Al- Sissis neues Ägypten–ein Geschenk für den Islamischen Staat?

Al- Sissis neues Ägypten–ein Geschenk für den Islamischen Staat?

Nachdem die Muslimbruderschaft unter dem gewählten Präsidenten Mursi versuchte eine islamistische Präsidialdikatur zu errichten, gingen Millionen von säkularen und moderat-muslimischen Demokraten auf die Strasse und akzeptierten aufgrund ihrer politischen Zersplitterung, dass Ägyptens General Al-Sissi mittels Wahlen eine säkulare Diktatur errichtete, da sie nun Stabilität statt Demokratie bevorzugten und auch kein Interesse hatten in einem islamistischen Staat zu leben.Al Sissi geht nun auch gegen säkulare Demokraten sehr restriktiv vor, aber sein Hauptaugenmerk richtet sich gegen die Muslimbrüder und noch radikalere Islamisten, wie den IS auf dem Sinai.Selbst eingefleischte ehemalige Unterstützer des Arabischen Frühlings wie Juan Cole hoffen auf die demokratischen Kräfte und einen arabischen Sommer erst in den nächsten 2- 3 Jahrzehnten in solch hoffnungsschwangeren Artikeln, die auf eine Katharsis ala Europa nach dem 30-jährigen Krieg setzen:

“The Arab Minnelials will be back

We haven’t heard the last of the generation that made revolution in Egypt and across the Middle East.

Juan Cole June 30, 2014

Some forty-two months later, in most of the Middle East and North Africa, the bright hopes for more personal liberties and an end to political and economic stagnation championed by those young people have been dashed. Instead, a number of Arab countries have seen counter-revolutions, while others are engulfed in internecine conflicts and civil wars, creating Mad Max-like scenes of post-apocalyptic horror. But keep one thing in mind: the rebellions of the past three years were led by Arab millennials, twentysomethings who have decades left to come into their own. Don’t count them out yet. They have only begun the work of transforming the region.(…) Over the next two or three decades, as they come into their own politically, expect big changes in the region. Someday, there will undoubtedly be an Arab Summer and the youth of this era will be honored for what they did against all odds. Mubarak’s hired thugs attempted to ride them down with camels. That regime isn’t there anymore and the millennials are biding their time. We haven’t heard the last of their generation.”

http://www.thenation.com/article/180457/arab-millennials-will-be-back#

Mangels mittel- und langfristiger Perspektive einer demokratischen Herrschaft und angesichts einer islamistischen Muslimbruderdiktatur, bleibt unausgesprochen und ungeliebt General Al-Sissi als einzige Alternative.Dieser ist mit recht strategischen Fragen der Ausrichtung Ägyptens beschäftigt. Zuerst: Al Sissi sah sich erst einmal vor ein Problem gestellt—nämlich die Finanzierung seines Staates durch andere muslimische Länder, da die USA und die EU kurzfristig Protest einlegten. Die Muslimbrüder wurden ausgiebig von Katar unterstützt, das auch Dschihaddisten und Muslimbrüder in dem ganzen sunnitischen Raum unterstütze, Al Sissi hat nun vor allem Saudiarabien und Teile des Golfkooperationsrats finanziell als Spender akquieriert, jedoch diese  schon etwas verärgert mit leichtfertigen Äußerungen, wonach man diese reichen Säcke ordentlich ausnehmen solle und zugleich diese ja selbst Islamisten unterstützten, u.a. auch in Lybien und Syrien. die auch gleich geleakt wurden:

