Frankreich: Fillon oder Le Pen? Brüning oder Hitler?

Frankreich: Fillon oder Le Pen? Brüning oder Hitler?

Die Sozialisten unter Hollande sind am Ende, fraglich ob ein Manuel Valls das verlorene Vertrauen der französischen Linken zurückerobern könnte, da er doch maßgeblich an den Arbeitsgesetzen beteiligt ist gegen die die Linken und die Gewerkschaften mit vielen Jugendlichen wochenlang demonstriert haben. Die Republikaner nun wiederum haben nicht Sarkozy oder Juppe als ihren Kandidaten gewählt, sondern Fillon. Dessen politische Positionen portraitiert Wolfram Weimer in The European derfolgt:

„Seine Bewunderer halten ihn für eine Mischung aus Donald Trump und dem Papst. Kapitalistisch und katholisch, kraftstrotzend und warmherzig zugleich, Putin-Versteher und Islamkritiker, aber auch Völkerrechtler und Versöhner. Er ist fünffacher Vater wie Trump, aber anders als der nur einer Lebensliebe treu, die er bereits als Schüler kennengelernt hat. Frankreichs Bürgerliche sind nun so begeistert von François Fillon, dass er mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des konservativen Lagers zum Anwärter auf das höchste politische Amt Frankreichs gewählt wurde.

Für deutsche Ohren klingt das alles ein wenig zu französisch. Hierzulande würde man François Fillon eher als eine Art französischen Friedrich Merz ansehen: geradlinig, wirtschaftsliberal und wertkonservativ. Sein Programm liest sich wie eine Mischung aus FDP und CSU. Entschieden marktwirtschaftlich und ebenso entschieden islamkritisch.

Für Frankreich ist Ersteres die große Sensation. Islamkritiker gibt es rund um Marine Le Pen und ihren Front National genug. Doch ein Spitzenpolitiker, der den wuchernden Bürokratenstaat radikal zurückschneiden will, hat sich in Paris lange nicht mehr auf die große Bühne getraut. Eigentlich noch nie. Großbritannien hatte eine Margaret Thatcher, Deutschland immerhin einen Agenda-Schröder.(…)

Fillon verkündet nun nichts weniger als ihre Entmachtung: “Das französische Sozialmodell existiert nicht mehr.” Er plädiert stattdessen für den offenen Thatcherismus: Die Staatsausgaben will er während seiner fünfjährigen Mandatszeit um mindestens 100 Milliarden Euro senken und dabei 500.000 Beamtenstellen streichen. Die staatliche Krankenversicherung soll teilprivatisiert werden, das Renteneintrittsalter von 62 auf 65 Jahre angehoben werden. Beamte müssten künftig 39 statt 35 Stunden arbeiten (und zwar ohne Gehaltsausgleich). Die 35-Stunden-Woche würde generell abgeschafft, stattdessen soll die Wochenarbeitszeit frei ausgehandelt werden, bis zu einer Obergrenze von 48 Stunden.

Sozialabgaben und Steuern für Unternehmen will Fillon senken, die Macht der Gewerkschaften brechen. Insgesamt soll die Staatsausgabenquote bis 2022 von 56 auf 49 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) fallen. Und die vom Sozialisten Mitterand einst eingeführten Vermögensteuer Impôt sur la fortune (ISF) soll fallen. Dafür wird die Mehrwertsteuer erhöht. Die Stoßrichtung Fillons ist klar: Ein historischer Ruck für die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs müsse her.

Kein Wunder, dass Sozialisten wie Rechtsnationale schon Sturm laufen. Fillon ist das perfekte Feindbild. Die Vorsitzende des Front National wirft ihm vor, “den größten sozialen Kahlschlag der französischen Geschichte” anzustreben. “Niemals ist ein Kandidat in seiner Unterwerfung unter die ultraliberalen Forderungen der EU so weit gegangen”. (…)

Fillon wirkt nun aber schlagartig wie eine seriöse Option für die Wutbürger Frankreichs. Er kann dem Aufstieg Le Pens Einhalt gebieten, denn er verheißt einen konsequenten Neubeginn – ohne die moralische Integrität Frankreichs zu riskieren. Fillon hat ein klares anti-islamistisches Profil, weswegen viele konservative Wähler nun nicht mehr Le Pen wählen müssen, wenn sie ein Identitätsprogramm wollen. Er hat ein Buch über den “radikalen Islam” geschrieben und sich als Abendländler profiliert: “Ich verlange, dass sich Ausländer, die sich in unserem Land niederlassen, integrieren und anpassen und unser kulturelles Erbe respektieren”, erklärt er.

Fillon will der Zuwanderung enge Grenzen setzen. Straffällig gewordene Ausländer sollen konsequent abgeschoben werden. Ausländern soll der Zugang zum Sozialsystem erschwert und auch der Familienzuzug soll deutlich restriktiver als bisher gehabt werden. “Bei der Einwanderungspolitik”, so eine Analyse der Nachrichtenagentur Reuters, “könnte Fillon den rechtsnationalen Regierungen in Warschau und Budapest näher als Merkel stehen.” So wirft er der Kanzlerin vor, Hunderttausende Flüchtlinge und Migranten nach Europa einreisen zu lassen und dabei die Bedrohung durch radikale Islamisten unterschätzt zu haben. Und wie Donald Trump kann auch Fillon Russlands Präsidenten Putin positive Seiten abgewinnen – er sieht ihn als einen natürlichen Verbündeten im Kampf gegen den Islamismus.

