Hannah Arendt, die deutsche Philosophie und der US-Pragmatismus

Hannah Arendt, die deutsche Philosophie und der US-Pragmatismus

Ich war heute abend im Kino „Hannah Arendt“ von Magarethe von Trotha. Ich habe von MvT bisher die Filme Bleierne Zeiten (über die RAF), Rosa Luxenburg und Hildegar von Bingen gesehen. Trotha ist ein bißchen feministisch und möchte uns die grossen Frauen der deutschen Geschichte näherbringen. Diese gefielen mir aber alle mal besser als der Arendt film. Meine Kritik: Der Film bleibt oberflächlich und inhaltlich sehr fragmentarisch. Ellenlange nebensächliche Szenen aus dem Leben Arendts werden gezeigt, aber der Eichmannprozess und die Diskussion darum kamen erst im letzten Viertel und gerade als es mal interessant zu werden droht, bricht der Film gerade ab.Man hätte aber schon nach dem ersten Viertel die inhaltlichen Diskussionen um die „Banalität des Bösen“ bringen sollen, dann wäre er interesant und anregend gewesen.Zumal auch mir auffiel, dass der Einfluss Heideggers auf Arendt überhaupt nicht kam, nur dass es eben mal eine Liebesaffäre zwischen beiden gab.Man erfährt nichts über Heideggers Denken und seine Philosophie und den Einfluss auf die gute Hannah.Hannah Arendth ist bekennend in die Heideggerseminare gegangen, um „das Denken zu lernen“ und ihre Hauptkritik an Eichmann und dem Nationalsozialismus ist „die Unfähigkeit zu denken“. Inwieweit dies ein Seitenhieb auf ihren ehemaligen Ideengeber und Geliebten Heidegger war, bleibt ungewiss. Aber sie springt immer wieder gerne zwischen „Denken“, bzw. der „Unfähigkeit zum Denken“ und „dem Bösen“, bzw.der „Banalität des Bösen“. Ein Wechselbad zwischen Moralkritik und Rationalitätskritik, die da vermengt wird, als hänge Denken und Moral so ursächlich miteinander zusammen und erschliesse die Ratio die Moralität.Zudem Arendth eben auch alle Fronten zwischen Gut und Böse, Tätern und Opfern verschwimmen lässt, wenn sie die Judenräte als für den Holocaust mitverantwortlich macht, bzw, die Ausdehnung „der Bösen“ auf alle Lebensbereiche und Menschengruppen so abstrakt aufmacht. Aber hier hat Magarethe von Trotha nicht weitergebohrt. Das wäre aber die eigentliche Leistug eines solchen Filmes gewesen. Kurz: Der Film blieb weit unter meinen Erwartungen und unter dem Potential, das das Thema hat.Hannah Arendt operiert selber mit metaphsisch-religiösen Begriffen wie „das Böse“, abstrahiert den ganzen Holocaust philosophisch und verwechselt auch noch die Ursache und Wirkung, wenn sie den Judenräten eine Mitschuld am Holocaust gibt. Da kann ich sehr wohl verstehen, dass die jüdische Gemeinschaft und Israel gegen diesen krassen Vorwurf heftigen Protest artikulierte.Die eigentliche Kritik kommt von der Assistentin vom New Yorker-Herausgeber Shawn, die eben meint „Wieder so eine europäische Philosophin!“. Gemeint ist damit wohl, dass in den USA als Kernland des Positivismus und Pragmatismus die deutsche Philosophie sehr kritisch beäugt wird, da sie eben nicht so sehr fakten und ergebnisorientiert ist, sondern gerne metaphysische Modelle und Weltbilder entwirft und zur Abstraktion neigt.Karl Popper hat ja die deutsche Philosophie von Marx bis Heidegger immer daraufhin kirtisiert, dass sie mit ihren Begrifflichkeiten und Wortschöpfungen und philosophisch-abstraktem Konvult mehr verdecke, verschleiere, Begriffe und Zusammenhänge verwirre als aufklärerisch zu sein, ja daher immer unter Ideologieverdacht stehe. Und dies alles trifft eben nicht nur auf Heidegger, sondern eben auch auf Hannah Arendt zu.