„Geld wie Reis

20. Februar 2015 von Markus Bickel

Der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) schweißt die autoritären Golf-Staaten immer enger zusammen. Opfer des Schulterschlusses könnte Ägypten werden, das bis zuletzt größte Unterstützung vor allem aus Saudi-Arabien, Kuweit und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) genoss. Seit dem Putsch gegen den Muslimbruder Muhammad Mursi durch den damaligen Armeechef Abd al Fattah al Sisi im Juli 2013 haben Riad, Kuweit und Abu Dhabi dessen Regime mit Milliarden unterstützt.Doch der Vorwurf des ägyptischen Botschafters bei der Arabischen Liga, Adel Tarek, Qatar unterstütze Terrorismus in Libyen, hat zu einer scharfen Rüge seitens des Golf-Kooperationsrats (GCC) geführt. „Solche Stellungnahmen helfen nicht, die arabische Solidarität in Zeiten zu stärken, in denen sich unsere Vaterländer beträchtlichen Herausforderungen gegenübersehen, die Sicherheit, Stabilität und Souveränität bedrohen“, sagte Abdullatif al Zayani. Qatar berief seinen Botschafter am Mittwoch zurück nach Doha.Das kursichtige Vorgehen der ägyptischen Außenpolitik in der Libyen-Krise könnte langfristig Konsequenzen haben: Anfang Februar war es Sisi gerade noch gelungen, den Unmut am Golf zu besänftigen, nachdem abgehörte Tonbandaufnahmen ausgestrahlt worden waren, in denen er sich darüber mokierte, dass die GCC-Staaten über „Geld wie Reis“ verfügten. Sisis Stabschef ist mit den Worten zu hören, dass die Golf-Länder „Halbstaaten“ seien, die man „zur Kasse bitten“ müsse, weil sie ein „Luxusleben“ führten „und Berge an Geld“ hätten.

http://blogs.faz.net/bagdadbriefing/2015/02/20/geld-wie-reis-129/

Inzwischen ist dies aber wieder vergessen und Saudiarabien und die Golfstaaten zeigen sich spendabel für Al-Sissis neue Hauptprojekte. Zum einen den Ausbau des Suezkanals. Dieser erfolgte vor allem eigenfinanziert. Die nötigen 7 Milliarden Dollar brachte Al-Sissi mittels Ausgabe von Staatspapieren an die Bevölkerung zusammen, die nicht nur aufgrund ihrer 12% versprochenen Rendite, sondern auch aufgrund ägyptischen Patriotismus sofort verkauft waren–ähnlich wie die Deutschen beim Ersten Weltrkieg in Kiregsanleihen des deutschen Staates patriotisch investierten. Ebenso stellte Al-Sissi in einem Kraftakt den neuen Suezkanal schon innerhalb eines Jahres statt der ursprünglich geplanten 3 Jahre fertig. Der alte Suezkanal bringt 5 Milliarden Dollar, der neue soll weitere 8  Milliarden Dollar bringen. Vor allem ist dies ein Hoffnungsprojekt, an dessen Ufern zudem auch Sonderwirtschafts- und Industriezonen entstehen sollen, die die mittlere Distanz zu Europa und Asien nutzen sollen. Kritiker wiesen darauf hin, dass die Einnahmen vor allem auf der weiteren Entwicklung des Welthandels abhängen und nicht von der Transportkapazität, die auch ungenutzt bleiben kann.Zweites Mammutprojekt Al Sissis ist eine neue Hauptstadt. Dieses Projekt bedarf jedoch wesentlich gigantischeren Finanzmitteln, die nicht mehr inländisch besorgt werden können wie der Suezkanal.

„Ägypten plant Bau neuer Hauptstadt

Scharm-el-Scheich Ägyptens Präsident Al-Sisi hält eine Rede bei einer Wirtschaftskonferenz in Scharm-El-Scheich. Und eigentlich macht nur eine Meldung die Runde: er will für für 76 Milliarden Euro eine neue Hauptstadt für sein Land bauen. Kairo wird Geschichte.(…) „Capital City“ – die Initialen erinnern an die Aussprache des Namens Sisi – soll östlich der aktuellen Hauptstadt Kairo gebaut werden und fünf Millionen Einwohnern Platz bieten. Nach Angaben des Ministeriums für Wohnungsbau wird die Stadt „viermal größer als Washington“, mit neuem Flughafen, Hochhäusern und einem Vergnügungspark „sechsmal größer als Disneyland“. Umgerechnet bis zu 76 Milliarden Euro wird der Bau von „C.C.“ nach Schätzungen kosten.

