Eurokritik und Kapitalismuskritik

Eurokritik und Kapitalismuskritik

Der Euro galt lange als heilige Kuh und als Einigungswerkzeug Europas. Dabei ist der Euro in seiner jetzigen Form eine völlige Fehlkonstruktion: Eine europäische Währung ohne europäischen Zentralstaat und optimalen Währungsraum kann nicht funktionieren–genauso wenig wie eine ökonomische Globalisierung ohne eine politische Globalsierung in Form eines Weltstaats/Weltföderation oder internationaler politischer Institutionen. Das liegt auch nicht an den Maastrichtkriterien und dass diese nicht eingehalten würden–das verschärft zwar die Krise, ist aber nicht ursächlich. Aber das Credo gilt bei nahezu allen Parteien: Fällt der Euro, fällt Europa–anstatt zu sehen, dass der Euro ursächlich ist für die Verschärfung der bereits vorhandenen ökonomischen Ungleichgewichte, die er extrem verstärkt. Man hätte zuerst einen europäischen Zentralstaat gebraucht und auch nur Länder in eine Einheitswährung nehmen dürfen, die aufgrund ihrer Faktormobilität, Wirtschaftsstruktur, Produktivität und anderen Kriterien einen optimalen Währungsraum ergeben.

„Die Theorie des optimalen Währungsraums betont, dass die Abwägung der Vor- und Nachteile der Wechselkursflexibilität nur unter Bezugnahme auf konkrete Besonderheiten der jeweils in Frage stehenden Länder erfolgen kann, und sie kommt auf diese Weise zum Schluss, dass es Regionen mit gemeinsamer Währung bzw. intern fixierten Kursen geben soll, während zwischen diesen Regionen die Wechselkurse flexibel sein sollen. Dies scheint genau jener Weg zu sein, der auch in der Praxis beschritten wird, zweifelhaft aber scheint, ob die Praxis dabei die von der Theorie betonten Kriterien für einen optimalen Währungsraum beachtet.
(1) Das Mundellsche Kriterium betont die Faktormobilität. Wenn zwei (oder auch mehrere) Länder auf asymmetrische Weise durch Nachfrage- oder Angebotsschocks getroffen werden, so kann die Anpassung entweder auf der Mengen- oder auf der Preisseite erfolgen. Das Mundellsche Kriterium besagt, dass eine Wechselkursfixierung bei fixen nominellen Güterpreisen die Preisanpassung unmöglich macht, und dass die dann erforderliche Mengenanpassung entweder Faktorwanderungen zwischen diesen Ländern erfordert, oder aber zu Unterbeschäftigung in einzelnen Regionen führen wird. Optimale Währungsräume sind danach durch ein hohes Maß an interner Faktormobilität gekennzeichnet.
(2) Das McKinnonsche Kriterium betont, dass die Verwendung des nominellen Wechselkurses als Instrument der Preisanpassung mit einem Inflationseffekt für das abwertende Land verbunden ist, und dass dieser Inflationseffekt umso größer ist, je größer die Offenheit dieser Ökonomik auf den Gütermärkten ist. Dabei ist Offenheit zu interpretieren als Anteil der mit dem anderen Land gehandelten Güter im Warenkorb der Verbraucher.

Das Mundellsche Kriterium ist also nach R. McKinnon dergestalt zu ergänzen, dass Länder dann keine flexiblen Wechselkurse haben sollten, wenn sie über die Gütermärkte sehr stark verflochten sind.
(3) Das Kriterium von Kenen betont die Wahrscheinlichkeit, mit der zwei (oder mehrere) Länder durch asymmetrische Schocks getroffen werden. Länder mit sehr stark diversifizierten Produktionsstrukturen werden durch Nachfrageveränderungen bei einzelnen Gütern i.Allg. weniger hart getroffen, als Länder mit stark konzentrierten Produktionsstrukturen. Demnach stellt die Wechselkursfixierung eine umso geringere Gefahr dar, je stärker diversifiziert die Produktionsstruktur eines Landes ist.
(4) Ingarm stellt ab auf die Integration von Finanzmärkten. Länder mit hoher Finanzintegration sind eher für feste Wechselkurse prädestiniert.“

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/optimaler-waehrungsraum.html

“ Alle Arbeiten zum Thema untersuchen, ob es für bestimmte Länder vorteilhaft ist, einen gemeinsamen Währungsraum zu bilden. Das heißt, sie klären anhand bestimmter Variablen, ob die Kosten die Nutzen einer Währungsunion übersteigen oder umgekehrt.

Mundell untersuchte in einem Zwei-Länder-Modell die unterschiedlichen Auswirkungen asymmetrischer Schocks. Bei einer Währungsunion kann ein Schock nicht durch den Wechselkursmechanismus ausgeglichen werden, sondern nur durch Innere Abwertung. Nach Mundells Beobachtung der Wirtschaftsgeschichte Kanadas bzw. der Vereinigten Staaten kam es in diesen Währungsunionen nicht zu einer ausreichenden inneren Abwertung, makroökonomische Schocks wurden eher durch Wanderungsbewegungen von Arbeitnehmern und Kapital ausgeglichen. Er kam daher zu dem Ergebnis, dass ein Währungsraum dann optimal sei, wenn eine ausreichende Faktormobilität, d. h. ausreichende qualifikatorische, sektorale und vor allem räumliche Beweglichkeit der Arbeitnehmer und des Kapitals bestehen.[1][2]

