China und die Juden

China und die Juden

Ich bin in Kontakt mit einer interessanten Chinesin gekommen. Sie spricht hebräisch, hat in Tel Aviv studiert und beschäftigt sich mit Juden in China und der Welt.Mich interessiert ja schon seit längerem, wie die Judenfrage in China behandelt wird. Sie hat mir jetzt zugesagt, mir bei weiteren Recherchen helfen zu wollen. Ich schrieb ihr:

Hi ,

as I see from your cirriculum you  studied in Tel Aviv/Israel and made a documentary about a Jewish-Chinese-British boy. I wrote many articles about the exile Jews in China, mostly in Shanghai during the 30s and German anitsemitism and Japanese philosemitism and how the Japanese protected the Jews in China from the planned massacre by Nazi-Germany (a good source is the book of the German Jew Heppner „Exile in Shanghai“who settled to Shanghai in the 30s).However, I´m interested to learn more about China and its position to Jews.(…)

I´m interested in antisemitism and philosemitism and would like to know more about the Chinese attitude towards this issue. Are there any polls or surveys about antisemitic/philosemitic attitudes of the Chinese population and the Chinese elite? Is or has this ever been an issue in China as there are next to no Jews in China and this question might not be of historical importance as it might have been in Germany or Japan.

In my study I found it interesting that the German Nationalsocialist and the Japanese Tojo-goverment had the common sense that the Jews are controlling the world. But while the Nazis came to the conclusion that you have to eliminate all Jews, the Japanes thought that you have to make an alliance with them in order to controll the world.This lead to an continious disagreement between the Nazis and Tojo-Japan.

It´s also interesting that in the Japanese history a Jewish banker (Jakob Schiff) gave the Japanese goverment an important loan for the Japanese- Russian war 1905 which lead to the first Japanese/Asian victory over a Western power. Therefore this Jew became a sort of national hero for the Japanese elite.In Germany the right-wing politicians and German military blamed the famous Jew Rathenau (CEO of the German company AEG and later foreign minister during the Weimar Republic) for the loss of the First World War.Therefore there are big differences between Japan and Germany in the question of antisemitism/philosemitism. What I would like to know: How do Chinese (historians/history lessons in schools/universities, population, elite)perceive the Jewish question?

Dabei möchte ich folgenden Fragekatalog und folgende Hypothesen abarbeiten:

Ich glaube, die Judenfrage hat in China keine Tradition und auch keine Verbreitung. Mit Ausnahme der Exilgemeinschaft in Shanghai scheint es keine wesentlichen physischen Berührungspunkte zu geben. Aber umgekehrt frage ich mich, ob die Tatsache, dass Marx ein Jude war, dass die Nazipropaganda Kommunismus und Liberalismus als jüdische Verschwörung und Ideologie wahrnahmen, dass Marx sein Elaborat „Zur Judenfrage“ geschrieben hat, ob dies in China ganz spurlos vorrüber ging.Vielleicht wurde diese Schrift ja auch peripher von Marxologen gelesen. Ebenso wäre es interessant, ob es die Protokolle der Weisen von Zion auf chinesisch gibt. Wie gesagt: das scheint ein weisser Fleck zu sein, der vielleicht ganz interessant ist, ihn einmal näher zu untersuchen.

Aber ich schätze, wenn man einen Durchschnittschinesen fragt, wie er zu Juden steht, wird er vielleicht zurückfragen, was überhaupt ein Jude ist. Zumal Chinesen vielleicht noch bei der Behandlung der Weltreligionen vom Judentum hören mögen, aber da Religionsunterricht in China nicht existiert und zumal Religion mehr unter atheistisch-säkularer Sichtweise vermittelt werden dürfte, ist es eher unwahrscheinlich, dass sich hier eine weitere Beschäftigung mit dem Thema ergibt.

