Flüchtlinge auf Inseln?

Flüchtlinge auf Inseln?

Nachdem der Türkeideal zu drohen platzt, wie auch die Flüchtlingszahlen wieder steigen, kommen nun findige Politiker auf neue Ideen: so plädieren jetzt Österreichs Außenminister Kurz und die AfD dafür, das australische Modell zu kopieren und Flüchtlinge auf Inseln außerhalb der EU unterzubringen. Damit entfiele Dublin, die Möglichkeit nach Europa zu gelangen und besticht die Option, die Flüchtlinge auf einer isolierten, fernen Insel im Meer abzukasernieren. Integrationskosten würden auch entfallen , da die Zukunftsperpektive der Flüchtlinge dann die Existenz als Südseeinsulaner , edler Wilder und Eingeborener wäre. Menschenrechtsorganisationen jedenfalls beklagen die tristen Lagerzustände auf den Inseln, die Australien im Pazifik für die Flüchtlinge auswählte. Auch wird von Lageraufständen berichtet.Die ausgesuchten Inseln und die Lebensumstände erinnern mehr an Strafkolonien wie die Teufelsinseln mit ihren malariaverseuchten Sümpfen und giftigem Getier oder wie in Papillion zu begutachten, all das mutet auch etwas an Robinson Crusoe an.

Interessant ist dabei zum einen, dass weder Kurz noch die AfD irgendwelche Angaben machen, an welche Inseln sie denn konkret denken. Sie sollen nur außerhalb der EU liegen, was Grönland, Inseln im Atlantik, dem Pazifik, Indischen Ozean oder der Karibik eigentlich in die engere Auswahl bringen würde. Man hofft auch, dass sich die ganze Angelegenheit dann in Luft auflösen würde nach dem Motto: Aus den Augen,  aus dem Sinn. Zu glauben, dass solch eine Insellösung dann das Ende der Debatte wäre, dürfte auch illusorisch sein, denn zu erwarten sind dann neue Neiddebatten nach dem Muster: Der hartarbeitende deutsche/europäische Steuerzahler finanziert Flüchtlingen ein idyllisches Inselleben des Müßiggangs und in der (sozialen) Hängematte unter tropischen Palmen und rauschendem Meer samt schönen Sandstränden. Inselparadies auf Sozialhilfe–das kennt man ja von Florida-Rolf aus der damaligen BILD-Kampagne, der Viagra auf Hartz 4 bezogen und leichtbeschurzte karibische Insulanerinnen auf Staatsknete beglückt haben soll.

Inseln werden ja zumeist als romantische Orte gesehen, die man mit Traumschiffen bereist oder es sich dort gut gehen lässt, wie in der Bacardiwerbung oder eben wie „Malle“ als neues Bundesland Deutschlands, auf dem man am Ballermann mit dem König von Malorca, Jürgen Drews fröhlich abfeiert und die Party kein Ende nehmen will. Anzunehmen also, dass solch vermuteter Müßiggang nicht ohne weiteres hingenommen würde und man den Inselbewohnern dann nur das absolute Existenzminimum zugesteht, was dann auch wieder mehr an die Madagaskarlösung der deutschen Geschichte erinnern würde.

Bisher wurde der Vorschlag noch nicht aufgenommen, weder in EU-Gremien, noch von deutschen Politikern, eben ausser der AfD. Sollte der Türkeideal platzen oder aber über Nordafrika wieder mehr Flüchtlinge nach Italien kommen, könnte jedoch die Inseldebatte zu Wahlkampfzeiten hochkochen.

Hinzu kommt noch folgende Meldung:

„Wegen des harten Vorgehens des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach dem Putschversuch erwartet die Kurdische Gemeinde Deutschland eine Massenflucht nach Deutschland. „Kurzfristig rechne ich mit zehntausenden, mittelfristig mit einigen hunderttausenden Schutzsuchenden aus der Türkei in Deutschland, wenn das Erdogan-Regime die Minderheiten und die säkulare Opposition weiter bekämpt“, sagt der Verbandsvorsitzende Ali Toprak der „Welt“. Weil die Regierung bereits vor Monaten kurdische Hochburgen mit Strafaktionen überzogen habe, seien 500 000 Kurden innerhalb der Türkei auf der Flucht. Nach dem vereitelten Putsch kämen noch säkulare und oppositionelle ethnische Türken hinzu.“

(Münchner Merkur vom 13.8.2016; S.1).

Fraglich ist, ob die verfolgten Kurden und die säkularen Türken dann überhaupt politisches Asyl beantragen könnten, zumal die Türkei ein sicheres Herkunftsland und NATO-Partner ist. Auch dürfte die türkische Regierung dann die Auslieferung von „Terroristen“, womit vom PKK-, zum HDP-, zum Gülenanhänger oder säkularen Oppositionellen so alles gemeint sein kann, fordern und auch mit dem Platzen des Türkeideals drohen. Die Flüchtlingswelle könnte sich also potenzieren und die Akzeptanz der deutschen Bevölkerung ihre endgültige Grenze erreichen. Interessant auch, dass der Krieg und die Massenflucht innerhalb der Türkei von deutschen Medien und der Politik gar nicht breiter thematisiert wird – man will Ankara scheinbar nicht unnötig reizen.

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