Bilderbergerforschung als nichtthematisierter Teil der Gesellschaftswissenschaften—auch längst überfällig

Bilderbergerforschung als nichtthematisierter Teil der Gesellschaftswissenschaften—auch längst überfällig

Die Bilderberger sind den meisten Menschen kein Begriff, wenn man auf die Existenz dieser Gruppierung als Lobbygruppe hinweist, wird man sofort als Verschwörungstheoretiker eingestuft.Umgekehrt ist aufgrund dieser Nichtthematisierung in den Gesellschaftswissenschaften von Soziologie, Politologie, etc. ein ewiger spekulativer Humus von Verschwörungstheoretikern gewachsen, der in den Bilderbergern eine geheime Weltregierung vermutet, die mittels ihrer Treffen ZK-mäßig Regierungen installiert und stürzt und einen langen Plan einer New World Order verfolgt. Dazu bleibt festzustellen: Die Bilderberger sind eine recht einflußreiche Lobbygruppe, die mit dem offenen Ziel antraten die US-europäischen Beziehungen zu stärken und dahingehend Einfluß zu organisieren. Die Bilderberger setzen sich zumeist aus einem kleinen Zirkel aus 35 Leuten zusammen, die mittels Steering Comitee und Advisory Group auf einen mehr oder weniger festen Kern eines inneren Kreises von 200 einflußreichen Politikern, Medienvertretern, Großkapitalisten, Bankern,etc. kommen. Über die letzten 60 Jahre waren bis zu 2500 einflußreiche Elitevertreter eingeladen, die aber das Treffen zumeist nur ein- bis zweimal besuchten. Verschwörungstheoretiker vermuten hierbei, dass die Bilderberger Regierungen und Firmenvorstände samt Medien einsetzen und Beschlüsse fassen, die dann durchgestellt werden.Nun veröffentlichen die Bilderberger ihre Liste der  Organisation und der Konferenzteilnehmer, wenngleich nicht ihre Gesprächsprotokolle, die zumal an die Teilnehmer anonymisiert verschickt werden und daraus ziehen Verschwörungstheoretiker den Schluss, dass die bei den Bilderberger versammelten Politiker und Eliten von diesen in leitende Positionen geschickt werden. Eine besonders heimtückische Täuschung demzufolge: Dass der G-7- Gipfel in Elmau vor dem Bilderbergtreffen in Tirol stattfand, also die vermeintliche Hierarchie etwas umgedreht wurde.Auch ist bezeichnend:  Erstens, dass die meisten US-Präsidenten nie auf einer Bilderbergerkonferenz waren, aber trotzdem rankamen.Auch sind Verschwörungstheoretiker recht ratlos, wenn man ihnen mal eine Liste der führenden Politiker der USA und Europa vom Ministerpräsidenten zum Kanzler  abwärts präsentiert, die nicht auf Bilderbergertreffen waren und trotzdem erfolgreich waren.Kritisiert wird auch, dass die Gespräche der Bilderberger geheim bleiben. Nun gut, die Vorstandssitzungen der Linkspartei, des Vorstands der Deutschen Bank, ja auch im zwischenmenschlichen, erfolgt ja zumeist auch unter Ausklammerung der Öffentlichkeit, ohne dass da jemand Einspruch erhoben hätte außer den Piraten, die mittels liquid democracy und Transparenz so alle Internas ausplaudern wollen, dass sie sich so zerstreiten, dass die eigene Partei zerfällt und wirkungslos wird.Zudem ist es ja nicht so schwierig rauszufinden, was die Bilderberger beabsichtigen. Zum wesentlichen Kern gehört David Rockefeller und Henry Kissinger, die eben für die Etablierung der UNO, der Bretton Woodsinstitutionen, IWF, Weltbank, die NATO und die EG, später dann die EU eintraten ( im Falle der NATO wurde diese 1949 schon vor dem ersten Bilderbergertreffen 1953 gegründet). Daran ist nichts geheim, auch nichts an den allen zugänglichen Äußerungen der Konferenzteilnehmer in anderweitigen Äußerungen, Büchern und anderen Publikationen sowie deren praktischen Taten. Es wäre also ein Leichtes mal zu untersuchen, wie sich das Bilderbergertreffen faktisch auf die Politik auswirkt und welche Ziele verfolgt werden und inweiweit sie umgesetzt werden und inwieweit die offen genannten Konferenzteilnehmer da Einfluss ausüben oder  inwieweit eben gerade nicht.Aber Verschwörungstheoretiker vermeiden da jegliche weitere differenzierte und wissenschaftliche Untersuchung, sondern wollen nur rülpsen: New World Order und Verschwörung, wie umgekehrt die Medien wie auch die Geisteswissenschaften dieses Thema geradezu ausgeklammert und nichtthematisert haben trotz sonstiger Forschung in Sachen Eliteforschung, was wiederum den ganzen Verschwörungstheoretikern Nahrung gibt, die dann das Internet fluten und damit jeden Menschen, der sich mal das Ganze wissenschaftlich untersuchen will von Seite der Mainstreammedien als „Verschwörungstheoretiker“labbelt.

