Schutz der EU-Außengrenzen: Flüchtlinge einfach ertrinken lassen?

Schutz der EU-Außengrenzen: Flüchtlinge einfach ertrinken lassen?

Theoretisch hätte die EU 1-2% ihrer 505 Millionen EU-Bevölkerung als Flüchtlinge aufnehmen können, das wären dann 5-10 Millionen Flüchtlinge–wenig für die EU, hingegen eine enorme Entlastung für die Flüchtlingslager im Greater Middle East. Über Islamisierung, soziale Kosten, Überfremdung hätte sich dann auch keiner beschweren können. Da nun aber die meisten EU-Länder nicht aufnahmebereit sind, zumal nach der neuesten Terrorwelle ohnehin nicht, bleibt die Frage, was der vielzitierte und euphemistisch genannte „Schutz der EU-Außengrenzen“ zu bedeuten hat.

Wenn man keine neuen Flüchtlinge mehr aufnehmen will, auch nicht in Griechenland und Italien, müsste der Schutz der EU-Außengrenzen letztendlich bedeuten, die Flüchtlinge einfach ertrinken zu lassen. Bisher schwankte die EU- Mission ja immer recht unentschieden zwischen Abschreckung/Abwehr mit dann eben ertrunkenen Flüchtlingen und Flüchtlingsrettung–zwischen Mare Nostrum und Posseidon. Wie zu erwarten, stößt der Vorschlag, die EU-Grenzen einfach dicht zu machen und die Flüchtlinge ertrinken zu lassen natürlich auf Ablehnung. Aber es bleibt eben unklar, was dann die Konsequenzen eines Schutzes der EU-Außengrenzen sind und was das konkret bedeutet.

Zum einen: Der wesentliche Pullfaktor ist, dass die Bedingungen in Europa allemal besser sind als die Situation in den Flüchtlingslagern oder den Ländern Afrikas. Da würde es auch nichts helfen, die Sozialhilfe oder Hilfsleistungen zu kürzen.Die aus dem Meer geretteten Flüchtlinge nach Europa zu bringen, bedeutet jedenfalls, dass man damit einen Automatismus schafft, dass man sich eben nur in ein Boot setzen muss, um eben gerettet zu werden und nach Europa zu kommen.

Der daraus abgeleitete Vorschlag, gerettete Flüchtlinge in die nordafrikanischen Nachbarländer in die dortigen Auffangslager zurückzubringen, setzt wiederum zweierlei vorraus.Erstens, dass die Lage in den Flüchtlingslagern so erträglich wird, dass überhaupt erst keiner flüchten will oder aber diese „Auffanglager“ werden bessere Open- Air-Gefängnisse und Internierungslager, aus denen man keinen mehr entkommen lässt und mit dem Existenzminimum aussstattet.Zweitens, dass die besagten Länder überhaupt bereit sind, die Flüchtlinge zurückzunehmen und in Auffangslagern unterzubringen.

Zum einen bedürfte es also einer guten finanziellen Ausstattung. Dazu hat Entwicklungshilfeminister Schmidt (CSU) einmal den Vorschlag gemacht, dass die EU einen 10-Milliarden-Eurofonds auflegt, um die Flüchtlingslager mit Infrastruktur und lebenswerten Lebensbedingungen auszustatten, zumal diese Gelder dort unten die 50-fache Kaufkraft hätten, man also ganze Städte mit Krankenhäusern, Schulen, Betrieben, Strassen,Kanalistaion,etc., bauen könnte. Ob 10 Milliarden dazu ausreichen und die Kaufkraftangaben überhaupt stimmen, noch einmal dahingestellt.

Bisher hat die EU hierzu aber noch wenig getan. Ebensowenig wie die internationale Gemeinschaft.Was die Billigvariante eines Internierungslagers dann wieder wahrscheinlicher macht.Zum zweiten setzt es vorraus, dass man mit den betroffenen Staaten Verträge aushandelt, die dem Türkeideal ähneln werden, man sich also in Abhängigkeit begibt. Die CSU sagt zwar, dass man solche Verträge nicht mit anderen Bedingungen verknüpfen sollte, aber gerade darin liegt ja ihr Reiz und werden sie auch nicht abgeschlossen oder eingehalten, insofern da nicht weitere Forderungen bedient werden.

Zudem stellt sich auch die Frage, ob diese Verträge einhaltbar sind, denn z.B. Lybien ist ein failed state, nun zwar mit einer neuen Regierung, aber deren Durchsetzungsfähigkeit ist im Bürgerkriegschaos gar nicht gegeben. Wenn man Flüchtlinge also nicht ertrinken lassen will, so muss die EU einen grossen Flüchtlingsfonds auflegen und bereit sein, sich in perspektische Kneblungsverträge mit den Staaten des Greater Middle East hineinzubegeben, die strukturelle Abhängigkeiten schaffen. Wie bei Erdogan haben es diese Staaten dann in der Hand,mit der Öffnung der Flüchtlingsschleusen zu drohen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden oder ihnen plötzlich neue Forderungen einfallen..

