Homoehe–„historischer Tag“ oder nicht so wichtig?

Homoehe–„historischer Tag“ oder nicht so wichtig?

Ich habe mich mit dem Thema Ehe für alle (Homoehe soll man ja scheinbar mittels dieser neuen Sprachregelung nicht mehr sagen) noch nicht sonderlich beschäftigt und frage mich, ob Befürworter wie Gegner dies auch ausreichend getan haben. Es wird oft allgemein auf wissenschaftliche Studien über die Un-/Schädlichkeit von Homoehen verwiesen, jedoch werden Roß und Reiter nicht genannt, sowie die sich scheinbar widersprechenden Ergebnisse dargestellt.Die Gegner fürchten um das Kindeswohl. Konkret bedeutet dies, dass sie befürchten, dass Kinder in Homoehen selbst homosexuell, kriminell, psychisch gestört oder von den homosexuellen Adoptionspaaren mißbraucht werden könnten.

Grundsätzlich ist die Frage zu stellen, woher sexuelle Orientierung kommt. Wird man homosexuell wegen der genetischen Erbanlagen oder wegen gesellschaftlicher Einflüsse? Seltsamerweise gehen ja Konservative von ersterem aus–dies würde aber umgekehrt bedeuten, dass gesellschaftliche Einflüsse wie die Eltern (damit eine Homoehe), Freunde oder Sexualerziehung in der Schule keinen Einfuß auf die sexuelle Orientierung hätten und es daher egal wäre.Dann müsste man ja zeigen können, dass Kinder von Homopaaren in grösserem Durchschnitt homosexuell werden als bei Normalfamilien.Ist dem so, mal abgesehen von der Frage, ob man Homosexualität jetzt als naturwidrig, schlimm oder was immer halten soll.

Die Gegner sollten auch erklären, warum sie befürchten, dass Kinder von homosexuellen Paaren krimineller werden sollten als von der normalen Ehe. Vermuteter Kindesmissbrauch ist durchaus möglich, kommt aber auch bei Adoptionen heterosexueller Paare vor–demnach müsste man Adoptionen generell verbieten, ja denkt man diese Logik zu Ende auch die Institution der Familie, die Kirchen und Internate wie die Odenwaldschule abschaffen, da man Kindesmissbrauch nie ausschließen könnte. Zumal in Deutschland jährlich nur 3800 Kinder adoptiert werden, also das Thema keine grössere Dimension haben müsste. Psychische Störungen könnten theoretisch wegen des fehlenden Rollenvorbilds sowie einer Diskriminierung durch die Umwelt kommen. Während ersteres noch ein Argument sein könnte, hängt letzteres doch mit der Homophobie einer Gesellschaft zusammen. Von daher wäre erst einmal zu raten, die wissenschaftlichen Erkenntnisse darzustellen.

Grüne, SPD, Linkspartei sprachen von einem „historischen Moment“, einem „historischen Tag“, geradeso als hätte man es mit der Geburt eines neuen Staats, der Beendigung eines Krieges oder der deutschen Wiedervereinigung zu tun. Da scheinen wirklich die Relationen verloren. Dieser kleine symbolische Sieg, der sich letztendlich nur aufs Adoptionsrecht sich bezieht (3800 Adoptionen jährlich in Deutschland, zumal die rechtliche Gleichstellung schon zuvor galt und selbst der schwule Patrick Lindner mit Lebenspartner schon ein Kind in den 90ern adoptierte) jetzt zum „historischen Tag“ und „Sieg für die Demokratie“aufzublasen, ist nur noch lächerlich. Das ist ein Schlag für jene 25% Ewiggestriger, aber mehr auch nicht. Zumal nochmals das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden wird.Und Merkel ist eine völlig verlogene, taktierende Machtpolitikerin. Erst gibt sie grünes Licht für die Abstimmung, deren Ergebnis sie vorher schon kennt, stimmt dann aber mit Nein bei der Gleichstellung der Ehe und gleichzeitig für Ja beim Adoptionsrecht.Die Frau ist wirklich prinzipenlos und abgebrüht.Es ging ihr nur darum sich alle Koalitionsmöglichkeiten offen zu halten, da SPD, Grüne und FDP dies als absolute Bedingung ausriefen. Wobei es für die meisten Bundesbürger wirklich fraglich ist, ob andere und wichtigere  Themen nicht viel größere Bedeutung für die Bevökerung haben, die aber nicht als absolute Koalitionsbedingung gestellt werden. Die CSU spricht wiederum von Verrat der SPD und Koalitionsbruch, um von der eigentlichen inhaltlichen Diskussion in den eigenen Reihen abzulenken.

