Der Freihandel ist tot, es lebe der Freihandel!

Der Freihandel ist tot, es lebe der Freihandel!

Mit der Antiglobalsierungsbewegung und solchen Gruppen wie ATTAC oder dem Sozialforum hatte Kritik am Freihandel und der Globalisierung schon in den 90er Jahren Hochkonjunktur. Mit dem Wahlsieg Trumps ist sie nun regierungsamtlich seitens der Weltmacht USA geworden und wird nicht mehr nur als Marotte der Linken, die weitgehendst und zumeist folgenlos belächelt wurde, verstanden, sondern nun als ernstzunehmende Gefahr. Interessant ist, dass nun erstmals auch seitens bekennender Freihändler Kritik an der Freihandelstheorie geübt wird. Exemplarisch hierfür steht etwa ein Artikel der FAZ, der darauf hinweist, dass die dominierende Handelstheorie Ricardos und Krugmanns auch schon Kritiker wie Eli Heckscher und Bertil Ohlin hatten, die offen das Verteilungsproblem und die soziale Frage thematisiert hatten, jedoch zumeist ignoriert wurden.

„Handelstheorie: Das Problem mit der Globalisierung

Der Welthandel hat derzeit einen schweren Stand. Wie das passieren kann, haben zwei Schweden schon vor hundert Jahren herausgefunden. Nur warum glaubt gerade jetzt kaum einer mehr an freie Märkte?

10.06.2017

Schon mal was von Eli Heckscher und Bertil Ohlin gehört? Wer wissen will, wieso Welthandel und wirtschaftliche Globalisierung gerade einen schweren Stand haben, findet eine Antwort in einer Handelstheorie, die diese beiden schwedischen Forscher schon vor hundert Jahren entwickelten. Lange bevor Donald Trump als amerikanischer Präsident über den internationalen Warenaustausch herzog und sogar in ein Wahlprogramm der traditionell marktwirtschaftlichen britischen Konservativen der Satz aufgenommen wurde: „Wir glauben nicht an ungehinderte freie Märkte.“

Der Wirtschaftshistoriker Eli Heckscher begann mit einem Aufsatz in einer schwedischen Fachzeitschrift im Jahr 1919 eine regelrechte Runderneuerung des Verständnisses über den Handel zwischen Ländern. Sein berühmtester Student hieß Bertil Ohlin. Er brachte im Jahr 1933 eine längere und ins Englische übersetzte Fassung seiner Dissertation heraus mit dem Titel „Interregional and International Trade“, ein Meisterwerk der Volkswirtschaftslehre. Die nach Heckscher und Ohlin benannte Handelstheorie lernt jeder Student des Faches kennen – Ohlin bekam im Jahr 1977 den Wirtschaftsnobelpreis dafür. Da hatte er eine jahrzehntelange Karriere hinter sich, nicht nur als Forscher: Vorübergehend war er Handelsminister Schwedens und viele Jahre Vorsitzender der liberalen Partei.

Handel steigert den Wohlstand

Heckscher und Ohlin haben sich zwei Länder vorgestellt, deren Gesellschaften über ungefähr die gleichen Produktionstechnologien verfügen, in denen sich aber das Verhältnis der Produktionsfaktoren unterscheidet. In Land A (nennen wir es mal Amerika) gibt es vergleichsweise viele hochqualifizierte Arbeitnehmer, die zum Beispiel Studienabschlüsse in Informatik oder Investmentbanking erzielt haben. In Land B (nennen wir es mal China) gibt es demgegenüber relativ reichlich Menschen mit eher geringen Qualifikationen, zum Beispiel Arbeiter in der Großindustrie.

