G-20: Merkels Afrikainitiative und die Familienplanung
Merkel will Afrika zum deutsch-europäischen Schwerpunktthema beim G-20-Gipfel machen.“Compact with Africa“(CWA) heißt das neue Stichwort, Acronym und das sollen die wesentlichen Leitlinien sein:
„Europäische Länder als Paten für afrikanische Staaten
Die schiere Panik hat deshalb die Bundesregierung dazu gebracht, den südlichen Nachbarkontinent zu einem Schwerpunkt in der Runde der G20 zu machen, der mit Südafrika nur ein einziges afrikanisches Land selbst angehört. Nicht um klassische Entwicklungshilfe soll es gehen, die Brunnen baut und die überkommene Subsistenzwirtschaft konservieren will, sondern um ernsthafte Industrieansiedlung mit Gewinnaussichten. Denn nur so ist wirtschaftliche Entwicklung auf Dauer möglich. Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nennt das einen „Compact with Africa“, zu deutsch: eine Partnerschaft mit Afrika.
Die Idee dabei ist: Ein Land der G20 übernimmt eine Patenschaft für ein afrikanisches Land, das sich gegenüber internationalen Organisationen auf die Einhaltung bestimmter Standards für gutes Regieren verpflichtet und damit verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen schafft. Im Gegenzug hilft der ökonomisch potentere Partnerstaat bei der Suche nach Firmen, die in Afrika Produktionsstätten aufbauen wollen. Deutschland will diese Art der Zusammenarbeit künftig mit der Elfenbeinküste, mit Ghana und dem Maghrebstaat Tunesien praktizieren.“
Deutschland konzentriert sich also auf die progressivsten ,den demokratischen good governance-Idealen am meisten entsprechenden Staaten als Leuchtturmprojekten als Vorbild für den Rest Afrikas. Der Rest soll diesen Vorbildern nacheifern und für weniger idealtypische Länder, die bei good governance nicht derart passen, sollen dann wahrscheinlich andere Staaten wie etwa China eine Patenschaft übernehmen, das weniger auf Umwelt-, Menschenrechts- und Arbeitsstandards wertlegt. Fragt sich, wer dann für die hoffnungslosen Fälle einstehen soll oder ob die sich überlassen bleiben, wobei ja diese dann Flüchtlingswellen und Instabilität generieren, die ja gerade bekämpft werden soll.Aber nehmen wir einmal an mittels dieser Methode würde sich eine wirtschaftliche Entwicklung ergeben, fragt sich, ob dies auch schon ein Ende der Migrationswellen bedeuten würde:
„Genau deshalb warnen Migrationsexperten: Den einfachen Zusammenhang, dass Armut zu Auswanderung führt und ein Wirtschaftsaufschwung den Exodus stoppt, gibt es so nicht. Oft ist es umgekehrt. Oft setzt wirtschaftliche Entwicklung zunächst eine gesellschaftliche Dynamik in Gang, die Migrationsprozesse erst einmal fördert – weil sich gesellschaftliche Bindungen lockern, alte Wirtschaftskreisläufe wegbrechen, das nötige Geld für die Ausreise überhaupt erst vorhanden ist. So war es in Westeuropa zu Beginn der Industrialisierung, als Millionen nach Amerika auswanderten, so war es im postkommunistischen Polen – und so wird es auch in Afrika sein.
Der Status quo kann lukrativ sein
Gerald Knaus, der mit seinem Thinkthank „European Stability Initiative“ schon das Türkei-Abkommen erfand, hat deshalb auch für Afrika eine andere Lösung ersonnen. Er ist nicht dagegen, dass die zwanzig wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt die afrikanische Wirtschaft fördern, ganz im Gegenteil. Aber er glaubt nicht, dass damit das Flüchtlingselend auf dem Mittelmeer verschwindet, sowieso nicht auf kurze, aber auch nicht auf lange Sicht.