Jedenfalls ist dies der Preis der Humanität und der müsste dann auch kommuniziert werden. Betrachtet man sich die jetzigen Spiele des Sultans mit dem Türkeideal, so wären ähnliche Erpressungsmanöver dann auch von den Staaten des Greater Middle East zu erwarten.Die Frage eben, ob dies die Bevölkerung dann auch mittelfristig akzeptieren und mitmachen wird.Die Flüchtlingspolitik ist schon längst ein Schwerpunktsgebiet der Außenpolitik geworden und im Falle solcher Knebelverträge sind dann auch in gewohnter Regelmäßigkeit außenpolitische Spannungen, wenn nicht gar Krisen zu erwarten.Es bleibt zudem abzuwarten, ob der Türkeideal Bestand haben wird. Sollte er an der Visafreiheit scheitern, ist die nächste Flüchtlingswelle zu erwarten, zumal gleichzeitig die Flüchtlingszahlen Richtung Italien auch wieder steigen und Lybien das offene Tor zu Europa bleibt., mit dem momentan nicht einmal Rückführungsverträge ausgehandelt werden können. Bliebe also die nächste Flüchtlingswelle, die Italien flutet, zumal ja Österreich schon angekündigt hat seine Grenze und den Brenner dicht zu machen und da die anderen europäischen Staaten niemand aufnehmen wollen oder eben die unmenschliche Variante die Flüchtlingsboote abzuwehren auf die Gefahr des Ertrinkens der Flüchtlinge.

Noch hofft man in der EU, dass Erdogan am Flüchtlingsabkommen trotz aller Widrigkeiten festhalten wird.Dazu verfasste Elmar Brok einen Beitrag in der FAZ „Die EU ist nicht abhängig von der Türkei“ (FAZ v. 2.8.2016): Richtig ist wohl, dass es sich um gegenseitige Abhängigkeiten handelt, die dann auch mittels Sanktionen gegeneinander aufgewogen werden sollen.Implizit droht Brok auch mit Wirtschaftssanktionen, auch wenn er es nicht offen sagt.Aber die Betonung, dass die Türkei wirtschaftlich abhängig sei von der EU und nicht umgekehrt legt dies nahe.Auch sicherheitspolitische Aspekte werden betont–so Brok im Originalton:

„Mit der Türkei zu kooperieren heißt aber nicht, alles kommentarlos zu schlucken, was Ankara der EU vorsetzt. Die Gemeinschaft ist nicht abhängig von der Türkei. Das sollte Staatspräsident Erdogan richtig einschätzen. Seine Popularität hängt entscheidend an der unzweifelhaften großartigen wirtschaftlichen Entwicklung seines Landes. Die aber steht in engem Zusammenhang mit der EU und der Zollunion. Zwei Drittel aller Auslandsinvestitionen kommen aus der Union. Erdogan weiß, dass ihm Russlands Präsident Putin trotz aller Annäherung dafür keinen Ausgleich bieten kann, auch nicht auf dem Tourismussektor. So ist eine von Verlässlichkeit geprägte Beziehung zwischen der EU und der Türkei in beiderseitigem Interesse, nicht nur dem wirtschaftlichen, sondern auch dem sicherheitspolitischen.“

http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/fluechtlingsdeal-mit-der-tuerkei-die-eu-ist-nicht-abhaengig-von-der-tuerkei-14367312.html

Inzwischen hat Österreichs Außenminister Kurz vorgeschlagen, den Flüchtlingspakt zu beenden und den Schutz der EU-Außengrenzen selbst in die Hand zu nehmen.Bisher hatte die Türkei ja die Rolle des Türstehers der EU übernommen, eine eigene Mauer zur syrischen Grenze gebaut und die zu Boot kommenden Flüchtlinge aufgenommen im Austausch dafür, dass die EU ebenfalls gewisse Kontinente dann aus der Türkei bezieht. Erdogan und seine Minister drohten jedoch oftmals mit der Kündigung des Flüchtlingsdeals und damit, eine neue Flüchtlingswelle in die EU zu lassen. Diese Abhängigkeit scheint nun znnehmend in EU-Kreisen auf Ablehnung zu stossen und Österreich wird nun zum Meinungsführer, diese zu beenden, weswegen die Erdogantürkei nun Wien als die „Hauptstadt rechtsextremen Rassismus“und der „Türkenfeindlichkeit“betitelt hat. Aber wie dann der Schutz der EU-Außengrenzen aussehen soll, darüber erfährt man nichts. Wenn man Italien und Griechenland dicht macht, insofern dies geographisch überhaupt möglich ist, würde dies ja bedeuten, die Flüchtlinge abzuweisen und gegebenfalls auch ertrinken zu lassen oder zurückzubringen. Merkels humanitärer Imperativ dürfte dann nicht mehr gelten, zumal man es ja bisher der Türkei überliess die Drecksarbeit zu machen. Sollte der EU-Flüchtlingsdeal platzen, wären dramatische Szenen an der griechisch-türkischen Grenze zu erwarten, umgekehrt wäre die Türkei dann aber wieder abhängiger von der EU, die dann unverhohlen mit Wirtschaftssanktionen drohen könnte.

 

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