Entscheiden sich die beiden Länder nun dafür, Handel miteinander aufzunehmen, geschieht Folgendes: Land A wird sich auf Hochtechnologieprodukte spezialisieren und diese auch exportieren. Denn dessen Unternehmen ist es aufgrund der reichlichen Ausstattung mit hochqualifizierten Arbeitnehmern möglich, diese Produkte vergleichsweise günstiger zu erfinden und herzustellen. Land B hingegen wird sich stärker auf „einfachere“ Güter fokussieren und diese auch ins Ausland verkaufen. Mit Blick auf die Wirtschaftswelt der Gegenwart schlägt diese Handelstheorie so zum Beispiel eine Brücke vom Arbeiter in einem chinesischen Foxconn-Werk zum Handy-Entwickler im Silicon Valley.

Im Ergebnis bestätigt die Heckscher-Ohlin-Analyse einerseits eine wichtige ökonomische Erkenntnis: Handel vergrößert den Wohlstand insgesamt, macht daran beteiligte Länder reicher. Andererseits ergibt sich aber auch ein zweiter, gesellschaftlich brisanterer Befund: Nicht jeder einzelne Bürger wird durch Handel automatisch wohlhabender. In Land A profitieren die hochqualifizierten Beschäftigten, während die geringqualifizierten sogar Einkommenseinbußen erleiden, in Land B ist es genau umgekehrt.

Die dritte Revolution

Darin unterscheidet sich die Analyse der beiden schwedischen Ökonomen denn auch wesentlich von jener bahnbrechenden Handelstheorie, die der britische Wirtschaftswissenschaftler David Ricardo gut hundert Jahre zuvor vorgelegt hatte. In dessen Modellrahmen ergibt sich die Vorteilhaftigkeit von Handel insgesamt ebenfalls (Stichwort komparative Kosten), ein Verteilungsproblem allerdings nicht – was übrigens auch am politischen Ziel lag, das Ricardo mit seiner theoretischen Analyse verfolgte: Er wollte nachteilige Zölle abschaffen.

In gewisser Weise ist wiederum die Theorie der Schweden Heckscher und Ohlin somit auch eine sehr frühe Mahnung vor Risiken, die mit der wirtschaftlichen Globalisierung verbunden sein können. Kritik sozusagen zu einer Zeit, als weder Donald Trump noch Marine Le Pen und ihr Front National noch die Globalisierungskritiker von Attac eine Rolle spielten.

Eine spannende Frage lautet nun: Warum haben diese theoretischen Erkenntnisse, die elementar zum ökonomischen „Mainstream“ gehören, lange Zeit in der offiziellen Haltung wichtiger Wirtschaftsinstitutionen wie des Internationalen Währungsfonds (IWF) keine Rolle gespielt? Wie kam es, dass zum Beispiel der berühmte Ökonom Paul Krugman noch im Jahr 1997 in einem Aufsatz für eine renommierte Ökonomen-Zeitschrift klipp und klar feststellte: „Die Begründung der Ökonomen für Freihandel ist wesentlich eine unilaterale: Ein Land dient seinen eigenen Interessen, indem es Freihandel verfolgt, unabhängig davon, was andere Länder tun.“ – Viel ausdrücklicher kann ein Plädoyer gegen Protektionismus kaum ausfallen.

Eine spezielle Eigenschaft Amerikas

Die Antwort liegt auch an Krugman selbst. Der hatte nämlich nach Ricardo und Heckscher/Ohlin eine dritte Revolution der Handelstheorie auf den Weg gebracht. Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre veröffentlichte Krugman Analysen, in denen er darlegte, warum gerade einander ziemlich ähnliche Industrieländer wie die europäischen Staaten, Japan und die Vereinigten Staaten Handel miteinander treiben und auch noch in denselben Branchen. Warum etwa deutsche Autohersteller Autos nach Frankreich, Britannien und in die Vereinigten Staaten verkaufen und andererseits französische und amerikanische Hersteller Autos in Deutschland vertreiben.