Knapp 20 Millionen Einwohner leben in Kairo, viele in ärmlichen Verhältnissen. Ganze Stadtteile sind mehrere Stunden täglich vom Stromnetz abgeschnitten, der Verkehr bricht regelmäßig zusammen, eine organisierte Müllabfuhr gibt es nicht. Dennoch ist Kairo seit mehr als 1000 Jahren Hauptstadt des Landes, Sehnsuchtsort der Ägypter. In der Metropole ruht das christliche und muslimische – und pharaonische – Erbe des Landes.
„Schafft es in fünf!“ Rund zehn Jahre hatten Experten für den Bau der neuen Hauptstadt veranschlagt. Doch die Zahl irritierte Präsident Al-Sisi bei der Auftragsunterzeichnung. „Zehn Jahre sind zu lang“, sagte er. „Schafft es in fünf!“ Kairo soll dann nur noch eine Fata Morgana am westlichen Horizont sein. Drei Tage lang hatte Ägypten Politiker und Wirtschaftsgrößen aus aller Welt zu einer Wirtschaftskonferenz in den Badeort Scharm-el-Scheich auf der Sinai-Halbinsel eingeladen. Am Ende wurde die Tagung mehr zu einer Geberkonferenz. 124 Milliarden Euro sammelte die Kairoer Regierung für künftige Großprojekte nach Angaben des Investitionsministers allein bis Sonntagmittag.

http://www.ruhrnachrichten.de/nachrichten/vermischtes/aktuelles_berichte/Wirtschaftskonferenz-Aegypten-plant-Bau-neuer-Hauptstadt;art29854,2653132

Seitens der Kritiker wird Al-Sissi vorgeworfen, dass er nur gigantonomische Großprojekte unterstütze, aber keine nachhaltige, noch eine strukturelle Wirtschaftsreform vorantreibe—Meinungsführer dieser Ansicht ist Deutschlands größter Think Tank, die Stiftung Wissenschaft und Politik(SWP):

„Auf Sand gebaut: Ägyptens fragwürdige Strategie für Wachstum und Entwicklung“

http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A25_rll_sil.pdf

„Al-Sisis Entwicklungsvisionen

Großbauprojekte und Herrschaftssicherung in Ägypten

SWP-Aktuell 2014/A 35, Mai 2014, 4 Seiten

In Ägypten wird am 26. und 27. Mai ein neuer Präsident gewählt. Der künftige Amtsinhaber steht vor großen Herausforderungen. Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden, und die Lebensbedingungen der Bevölkerung haben sich in den letzten drei Jahren deutlich verschlechtert. Von Abdel Fatah al-Sisi, dem wahrscheinlichen Wahlsieger, sind indes keine umfassenden Wirtschaftsreformen zu erwarten. Vielmehr setzt der ehemalige Armeechef auf gigantische Entwicklungsvorhaben. Dabei hat er vor allem die Interessen seiner wichtigsten Unterstützergruppen fest im Blick. Eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage Ägyptens ist mit einem solchen Kurs nicht absehbar. Deutsche und europäische Politik sollte den Ansatz der neuen Führung in Kairo keinesfalls unterstützen, sondern auf strukturelle Reformen in der ägyptischen Wirtschaft drängen.

http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2014A35_rll.pdf

Al- Sissi hat gleichzeitig auch noch ein Nilwasserabkommen mit den Oberflusstaaten Äthiopien und Sudan abgeschlossen, das Ägypten hier eine gesicherte Wassermenge garantieren soll, ohne mit diesen Staaten in Konflikte zu kommen, nachdem ägyptischerseits zuvor schon militärische Luftschläge gegen geplante Dammbauprojekte Äthiopiens und des Sudans angedacht worden waren. Desweiteren hält Al-Sissi am Camp-David-Abkommen mit Israel fest, um weitere Nahostkriege zu verhindern, was ihm wie auch das Nilabkommen von der Muslimbruderschaft als Landesverrat ausgelegt wird.

Desweiteren führt Al- Sissi auch einen Kulturkampf. Zum einen versucht er mittels des Kulturministerium an alte glorreiche ägyptische Zeiten unter Ismail Pascha, einem prowestlichen, wenngleich islamischen König anzuknüpfen:

„Kampf gegen Terrorismus Ägypten will mit Kultur besänftigen

Mit Großprojekten mobilisiert der neue Kulturminister gegen den religiösen Radikalismus. Sogar den legendären Leuchtturm von Alexandria will man nachbauen.