Und natürlich glaubt auch Knaus in Afrika nicht an einen Deal mit Transitländern wie im Fall der Türkei, weil es in Libyen einen handlungsfähigen Staat auf absehbare Zeit nicht geben wird und ein Land wie Niger, wo sich die Flüchtlinge aus halb Westafrika auf ihrem Weg nach Norden sammeln, am Status quo einfach zu gut verdient – da kann die deutsche Kanzlerin, die das Land im vorigen Herbst besucht hat, noch so eine rege Reisediplomatie entwickeln. Das ist anders als an der Ägäis, wo ein paar Schlepperboote im Vergleich zur Wirtschaftskraft von Izmir oder Istanbul nicht sonderlich ins Gewicht fallen.
Gleichzeitige Abgrenzung und Offenheit
Knaus hat eine andere Idee, und sie lautet: Die Europäer müssen in diesem Fall nicht mit den Transitländern reden, wie es Merkel zuletzt versuchte, sondern mit den Herkunftsländern. Schließlich handelt es sich, anders als bei Syrien, dem Irak oder Afghanistan, überwiegend um stabile Staaten. Der Vorschlag beruht auf Abgrenzung und Offenheit gleichermaßen. Er wird, wie der Türkei-Deal, Flüchtlingsfreunde und Flüchtlingsfeinde gleichermaßen empören. Aber er könnte funktionieren.
Die Abgrenzungskomponente sieht so aus: Mit Unterstützung der Europäischen Union etabliert Italien ein System von schnellen Asylentscheidungen, die nach dem Vorbild der Niederlande innerhalb von wenigen Wochen durchgezogen werden, aber trotzdem den rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen. Wer keinen Schutzstatus bekommt, wird von einem bestimmten Stichtag an umgehend zurückgeschickt. Der Stichtag ist wichtig, um den Herkunftsländern die Sorge vor einer Rückkehrwelle zu nehmen. Und auf das Wort „umgehend“ kommt es an, weil sich eine Abschiebung nach jahrelangem Aufenthalt nahezu überall als undurchführbar erwiesen hat, nicht nur in Deutschland.
Quoten nach amerikanischem Vorbild
Umgekehrt werden sich die Herkunftsländer darauf nur einlassen, wenn ihnen die Europäer auch etwas anbieten. Dieses Angebot kann für Knaus nur in einem System legaler Wirtschaftsmigration bestehen. Nicht die schiere Zahl von rund 200.000 Einwanderern pro Jahr ist demnach für die Europäische Union mit ihren 500 Millionen Einwohnern das Problem, sondern die chaotische Art und Weise, wie sie kommen – und weit überwiegend von einem einzigen Mitgliedstaat, Italien, betreut werden müssen. Jährliche Quoten für jedes afrikanische Land schlägt Knaus vor, ein System zur Verteilung auf alle EU-Staaten und am besten ein Losverfahren zur Auswahl unter den möglichen Bewerbern.
Abgekupfert hat er das von einem Vorbild, das hierzulande kaum jemand kennt. Auch die Vereinigten Staaten hatten früher ein großes Problem mit Bootsflüchtlingen, die in diesem Fall aus dem kommunistischen Kuba kamen. Zuerst setzte die Regierung in Washington auf ein Prinzip, das in Europa unter dem Stichwort „Auffanglager in Nordafrika“ bekannt ist: Sie setzte die Schiffbrüchigen erst einmal in Guantánamo fest, der amerikanischen Militärbasis auf Kuba. Aber es war klar, dass das keine Lösung auf Dauer sein konnte. Die Flüchtlinge kamen weiterhin, weil sie hofften, die Amerikaner würden sie irgendwann doch ins eigentliche Territorium der Vereinigten Staaten einreisen lassen.
Dann schloss der amerikanische Präsident Bill Clinton mit dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro ein Abkommen jenseits aller ideologischen Gräben. Es sah dieselben Prinzipien vor, die dem Regierungsberater Knaus jetzt auch fürs Mittelmeer vorschweben: Kuba nahm seine Staatsbürger fortan zurück, der große Nachbar im Norden öffnete einen Korridor für legale Einwanderung. Von Schiffbrüchigen zwischen Kuba und Florida hat man seither kaum noch etwas gehört.“
http://www.faz.net/aktuell/g-20-gipfel/g-20-staaten-wollen-wirtschaft-afrikas-staerken-15086620.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Ein Thema bleibt da aber als „kulturell sensibel“ausgeklammert, was vom deutschen Papst der Entwicklungshilfekritiker scharf kritisiert wird:
„Familienplanung darf kein Afrika-Tabu bleiben
Von Volker Seitz.