Wobei ich das wieder einschränken muss. Der Hauptkonkurrent Chinas sind die USA. Vielleicht gibt es da auch eine Denkströmung, die USrael für judenkontrolliert hält oder eine Israel/jüdische Lobby oder so am Werkeln sieht oder auch die Finanzwirtschaft und die Fed, vielleciht auch die US-Politik von Juden kontrolliert ansieht. Zumal Kissinger, der mit Nixon die Pingpongpolitik und Annäherung an China vollbrachte, ja selber deutscher Jude aus Fürth war.Dann dürfte dies aber mehr als positiv vermerkt werden seitens der chinesischen Regierung, da Nixon/Kissinger ja als Helden in China gelten, zumal Kissinger auch als Realpolitiker und guter Freund Chinas gilt.Aber wie gesagt: Das alles ist mehr Spekulation, zumal eben auch die Frage ist, ob die Chinesen Kissinger überhaupt als Juden sehen oder eben nicht als Amerikaner, bei dem solche Kategorien keine Rolle spielen.

Ein weiterer Berührungspunkt könnten die aussenpolitischen Beziehungen Chinas zu Israel sein. Israel dürfte aber bei der chinesischen Aussenpolitik eine eher sekundäre Rolle, vielleicht noch in seinen Beziehungen zu den USA und der muslimischen Welt eine Rolle spielen. Es ist also zu erwarten, dass das Interesse da eher an staatlichen Beziehungen existiert, als am Judentum als Religion oder am Zionismus als Ideologie– beschränkt wohl auf Akademiker der aussenpolitischen und internationalen Beziehungen, Hebräisistiker und Religionsforscher.

Was auch interessant sein dürfte: Wie steht die KP China zum Holocaust und wie wird er erklärt? Traditionell hat sich die KP China ja eher am Klassenmuster orientiert,  ist also kein Anhänger der Ideologiekritik und dürfte auch von der Frankfurter Schule nicht beeinflusst sein. Wie wird der Antisemitismus und der Holocaust in der offiziellen Geschichtsschreibung Chinas erklärt? Zumal: Gibt es in China überhaupt so etwas wie Holocaust-, Genozid- oder Rassismusforschung? Zumal Menschenrechtsfragen im Reich der Mitte ja auch nicht oberste Priorität gegeben wird, um es diplomatisch zu formulieren. Spielt der Holocaust überhaupt eine Rolle in der chineischen Geschichtsschreibung oder wird er als exotisches europäisches Drama in einer Reihe mit anderen weltpolitischen Dramen gesehen, zumal die Betonung wohl in der chinesischen Geschichtsschreibung mehr auf die Grausamkeiten Japans gegenüber Asien und China liegen dürfte.

Auch wäre interessant, ob das traditionelle Urwerk des Antisemitismus „Die Protokolle der Weisen von Zion“ oder andere antisemitische Machwerke wie „Mein Kampf“ ins Chinesische übersetzt und ob sie in China publiziert wurden und verkauft werden dürfen oder nicht der Zensur der KP China unterliegen und nicht oder nur zitiert oder kommentiert oder zensiert veröffentlicht werden, ja ob sie vielleicht auch exziplit verboten sind.

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Inzwischen bin ich auf ein interessantes Interview in der Jüdischen Allgemeinen und einen Artikel in der Berliner Zeitung gestossen, der viele der gestellten Fragen beantwortet und eine gute Basis für weitere Recherchen ist. Zum einen wird von chinesischen Intellektuellen das Jüdische und die Juden als Vorbild , teilweise auch als Alter Ego der Chinesen gesehen, das sich gegen Fremdherrschaft aktiv wehre, über eine lange Tradition und Geschichte verfügt, quasi auch ein auserwähltes Volk sei, auch für Reformen galten jüdische Ideen und der Zionismus als Vorbild. Ebenso werden Juden als Erfolgsmenschen, als gebildete Menschen, sei es in Politik, Wissenschaften oder der Wirtschaft gesehen. Desweiteren wird den Juden wie auch den Chinesen gleichermassen Geschäftstüchtigkeit nachgesagt, ja viele Asiaten sprechen von den Chinesen ja auch als von „den Juden Asiens“. Letzterer Gesichtspunkt scheint nicht nur bei Intellektuellen, sondern auch bei breiteren Bevölkerungskreisen Common sense zu sein. Auch wird die Wehrhaftigkeit und die Stärke Israels im Nahen Osten geachtet und bewundert. Insgesamt ergibt sich also eine eher philosemitische Grundeinstellung der Chinesen zum Judentum. Einige Klischees über das Judentum werden zudem als Ausdruck westlichen Einflusses gesehen.