Ich habe eine Sendung in Phönix über Yad Vashem gesehen, in denen der Generalstaatsanwalt des Eichmannprozesses interviewt wurde. Dabei betonte er, dass Hannah Arendt es abgelehnt habe, sich mit Vertretern der Staatsanwaltschaft zu treffen, da sie objektiv und unbeeinflußt berichten wollte. Arendt sei während des Prozesses und in ihrem Buch „Die Banalität des Bösen“jedoch auf die Verteidigungsstrategie Eichmanns hereingefallen, da sie ihn als blassen, unscheinbaren Schreibtischtäter und Verwalter des Grauens, als Apperatschik und Technokrat dargestellt habe, der nur Befehlen gehorsam gehorchte, die ihm aufgetragen wurden. In Wirklichkeit sei Eichmann jedoch glühender Antisemit und ein übereifriger Judenvernichter gewesen. So habe er bewußt einen Führerbefehl hintertrieben, um möglichst viele Juden zu vernichten.Der ungarische Führer Horthy habe mit Hitler die Deportation Hunderttausender Juden mit der Bedingung versehen, dass 8700 ins Ausland ausreisen konnten. Hitler habe dem zugestimmt, doch Eichmann habe daraufhin in Ungarn interveniert und verhindert, dass die paar tausend Juden gerettet wurden. Als die Rote Armee nach Stalingrad auf dem Vormarsch war, erklärte er, dass der Krieg zwar verloren sei, aber er seinen Krieg noch gewinnen werde, weswegen er persönlich nach Auschwitz fuhr um die Mordzahl von 10 000 Juden täglich auf 12000 zu erhöhen. Als Lagerkommandant Höß Skrupel anmeldete, jüdische Kinder in die Gaskammer zu schicken, meinte Eichmann, gerade die Kinder müssten vernichtet werden, da sie der Keim einer möglichen Widergeburt der jüdischen Rasse seien. Im argentinischen Exil brüstete sich Eichmann auch vor Journalisten damit, dass er nicht genug Juden umbringen habe lassen, obwohl wenn es nach ihm gegangen wäre, die jüdische Rasse ganz ausgerottet worden wäre. All diese Fakten verschwieg Hannah Arendt, ignorierte sie und gab auch noch den Judenräten eine Mitschuld, ohne die angeblich der Holocaust in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Das übersieht die Tatsache, dass es in der Sowjetunion keine Judenräte gab und die Deutschen dennoch alle Juden umbrachten. Hannah Arnedt ging es scheinbar eher darum, sich als Modelltypus des Bösen einen farblosen Technokraten und untertänigen Befehlsempfänger vorzustellen, der einfach emotionslos Dienst nach Vorschrift machte und kein Monster war, sondern eine recht banale Erscheinung. Sicherlich gab es diesen Typen auch, aber im Falle Eichmanns war dies eben gerade nicht der Fall. Hannah Arnedts Buch stellt da eher die Frage der Schuld und des Bösen im Falle von Bürokraten und Mitläufern und weniger bezüglich fanatischen Ideologen, was ja sicherlich auch eine interessante Perspektive ist . All dies thematisiert der Film von Magarethe von Trotha jedoch erst gar nicht. Der Eichmannprozess, seine Hintergründe, sein Inhalt sowie die „Banalität des Bösen“werden nur ganz peripher tangiert, während sich der Film eher auf persönliche Beziehungskisten, Gesellschaftsleben und Lebensanektoden von Arendt fokusiert.Und auch hier meinte der Generalstaatsanwalt wie die Assistentin des NewYorker-Herausgeber Shawns, dass es vielleicht daran gelegen habe, dass Hannah Arendt diese Fragen als Philosophin und so abstrakt behandelt habe, dass sie die historische Wahrheit verfremdet und verfälscht habe.

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