Tatsächlich zeigen sich Religions- wie Kulturbeamte bei der Umsetzung der vom Präsidenten geforderten „Mäßigung des religiösen Diskurses“ ungemein kooperativ: Unter diesem Motto wurde etwa am vergangenen Montag in Kairo eine medienwirksam inszenierte Tagung des ägyptischen Waqf-Ministeriums abgehalten. Kulturminister al Nabawi war auch hier präsent – als Referent.Die neue Disziplinierung der ägyptischen Rechtsgelehrten lässt an die Zeiten des säkular geprägten Panarabismus denken. Gedenkpolitischer Rückgriff auf Altägypten und Antike, gleichzeitige Selbstdarstellung als modernisierende und führende arabische Macht standen damals und stehen heute im Vordergrund.(…) Dass aber Ägypten schon im neunzehnten Jahrhundert ein Musterbeispiel für Modernisierung gewesen sein soll, ist eine relativ neue Zutat in diesem aufgefrischten Ideologiemix. Sich die kulturellen Leistungen des Khediven Ismail Pascha (1830 bis 1895) zum Vorbild zu nehmen, wäre den revolutionären Generälen um Gamal Abdel Nasser wohl kaum in den Sinn gekommen, die 1952 den letzten Khediven-Spross Faruq I. aus dem Land jagten.Doch scheinen neuerdings die vom europafreundlichen Ismail Pascha erbauten und lange vernachlässigten Kairoer Straßenzüge mit ihren vom europäischen Historismus inspirierten Bauten der Restaurierung würdig. Auch wenn mit dieser schon vor al Nabawis Amtsantritt begonnen wurde, wird es jetzt als eines seiner Großprojekte dargestellt, zu denen bald auch ein besonders spektakuläres gehören könnte: der naturgetreue Nachbau des legendären Leuchtturms von Alexandria – eines der sieben Weltwunder der Antike –, der sich bereits im Genehmigungsverfahren befinden soll.Die Kulturoffensive am Nil strebt nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Breite. So etwa sollen durch die geplante Renovierung und Wiederbelebung der heruntergekommenen kommunalen Kulturhäuser möglichst viele Ägypter für die Künste begeistert werden. Deren Potential als den Radikalismus „besänftigende Macht“ rühmt denn auch der Minister mit viel vaterländischem Pathos und erntet damit bei immer mehr Kulturleuten Zustimmung. Andere klagen jedoch über die verschärfte Zensur, die nach alter Weise weder Kritik am Regime noch vermeintlich Unsittliches duldet. Zuletzt traf sie die Sängerin Reda al Fouly. Ihr Vergehen: auf einem Videoclip in tief ausgeschnittenem hautengem Minikleid lasziv zu tanzen. Wegen „anstößiger Ausschweifungen“ steht sie gerade in Kairo vor Gericht.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kampf-gegen-terrorismus-aegypten-will-mit-kultur-besaenftigen-13622246.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Zum zweiten hat Al-Sissi eine Reform des Islam im Zentrum und hierbei Kairos Al-Azhar-Universität, die im sunnitischen Islam bisher eine Führungsposition innehatte und sich nun klar vom Islamischen Staat, ja auch den Muslimbrüdern absetzen soll. Dennoch zeigt folgender FAZ-Bericht wie gross die Widerstände sind, zumal die bisherige Al-Azahrgelehrten den islamischen Staat nicht als Problem des Islam sehen, sondern ihn als jüdisch gelenkte Verschwörung begreifen, um Zwietracht zwischen den Muslimen zu säen.

„Azhar-Universität in Kairo Islam? Welcher Islam?

Auf den Siegeszug des „Islamischen Staats“ reagiert die Azhar-Universität in Kairo, der „Vatikan des Islam“, mit schrillen Tönen. Für einige westliche Gelehrte haben die Lehrenden nur Hohn und Spott übrig. (…)

