Gedanken zu Emanuell Todds „Amerika- ein Nachruf“und „Wer ist Charlie?“

Gedanken zu Emanuell Todds „Amerika- ein Nachruf“und „Wer ist Charlie?“

Emmanuel Todds Vater war Kommunist, Todd ist ein eher linker Soziologe, der in Frankreich immer wieder für Diskussionen sorgt. Sein Buch „Amerika–ein Nachruf“ist während der Bush jr.-Ära und als Antwort auf den Irakkrieg geschrieben. Todd besingt den Niedergang der USA, dass diese diesen nur noch durch Mikromilitarismus versuchten aufzuhalten und ihre außenpolitischen Aktionen immer unberechenbarer und destruktiver würden. Von daher spricht er sich– Putins Rede2001  vor dem Deutschen Bundestag zitierend-dafür aus, eine eurasische Achse EU-Russland zu schmieden.Diese sei auch natürlicher, da die egalitären Familienstrukturen Europas mehr zu denen der russischen egalitären Familienstrukturen passen würden–eine etwas obskure Begründung, aber wie gesagt: Todd analysiert, bzw. rechtfertigt alles mit Blick auf die Familienstrukturen und ob diese egalitär oder inegalitär sind–hängt vielleicht auch mit dem franzöischen Denken in Kategorien wie Egalite zusammen.

 

Sein neuestes Buch „Wer ist Charlie?“kommt nach Michael Houellebecqs „Unterwerfung“ und  Eric Zemmours“Der französische Selbstmord“, die eher islamkritisch, bzw. islamophob waren. Todd will hier einen Kontrapunkt setzen. Ausgangspunkt für ihn sind die Demonstrationen „Je suis Charlie“in Frankreich, von denen Todd behauptet, dass sich hier aufklärerische Kräfte mit antiaufklärerischen Kräften verbündet und gemeinsam demonstriert hätten, obwohl beide eben nichts miteinander gemein hätten und dies auch unterschwellig immer bemerkten.Todd sieht zudem das Erstarken von nationalistischen oder extremsitischen Ideologien als Antwort auf den Zerfall des Katholizismus, also einer Relgionskrise.Die antiaufklärerischen Kräfte (er meint jetzt nicht den Front National, den behandelt er seperat) wären ältere „Zombie-Katholiken“ mit ineaglitären Familienstrukturen (er hat in seinem Buch auch zig Karten mit soziologischen Daten und politische Einstellung, die er so in Korrelation bringt).Der Impetus der Antiaufklärer wäre nicht Liberte, Egalite, sondern Inegalität und die Beschneidung von Freiheiten im Namen der Verhöhnung einer Religion, des Islam–auch als Antwort auf die eigene Religionskrise.

 

Eine Frage ist,inwieweit Todd als linker Franzose vom Leitgedanken der französischen Revolution „Egalite, Liberte, Fraternite“, beeinflusst ist, vor allem wie diese drei Begriffe bei ihm logisch zusammenhängen.Ist Todd der Ansicht, dass Egalite meint, dass ökonomische Macht gleichverteilt sein müsse, um Liberte zu erreichen–sieht er überhaupt einen Zusammenhang zwischen Ökonomie und Politik–in seinen bisherigen Schriften ist davon nichts zu lesen. Desweiteren scheint er Egalität eher positiv zu sehen, aber umgekehrt vertritt er dann wiederum solche eurasischen Achsen mit Putin-Russland, das er aufgrund ähnlicher egalitärer Familienstrukturen und sich daraus ergebender gleicher Wertesytseme als natürlichen Verbündeten sieht. Aber Putinrusslands „gelenkte Demokratie“ und seine „lupenreinen Demokraten“ist ja gerade nicht das, was man sich schlechthin unter Liberte vorstellt. Auch beschreibt er den Front National, den er nicht mag, als strukturell egalitär, auch von den Familienstrukuren her.Für mich hört sich dies an, wie ein logischer Widerspruch. Vielleicht meint das Todd aber auch anders.

 