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Interview der Jüdischen Allgemeinen mit Professor Xu, dem Leiter des Diana and Guilford Glazer Institute of Jewish Studies der Universität Nanjing

Herr Xu, Sie befassen sich in China mit Jüdischen Studien und haben die Encyclopaedia Judaica auf Chinesisch herausgegeben. Woher kommt das Interesse dafür in Ihrem Land?

Anfang des 20. Jahrhunderts haben chinesische Intellektuelle angefangen, sich sehr mit ausländischer Literatur zu beschäftigen, da sie nach neuen Ideen suchten, um das Land, das die ungeliebten Mandschus beherrschten, zu reformieren. So kam man zum ersten Mal auch mit jüdischen Themen in Berührung. Außerdem gingen damals die ersten chinesischen Studenten ins Ausland und hatten dort direkten Kontakt mit Juden. Viele Chinesen sahen Parallelen zwischen sich und den Juden.

Welche Parallelen meinen Sie?

China litt im Laufe der Geschichte immer wieder unter fremder Herrschaft. Viele verfolgten daher mit Interesse zionistische Ideen. Auch galt das Jiddische als Vorbild, um gegen den exklusiven Gebrauch des klassischen Chinesisch in Literatur und Verwaltung zu kämpfen. Sie sahen ein gutes Beispiel darin, dass Hebräisch von vielen nur für religiöse Zwecke benutzt wurde. Und später, in den 80er-Jahren, nach der Öffnungspolitik des Landes, als chinesische Intellektuelle nach neuen Ideen suchten, entflammte das Interesse am Jüdischen erneut.

Welches Bild haben die Chinesen von den Juden?

Da das jüdische Volk genauso eine alte Kultur wie die chinesische ist, wird sie sehr respektiert. Viele sind der Meinung, dass man ganz viel vom Judentum lernen kann. Obwohl die Juden eine Minderheit sind und an ihren Traditionen festhielten, haben sie es fast immer und überall geschafft, sich erfolgreich an der Gesellschaft zu beteiligen.

Wie kamen Juden ursprünglich nach China?

Die ersten kamen im 8. Jahrhundert über die Seidenstraße als Händler ins Land und suchten nach geeigneten Geschäftsmöglichkeiten. Sie ließen sich in größeren Städten nieder, am bekanntesten war wohl die Gemeinde in Kaifeng, der damaligen kaiserlichen Hauptstadt. Sehr viel später dann, im 20. Jahrhundert, siedelten viele russische Juden, die in ihrer Heimat verfolgt wurden, in Harbin, im Nordosten Chinas.

Zur gleichen Zeit kamen auch einige jüdische Familien über den Irak und Indien nach Shanghai und Hongkong.

Ja, und während des Zweiten Weltkriegs kamen viele jüdische Flüchtlinge nach Shanghai, wo sie sich später, von den japanischen Besatzern gezwungen, in einem Ghetto aufhalten mussten.

Wie nahm China die Juden jeweils auf?

Während der schweren Zeit des Zweiten Weltkriegs halfen sich Juden und Chinesen gegenseitig. Interessanterweise wurden Juden in China immer nur als Ausländer wahrgenommen und nicht als Juden. Die Chinesen hatten keinen Bezug zu dieser Art von Religion. Insofern gab es nie eine antijüdische Diskriminierung.

Und gibt es heute Antisemitismus in China?

Nein, im Gegenteil, die Chinesen bewundern die Juden und versuchen, von ihnen zu lernen. Man solle sich nur die Liste der jüdischen Nobelpreisträger anschauen, oder die der weltweit bedeutendsten Politiker, Ökonomen und Schriftsteller. Das beeindruckt die Menschen in China. Und wenn manchmal trotzdem stereotype Aussagen über Juden fallen, hat das nur mit westlichem Einfluss zu tun.

Wie beeinflussen politische Ereignisse in Israel die Meinung der Chinesen gegenüber Juden?

Wenn überhaupt, dann haben sie keinen negativen Einfluss. Die Chinesen bewundern die Stärke und den Erfolg Israels gegenüber seinen Nachbarn.

Wie würden Sie das derzeitige Verhältnis zwischen Israel und China beschreiben?