Von wissenschaftlicher Freiheit freilich lässt sich spätestens seit 1961 nicht mehr sprechen: Der nach dem Sturz der Monarchie 1952 an die Macht gelangte Offizier Gamal Abd al Nasser nahm die Gelehrten an die kurze Leine und bestimmte den Großscheich der Universität fortan selbst. Im Gegenzug sicherte der Staat die Finanzierung zu. An dieser Ordnung wurde über Jahrzehnte nicht gerüttelt, ehe nach der Revolution gegen Husni Mubarak ein sanfter Hauch des Wandels auch die Azhar erfasste: In Zukunft dürfen die Scheichs selbst über ihren obersten Sprecher entscheiden – freilich erst, wenn der amtierende Großimam Ahmad al Tayyeb verstirbt oder sich entscheidet, freiwillig abzutreten.Am Stolz der Azhariten, der wichtigsten Autorität der muslimischen Welt anzugehören, haben die Machtkämpfe, die Aufstieg und Fall des im zweiten Revolutionsjahr an die Macht gelangten Muslimbruders Muhammad Mursi mit sich brachten, nichts geändert. Salafisten und konservative Theologen, die traditionell über großen Einfluss in der Azhar verfügten, setzten in den zwölf Monaten der Islamistenherrschaft zwar alles daran, die Scharia-Gesetzgebung auszuweiten. Doch ihr Aufstieg wurde durch den Staatsstreich des damaligen Armeechefs Abd al Fattah al Sisi im Juli 2013 jäh gestoppt. Großscheich al Tayyeb gab dem Militärputsch seinen Segen, als er mit Sisi vor die Kameras trat. Zu einem Aufschrei führte das nicht: Staatstreu sind die Azhar-Führer seit Nasser immer gewesen, im Gegenzug genießen sie weitgehend Immunität.(…) Seit Ende 2014 jagt eine solche Veranstaltung die nächste. Der Erfolg der sunnitischen Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) hat die Lehranstalt im Herzen Kairos aufgeschreckt – wenn auch mit einiger Verzögerung. Wochen vergingen, ehe al Tayyeb die Greuel der Mörderbande in Mossul und anderen irakischen Städten verurteilte. Dann aber so: Bei den „Terroristen“ handele es sich um eine „zionistische Verschwörung“. Äußerungen einzelner Azhar-Scheichs, die sich weigerten, die IS-Kämpfer als Gottlose zu bezeichnen, trugen ebenfalls nicht gerade dazu bei, dass sich die Universität, die mitunter als „islamischer Vatikan“ bezeichnet wird, als Hort vernünftiger Antifundamentalisten einen Namen machen könnte.Seit ein paar Monaten hat sich der Ton verändert. Auch auf dem Podium im Ibrahim-Hamrosch-Saal. Der strenge Scheich Azhari legt großen Wert darauf, dass schon im Dezember zweihundertfünfzig Gelehrte aus aller Welt dem Aufruf der Azhar folgten, nach Kairo zu kommen, um gemeinsam eine Stellungnahme gegen den IS zu verabschieden. „Mehr als eine halbe Million Exemplare wurden davon gedruckt“, sagt er stolz. Bücher sind Azharis Waffe, Auflage seine Währung.(…) Als sich die Extremisten im Februar zur Verbrennung des jordanischen Kampffliegers Moaz Kasabeh bei lebendigem Leibe bekannten, erhob Großscheich Tayyeb Einspruch: Der Koran empfehle für solche Fälle doch die Kreuzigung und das Abhacken der Gliedmaßen! Amerikas Außenminister John Kerry muss andere Stellungnahmen im Kopf gehabt haben, als er im vergangenen Herbst vorschlug, die Azhar solle die ideologische Speerspitze moderater Muslime im Kampf gegen den IS bilden.(…) Auch Volker Kauder erlebte bei seinem Treffen mit dem Großscheich in Kairo alles andere als einen nachdenklichen Gesprächspartner – geschweige denn einen „islamischen Luther“. Er habe einen „intensiven Vortrag“ über eine zionistisch-amerikanische Verschwörung anhören müssen, erzählt der Vorsitzende der Unionsfraktion in der Residenz des deutschen Botschafters, eine Verschwörung, die zur Entstehung des IS geführt habe und deren Opfer nun in erster Linie Muslime seien. Außerdem habe es längere Tiraden über die verderbliche Rolle Homosexueller und den Abfall Europas vom Glauben gegeben. Das nüchterne Fazit Kauders: „Wir sind viel weiter voneinander entfernt, als ich geglaubt habe.(…) Azhar als „Hort eines moderaten Islams“(…)In der vielbeachteten Rede hatte Sisi eine radikale Erneuerung islamischen Denkens gefordert und die Azhar-Lehrenden in die Pflicht genommen. Eine schonungslose Auseinandersetzung mit dem eigenen System müssten diese führen, um weiteres „Verderben“ zu verhindern: Es sei „undenkbar“, dass die 1,6 Milliarden Muslime dem Rest der Menschheit das Gefühl gäben, sie töten zu wollen. „Die ganze Welt wartet auch deshalb auf Ihre Worte, weil die muslimische Nation zerrissen und zerstört wird und auf ihren Untergang zusteuert.“ Wieder machte das Wort von der Azhar als dem „Hort eines moderaten Islams“ die Runde.

