicht im herkömmlichen Sinne vollziehen: „Der Staat wird sich an den Ersparnissen der Anleger bedienen – durch Inflation und Abwertung der Währung.“ Sein Fonds hat schon vor Wochen die Konsequenz gezogen – und alle amerikanischen Staatsanleihen verkauft. Mit der Begründung, Amerika sei „griechischer als die Griechen“. Jetzt fühlt er sich bestätigt.

http://www.faz.net/s/Rub3ADB8A210E754E748F42960CC7349BDF/Doc~EC4EE6C4730F04BC3813EE98C8DD25B3A~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Bezeichnend war auch die Rede von Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Köhler vor der deutschen Bankervereinigung: Köhler mahnte, dass die Banken wie gehabt weiter machten.Merkel gab zu Bedenken, wenn sie so weitermachten, dass die nächste Finanzkrise kommen werde—diesmal könnten aber die grossen Industriestaaten dann keine Rettungsschirme mehr aufspannen. D.h. es würde zu einer Kettenreaktion mit wahrscheinlicher Weltwirtschaftskrise kommen, da die Staaten dann auch nicht mehr die Gelder hätten um systemrelevante Finanzinstitute zu retten.Das klingt nach der Neuauflage von 1929.In diesem Zusammenhang ist es sehr interessant die Schriften von John Milligan-Whyte zu lesen, der noch weitere Wachstumsmöglichkeiten skizziert, die im Falle einer „reciprocal globalization“ als nächster Stufe der Globalisierung stattfinden könnten.Die Grundidee ist, dass der Westen nicht mehr nur in China und Indien investiert, sondern nun umgekehrt sich auch für chinesische und indische Investitionen öffnet—im Gegenzug dazu auch eine weitere Marktöffnung Chinas und Indiens erfolgt.

Somit könnten beide Wachstumsregionen sich gegenseitig boosten und einen neuen Boom auslösen.

Geschehe dies nicht, sei eine Konfrontation zwischen den Wirtschaftsmächten, eine neue Fianzkrise sowie eine Weltwirtschaftskrise mit all ihren möglichen Implikationen (Verschärfungen der innen- und aussenpolitischen Spannungen bis hin zu Bürgerkriegen und Krieg) denkbar.

Lesetip: John Milligan-Whyte (Center for American- Chinese Partnership) zur Idee der“Reciprocal economic globalization“ und der daraus resultierenden Grand Strategy für die US-chinesischen Beziehungen:

http://english.peopledaily.com.cn/90001/98705/99725/7082238.html

http://english.people.com.cn/90001/98705/99725/7237648.html

http://english.people.com.cn/90001/98705/99725/7206686.html

http://english.people.com.cn/90001/98705/99725/7206464.html

http://english.people.com.cn/90001/98705/99725/

http://www.chinadaily.com.cn/hqpl/hqpl_column_whyte.html 

www.centeracp.com 

(auf der Website des Center for American-Chinese Partnership (CAP)werden die 8 wichtigen Bücher von John Milligan-Whyte vorgestellt, die konkret ausformulieren, wie eine „reciprocal economic globalization“ und eine neue Grand Strategy für die USA und China aussehen könnten).

Kommentare sind geschlossen.