Die EM, Frankreichs Arbeitsgesetze und das Dilemma der Linken

Die EM, Frankreichs Arbeitsgesetze und das Dilemma der Linken

Ohne die Arbeitsmarktreformen dürfte es keine Abnahme der Arbeitslosenzahlen und eine Wende im wirtschaftlichen Abschwung geben. Das zeigt: Temporäre Verbesserungen der wirtschaftlichen Situation eines kapitalistischen Landes kann nur mit verschlechterten Arbeitsbedingungen, Ausweitungen des Niedriglohnsektors und der prekären Arbeitsverhältnisse, Ausweitung der Zeitarbeit, Auflösung des Kündigungsschutzes, Entgrenzung der Arbeitszeiten,Lohnkürzung, Sozialabbau, Erhöhung der Lebensarbeitszeit, etc. herbeigeführt werden. Wobei die Arbeitsgesetzgebung nur ein wesentliches Element einer Wirtschaftsreform ist, also auch Steuergesetzgebung, Wirtschaftsgesetze, Unternehmensrecht, Deregulierungen , Privatisierungen, u.a. entscheidend sind bei der Gestaltung von temporären Wettbewerbsvorteilen, die Investitionen und damit erhoffte Arbeitsplätze oder wirtschaftliches Wachstum ermöglichen. Dieser temporäre Aufschwung dauert jedoch nur solange, bis ein oder andere Länder nachziehen, dann ist es nämlich mit dem relativen Wettbewerbsvorteil vorbei und muss die nächste Agenda 2010 und weitere Verschlechterungen für die Arbeiter und Angestellten und Verbesserungen für die Freiheit des Kapitals in Angriff genommen werden.Für Linke ein Dilema: Ändern sie nichts, bleibt die Stagnation/Rezession, ändern sie etwas, geht dies nur um den Preis von Verschlechterungen für die Arbeiter, Angestellten und sozial Schwachen–in beiden Fällen wird eine linke Regierung Wählerstimmen verlieren. Interessant, dass der Front National sich auffällig aus der Debatte um die Arbeitsgesetze heraushält und sich neutral gibt. Inzwischen wählen schon 40% der französischen Arbeiter den FN.Die Konservativen wollen eher noch schärfere Arbeitsgesetze, dürften sich also bei den Arbeitern nicht beliebt machen, während der FN Gewinner der Stimmabflüsse bei der Linken sein könnte, der Rest dürfte an die Linkspartei Melanchons gehen. Bezeichnend ist auch, dass die deutschen Medien so wenig wie möglich über die französischen Arbeitskämpfe berichten.Interessant ist, dass die Ablehnung der Arbeitsgesetze weit über die Arbeiterschaft hinausgeht. Laut Umfragen sind 70% der Franzosen gegen die Arbeitsgesetze. Scheinbar werden diese auch von den Mittelschichten und dem Bürgertum als Angriff auf die französische Lebensweise gesehen. Die Arbeitsgesetze wurden auch nicht vom Parlament beschlossen, sondern über einen Verfassungstrick quasi als Dekret beschlossen.In Deutschland war die Opposition gegen die Agenda 2010 bei weitem nicht so breit, wie auch die deutschen Einheitsgewerkschaften da etwaige Kämpfe verhindert haben und die einzige politische Reaktion die Etablierung der Linken war, die aber auch mehr und weniger vor sich hindümpelt.In den deutschen Medien auch kaum wahrgenommen: Die sozialistische Regierung möchte den Ausnahmezustand in die französische Verfassung hineinschreiben lassen. Damit könnte dieser nicht nur temporär, sondern zum Dauerzustand werden. Momentan konzentriert sich die französische Regierung darauf, die Europameisterschaft als Vorwand und Appell an die Streikenden zu nutzen im Sinne nationaler Geschlossenheit ihre Arbeitskämpfe einzustellen. Teile der CGT haben sich nun schon dazu bereit erklärt.Die Hoffnung der sozialistischen Regierung ist es, dass das Fußballgroßereignis zu einer Beendigung oder Beruhigung der Arbeitskämpfe führt und nach den 4 Wochen dann auch Ruhe einkehrt. Bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese Hoffnung erfüllt.

Nach der Agenda 2010 kam es nun einmal zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit/ Zuwachs der Arbeitsplätze, höherem Wirtschaftswachstum und Steueraufkommen trotz/wegen gesenkten Spitzensteuersätzen–der Preis dafür waren aber schlechtere Arbeitsbedingungen und Sozialabbau. Deutschland war der kranke Mann Europas und gilt heute als das Powerhaus Europas.Das kommt daher, dass es sich einen relativen Wettbewerbsvorteil verschaffte und auch für die enormen Ungleichgewichte zwischen Europas Volkswirtshcfaten sorgte. Viele Linke scheinen das infrage zu stellen, um den Glauben an eine Reformpolitik innerhalb des Kapitalismus aufrechterhalten zu können.Was wäre die Alternative? Nachfrageorientierte, keynesianistische Politik–wie gesagt hat die bei einer mehr geschlossenen Volkswirtschaft wie der BRD AG funktioniert, aber verliert ihren Multiplikatoreffekt durch die weitgehende Öffnung zur Weltwirtschaft, wie sie auch staatsschuldenfinanziert ist und bestenfalls ein Strohfeuer an Konjunktur entfacht.Momentan sorgen niedrige Zinsen, Ölschwemme, niedriger Euro für Sonderbedingungen, die wohl aber auch nicht ewig halten werden.In den nächsten Jahren wird Deutschland, wenn andere Wettbewerber ihre Reformen durchgeführt haben auch wieder in eine Rezession kommen und dann wird wieder der Ruf nach weiteren Reformen und Agenden laut.Dieser Steuer-, Arbeitsbedingungen- und Lohnunterbietungswettbewerb wurde ja im Buch „Die Globalisierungsfalle“ganz gut dargestellt.Das Dilema der französischen, aber auch sonstigen Linken ist, dass sie kein anderes Wirtschaftssystem in ihrem Angebot haben und die vorigen Modelle wie kommunistische Planwirtschaft oder Sozialismus des 21. Jahrhunderts ala Venezuela kein Arbeiter will, da diese noch fataler als jeglicher Kapitalismus wäre.Daher gibt es eine gewisse schönfärberische Nostalgie zurück zur sozialen Marktwirtschaft der BRD der romantisierten 60er Jahre, die Linkspartei und AfD gleichermassen bedienen, aber die kapitalistische Konkurrenz zwischen den Wirtschaftsstandorten und ihren Nationalstaaten führt eben zu einem ganz anderen Trend und Systemzwang. Insofern die Linke kein neues Wirtschaftsmodell diskutiert oder wieder im Angebot hat,bleibt sie diesen Systemzwängen ausgesetzt und kann bestenfalls defensive Abwehrkämpfe führen, um den Status Quo noch irgendwie zu erhalten oder die Verschlechterungen abzumildern.

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