Gerd Wilders „wilde“ Vergleiche

Gerd Wilders „wilde“ Vergleiche

Gastbeitrag von Thomas Wagner (Historiker M.A.)

Gerd Wilders sprach vermeintlich Klartext: der Islam, eine Religion, die immer gegen die Freiheit eingetreten ist. Eine Religion, die stets die Unterdrückung anderer Menschen zum Ziel hatte. Für ihn kurz: eine faschistische Religion!

Dieses Urteil wird anscheinend von kompetenter Seite gestützt. Haben doch „Experten“ mehr judenfeindliche Stellen im Islam gefunden, als in Adolf Hitlers „Mein Kampf“.

Gerd Wilders wurde wegen derartiger Äußerungen in den Niederlanden wegen Volksverhetzung angeklagt. Befassen wir uns kurz mit Wilders Aussagen:

„Im Islam wäre ein Mozart nicht möglich gewesen!“ Gegen diese Aussage steht eine hochentwickelte Musikkultur in islamischen Staaten. Mozarts „Entführung aus dem Serail“ war übrigens eine satirische Anspielung auf zeitgenössische Konflikte des ausgehenden 18. Jahrhunderts: den Kampf mit algerischen Piraten.

Zu Mozarts Zeit war der Einfluss der christlichen Kirchen vielleicht nicht mehr so stark wie im Mittelalter, aber stark genug, um Freigeister der Aufklärung in die Hinterzimmer zu verbannen. Schon wegen der katholischen und auch evangelischen Herrscher. Diese Monarchen besaßen ihre Ämter bekanntermaßen „Von Gottes Gnaden“ und hätten es sicher nicht geschätzt, wenn der ein säkularer Staat an ihre Stelle getreten wäre.

Die Römisch-katholische Amtskirche pflegte über Jahrhunderte einen grimmigen Judenhass. Auch Luthers Reformation änderte daran gar nichts. Die Schrift des Reformators „Von den Juden und ihren Lügen“ liefert dafür einen deutlichen Beleg. „Antijudaismus“ nennt man diesen üblen Hass auf Juden, der von Geistlichen und Gläubigen über Jahrhunderte praktiziert wurde. Diese Form des Judenhasses ist ebenso wenig hinnehmbar wie jede andere Form des Judenhasses.

Mohammed, der Gründer des Islam lebte im frühen 7. Jahrhundert nach Christus. In den Suren des Koran finden sich Zeugnisse der Rivalität zu einer anderen, eben der jüdischen Religionsgemeinschaft.

Genauso wie der Koran weisen die christlichen Evangelien extrem judenfeindliche Stellen auf, wie das berüchtigte „kreuzige ihn!“ der Juden vor dem römischen Statthalter Pontius Pilatus (Matthäus, 27,29).

Diese und ähnliche Stellen des Neuen Testamentes und in vielen Schriften der Kirchenlehrer, wie Ambrosius, oder Johannes Chrysostomos enthalten Angriffe auf die konkurrierende Glaubensgemeinschaft der Juden – die wie bereits erwähnt – mit nichts zu rechtfertigen sind. Leider gibt es antijüdische Ausfälle auch im Christentum vereinzelt immer noch. Aber historisch interessierte Zeitgenossen lesen diese Belege vor ihrem zeitgenössischen Hintergrund. Nach einem Vergleich stellt der Leser fest, dass Judenfeindschaft im Christentum während der Vergangenheit eine ebenso unrühmliche Rolle spielte wie im Islam. Das Christentum mit all seinen Konfessionen und einem ständig – zumindest latent – vorhandenen Antijudaismus hat aber das oft gepriesene „Christliche Abendland“ geprägt. Warum fordert Wilders dann nicht konsequenterweise auch das Verbot der christlichen Bibel?

„Faschismus“ war zur Zeit der Entstehung von Christentum und Islam kein bekanntes Phänomen. Die römisch-katholische Kirche spielte jedoch bei der Etablierung faschistischer Regime in Europa während der 1920er und 1930er Jahre jedoch eine tragende Rolle. Aber dies ignoriert Wilders, weil es ihm vermutlich nicht ins Konzept passt. Wilders greift für den Vergleich mit dem Koran nicht zum sachgemäßen Vergleich mit einer religiösen Schrift. Nein, er greift zur Schrift des berüchtigten Politikers und Psychopathen des 20. Jahrhunderts, Adolf Hitler. Aus den undiszipliniert und unordentlich zusammengeschriebenen Phrasen des halbgebildeten Diktators greift er Zeugnisse eines modernen, angeblich „wissenschaftlich“ verfassten Pamphlets, um sie mit einer Schrift des frühen Mittelalters zu vergleichen. Die Begründer dieses neuen, rassistisch verbrämten und völlig unwissenschaftlich formulierten Judenhasses, des Antisemitismus, wie Wilhelm Marr, Theodor Fritsch oder der Historiker Heinrich Treitschke griffen nur selten auf alte religiöse Vorstellungen zurück. Dieser moderne scheinbar „wissenschaftlich“ fundierte Judenhass führte zur Ermordung von sechs Millionen Juden – wohlgemerkt – ohne Religion!

Wilders geistliche Verfasstheit dürfte eher mit diesen berüchtigten Antisemiten des 20. Jahrhunderts vergleichbar sein. Eine konsequente Gedankenführung ist auch bei seinen Erkenntnissen nicht erkennbar. Politische Konzepte: rassistisch-chauvinistische Äußerungen eines sonst kaum artikulierbaren Fremdenhasses!

Eine Parallele aus dem 20. Jahrhundert gibt es zu diesem Vorgehen. Die NSDAP hat ihre Wahlkämpfe ohne konkrete politische Überlegungen bewältigt. Wage Versprechungen und der permanent vorgetragene Judenhass reichten aus, um in der Krisenzeit der Weltwirtschaftskrise große Wahlerfolge zu erringen.

An Stelle der Beschäftigung mit Religionsgeschichte zieht Wilders die Angstpsychosen von Menschen heran, die in einer sich verändernden Umwelt um ihre Existenz fürchten. Wilders instrumentalisiert die Ängste vieler Menschen.

Der Freispruch gegen Wilders ist ein schwerer Schlag für die Integration von Zuwanderern aus islamischen Staaten. Denn die meisten Muslime sind ebenso wenig fanatische Islamisten, wie sicher die meisten Christen keine Anhänger fundamentalistisch und antisemitischer Gruppen sind. Das Urteil ist ein wirklicher Kulturbruch, den sich weder die Niederlande, noch andere europäische Staaten leisten können.

Die Richter in den Niederlanden haben mit diesem Urteil keine freie Meinungsäußerung geschützt, sondern einen Freibrief für pauschalisierende und gefährliche Beleidigungen ausgestellt. Der westlichen Welt mit ihren überalternden Gesellschaften ist mit so einem Urteil nicht geholfen!

 

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