Konservative Gegner befürchten, dass Merkels „grünes Licht“für die Abstimmung mit vorhersehbaren Ergebnis trotz ihres Neins bei der Abstimmung der AfD Unionswähler zutreiben könne, wie sie auch eine Verfassungsklage wegen des besonderen Grundgesetzschutzes für Familie und Ehe einreichen wollen–das Thema also nicht wie erhofft weggeräumt sein, sondern sich auch in den Wahlkampf weiter erstrecken könnte. Generell herrscht die Tendenz bis in die Rechtsextremen hinein, das Thema und die Abstimmung tief zu hängen. Nicht ganz, denn über diese Frage kommt es nun zur Lagerbildung in AfD, wie auch dem Front National. COMPACTherausgeber Jürgen Elsässer stellt diese Neuorientierung wegen der sexuellen Orientierung , die teils zur Identitätsfrage des christlichen Abendlands gehypt wird, derfolgt dar:

„Schwulenehe nicht so wichtig? Marion Le Pen widerspricht im neuen COMPACT

Ist die „#EheFürAlle“ nur ein lästiges Ablenkungsmanöver? Sollten wir uns besser gar nicht mehr groß damit beschäftigen und zu vermeintlich wichtigeren Fragen übergehen? Die Frage führt ins Zentrum des strategischen Dilemmas des Widerstandes.

Der gestrige „Schwarze Freitag“ war ein Schock für alle, die Deutschland lieben. Das Maas-Zensurgesetz war erwartet worden – aber die überfallartige Verabschiedung der „Ehe für alle“ hat uns kalt erwischt. Die Bagage um Volker Beck machte eine Konfettiparade im Bundestag – für die tapfere Erika Steinbach gab nur Verhöhnung und Spott, selbst aus der (früher) eigenen Partei. Ekelhaft. So wird es künftig allen gehen, die sich dem Zeitgeist noch entgegenstellen. Vae victis – vae nobis!

Wie gehen wir – der Volkswiderstand – damit um? Es überwiegt die Argumentation, die Alice Weidel etwa so vorträgt: Die „Ehe für alle“ ist ein Manöver, das den Homosexuellen nichts bringt und von den wirklichen Problemen im Land – vor allem von der Islamisierung – ablenkt. Teilweise wird auch vertreten, die blitzartige Beschlussfassung im Bundestag habe nur die Aufmerksamkeit von der Verabschiedung des Maas-Zensurgesetzes abziehen wollen, dieses sei viel wichtiger.

In dieser Sichtweise liegt es nahe, sich nicht länger mit der „Ehe für alle“ zu beschäftigen, zumal es auch in „unseren Reihen“ Leute gibt, die das Gesetz vielleicht nicht gut, aber auch nicht sooo dramatisch finden. Dieses „Tieferhängen“ der Thematik war auch in den aktuellen Wahlkämpfen vom Front National zu beobachten: Marine Le Pen befürchtete, durch offensive Gegnerschaft zur „Ehe für alle“ und durch ein „identitäres“ Bekenntnis zu den katholischen Traditionen Frankreichs Wähler zu verprellen.

Ihre Nichte, Marion Le Pen, hat wegen dieser aus ihrer Sicht falschen Orientierung mit dem Front National gebrochen und nimmt in der aktuellen Ausgabe von COMPACT 7/2017 in einem großen Interview gegen ihre Tante Stellung. Im Vorspann des Interviews wird der Debattenverlauf so zusammengefasst:

(Auszug COMPACT 7/2017): Der Rücktritt von Marion Maréchal-Le Pen hat die Krise der französischen Rechten offensichtlich gemacht. In der jetzt voll ausgebrochenen Strategiedebatte – im Hintergrund wurde sie schon länger geführt – stehen sich im wesentlichen zwei Linien gegenüber: Marine Le Pen, getrieben von Parteivize Florian Philippot, setzte in den vergangenen Wahlkampagnen vor allem auf die ökonomische Karte und wollten mit einem linken wirtschaftspolitischen Programm die Volksklassen, die früher Sozialisten oder Kommunisten präferiert hatte, für den FN gewinnen. (…) Demgegenüber gehen Marion Maréchal-Le Pen und der FN-Generalsekretär Nicolas Bay davon aus, dass die Propanda eines Euro-Frexit bürgerliche Wähler verschreckt. Nicht ökonomische Fragen sollten nach ihrer Auffassung die Öffentlichkeitsarbeit der Partei dominieren, sondern die Sorge um den Erhalt der französischen Identität. Dazu gehört neben einer Ablehnung von Islamisierung und offenen Grenzen, die im Front von allen geteilt wird, ein Eintreten für das christliche Erbe, die traditionelle Familie und gegen die Schwulenehe. Mit einer solchen Schwerpunktsetzung könnten auch die Wähler der Republikaner, deren Kandidat Francois Fillon bei den Präsidentschaftswahlen in der ersten Runde 20 Prozent erreicht hatte, gewonnen werden. (Ende Zitat COMPACT 7/2017 ).