Aus geopolitischen Gründen steht die Volksrepublik China hinter den Palästinensern und unterhält auch gute Beziehungen zum Iran. Aber da unter den Chinesen im Allgemeinen eine positive Einstellung gegenüber Israel herrscht, ist es auch nicht paradox, gleichzeitig bilaterale Handelsbeziehungen zu unterhalten.

Wie wird in China mit dem Thema Holocaust umgegangen?

Das Thema wurde hier erst vor gut 20 Jahren mit der Öffnungspolitik in China bekannt. Die erste Ausstellung darüber fand 1991 in Shanghai statt. Seitdem gibt es regelmäßige Medienbeiträge. Jedes Jahr veranstalte ich außerdem in meinem Institut einen Workshop über die Schoa mit internationalen Experten. Vor dem Hintergrund des Massakers von Nanjing reagieren viele Chinesen sehr sensibel auf dieses Thema.

Es gibt heute einige jüdische Gemeinden in China, die zum größten Teil aus Ausländern bestehen. Wie sieht die chinesische Regierung diese Gemeinden?
Im Gegensatz zu christlichen Kirchen dürfen sich jüdische Gemeinden in China etablieren, Rabbiner können ohne Probleme ins Land kommen. Der Grund ist, dass das Judentum keine missionierende Religion ist. Anders als das Christentum stellt es keine politische Gefahr für die Regierung dar.

Mit dem Leiter des Diana and Guilford Glazer Institute of Jewish Studies der Universität Nanjing sprach Michelle Berger.

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/17769′

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Ein weiterer interessanter Artikel über chineaische Klischees über Juden im Berliner Tagesspiegel:

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Klischees über Juden gibt es auch in China. Sie zeugen von Bewunderung für eine angeblich spezifische Geschäftstüchtigkeit
Von Mao zu Moses
Von Bernhard Bartsch 

