Verschleiß im amerikanischen Vorwahlkampf

Verschleiß im amerikanischen Vorwahlkampf

Am dritten Januar findet in Iowa die erste republikanische Vorwahl im amerikanischen Präsidentenwahlkampf statt. Iowa ist politisch traditionell zwischen Demokraten und Republikanern umkämpft und dient daher als sogenannter Lackmustest. Die republikanische Wählerschaft gilt aber als außergewöhnlich konservativ. Früher Favorit war Mike Huckabee, der 2008 dort 34 Prozent der Stimmen erhalten hatte und in Umfragen bis April 2011 ähnliche Ergebnisse erzielte.

Nach Huckabees Rückzug lag Mitt Romney kurzzeitig vorne – mit 25 Prozent, die er in den meisten Umfragen bis heute hielt. Bei den Evangelikalen und religiösen Extremisten ist Romney nicht sonderlich beliebt, weil er den im 19. Jahrhundert von Trickbetrüger Joseph Smith gegründeten Mormomen angehört, aber auch weil er als Gouverneur von Massachusetts vergleichsweise liberale Ansichten hatte. Von denen distanziert er sich zwar mittlerweile – aber wie glaubwürdig kann das bei einem etablierten Politiker sein? Gesucht wurde daher seitdem ein echter Konservativer. Einig war sich das Feld in ihrem Kampf gegen Abtreibungen, gegen Homosexualität, gegen die Lüge vom Klimawandel, gegen illegale Immigranten und gegen Steuern; aber je radikaler die Versprechungen waren, mit denen die Kandidaten die Basis begeisterten, desto mehr stellte sich die Frage: wem kann man wirklich trauen? In diesem Kampf um konservative Authentizität haben sich in einem Jahr etliche Kandidaten verschlissen.

Im Juni wurde Romney zunächst von der Tea-Party-Kandidatin Michelle Bachmann übertrumpft. Ihre Referenzen sind tadellos, sie ist biblisch qualifiziert und in christlichem Fundamentalismus ausgebildet. Ihre Gewohnheit, erfundene Behauptungen aus dem Hut zu zaubern – in den USA ist das fact-checking von Politiker-Aussagen beliebt – mag ihr bei der Basis wenig geschadet haben, aber über ihre Wählbarkeit war man sich dann doch nicht so sicher. Am 13. August konnte sie noch die Ames Straw Poll gewinnen, eine Generalprobe für die Wahlversammlung in Iowa, am gleichen Tag trat aber auch der texanische Gouverneur Rick »Crotch« Perry in das Rennen ein und blieb im Juli und August an der Spitze.

Lange hatte man auf die texanische Geheimwaffe gewartet. Der Weg vom dortigen Gouverneursposten ins Weiße Haus war ja schon ausgetreten. Auch ihm haben weniger seine engen Beziehungen zu christlichen Theokraten geschadet, als seine selbst für Fundamentalisten erbärmliche Leistung in Diskussionen und eine trunkene Rede.

Wieder war Romney der Favorit, aber im Oktober war dann die Zeit von Herman Cain gekommen, der beim Verkauf von Pizza und Burger echte Geschäftserfahrungen sammeln konnte. Als reicher Geschäftsmann ist, der aber nie ein politisches Amt inne hatte, galt er als Mann von der Straße und wurde zum neuen Hoffnungsträger, nachdem er seinen Steuerplan »9-9-9« enthüllte, der die Einkommens- durch eine Umsatzsteuer ersetzen sollte. Fragwürdig wurde er, nachdem er bekannte zwar grundsätzlich gegen Abtreibungen zu sein, egal aus welchen Gründen, er es aber nicht für die Rolle des Staates halte, diese Entscheidung zu machen – und dann erst darüber aufgeklärt werden musste, dass dies die liberale Position sei. Da er pflichtgemäß zurückruderte, richtete auch das wenig Schaden an. Auch Vorwürfe wegen sexueller Belästigung konnten ihm bei seinen Anhängern nichts anhaben. Zum Verhängnis wurde ihm schließlich eine einvernehmliche, aber außereheliche Affäre. Aber halb so schlimm: der nächste Kandidat stand schon in den Startlöchern.

Abgelöst wurde Cain Ende November von Newt Gingrich, der in den 90ern den Contract with America entwickelte und den Kampf gegen Bill Clinton anführte. Auch Ginrich war durch außereheliche Affären und Korruptionsvorwürfe vorbelastet, konvertierte aber 2008 – überwältigt von der Präsenz des Papstes – zum Katholizismus, und nimmt den Glauben seither noch wichtiger. Übersprudelnd vor Ideen kündigte er an, Rohstoffe auf dem Mond abbauen zu wollen. Außerdem sollten die teuren, gewerkschaftlich organisierten Hausmeister entlassen und die Toiletten von arbeitsscheuen Schülern geputzt werden.

Jetzt kurz vor der Wahl führt Mitt Romney erneut das Feld, knapp gefolgt von Ron Paul und Rick Santorum. Paul ist ein kompromissloser Libertärer, dessen Kritik des Staatseinflusses nur eine Grenze kennt: dort, wo es um Abtreibungen geht. Außenpolitisch ist er Isolationist und will die Unterstützung Israels einstellen. Natürlich nur, weil es sich um Steuergelder handelt; unangenehm für ihn ist bloß, dass ihm seit den 80er Kontakte zur rechtsextremen Szene nachgesagt werden.

Die zelebrierten politischen Positionen mögen als verrückt und extrem erscheinen – und sie werden von amerikanischen Kommentatoren auch so gesehen –, aber sie geben wenig Aufschluss über die amerikanische oder auch nur die konservative Öffentlichkeit, als über den Wahlprozess und den auch von den liberalen Medien mitgetragenen Politzirkus. Als 2008 Mike Huckabee 34 Prozent der Stimmen erreichte, entsprach das mit knapp 41000 Stimmen gerade man 1,4 Prozenz der Bevölkerung Iowas. Der Prozess ist weder undemokratisch noch unfair, sondern ein Test, den jeder Kandidat bestehen muss. Wer das Zeug zum Präsidenten haben will, darf zumindest nicht schlecht abschneiden. Außer Mitt Romney hat kaum ein Kandidat Chancen Präsidentschaftskandidat zu werden, keiner Präsident zu werden.

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