Gauland und die Täter

Gauland und die Täter

Veröffentlicht am 13. Juni 2016 von

Alexander Gauland will ein Deutschland behalten, „wie wir es ererbt von unseren Vätern“. Sagte er laut FAZ kürzlich auf einem ostdeutschen Marktplatz. Was genau will er da erhalten? Er ist 1941 geboren. Man könnte ins Grübeln kommen.

Eigentlich ist Gauland ein armes Schwein. Unter den Nazis und kurz danach sozialisiert, lief es fast immer gegen ihn. Die 1950er erschienen ihm als Heranwachsendem vermutlich bedrohlich, weil es viel Unausgesprochenes gab. Er hielt instinktiv an der vermeintlichen Sicherheit seiner gesamtgesellschaftlich katastrophalen Sozialisation fest, dann kam 68 und spätestens seit dieser Zeit entwickelte sich für einen Konservativen wie ihn alles falsch. Auch die Kohlsche geistig-moralische Wende war nur ein lächerlich lauwarmes Lüftchen, architektonisch beispielsweise ging es ja nicht wirklich in den Klassizismus zurück, sondern ins postmodern verspielte. Gauland kämpfte sein Leben lang einen Kampf fürs etwas, was schon zur Zeit seiner Geburt nicht existierte. Er ist aus Unsicherheit für die starre Gesellschaft, für die Reetablierung einer wilhelminisch-bürgerlichen Nation, auch mit NS-Einsprengseln. Sicher ist sicher.

Er ist damit zeitlebens immer gescheitert. Und jetzt kommt die AfD als seine letzte Chance. Er nutzt sie. Er tut sich mit Nazis zusammen. Auch Schlägertypen stehen bei seinen Veranstaltungen und lauschen ihm wohlwollend. Es dürfte ihn nicht unbedingt freuen, aber was sein muss, muss sein. Er ist nicht mehr der Jüngste, die Zeit läuft davon.

Natürlich ist ein Boateng für Gauland kein Deutscher. Unter schwarzer Haut fließt kein deutsches Blut. Das ist nunmal so. Erdogan hat gerade klargemacht, dass er weiß, wie türkisches Blut aussieht. Wie sich die Kameraden doch gleichen.

Gauland ist ein schönes Beispiel für eine Ausprägung des Bürgerlichen: Zivilisiert in den Umgangsformen, schickes Sakko, gute Restaurants und eine Villa in Potsdam am See. Der Schritt von dort ins völkisch-rechtsradikale war noch nie ein großer. Gauland geht voran.

Im Kleinen läuft es ähnlich. Mir fallen immer öfter Alltagssituationen auf, die neu sind. Ein gutes italienisches Restaurant, wo am Nebentisch – eine bürgerliche Familienfeier –  das komplette Programm der AfD aufgefahren wird: Wir da unten, Moslems kriegen alles und die rechte Ecke, in die man geschoben wird. In der Berliner Kantine eines internationalen Konzerns sitzen nach der Schicht die Küchenmitarbeiter und essen. „Existiert Deutschland eigentlich“, fragt ganz selbstverständlich ein etwa Vierzigjähriger. Die Diskussion wird dann lustigerweise von einem schwarzen migrantischen Küchenmitarbeiter abgebrochen, der meint, man solle als Deutscher ruhig zufriedener sein.

Die Gaulands im großen und kleinen haben einfach keine Lust mehr darauf, Verlierer zu sein. Zurück in die 50er, in die 30er oder 10er, jedenfalls raus aus der Gegenwart. Die fehlende Zukunftsidee ist allerdings nicht auf die AfD beschränkt. Es sind die Folgen neoliberaler Politik, eine Alternative ist erfahrungsgemäß der Rechtsradikalismus.

Der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, im Deutschlandfunk-Interview. Auf die Frage, wie die SPD aus der Glaubwürdigkeitskrise komme, antwortet er, unter anderem bei der Wohnungsfrage müsse sich die SPD engagieren. Müller glaubt, die Leute sind so blöd und nehmen ihm so eine Aussage noch ab. Nö, die wählen lieber AfD. Und die haben zumindest insofern recht, als dass sie nicht mehr die SPD wählen. Mich würde nur interessieren, ob Müller sich diese Aussage selbst abnimmt. Wenn ja, dann müsste man bei ihm mit klinischen Begriffen operieren.

Die sächsische Schauspielerin Annedore Bauer beschreibt sehr schön die neoliberale Ideologie, die untrennbar mit dem Faschismus verbunden ist.  In Sachsen gebe es

ein extrem ausgeprägtes Konkurrenzdenken. Ja, man will Vorbild sein unter den neuen Bundesländern, wir sind schuldenfrei (Dresden), wir gehen den eigenen Weg. Das, in Verbindung mit den versehrten Energien eines merkwürdig verinnerlichten, aber kaum mehr gelebten Protestantismus, ergibt eine beklemmende Mischung. Denn dieses dauernde Konkurrenzstreben hat eine bittere Kehrseite. Es gebiert viele Ängste und viele Verlierer. Und Pegida und AfD wissen sehr genau, wo sie in – ich sage es behutsam – postsozialistisch traumatisierten Kreisen emotional abschöpfen können.

Gauland ist Mittel, nicht mehr. Die Täter heißen Müller. Und ähnlich.

https://exportabel.wordpress.com/2016/06/13/gauland-und-die-taeter/

 

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