PEKING. „Die Juden sind von Geburt aus begabt zum Geldverdienen. Nach 1 800 Jahren am Rande der Gesellschaft haben sie effiziente Geschäftsmethoden entwickelt und sind zu einer der größten Finanzmächte der Welt geworden… Sie streben ihr ganzes Leben nach Geld, ohne sich ihm jedoch zu unterwerfen. Reichtum ist in ihren Augen weder Sünde noch Fluch, sondern eine Wärme spendende Bibel.“ Wer schreibt so etwas? Hitler oder Goebbels? Alt- oder Neonazis? Islamische Extremisten oder andere Antisemiten? Falsche Fährte. Nicht Judenfeindlichkeit spricht aus diesen Zeilen, sondern Bewunderung, Neid und eine Menge Lerneifer. Das Zitat stammt aus „Die große Weisheit der Juden“, einem chinesischen Erfolgsratgeber. Auf knapp 300 Seiten erklärt er, wie auch Chinesen sich aneignen können, was dem jüdischen Volk angeblich in den Genen steckt: das Talent zum Reichwerden. Vorurteile, aber kein Hass Zumindest Chinas Verlage sind mit dem Rezept, das Klischee des Geldjuden zum Vorbild zu erheben, auf eine Goldader gestoßen. In Chinas Onlinebuchhandlungen, die ein Drittel ihres Umsatzes mit Ratgebern machen, finden sich über 50 Titel des gleichen Schemas. Sie heißen „Das Geheimnis des jüdischen Vermögens“, „Das Geschäftskalkül der Juden“, „Die Geschichte des jüdischen Wohlstands“ oder „Die Juden und das Geschäft – Die heilige Schrift, nach der sie ihr Leben führen“. Und die Auflagen erreichen Bestsellerniveau. Das hohe Ansehen, das die Juden in der Volksrepublik genießen, ist eine kuriose Mutation der Globalisierung. Zwar haben die Chinesen vom Westen alle gängigen Judenvorurteile übernommen, allerdings ohne den Hass, aus dem diese entstanden sind. Schließlich hatten Chinesen im Lauf der Geschichte wenig Kontakt mit Juden. Als Ende des 19. Jahrhunderts in den Handelsstädten größere jüdische Viertel entstanden, hatten die Chinesen andere Sorgen, als sich mit Unterschieden zwischen den ungeliebten Fremden zu beschäftigen. Ganz zu schweigen vom Zweiten Weltkrieg, als China unter die Herrschaft der Japaner geriet. Die wenigsten Chinesen dürften je etwas von der Judenverfolgung gehört haben, und selbst Intellektuelle schenken dem Holocaust weit weniger Aufmerksamkeit als der Westen, weil Chinas Kriege und Krisen des 20. Jahrhunderts um ein Vielfaches mehr Opfer forderten. Fragt man Buchhändler, ob ihnen bewusst ist, dass die Bücher im Westen Skandale auslösen würden, erntet man ungläubiges Kopfschütteln. „Wir Chinesen sehen das anders“, sagt einer, ein anderer: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Seitdem der Traum vom großen Geld in der Volksrepublik Leitkultur geworden ist, sind antisemitische Klischees jedenfalls eine lukrative Marktlücke. Wirtschaftsmagazine widmen dem Thema Titelseiten, Management- akademien veranstalten Seminare, jüdische Unternehmer werden zu Vorträgen eingeladen. „Chinesische Unternehmer leiden oft unter dem China-Restaurant-Syndrom: Sie geben sich mit einem kleinen Geschäft zufrieden, solange sie davon leben können“, sagt Zhou Guojian, Vize-Direktor des Zentrums für Jüdische Studien an der Schanghaier Akademie der Sozialwissenschaften. „Juden wollen dagegen immer die besten sein und riesige Konzerne aufbauen.“ Antisemitisch seien solche Ansichten nicht, findet sein Kollege Wang Zhen: „Chinesen machen sich zwar gelegentlich falsche Vorstellungen von den Juden, aber wir sind sehr freundlich zu ihnen.“ Inhaltlich bestehen die Bücher in der Regel aus folkloristischen Darstellungen der jüdischen Kultur und historischen Abrissen, die sich auf die erfolgreichen Diasporajuden konzentrieren, vermischt mit Evergreens der Managementlehre. Man müsse lernen, sich wie die Juden „stark am Markt zu orientieren“ und „vorausschauend auf die Trends der Zukunft zu achten“, heißt es etwa auf Seite 136 in „Die große Weisheit der Juden“. Das vom Verlag Yanshi (wörtlich: Wahre Worte) herausgegebene Buch „Das Geschäftskalkül der Juden“ macht die Juden zu den Erfindern der Buchhaltung: „Nach Meinung der Juden kann nur Geld verdienen, wer auch gut rechnen kann. Deswegen sind die Juden exzellente Mathematiker, ihre Rechengeschwindigkeit ist bemerkenswert. Mit Ungenauigkeiten geben sie sich nie zufrieden. Deswegen machen sie nie Verluste.“ Wer von ihnen lerne, werde „überall Gold liegen sehen“, denn alle Dinge seien Waren, die gehandelt werden können. Sparsamkeit sei die jüdische Kardinaltugend Nummer eins, allerdings nur unter Männern: „Die 5 000 Jahre lange Geschichte der Juden sagt uns, dass Männer das Geld verdienen und die Frauen es ausgeben. Wenn man Geld verdienen will, muss man also immer die Frauen im Blick haben.“ Der Autor dieser haarsträubenden Theorien will denn auch in der heutigen Modeindustrie besonders viele Juden ausgemacht haben. Viele der Ratgeber werden als Übersetzungen populärer amerikanischer Werke vermarktet. „Jüdische Unternehmererfahrung und Geschäftsweisheit“ soll etwa von einem gewissen William Hampton verfasst worden sein, Harvard-Absolvent, Professor für Geschäftsstrategie und -philosophie sowie Herausgeber des Magazins Business Week. Zwar gibt es in den USA einen Autor dieses Namens, doch die angegebene Biografie stimmt nicht mit seiner überein und mit dem Buch hat Hampton nach eigenem Bekunden nichts zu tun. Chinesischen Lesern dürfte das aber ebenso wenig auffallen wie andere Fehler. So erzählt „Das Geheimnis des jüdischen Vermögens“ im Kapitel „Titanen der Industrie und Kapitäne der Finanzwelt“ eine Anekdote über John D. Rockefeller. Einem Kellner, der sich über ein geiziges Trinkgeld beschwerte, soll er gesagt haben: „Wenn du so sparsam wärst wie ich, müsstest Du nicht dein ganzes Leben im Restaurant arbeiten.“ Abgesehen davon, dass der Witz auch zahlreichen anderen Unternehmern zugeschrieben wird, sagt er über Juden wenig: Rockefeller war Baptist. Ein ähnlicher Fehlgriff ist den Herausgebern von „Die große Weisheit der Juden“ unterlaufen. Auf dem Umschlag ist ein Ölgemälde reproduziert, es zeigt einen alten Mann, der in einem Buch liest. Bei genauem Hinsehen entpuppt er sich jedoch als Christ. Er liest nämlich nicht in der jüdischen Thora, sondern im Lukas-Evangelium. So erzählen die chinesischen Ratgeber denn weniger über das Volk Abrahams und Moses‘ als über den chinesischen Traum, auf dem Weg zum Wohlstand eine Abkürzung zu finden. Kein Buch zeigt das deutlicher als „Die acht wertvollsten Geschäftsgeheimnisse der Juden“. Die Zahl Acht ist nämlich der Glücksstern im chinesischen Nummernkosmos. Im Chinesischen klingt sie so ähnlich wie das Wort Reichtum.