Schnell zusammengefasst, lautet die Begründung: Weil erstens Industrieunternehmen in der Regel je Stück umso günstiger produzieren können, je mehr sie herstellen (Stichwort Skalenerträge) und darum ein Interesse an möglichst großen internationalen Absatzmärkten haben. Und zweitens die Verbraucher besser finden, eine große Auswahl zu haben, als beispielsweise nur zwischen zwei Automarken wählen zu können. Auch Krugman bekam für seinen Beitrag schließlich den Wirtschaftsnobelpreis. Sehr wichtig an seiner Theorie ist außerdem: Ein Verteilungsproblem, wie es in der Heckscher-Ohlin-Analyse vorkommt, ergibt sich durch seinen auf Skalenerträgen und Produktvielfalt basierenden Handel nicht.

In der Realität nun prägte lange Zeit genau dieser „Krugman-Handel“ den weltweiten Warenaustausch. Kein Wunder also, dass Verteilungsfragen auch im Werben internationaler Institutionen für Freihandel keine sonderlich prominente Rolle spielten. „Die Weltwirtschaft wurde vor allem von ,Krugman-Handel‘ dominiert, ,Heckscher-Ohlin-Handel‘ war empirisch von untergeordneter Bedeutung“, sagt der in Aachen lehrende Wirtschaftsprofessor Oliver Lorz, der mit dem verstorbenen früheren Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Horst Siebert ein deutschsprachiges Standardwerk über Handel geschrieben hat.

Hinzu kam eine spezielle Eigenschaft der Vereinigten Staaten: Die größte Volkswirtschaft der Welt handelt nämlich, gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung, vergleichsweise wenig, viel weniger als echte Handelsnationen wie die Bundesrepublik, die Niederlande oder Schweden. Dies erklärt zusätzlich, warum gerade die tonangebenden amerikanischen Ökonomen lange kaum besorgt waren um mögliche Verteilungseffekte – und gerade die amerikanische Sicht beeinflusst etwa die offizielle Haltung internationaler Organisationen wie IWFund Weltbank.

Das hat sich von Mitte der neunziger Jahre an und erst recht seit der Jahrtausendwende geändert. Grund ist der Aufstieg vor allem eines Landes: Chinas. Die Volksrepublik ist mittlerweile die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Ihre gewachsene Bedeutung für den Handel hat offenkundig auch jene Verteilungsfolgen, auf die Heckscher und Ohlin vor hundert Jahren hingewiesen haben für den Fall, dass sehr verschiedene Länder miteinander handeln. Die Ökonomen David Autor, David Dorn und Gordon Hanson vom Massachusetts Institute of Technology haben in einer aktuellen Analyse errechnet, wie der wirtschaftliche Aufstieg Chinas den amerikanischen Arbeitsmarkt durchgerüttelt hat – allein, dass sie einen signifikanten Effekt gemessen haben, sorgte schon für Aufsehen.

Politisch ist das sehr relevant. Nach allgemeiner Auffassung gibt es in Demokratien nur eine Alternative, solche Verteilungsprobleme zu lösen, dafür werden die Wähler über kurz oder lang sorgen: Entweder „entschädigt“ eine Gesellschaft die Handelsverlierer in irgendeiner Form, wenigstens für eine Übergangsphase. Oder aber sie schränkt den Handel ein durch Zölle oder andere Hemmnisse. Ökonomen bevorzugen meist die erste Variante, denn sie wissen: Die Wohlstandsgewinne durch Handel insgesamt reichen aus, um Handelsverlierer zu „entschädigen“ und Handelsgewinner zugleich reicher zu machen.