Fillon möchte darum das Schengener Abkommen neu verhandeln. Er tritt für eine Verdreifachung des Frontex-Budgets ein, die Verstärkung der Außengrenzen, aber auch eine Aufrüstung der Grenzen innerhalb der Schengen-Zone. Fillon profiliert sich als großer Bewunderer von Charles de Gaulle, steht dessen Konzept eines “Europas der Vaterländer” näher als dem Supereuropa der Brüsseler Eliten. Sein Konzept ist durch und durch subsidiär-liberal angelegt.

Mit einem Präsidenten Fillon würde es für Angela Merkel daher nicht einfach. Von Budapest bis London, von Warschau bis Paris wäre sie plötzlich umzingelt von rechten Regierungen. Auch innenpolitisch wäre ein Erfolg von Fillon eine Ermutigung für die liberalen und konservativen Kräfte in der CDU, die von Merkel seit Jahren konsequent an den Rand gedrängt werden. Gerade aus Sicht der Kanzlerin ist Fillon weder Trump noch Papst – er ist wie die programmatische Wiederkehr von Friedrich Merz.“

http://www.theeuropean.de/wolfram-weimer/11563-francois-fillon

Bisher war es so, dass Linke im Ernstfall für den republikanischen Kandidaten im zweiten Wahlgang stimmten, um einen Front-National-Präsidenten zu verhindern. So wählte die Linke Chirac, um Jean Marine Le Pen damals zu verhindern.Man nannte dies den ungeschriebenen „republikanischen Konsens“. Fraglich aber, ob dieser auch noch gültig ist, denn sowohl Chirac wie auch Sarkozy waren Etatisten und Zentralisten, die nicht die Axt an den Sozialstaat anlegten wie dies Fillon als französische Thatcher oder Pariser Merz nun vorhat. Von daher ist ungewiss, ob die Linken diesmal Fillon unterstützen würden und ob er genug Front Nationalwähler und bisherige Nichtwähler ins Lager der Konservativen zurückgewinnen kann, um einen Wahlsieg von Le Pen zu verhindern.

In Frankreichs Linker wird die Frage diskutiert, ob man Fillon wählen oder aber ihn durch Nichtwählen bestrafen soll. Ein Fillon zögere einen Machtantritt von Le Pen nur um einige Jahre hinaus, von daher plädieren einige lieber für ein Ende mit Schrecken, als einen Schrecken ohne Ende. Vielen dieser Linken scheint nicht bewußt, dass hier die Frage Demokratie und Diktatur zur Alternative steht und dass die Opposition unter einer Le Pen zerschlagen und auf Jahrzente ausgeschaltet würde.Historisch stellt sich die Frage, wie damals der Linken, ob sie Brüning oder Hitler bevorzugen sollte. Trotzki antwortete damals der Sozialfaschismustheorie der Stalinisten, sowie den Brüninggegnern derfolgt:

“Die Weisen, die sich dessen rühmen, daß sie keinen Unterschied „zwischen Brüning und Hitler“ kennen, sagen in Wirklichkeit: ob unsere Organisationen noch bestehen oder ob sie zertrümmert sind, ist ohne Bedeutung. Hinter dieser scheinradikalen Phraseologie versteckt sich die niederträchtigste Passivität: einer Niederlage können wir nicht entgehen! Man lese nur aufmerksam das Zitat aus der Zeitschrift der französischen Stalinisten: das ganze Problem läuft darauf hinaus, unter wem es sich besser hungern läßt, unter Brüning oder unter Hitler. Wir aber stellen die Frage nicht so: wie und unter welchen Bedingungen läßt sich besser sterben, sondern: wie müssen wir kämpfen und siegen? Unsere Schlußfolgerung ist: die Hauptschlacht muß geliefert werden, ehe Brünings bürokratische Diktatur vom faschistischen Regime abgelöst wird, das heißt, bevor die Arbeiterorganisationen vernichtet sind. Auf die Hauptschlacht muß man sich vorbereiten durch Weitertreiben, Verbreitern und Verschärfen der Teilkämpfe. Dazu braucht man eine richtige Perspektive und darf vor allem nicht den Feind zum Sieger erklären, der vom Siege noch weit entfernt ist.”

https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1932/wasnun/kap02.htm

Dass der neoliberale Fillon Wasser auf die Mühlen des Front National ist, stimmt zwar, aber er ist ebenso Wasser auf die Mühlen einer linken Alternative wie Melenchon, insofern sie die kommenden sozialen und politischen Teilkämpfe gegen einen Präsidenten Fillon aktiv führt und organisiert und sich nicht in Passivität , Selbstmitleid und Defätismus übt.Wenn Le Pen an die Macht kommt, landet die Opposition wahrscheinlich im KZ.Warum sollte man nicht probieren, lieber 4 Jahre Fillon auszuhalten in der Hoffnung, dass eine starke Linke daraus hervorgeht? Oder mit Berthold Brecht zu sprechen: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft , hat schon verloren!“.

Dazu müsste aber das Gerede von der Front National als einer rechtspopulistischen Partei und von Le Pen als nur einer weiteren rechten Schreierin aufhören und die Linke klar benennen, dass Le Pens Front National eine faschistische Partei ist, die eine Diktatur errichten und die Arbeiterorganisationen zerschlagen will.Dazu müsste man zuspitzen, dass man Fillon bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen unterstützen würde, falls kein anderer demokratischer Politiker (Valls, Marcon, Melenchon) zur Verfügung steht, um die offene faschistische Diktatur Le Pens zu verhindern, aber die dabei gerettete Demokratie dazu nutzen wird Fillons Sozialabbau und Angriff auf Arbeiterrechte die nächsten Jahre massenhaft zu bekämpfen und damit die Linke wieder erstarken zu lassen.

 

 

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