Ghetto in Schanghai Etwa 10 000 Juden leben heute in China. Den meisten Chinesen ist ihre Kultur fremd. Dabei hat sie auch im Reich der Mitte eine gewisse Tradition. Im 8. Jahrhundert kamen die ersten Juden über die Seidenstraße nach China und ließen sich in mehreren Städten nieder. Im Jahr 1136 wurde im zentralchinesischen Kaifeng die erste Synagoge Chinas gebaut. Die Chinesen bezeichneten das Judentum damals als „Religion der Sehnenentferner“, weil den Juden der Verzehr eines bestimmten Stück Hüftfleischs verboten ist. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen mit den westlichen Kolonialmächten auch jüdische Händler. Im nordchinesischen Harbin lebten zeitweise 20 000 Juden meist russischer Herkunft. Sie bestritten etwa die Hälfte des Handels der Stadt. Nach Gründung der Volksrepublik gingen die meisten nach Israel, darunter auch die Eltern des heutigen israelischen Premiers Ehud Olmert. Während des Zweiten Weltkriegs existierte die größte jüdische Gemeinschaft auf chinesischem Boden in der Hafenstadt Schanghai. Bis zu 40 000 Juden brachten sich dort vor dem Holocaust in Sicherheit. Auf Druck der japanischen Besatzer mussten sie allerdings auch in Schanghai in einer Art Ghetto leben. Einige von ihnen schlossen sich dort der kommunistischen Untergrundbewegung an. Der gebürtige Pole Israel Epstein (1915-2005) wurde später sogar Parteimitglied und chinesischer Parlamentsabgeordneter. 

http://www.berliner-zeitung.de/archiv/klischees-ueber-juden-gibt-es-auch-in-china–sie-zeugen-von-bewunderung-fuer-eine-angeblich-spezifische-geschaeftstuechtigkeit-von-mao-zu-moses,10810590,10524624.html

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Frühere Artikel auf Global Review zu Antsemitismus, Philosemitismus und zur “Judenfrage”:

“Wäre ich Antisemit, hätte ich was gegen Juden”–über den Antsemitismusbegriff

http://www.global-review.info/2015/10/24/ware-ich-antisemit-hatte-ich-was-gegen-juden-uber-den-antisemitismusbegriff/

Philosemitismus als partielles Gegenstück zum Antisemitismus

http://www.global-review.info/2015/11/03/philosemitismus-als-partielles-gegenstuck-zum-antisemitismus/

Japans Judenpolitik 1933-1945

http://www.global-review.info/2011/03/24/japans-judenpolitik-1933-1945/

Die Große Verschwörung–von den Protokollen der Weisen von Zion über Ludendorf zum Schwarzen Reich

http://www.global-review.info/2011/04/25/die-grosse-verschworung-von-den-protoklolen-der-weisen-von-zion-uber-ludendorff-zu-naomi-klein/

Zur Analyse des Antisemitismus in der KPD-Tageszeitung Rote Fahne

Kistenmacher Einleitung KPD

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