Bestätigungen dafür gibt es längst. Der Politologe David Cameron hat im Jahr 1978, ein Jahr bevor Bertil Ohlin starb, einen bis heute vielzitierten Aufsatz publiziert, in dem er darstellte, dass der Staat in der Wirtschaft eines Landes eine umso größere Rolle spielt, je offener das Land ist. Das mag erst einmal überraschen. Der Harvard-Professor Dani Rodrik hat dies in den neunziger Jahren nachgerechnet mit neueren Daten für mehr Länder und dasselbe Ergebnis erhalten. Eine mögliche damit verbundene Deutung lautet: Menschen sind tendenziell eher bereit, auf offenen Weltmärkten zu konkurrieren, wenn ihre Gesellschaft ihnen ein ausreichendes Sicherheitsnetz bietet, das schlimme Notlagen abmildert.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ttip-und-freihandel/handelstheorie-das-problem-mit-der-globalisierung-15050988.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Interessant, dass Theoretiker und politische Praktiker derart offensichtliche Binsenweisheiten ignorieren. Scheinbar war es ihnen auch egal, solange sich kein politischer Widerstand dagegen rührte und dieser hat nun mit dem Aufkommen wirtschaftsnationalistischer und protektionistischer Bewegungen und Führerfiguren Hochkonjunktur. Erst ab diesem Punkt, wenn das Kind schon halb in den Brunnen gefallen ist, entdeckt man plötzlich wieder die Hecklersche/Ohlinsche Handelstheorie.

Nachdem nun Trump TTIP und TPP cancelte, erlebt der Freihandel unter den sonstigen Ländern wieder eine beschleunigte Renaissance und Ausweitung. Der Freihandel ist tot, es lebe der Freihandel.So will China in Asien-Pazifik mit all jenen Ländern Freihandelsabkommen abschliessen, die Unterzeichner des TPP waren und darüber hinaus ist auch ein Freihandelsabkommen mit Indien in Planung. Desweiteren haben China und die EU bei dem Deutschland- und Europabesuch Li Keqiangs ein Investitionsschutzabkommen geschlossen, das Vorstufe eines EU-China-Freihandelsabkommens sein soll, wenngleich es noch Verhandlungsspielraum gibt und man noch keine gemeinsame Erklärung unterzeichnen konnte wegen des Streits um Stahlquoten, Subventionen und anderer hinderlicher Punkte. Zugleich sind Freihandelsabkommen mit Vietnam, Australien und Südkorea in Vorbereitung. Die chinesische regierungsnahe „Global Times“schreibt hierzu:

„Appalled by Donald Trump’s rejection of the global consensus on climate change and his isolationist rhetoric, Europeans suddenly found themselves outside their traditional value system when thinking about global problems.

With the US pursuing a destructive and inward-looking policy, is China picking up the banner of solving the world’s most pressing issues as Europe’s new partner? Or, in the words of a WEF delegate, German economist Klaus Schwab, „Particularly today, in a world marked by great uncertainty and volatility, the international community is looking to China.“

Moreover, the recent visit of Chinese Premier Li Keqiang to Europe has clearly been an unusually high-profile event. Are we witnessing a realignment of Europe’s strategic direction in favor of China?

Clearly, China’s continued commitment to the Paris Climate Accord is greatly appreciated in Europe. When talking about the vital issues of trade, though, a much closer examination of the facts is necessary.

The Trump presidency certainly has reinvigorated the EU’s trading agenda – but so far mainly with China’s regional rivals. Brussels and Tokyo are envisioning a trade deal by the end of 2017, while the European Parliament recently called for a further deepening of trade relations in the context of the existing Free Trade Agreement (FTA) with South Korea.

Moreover, while the finished text of the FTA with Vietnam is currently legally reviewed as part of the ratification process, negotiations with Australia are about to begin. China-EU trade relations, in the meantime, remain stuck in disagreements over steel subsidies and market entry requirements.“

http://www.globaltimes.cn/content/1053041.shtml

Die EU aber versucht nun schnellstmöglich auch mit Japan ein Freihandelsabkommen JEFTA durchzupeitschen, das weitergehende Zugeständnisse als das EU-Kanada- Freihandelsabkommen CETA bezüglich Vorsorgeprinzip, private Investitionsgerichte und Umwelt- und Verbraucherschutz macht und von einem Kommentator der Jungen Welt auch schon als „Kniefall vor Tokio“bezeichnet wird:

Keine zwei Jahre ist es her, dass in Berlin 150 000 Menschen gegen TTIP auf die Straße gingen. Das geplante Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA hat die Deutschen mobilisiert wie lange nichts mehr. Dann wählten die Amerikaner Donald Trump zum Präsidenten. Der beerdigte TTIP, sofort. Trump war ein seltsamer Verbündeter, aber die Demonstranten rollten ihre Transparente erleichtert ein. Jetzt könnte es sein, dass sie bald wieder zum Einsatz kommen.