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/azhar-universitaet-in-kairo-is-sind-gar-keine-muslime-13631203.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Sissi Bilanz ist also ambivalent. Zum einen Großprojekte, die einen Wirtschaftsaufschwung bringen sollen, aber von Kritikern als nicht nachhaltig und als Sackgasse ohne strukturelle Reformen des Wirtschafts- und politischen Systems gesehen werden.Zum anderen ein Kulturkampf, der auf harten Widerstand der traditionellen Islamgelehrten stößt, zudem auch den Fanatikern einen Vorwand gibt, da sie die geplante Reformierung des Islams durch Al-Sissi als Abfallen von der Lehre darstellen werden. Zudem befürchten andere Experten, dass Al-Sissis brutale Repression der Muslimbruderschaft deren Mitglieder radikalisieren und dschihaddiseren lassen wird, sei es nun, dass sie selbst wieder zu terroristische Mitteln greifen wie einst schon gegen Nasser oder aber eben zu Al Kaida oder den Islamischen Staat konvertieren—trotz dieser Bedenken haben sich die USA für eine Unterstützung Al-Sissis ausgesprochen:

“Sisi´s regime is a gift to the Islamic State

Egyptian President Abdel Fattah al-Sisi came to power on a classic strongman platform. He was no liberal or democrat — and didn’t claim to be — but promised stability and security at a time when most Egyptians had grown exhausted from the uncertainties of the Arab Spring.Increasingly, U.S. President Barack Obama’s administration seems to accept this premise. In the span of the past week, the United States has delivered eight F-16s to Egypt, relaunched the U.S.-Egypt “strategic dialogue,” and said it would resume “Bright Star,” the joint military exercise suspended after the military coup of July 3, 2013.Sisi’s raison d’être of security and stability, however, has been undermined with each passing month. By any measurable standard, Egypt is more vulnerable to violence and insurgency today than it had been before.

http://www.brookings.edu/blogs/markaz/posts/2015/08/07-sisi-gift-to-islamic-state-hamid

“Egypt´s growing militant threat

Publication: Terrorism Monitor Volume: 13 Issue: 15

July 24, 2015 10:40 AM Age: 7 days

By: Muhammad Mansour

During the past two months, Egypt has witnessed an unprecedented wave of attacks by Islamist militants, mostly launched by the Islamic State’s Egyptian branch—which calls itself “Sinai Province,” and which was formerly known as Ansar Bayt al-Maqdis—against tourists in Luxor, the chief prosecutor, a naval vessel, the Italian Consulate in Cairo and various army targets in Sinai. These attacks not only aimed to weaken the Egyptian state and the government and credibility of the country’s president General Abd al-Fatah al-Sisi, but also to gain territory in Sinai and to damage the Egyptian economy. (…)Conclusion The recent increase in militant attacks in Egypt, including by affiliates of the Islamic State group, does not necessarily mean that the militants will be able to repeat the success of the Islamic State in Syria and Iraq. Reasons for this include the fact that that the Egyptian Army is one of the three strongest armies in the Middle East and the lack of inter-Muslim sectarian rivalries, even though there is a risk that al-Sisi’s policies against Islamists do risk triggering more militant violence and potentially strengthening terrorist organizations in some respects. It is also significant that despite the intensity of attacks in Sinai, Egyptian soldiers did not retreat like other armies, notably the Iraqi Army in Mosul and other parts of northern Iraq in mid-2014, and also that the attempted major terrorist attack in Luxor was successfully foiled by the quick reaction of the local police. At the same time, however, it is worth noting that if the attack had succeeded, tens of tourists would have potentially been killed, and Egypt’s tourism sector would have been damaged for years, with important knock-on effects for the Egyptian economy and al-Sisi’s credibility. In addition to the growing ambitions of Egyptian militants, a further important factor in the coming months will be the Muslim Brotherhood’s attitude to violence; at times, the group has seemed to encourage their followers to use violence on the grounds that they are not able to peacefully express their opposition to the government. For instance, in a recent post on the group’s official website, the Muslim Brotherhood urged its supporters to “resist this coup by all means until the fall of the regime” and referred to the “legitimate right to self-defense,” although these terms were not practically defined (Ikhwan Online, July 15). That said, while the government has been quick to highlight the Muslim Brotherhood’s potential threat, that group’s actions—for now, at least—are highly limited, especially compared to the recent attacks by the Sinai Province organization. “

