Pussy Riots: Die Liebe der Deutschen zu ihren Punks

Pussy Riots: Die Liebe der Deutschen zu ihren Punks

Voll sind die deutschen Schlagzeilen und Medienberichte über einen scheinbar unerhöhrten Vorgang in Russland: Der autoritäreDiktator Putin hat eine russische Mädchen-Punk-Band namens Pussy Riot verhaften lassen und nun vor Gericht gestellt, da  diese einen alternativen Gottesdienst in einer orthodoxen Kirche abhielt, in dem sie Gott im Rahmen eines spontanen Rockkonzerts für die Erlösung von Putin anbeteten. Die Staatsanwaltwaschft sieht eine Klageschrift mit 7 Jahren Gefängnisstrafen vor, die russisch-orthodoxe Kirche erzählt, dass diese Mädchenpunks des Teufels seien und Satan aus ihnen spreche. Gerade diese hündische Ergebenheit und enge Verflechtung zwischen weltlicher und kirchlicher Macht wollten die Pussy Riots kritsieren.Was man vor Gericht sieht, sind 3 addrett gekleidete Mädchen ohne Irokesenschnitte, noch Strähnen oder andersweitigen Punkfrisuren, ohne Nietenarmbänder oder ausgefranste Hosen oder abgefuckte Lederjacken mit Aufschriften oder gar Ratten , die auf ihnen oder in ihren Haaren herumklettern. Man könnte eher meinen, hier seien Topmodels zur Wahl der Miss Russia in die falsche Veranstaltung gekommen.Eine recht softe Punkband, die man erst einmal als solche fürs westliche Gemüt entdecken muss. Jedenfalls legt jede westliche Schmonzette, die etwas auf sich hält, grossen Wert, dass die Pussy Riots eine Punkband wären und mahnen Meinungsfreiheit, Individualrechte und Kulturfreiheit an.Der Deutsche soll geschockt sein: Russische Punkmädels in den Krallen des slawisch-despotischen Unterdrückungsstaates und seines Zaren Putin—Arm in Arm mit den Popen—das 4te Rom lässt grüssen.Da ist es doch löblich, dass deutsche Punks in Deutschland völlig anders behandelt werden.