Nicht etwa, weil Trump es sich anders überlegt hätte. TTIP ist tot. Aber fast aus dem Nichts taucht ein neues Vertragsprojekt auf, das die Gemüter erregen könnte. Die meisten Deutschen dürften davon noch nie gehört haben: ein europäischer Handelspakt mit der Wirtschaftssupermacht Japan. Ein solches Abkommen würde ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung umfassen.

Die Frage ist nun: Hat die EU aus dem TTIP-Debakel gelernt? Nimmt sie die Sorgen ihrer Bürger ernst?

Die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR haben erstmals Einblick in geheime Verhandlungsdokumente erhalten. Seit 2013 laufen die europäisch-japanischen Gespräche, hinter verschlossenen Türen. Man könnte sogar sagen, dass die Abschottung noch größer ist als bei TTIP. Nur zwei Kapitelchen der Verhandlungen hat die EU-Kommission bislang veröffentlicht; dem Vernehmen nach sind es die Mitgliedsstaaten, die blockieren. Bei TTIP war es zumindest üblich, dass die Chefunterhändler nach jeder Runde eine Pressekonferenz abhalten. Jetzt gibt es fast keine Information – es gibt ja noch nicht mal ein griffiges Buchstaben-Kürzel für den Vertrag. Da wird mancher Deutsche denken: Sind die denn verrückt in Berlin und Brüssel?

Ein Großteil des Vertrags ist jedenfalls schon fertig. Und die SZ-Analyse zeigt: Das Abkommen würde politisch besonders schwierige Fragen einfach ausklammern und die Industrie zu Lasten der Bürger bevorzugen. Die Deutschen werden darin einiges entdecken, was sie schon an TTIP hassten.

Grundsätze zum Schutz der Bürger sind bisher nur unzureichend verankert

Der Handelspakt mit Japan könnte etwa bedeuten, dass mehr Genfood in deutsche Supermarkt-Regale gelangt. Denn Grundsätze zum Schutz der Bürger sind bisher nur unzureichend verankert. Etwa das Vorsorgeprinzip. Die EU kann nach diesem Prinzip Produkte wie hormonbehandeltes Fleisch oder genetisch veränderte Lebensmittel präventiv verbieten. Die möglichen Gefahren müssen dafür noch nicht wissenschaftlich belegt sein. Dieses Prinzip kann die EU nach dem Abkommen nur schwer durchsetzen.

Konzerne hätten es durch das Abkommen leichter, Regierungen wegen unliebsamer politischer Entscheidungen zu verklagen. So wie der schwedische Vattenfall-Konzern das gerade in den USA tut: Vor einem privaten Schiedsgericht klagt er dort gegen den deutschen Atomausstieg, um fünf Milliarden Euro Schadenersatz zu erlangen. Auf genau solche privaten Schiedsgerichte beharrt Japan in den Verhandlungen mit der EU. Der Kommission gelingt es bisher nicht, einen öffentlichen Gerichtshof für Streitigkeiten zwischen Regierungen und Unternehmen durchzusetzen.

Auch in anderen Punkten fehlte es den europäischen Unterhändlern an Konsequenz. Dass das Europäische Parlament seit Jahren gegen das grausame Walschlachten der Japaner protestiert, spiegelt sich nicht im Vertragswerk wieder. Die Kommission hätte leicht eine Beendigung des Walfangs fordern können. Sie hat es aber nicht getan. Oder das Problem, dass Japan illegal Holz aus dem Raubbau an Rumäniens Urwäldern kauft: wird im Paktentwurf nur in elf dürren Zeilen thematisiert. Bleibt es dabei, wird künftig wahrscheinlich noch viel mehr räuberisch geschlagenes Holz aus Europa nach Japan gelangen.