Manchmal kommt das Argument ein Bilderberger zu sein aber auch von unerwarteter Seite. So kritisierte FDP-Brüderlein im Bundestag Trittin dafür auf einem Bilderbergertreffen eingeladen worden zu sein und daher ein „Vollstrecker der anglosächsischen Hochfinanz“ zu sein. Dass sich hier eine Elite trifft, zumal auch zu organisieren versucht bestreitet keiner. Aber die ganze Diskussion bleibt nur auf der Ebene, dass sich da Obere und böse Mächtige zusammenrotten, um gegen die Menschheit düstere Pläne zu schmieden. Die Sache ist aber eher zum einen, dass sich generell gesellschaftliche Gruppen um gesellschaftliche Interessen durchzusetzen organisieren, die Bilderberger da nichts außergewöhnliches sind, dass alle diese gesellschaftlichen Gruppen ja auch alle gesellschaftliche Macht anstreben—aber so bleibt die Kritik eben auf der Ebene, dass Macht böse ist, nicht aber die Frage gestellt wird, für welche Ziele diese angestrebte Macht eingesetzt wird.Die Bilderbergerkritik ist eigentlich so die moderne Kritik, wie sie an dem Freimaurer Stresemann von Seiten der extremen Linken und Rechten aufkam. Stresemann war zum Beginn seiner politischen Karriere ein heftiger Kriegsbefürworter und Militarist im 1. Weltkrieg, zumal Mitglied einer deutschen Burschenschaft, wurde dann aber zum Freimaurer und gelangte mittels dieser Kontakte zu anderen Freimaurern und einflußreichen Personen in den USA und Frankreich.

„Im Krisenjahr 1923 schloss sich Stresemann den Freimaurern an. Dabei spielte der Berliner Pfarrer Karl Habicht eine wichtige Rolle. Habicht war National-Großmeister der Nationalen Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ und Meister vom Stuhl der Loge „Friedrich der Große“. Dieser trat auch Stresemann bei. Als Motiv gab er an: „Schon lange ist es mein Wunsch, in eine engere Beziehung zu einem Kreis gleichgesinnter Menschen zu gelangen, die in unserer an Materialismus, Hast und Unruhe sich zermürbenden Zeit sich das Reich allgemeinen Menschentums, innerer Besinnung und Geistigkeit zu erhalten suchen. Im deutschen Freimaurertum hoffe ich eine solche Gemeinschaft zu finden.““

http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Stresemann

Stresemann verfolgte dann eine zukunftsweisende Politik der Versöhnung mit Frankreich und den USA, was Deutschland den Young- und Dawesplan ermöglichte, sowie er Deutschland wieder in den Völkerbund und fast die Aufhebung der Reperationszahlungen brachte. Er nutzte also seine Freimaurerkontakte zum Besten Deutschlands, Europas und der Welt und wurde deswegen wie schon Walther Rathenau, ein deutscher Jude und Chef der AEG, von Seiten der Links- und Rechtsextremen (vor allem Hugenberg, Ludendorf und Hitler) kritisiert, im Falle Rathenaus auch mittels politischem Mord beseitigt . Mal umgekehrt gefragt: Hätte denn Stresemanns Freimaurerei nicht bessere politische Ergebnisse gezeitigt, ja waren sie nicht begrüssenswert, wenn man sich dann ansieht, welche Katastrophe Hitler und die NSDAP über Europa, die Welt und Deutschland brachten? Kurz: Einfach zu sagen, dass sich ein paar Mächtige versammeln, zumal unter Ausschluss der Öffentlichkeit, mag manch einer suspekt halten, aber es sagt eben nichts über die politischen Inhalte aus, die spätestens dann zu Tage treten, wenn diese Leute Bücher schreiben oder man sie an ihren faktischen Taten kontrollieren kann. Neueste Bilderbergerin ist Ursula von der Leyen. Diese ist vor allem durch ihr Statement bekannt geworden, dass sie die „Vereinigten Staaten von Europa“herbekommen möchte und als Merkelnachfolgerin gehandelt wird.Also so geheim ist die Agenda nicht, es ist eben die Frage vor allem, wie man dazu inhaltlich dazu steht.Umgekehrt ist auffallend, dass eben die Gesellschaftswissenschaften den Komplex Bilderberger bisher völlig nichtthematisert haben, wie auch die Mainstreammedien. Erfreulich ist daher, dass nun der Soziologe Björn Wendt ein Buch geschrieben hat, in dem er einmal die Perzeptionen der Bilderberger in allen Medien, Unis, Politik,etc. im Überblick bringt, konstantiert, dass die Bilderberger bisher Objekt zwischen Nichtthematiserung (Verschweigens?) und wüsten Verschwörungstheorien, zumeist der Rechten waren, die aber auch die linke Szene infiltrierte. Sein neues Buch „Die Bilderberger- Wissen über die Macht gesellschaftlicher Eliten“ist ein Plädoyer eine Bilderbergerforschung zu etablieren.Genauso wie es eine Holocaustforschung geben sollte, so auch eine Bilderbergerforschung, um Verschwörungstheorien, wie aber auch einer Nichtthematiserung der Bilderberger einen Kontrapunkt zu setzen. Hierzu als Lesetip das Interview mit Björn Wendt, in dem er sein Projekt einer Bilderbergerforschung bei den Gesellschaftswissenschaften begründet. Wenngleich es etwa nervig ist, dass er da gleich seinen Schwerpunkt auf das fast völlige Fehlen von Frauen auf Bilderbergertreffen setzt, er also daraus eine feministische Frauenfrage in den Vordergrund stellt (will er eine Frauenquote für Bilderbergertreffen? Alice Schwarzer und EMMA übernehmen sie!) anstatt sich eben auf die Perzeption, die Organisation und die inhaltliche Ausrichtung der Bilderberger und ihrer relativen Macht und Einfluss zu den durchaus anderen Elitezirkeln weltweit konzentriert.Jedenfalls ist es überfällig, dass sich die Gesellschaftswissenschaften der Bilderberger sytsematisch als Forschungprojekt annehmen .Das Interview mit Björn Wendt zur Begründung eines Forschunggegenstands für die Sozialwissenschaften bei Heise online unter:

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45122/1.html

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