Fakt ist, dass Al Sissi Wirtschaftsprogramme einige Zeit brauchen dürften, bis sie wirken, insofern sie wirken. Inzwischen hat sich aber der Aktionsraum des Islamischen Staates schon auf Kairo und Zentralägypten selbst ausgeweitet, wofür die Angriffe auf Polizeistationen, internationale Hotels und unlängst auf den Generalstaatsanwalt stehen, was Al-Sissi nun zu einem neuen, noch restriktiveren Anti-Terrorgesetz bewegte, in dem nun Berichterstattung über Terroranschläge nur noch nach Maßgaben der Militärbehörden erfolgen dürfen.Nachrichten über die Stabilität Ägyptens wird man also in Zukunft nur noch beschränkt Glauben schenken dürfen. Und abzuwarten bleibt ebenso die weitere Entwicklung der Muslimbruderschaft. Viele Muslimbrüder dürften vielleicht damit argumentieren, dass der demokratisch eingeschlagene Weg übers Parlament und das Präsidentenamt zur Errichtung einer islamistischen Diktatur fehlgeschlagen ist und daher nur Gewalt der Weg sein könnte. Vielleicht kommt es ja auch zu Abspaltungen wie einst unter Zawahiri, einem ehemaligen ägyptischen Muslimbruder, der inzwischen der Vizechef der Al Kaida ist oder Attentaten auf Al Sissi wie schon einst auf Sadat. Ebenso bleibt abzuwarten, wie sich die salafistisch-wahhabistische Nour-Partei (Partei des Lichts), die bei den ägyptischen Wahlen immerhin 15% der Stimmen errang, verhalten wird, die nochmals mehr IS-Nähe hat. Experten, die die Al-Sissiregierung als Option sehen, argumentieren damit, dass Ägyptens recht homogen ist, zumal das Militär ein Staat im Staate, sehr organisiert und diszipliniert und deswegen dem Islamischen Staat keine Chance eröffnen könnten wie bei failed states ala Irak oder Syrien.Ebenso exitierten religiös-ideologische Unterschiede zwischen Muslimbrüdern, Salafisten und IS-Anhängern, was mehr zu einer Fragmentierung und Uneinigkeit dieser Szene führe und tendenziell eher das Militär stärke. Andere Experten weisen darauf hin, dass Syrien auch ein starkes Militär gehabt hätte, bevor es zum failed state wurde dies also nicht das einzige Kriterium für Stabilität ist. Zudem existierte in Ägypten eine sunnitische Mehrheitsbevölkerung, die zu 65% Muslimbrüder und 15% Salafisten bei der ersten Wahl gewählt hätten–also ein sehr grosser Pool von potentiellen sich radikalisierenden islamistischen Kräften, die in Konkurrenz und Wechselspiel zueinander für genug Instabilität sorgen können oder aber sich vielleicht eine dominante islamistische Gruppe herauskristallisiert, deren Eingkeit durch die vermeintliche Katalysatorrolle der repressiven Militärdiktaur befördert werden könne.

 

Als weitere Lesetips zu Ägypten noch folgende ältere Artikel von Global Review

USA: Neue Strategie gegenüber dem neuen Ägypten

http://www.global-review.info/2012/12/29/usa-neue-strategie-gegenuber-dem-neuen-agypten/

Wider die Verharmlosung der Muslimbruderschaft

http://www.global-review.info/2011/03/01/wider-die-verharmlosung-der-muslimbruderschaft/

Kommentare sind geschlossen.