Seit vier Jahren verhandelt die EU mit Tokio, und jetzt tut sie alles dafür, den Vertrag mit Japan rasch zu schließen. Am liebsten würde EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Japans Premierminister Shinzo Abe eine Grundsatzeinigung unterzeichnen, bevor sich die G-20 am 7. Juli in Hamburg zum Gipfel treffen. Das wäre, hofft man in Brüssel, ein starkes politisches Signal: Europa schwingt sich zum Verteidiger des freien Welthandels auf – gegen Trump. Aber auch die Japaner haben grundsätzliches Interesse an einer Verständigung mit der EU: Das TPP-Handelsabkommen zwischen den USA, Japan und weiteren Pazifik-Staaten hat Trump ebenfalls aufgekündigt.“

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handelsabkommen-zwischen-der-eu-und-japan-der-neue-pakt-mit-japan-koennte-die-gemueter-erregen-1.3559218

Und die Trump-USA? Trump behauptet, dass er nicht gegen Freihandel sei, sondern für „fairen Freihandel“. Er möchte vor allem bilateral verhandeln, keine multilateralen Freihandelsabkommen, zumal am besten ohne Bestimmungen zu Umwelt-, Verbraucher- und Arbeiterrechteschutz- oder -standards. Während China sich als die neue führende Freihandelsnation und Flaggenträger des internationalen Freihandels gebärdet, hatte Trumps neuer Handelsbeauftragter Wilbur Ross auf Xi Jinpings Rede in Davos, bei der dieser China als neuen Weltführer des Freihandels portraitierte, China nun wiederum als die protektionistischste wesentliche Wirtschaft der Welt bezeichnet, zugleich aber angedeutet, dass Trumps Äußerungen zu den Strafzöllen eher als Signal zu verstehen seien, um die Gegenseite zu Neuverhandlungen des Freihandels unter amerikanischen Bedingungen zu bringen.Ross hält aber einseitige, unilaterale Strafmaßnahmen gegen China für möglich:

„Ross escalates Trump trade criticism against Beijing Commerce nominee labels China ‘most protectionist’ major economy

January 19, 2017 by: Shawn Donnan in Washington The billionaire businessman set to oversee trade policy for Donald Trump has hit back at Chinese leader Xi Jinping and his bid to become the leading advocate for globalisation, calling China the “most protectionist” major economy in the world.(…)

Mr Ross’s remarks come a day after Mr Xi used his appearance at this year’s World Economic Forum in Davos to push back against rising protectionism, widely seen as an effort by the Chinese leader to take the mantle of international leadership in the global economy from Washington. I am not antitrade. I am pro-trade. But I am pro sensible trade, not pro trade that is to the disadvantage of the American worker and the American manufacturing industry Wilbur Ross Mr Ross is expected to play a much more prominent role in setting US trade policy than his predecessors at commerce, with aides to Mr Trump saying the former investment banker will lead the new administration’s trade team. That would put the 79-year-old in charge of delivering the “America First” agenda that was at the heart of Mr Trump’s presidential campaign. Mr Ross has been the president-elect’s most outspoken critic of existing international trade relations, saying previous administrations have engaged in “dumb trade” with China and Mexico.

At the hearing, Mr Ross sought to portray himself as a free trader who would be focused on trying to increase US exports to boost economic growth. “I am not antitrade. I am pro-trade,” Mr Ross said. “But I am pro sensible trade, not pro trade that is to the disadvantage of the American worker and the American manufacturing industry.” Despite Mr Trump’s recent threats against automakers that they would face import levies unless they built cars for the US market inside the US, Mr Ross said he was mindful of the lessons of the 1930s when US-imposed tariffs helped extend and deepen the Great Depression. “Tariffs do have a useful role in correcting inappropriate practices,” Mr Ross said. But he added: “I am keenly aware of [1930s-era tariff acts] and the effect that it had. If nothing else we can learn the lessons of history. If it didn’t work very well then it likely wouldn’t work very well now.”  If Donald Trump confronts the Chinese government he cannot rely on allies’ support Mr Trump threatened during the campaign to impose a 45 per cent tariff on Chinese imports. He has also threatened to impose a 35 per cent “border tax” on imports from Mexico.