Übertragen auf die deutsche Debatte in der AfD und dem Volkswiderstand insgesamt nach dem „Schwarzen Freitag“: Sind „identitär-abendländische Themen“, wozu neben einem Bekenntnis zur eigenen Geschichte auch die Ablehnung der westlichen Dekadenz in allen ihren Formen gehört, im Zentrum des eigenen Profils – was die Chance birgt, christlich-konservative Wähler von der CDU/CSU rüberziehen zu können, aber Gefahr läuft, westliche Liberale und Libertäre abzustoßen, die diese Dekadenz ganz gut finden und den Islam ablehnen, weil er diese Dekadenz mit Terror bekämpft?

Arithmetisch ist die Sache klar: Abendländisch-christlich-konservativ-identitär bringt es höchstens noch auf 25 Prozent. Um über 50 Prozent zu kommen, muss man die westlich-liberalen Islamkritiker mit ins Boot nehmen und darf sie nicht durch offene Gegnerschaft zur – in Princcis Diktion – „Verschwulung der Gesellschaft“ (oder auch durch die deutschnationale Romantik eines Björn Höcke) verprellen. Andererseits: Der reale Widerstand auf der Straße, die Aktivisten von Pegida und Identitären, der harte Kern der AfD – das sind durch die Bank die abendländisch-christlich-konservativ-identitäre Leute, und die werden durch ein Nachgeben gegenüber den Westlern demoralisiert und umgekehrt durch Höcke-Reden eher aufgebaut.

Das Beispiel von Marine Le Pen zeigt, dass sie trotz ihres Blinkens Richtung Linke die arithmetische Mehrheit nicht realisieren konnte. Marion Le Pen schlägt deswegen in COMPACT 7/2017 vor, mit dem Taktieren aufzuhören und hofft, gerade mit einer „identitären“ Linie neue Schichten ansprechen zu können – aber nicht die vom Establishment enttäuschten Linken und Liberalen, sondern die vom Establishment enttäuschten Konservativen und Christen.

Diesem Dilemma muss sich auch die AfD stellen. Die Debatte ist eröffnet – und sie ist, auch für mich, durchaus offen.“

#Schwulenehe nicht so wichtig? Marion Le #Pen widerspricht in der neuen COMPACT

Die Frage der Homosexualität wie auch der Homoehe hat für identitätsorientierte Rechtsradikale,  Konservative und Christen durchaus eine fundamentale Bedeutung, wird sie mit westlicher Dekadenz, Liberalismus, Wertezerfall, „Verschwulung“, „Entmaskulierung“, „Verweichlichung“, „Feminisierung“der Gesellschaft, Geburtenrückgang , „Volkstod“, „Volksmord“, „Völkeraustausch“ in zumal recht abenteuerlichen, oft irrationalen Kausalitätsbegründungen und Assoziationsketten oder auch ohne diese in Verbindung gebracht. Sie hat also durchaus auch das Potential mehr sozialdarwinsitisch-modernere, wirtschaftsliberale Rechtsextreme als Wählerpotential bei Orientierung auf einen zu homophoben Kurs abzuschrecken, weswegen sie das Thema lieber vergessen machen oder nicht so lautstark kommentieren wollen, während die identitätsbetonten Rechten da eher Verrat an Werten ausmachen, die man nicht verschweigen, sondern thematisieren dürfe. Zumal 75% der Deutschen für die Homoehe plädieren, die Rechte sich also nur auf 25% in dieser Frage stützen könnte–was zwar ein Potential bedeutet, aber umgekehrt eben auch zugleich perspektvisch die Beschränkung auf eine Minderheit von Ewiggestrigen, es sei denn man stellt danach wieder ein anderes Thema propagandistisch in den Fokus.

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