Viel hängt davon ab, ob Todd die eurasische Achse als zwangsläufige Tendenz aufgrund ähnlicher Familienstrukturen und Wertesysteme sieht oder als Wunschvorstellung.In seinem Buch „Amerika–ein Nachruf“klingt dies ambivalent. Zum einen hört man die Abscheu von dem anglosächsischen Inegalitarismus raus, klingt er fast etwas euphorisch, dass es vielleicht zu dieser EU-Rußlandachse kommt, zum anderen schlidert er dies als zwangsläufige Entwicklung–ähnlcih wie Samuel Huntiungton in seinem Buch „Clash of Civilizations“. Was bei Huntington, die Kultur basierend auf der Religion ist, ist bei Todd die Kultur/Wertegemeinschaften, die sich aufgrund der Familienstrukturen in Wertegemienschaften, ja fast Kulturkriese zusammenschliessen müssen. Von daher wäre auch interessant, inwieweit Huntingto und Todd da strukturell ähnlich diskutieren. Umgekehrt ist Todd aber auch die Liberte wichtig. Die müsste ja dann in den anglosächsischen Ländern besser aufgehoben sein als in den östlichen Staaten.Aber er scheint die Frage der Egalite mehr zu gewichten als die der Liberte.Damit kann das Ganze auch etwas tendenziell antiaufklärerisch und im Kern reaktionär sein.Oder er hofft auf eine politische Karft mit egalitären Familienstrukturen, die Liberte und Egalite versöhnen und in die Balance bringen.Jedenfalls fällt auf, dass die Ökonomie und der Kapitalismus in seinen Büchern kaum eine Rolle spielt, es kommt eigentlich nie zu einer Kapitalismuskritik, sondern er bleibt immer eher in den anthropologische,kulturellen Überbauphänomenen, ja die Ökonomie ist bei ihm nicht der Unterbau, sondern die Familienstrukturen sind die treibende Kraft aller weltgeschichtliche Entwicklung, so wie bei Gunnar Heinsohns Youth Buldge eben die Jungmännerüberschüsse und die Demographie.

 

Wobei die Demographie jedoch ein wichtiger Faktor ist, den man nicht bestreiten sollte. Interessant wäre zum einen, wie Demographie und Kapitalismus zusammenhängen – -dazu hat ja Engels seinen „Ursprung der Familie“geschrieben, die zwar streckenweise falsch begründet ist, aber immerhin einen Trend aufgrund des Kapiatlismus von der Großfamilie zur Kleinfamilie–und auf heute prolongiert–auf die Singlegesellschaft und Patchworkfamilien, also auf die Atomisierung der Familie hinweist. Gibt es eigentlich Marxisten in der Nachfolge, die sich mit dem Zusammenhang Familie, Demographie und Kapitalismus einhergehender befasst haben–mir nicht bekannt.Bestenfalls wurde dies noch als Reproduktionssphäre erwähnt und bei Diskussionen mit Feministinnen erwähnt, aber nie weitergehender verttieft.Da dürfte bei Feministinnen mehr Forschungsarbeit in dieser Richtung gelaufen sein als bei Marxisten.Konservative veruschen sich den demographischen Wandel durch einen Wertewandel/Wertezerfall zu erklären, sehen die 68er sexuelle Revolution als die Ursache aller Übel, ohne zu fragen, inwieweit die 68er nicht selbst Ausbruck eines Kapitalismus waren, der eben den Überbau revolutioniert, zumal auch solche technischen Entwicklungen wie die Pille diese Bewegung zu Teilen erst denkbar machte und so versuchen sie durch eine kulturelle Revolution/konservative Revolution dem entgegenzuwirken. Die Frage ist nur, inwieweit dies möglich ist, einen solchen Wertewandel hinzubekommen, wenn die ökonomischen Grundlagen beibehalten werden.Eigentlich kann dies nur durch Verbot der Abtreibung, Verbot der Verhütungsmittel, staatliche Subvention von Familien und Mutterarbeit geschehen–also per Dekret und Zwang und weniger durch einen Wertewandel.Aber bei Gunnar Heihnsohn und Todd fällt auf, dass sie die Demographie gar nicht mit den ökonomischen Tendenzen des Kapitalismus und dessen Auswirkungen auf den Überbau in Verbindung setzen und daher weitgehendst deskriptiv die demographischen Trends schildern, bestenfalls noch einen säkularen Entwicklungstrend expolarisieren.. Das bleibt der weiße Fleck dabei.Ebenso werden diese grundsätzlichen Fragen auch in Richtung Idenität wichtig, sei es jetzt die nationale Identität oder die persönliche Geschlechteridentität.Konservative haben ja immer noch das Ideal des homogenen oder zumindstens ethnischdominaten Volksstaates und sehen dies durch Migration, „Völkermord“/“Völkerwanderung/“Völkeraustausch“nun infrage gestellt.Demographie, Familienpolitik und alle damit verbundenen Fragen stehen da eben im Zusammenhang mit der kapitalistischen Entwicklung, vor allem der Globalisierung.Da stellt sich dann eben die Frage: Will man eine eher abgeschotteten ethschnisch einigermassen homogenen Volksstaat oder aber eben einen mehr offenen, ethnisch durchmischten globalisierten Weltsaat oder EU oder mehr ein internationaleres Gebilde.Diese zwei Entwicklungsmodelle stehen sich immer mehr gegenüber.

 

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