Für deutsche multikulturelle Menschen sind Punks ein Farbflecken in dem Spektrum der bunten Bereicherung, die mehr oder weniger gern als artgeschütztes Biotop auch am Rande manchens Multikultievents herumlungern dürfen. Sich mal mit einem Punk zeigen zu lassen, gehört zur Legitimation, dass wenn man sich mal kurz mit solchen Paradiesvögeln abgibt, nicht mehr des panisch befürchtenden Labels „Spiesser“ verdächtigt  wird, sondern eben als toleranter Multikultimensch, weltoffen und so ganz und gar nicht spiessig darstellen kann. Dennoch sind die  Multikultileute  dann wieder froh, wenn ihre kurzweilige, taktische Begegnung mit solchen Punk-Objekten dann wieder vorrüber ist und nicht der Regelfall wird. Denn man weiss: Sie sind sehr krakelig, keinen Gesprächen unterhalb einer gewissen Promillegrenze zuträglich und auch bei jeder Organisationsarbeit, die Disziplin erfordert, völlig dysfunktional. Schon wesentlich ehrlicher sind in dieser Beziehung deutsche Konservative: Sie möchten gar nichts mit diesen arbeitsscheuen, ungewaschenen und zerfletternden Nachtgeschöpfen zu tun haben, die nur den Odem von Chaotentum, Undiszipliniertheit, Betrunkenheit, Faulheit sowie anderen destruktiven und nihilistischen Lebensweisen mit sich tragen, ja diesen personifizieren und zudem als einziges Gespräch die Frage „Haste mal ´nen Euro?“haben. Der deutsche Konservative heuchelt keinerlei taktische Nähe, sondern geht auf strategische Distanz zu diesen Underdogs. Der deutsche Konservative wünscht solchen Subjekten zumindestens ein gescheites Arbeits- oder Konzentrationslager, die Kürzung der Stütze, einen erzwungenen Haarschnitt, eine Desinfektion unter einer Dusche, mal eine gehörige Tracht Prügel und viele nette andere Umerziehungsmethoden an den Hals. Dass es „sowas früher nicht gegeben hat“, ist da noch der harmloseste Ausspruch. Die deutsche Polizei kontrolliert Punks auch neben Rastamenschen als erste und schikaniert sie auch, wo immer sie kann–was dem durchschnittlichen deutschen Bürger auch recht ist. Mit den deutschen Punks ist das ja auch so eine Sache. Als Nachäffer der britischen Punkbewegung , vor allem der Sex Pistols und ihrem „No Future“ oder „God shave the Queen, the fucking fascist regime“ besiedelten sie seit Anfang der 80er Jahre zunehmend die deutschen Strassen. Ausser gemeinsam abhängen, sich besaufen, Leute anpöbeln und mal um eine Mark zu schnorren, sind sie nicht weiter aufgefallen. Dennoch gab es vereinzelte Punks, die auch mal was gegen Rechtsradikale getan haben und deswegen die höheren Meriten des „Linksextremisten“ seitens des Verfassungsschutz eingefahren haben. Doch Punks sind keine Autonomen—der Autonome ist politisch, hat eine schwarze Einheitskleidung und tritt dementsprechend auch geschlossen als Schwarzer Block auf Demos auf. In Endlossitzungen diskutiert er über Triple-Oppression, wo den Punk schon nach den ersten Sätzen die Lust verginge.Der Punk ist bunt uniformiert, undiszipliniert, bestenfalls anpolitisiert. Ebenso ist ein Anarchist oder ein Anarchosyndikalist auch noch kein Punk, auch wenn Punks oft das Anarchie-A als Logo auf ihren Jacken tragen, wie der Internetnerd sein @ und manchmal wirres Zeug faseln, dass sie eigentlich für Anarchie sind. Aber die Anarchisten sind da auch viel zu theoretisch vorgebildet und zumal die Anarchosyndikalisten  auch noch innerhalb der Arbeiterbewegung, während den Punk schon das Wort Arbeit selbst schreckt und er einen möglichst grossen Bogen um alle damit konnotierten Begriffe und Objekte macht. Anarchisten haben zumindestens so etwas wie einen versuchten Parteiaufbau, wie die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands(APPD). ( Näheres zum Parteiprogramm der APPD, die sogar einen eigenen Bundeskanzlerkanidaten namens Wendland aufstellte und ihr Patentrezept für alle Probleme offerierte unter:. http://www.youtube.com/watch?v=fS6ZhKv-E4E). Während es Anarchisten, Anarchosyndikalisten und Autonomen darum geht politische Ziele zu erreichen, will der Punk nur destruktiv auffallen , gegen ein paar Tabus verstossen und nur Spass haben. Oft auch nicht einmal politisch, sondern mehr kulturell. Der Punk ist mehr ein Lifestyle-Kritiker, denn ein politischer Mensch. Ein bisschen Bürgerschreck zu spielen u8nd das Ego raushängen zu lassen, ist den meisten Punks genug „Politik“.Berühmtestes Beispiel hierfür ist Nina Hagen, die als Ostexport in den Westen rübersiedelte und sich darauf den Titel „Queen of Punk“verdiente.Die DDR-Führung war wahrscheinlich froh, die exzentrische Irre aus der DDR rauszubekommen, die konservativen Verteidiger der Ostdissidenten in Westdeutschland hatten da gemischte Gefühle. Zwar wurde auch Nina Hagen als Opfer des DDR-Systems hofiert, aber hinter vorgehaltener Hand drängten doch vor allem die meisten CDU/CSU-Konservativen darauf, dass man sie vielleicht bei dem nächsten Milliardenkredit an die DDR wieder zurückschicken solle. Solch eine Punkgöre war auch den Konservativen ein Schreckgespenst—ob Ost, ob West. Und vielen Linken ist die Punkdiva Nina Hagen inzwischen auch ein Gräuel, da sie nur noch esoterischen Mist ablabbert und von Ausserirdischen und Ufos halluniziert.Desto witziger, dass jetzt Deutschland seine Vorliebe für russische Punkgirls entdeckt.Ich möchte einmal sehen, wenn eine deutsche Punkgirlgruppe in einer katholischen Kirche Ober- oder Niederbayerns einen alternativen Gottesdienst in Form eines Punkkonzerts in der Kirche abhalten würde und Gott für die Erlösung von der CSU und ihrer engen Verbindung zur katholischen Kirche ansingen würde. Da hätten wir wohl ähnliche Reaktionen wie bei Putins Russland. Da wäre schnell Schluss mit lustig.Von daher hat die geheuchelte Toleranz für russische Punkgirls doch nicht ihr Äquivalent einer Liebe der Deutschen für ihre deutschen Punks. Wohl eher nicht. In den Zeiten, wo Spiessersein in der Werbung wieder als positiv geoutet wird und sich die deutsche Jugend zum Grossteil den Kleidungsordnungen  des Arbeitsmarktes schon im vorschreitenden Gehorsam unterwirft, wird die Toleranz gegenüber Punks auch weiterhin abnehmen. Umgekehrt wird jeder Neuyuppie des IT-Berechs als Punk umdefiniert. So Sascha Lobo oder aber Mark Zuckerberg, dem Facebookerfinder–Untertitel des Films „Social Networks“: „Vom Punk zum Milliardär“–d.h. vom Underdog und Nichts zum höchsten Stellenposten, den der IT-Kapitalismus mit sich bringen kann.Aber die IT-Branche ist neben einem Alibipunk bei der NASA und bei der Krimiserie Navy CSI da noch die einzige Branche, die dererlei „Punks“ bestehen lässt–und die Ausnahme bestätigt hier eher die Regel. Diese „Punks“ sind aber leistungsorientiert, funktionale Untertanen–von „No Future“-Einstellungen keinerlei Anzeichen. Aber als Berufungstitel in anderen Ländern für westliche „Befreiungs“bestrebungen taugen die Punks dann doch wieder. Deswegen lieben die westlichen Medien die russischen Punkgirls, aber eben nicht ihre westlichen Äquivalente. Desweiteren zeigt es, wie erbärmlich es um die russische Opposition bestellt sein muss, wenn ihren Unterstützer im Westen keine anderen Protagonisten als Pussy Riots mehr einfallen.

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