Alternativ zur Mobilität der Arbeitskräfte untersuchte James C. Ingram, inwiefern flexible Kapitalströme asymmetrische Schocks ausgleichen können.[3] Er kam zu dem Schluss, dass die Finanzmarktintegration eine wesentliche Voraussetzung für einen optimalen Währungsraum darstellt. In diesem Fall sei der Zahlungsbilanzausgleich durch Wechselkurse (Wechselkursmechanismus) nicht mehr nötig, da geringe Zinsveränderungen genügen, um ausreichende Kapitalströme zu induzieren. [4]

Eine weitere bedeutende Arbeit lieferte 1963 McKinnon. Er untersuchte den Nutzen von Währungsunionen anhand des Offenheitsgrades ihrer (potenziellen) Mitglieder: Je mehr Handel zwischen zwei Ländern getrieben wird, umso schädlicher sind die Auswirkungen einer Wechselkursänderung zwischen beiden Währungen. Daraus leitete McKinnon ab, dass zwei Länder umso eher einen optimalen Währungsraum bilden, je mehr Handel sie treiben.[5]

Einen weiteren Ansatz entwickelte Peter Kenen. Er zielte auf Schocks ab, die branchen- und nicht landesweit auftreten. Ein solcher Branchenschock ist umso weniger bedeutend für die Entwicklung einer Volkswirtschaft, je geringer der Anteil der Branche an der nationalen Wertschöpfung ist. Kenen zieht daraus den Schluss, dass Länder mit stark diversifizierten Außenhandels- und Produktionsstrukturen durchaus auf den Wechselkurs verzichten können.[6]

Nach Roland Vaubel ist es auch für Länder sinnvoll, eine Währungsunion einzugehen, wenn über längere Zeit stabile Wechselkurse herrschten und in den Ländern ähnliche Präferenzstrukturen zu finden sind.

De Grauwe betrachtet in seiner Untersuchung institutionelle und politische Rahmenbedingungen. Diese taugen unter Umständen ebenfalls als Schockabsorber.[7] Als Beispiele sind hier zu nennen die Konvergenz nationaler Wirtschaftspolitiken, die Art und Weise der Finanzierung von Staatsausgaben, die Struktur der nationalen Finanzmärkte oder die Ähnlichkeit von Arbeitsmarktinstitutionen.

Da allen genannten Ansätzen wichtige Argumente zur Beurteilung der Optimalität eines Währungsraumes zu eigen sind, arbeiten heutige Untersuchungen zumeist mit Metamodellen, die neben den genannten noch weitere Kosten und Nutzen eines gemeinsamen Währungsraumes berücksichtigen und so zu einem umfassenden Urteil gelangen.

Die Theorie optimaler Währungsräume wird häufig von Euro-Kritikern als Begründung gegen eine gemeinsame Währung herangezogen, da der Euroraum in der Tat die meisten Kriterien nur zum Teil erfüllt.

Die im Zuge der Euro-Einführung festgelegten EU-Konvergenzkriterien sind als Kriterien zur Überprüfung der Optimalität des Währungsraumes zu sehen – Länder, die die Konvergenzkriterien erfüllen, brauchen asymmetrische Schocks nur in begrenztem Umfang zu fürchten, so dass der Verlust einer nationalen Geld- und Währungspolitik für sie nicht schwer wiegt. Allerdings decken sich die Konvergenzkriterien nur teilweise mit den in der wissenschaftlichen Theorie diskutierten Kriterien zur Messung optimaler Währungsräume. Die britische Regierung legte fünf eigene Kriterien fest, an denen sie den Integrationsgrad des Landes mit den anderen EU-Ländern überprüfen will. Erst wenn diese Kriterien erfüllt sind, komme es in Großbritannien zu einer Volksbefragung über den Euro.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Theorie_optimaler_W%C3%A4hrungsr%C3%A4ume

Kurz: Die Kriterien für einen optimalen Währungsraum werden im Falle des Euroraums nur teilweise erfüllt, zumal es eben auch keinen regulierenden europäischen Zentralstaat gibt, den die EU-Kommission und das EU-Parlament nicht darstellt und die EZB nicht ersetzen und simulieren kann. Das Spielchen, erst eine Einheitswährung zu etablieren und dann die damit einhergehenden Finanzkrisen zu nutzen, um dann posthum durch die Hintertür quasi per Sachzwang einen Zentralstaat etablieren zu wollen, werden dann von der Bevölkerung als Trickserei angesehen und abgelehnt und spielen nationalistischen Rechtsparteien in die Hände, die ihr Heil dann wieder in nationalen Währungen ( oder gar EU-Austritt) suchen, dabei aber auch übersehen, dass Wirtschafts-, Währungs- und Finanzkrisen dem Kapitalismus systemimmanent sind–egal mit oder ohne Euro oder nationaler Währung. Eurokritik, die sich nur auf den Euro beschränkt, ist daher zu kurz gegriffen,: In zweierlei Richtung, denn auch umgekehrt würde ein europäischer Zentralstaat mit Einheitswährung innerhalb eines optimalen Währungsraums ebenso noch die Wirtschafts-, Währungs- und Finanzkrisen aufweisen, die aus dem kapitalistischen System zwangsläufig hervorgehen. Umgekehrt zu glauben, mit der Abschaffung des Euros und der Wiedereinführung nationaler Währungen seien alle Probleme gelöst und gebe es dann keine Wirtschafts-. Währungs- und Finanzkrisen mehr, ist ebenso eine Illusion. Eurokritik ohne Kapitalismuskritik wird daher zwangsläufig nationalistisch, da sie nur an der Oberfläche der Währungen und des Geldfetischs bleibt.

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