Those threats, Mr Ross told senators, had been useful in signalling to countries like China and Mexico that “change is coming” and laying the ground for negotiations. “When you start out with your adversary understanding that he or she is going to have to make concessions, that’s a pretty good background to begin,” he said. Mr Ross said his first priority would be to renegotiate the North American Free Trade Agreement with Canada and Mexico, as Mr Trump promised during the campaign. The incoming administration is expected to notify those countries within days that it wants to reopen the pact. But he repeatedly singled out China as a major offender in the global economy. “It’s a little weird that we have very low tariffs and China has very high tariffs,” Mr Ross said. “That seems to me to be a bit of an imbalance. It’s one thing to talk about free trade. We would like our trading partners to practise more free trade.” A third of China’s state-owned companies were on the verge of failure, Mr Ross said, supported only by low-cost loans from state-run banks and other subsidies. China also was at the centre of global problems of overcapacity in steel and other industries. Mr Ross promised to take a more aggressive approach towards anti-dumping cases, raising the possibility that he would become the first US commerce secretary since the 1990s to take advantage of rules allowing the “self-initiation” of anti-dumping cases normally brought by industry. He also indicated that the incoming administration would crack down further on dumping by countries such as China, blaming it for a collapse in global prices for steel and aluminium.

https://www.ft.com/content/0cae0c78-dda5-11e6-9d7c-be108f1c1dce

Das kann zweierlei bedeuten: Dass Trump protektionistische Maßnahmen gegen China beschliesst, ja vielleicht auch bis zu einem Handelskrieg geht–danach sieht es nach dem weitgehend harmonischen Treffen Trumps mit Xi Jinping in Mar-al-Lago vorerst nicht mehr aus und Trump hat auch die scharfe Rhetorik gegenüber China zurückgestellt, bezeichnte es auch nicht mehr als Währungsmanipulator und hat zudem einen 100-Tage-Dialog in Aussicht gestellt. Gut möglich, dass die USA aber auf eine weitere Öffnung Chinas in bisher geschützten Bereichen wie dem Finanz- , Energie- und Kommunikationswesen drängen, um US-Multis und der Wallstreet besseren Zugang zum chinesischen Markt zu verschaffen. NAFTA soll desweiteren neuverhandelt werden, da aber bisher noch keine konkreten Ergebnisse vorliegen, ist es schwer zu beurteilen, wie sich Trump seine neuen „Deals“vorstellt, auch wenn er mit europäischen Staaten neue Freihandelsabkommen oder Wirtschaftsabkommen schließen will. Bisher bleibt dies vor allem eine Black Box und es bleibt offen, ob Trump sich unter „fairem Freihandel“ nur eine Neuverhandlung vorstellt, die sogar auf die Liberalisierung und Öffnung anderer Volkswirtschaften zugunsten des US-Kapitals setzt oder dies eben nicht doch zu einem Neoprotektionismus und partiellem Rückzug aus dem internationalen Freihandel führt, zumal er ja auch einmal twitterte, dass er sich auch einen Rückzug aus der Welthandelsorganisation WTO vorstellen könne.

Umgekehrt bietet jetzt Merkel und die EU Trump im Vorfeld des G-20-Gipfels in Hamburg wiederum an, ein neues TTIP, ein neues europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen abzuschließen, warnt die USA vor Protektionismus, während das Treffen zwischen Trumps Handelsminister Willbur Ross und der deutschen Wirtschaftsministerin gecancelt wurde und Zypries vor amerikanischen Strafzöllen, vor allem in der Stahlindustrie warnt. Deutschland hofft wohl noch, Trump umstimmen zu können, aber die ersten Reaktionen sind sehr zurückweisend. Scheinbar gilt der Satz: Die Hoffnung stirbt als letztes.

 

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