Es ist weltfremd zu glauben, die „Flüchtlingskrise“ 2015 wäre unerwartet über Europa hereingebrochen. Lange ist bekannt, dass die Bevölkerung in den meisten afrikanischen Staaten unaufhaltsam wächst – und in keinem Verhältnis zur ökonomischen Entwicklung steht. Auch weiterhin werden Tausende Afrikaner in den industrialisierten Norden drängen. (Nach seriösen Prognosen der UN kommen allein 2017 mehr als 300.000 Migranten, meist junge Afrikaner, über die Mittelmeerroute nach Italien.) Deshalb müssen die betroffenen Länder und die Entwicklungshilfegeber endlich den Schwerpunkt auf Familienplanung legen.
Das Bevölkerungswachstum ist mit Sicherheit einer der wichtigsten Faktoren bei der Bekämpfung der Fluchtursachen. Fast alle Länder in Afrika verdoppelten in den letzten vierzig Jahren ihre Bevölkerungszahl alle zwei Dekaden. Der hohe Bevölkerungsanstieg verursacht Konfliktpotential: durch mangelnde Ernährungssicherheit, Wasserknappheit, Druck auf Gesundheits- und Bildungssysteme, Arbeitslosigkeit. Außerdem steigt bei einer höheren Population und Verteilungskämpfen die Aggression. Der Entwicklungsstand eines Landes hängt eng mit dem Bevölkerungswachstum zusammen. Mit einer erfolgreichen Familienplanung hat zum Beispiel in Vietnam der nachhaltige wirtschaftliche Aufstieg begonnen.
Es ist alarmierend, dass die Zahl der Bevölkerung in Afrika doppelt so rasch wächst wie die Wirtschaft. Wer aber die Reduktion der Geburtenzahlen in Afrika fordert, wird bei uns immer noch des Neokolonialismus verdächtigt und in die rechte Ecke gestellt. Obwohl Afrika extrem hohe Geburtenraten hat, kann ich mich in den letzten dreißig Jahren an keine Diskussion über die notwendige Reduktion der Geburtenzahlen erinnern. Es herrscht bei uns weiter Ratlosigkeit. Familienplanung und Empfängnisverhütung sind „kulturell sensible Bereiche“. Viele Kinder zu haben ist in Afrika ein Symbol für Männlichkeit. Die Frauen, je nach Bildung der Familienplanung gegenüber aufgeschlossen, sind dem Willen der Männer ausgeliefert. Für viele Politiker hängt zudem ihre Macht vom Kinderreichtum ihrer Volksgruppe ab.
Die Bevölkerung wächst doppelt so schnell wie die Wirtschaft
Obwohl die UNO eine Prognose veröffentlicht hat, dass es in Afrika in naher Zukunft mehr junge Menschen gibt als in allen G 20 Ländern zusammen, fehlt das Thema auf der Agenda der G 20 in Hamburg. Aber der Kern der vorbeugenden Fluchtursachenbekämpfung liegt in der Reduzierung der Fruchtbarkeit. Großzügige Finanzhilfen im Rahmen einer Vereinbarung könnten möglicherweise helfen. Auch sollte ein arabisches Land, zum Beispiel Tunesien, das durch Frauenbildungspolitik und Aufklärung eine Geburtenreduktion erreicht hat, mit ins Boot genommen werden. Dadurch könnte dem Vorwurf des Neokolonialismus begegnet werden. Warum wird das Naheliegende auf dem Gipfel, dessen Schwerpunktthema Afrika sein soll, so konsequent ausgeblendet?
Stattdessen wird in Politik und den meinungsbildenden Medien fabuliert, dass Afrika die Arbeitskräfte liefern könnte, die das alternde Europa brauche. Derartige Diskussionen werden in Afrika aufmerksam verfolgt und erhöhen die Anziehungskraft Deutschlands auf junge ausreisewillige Afrikaner.
Durch Entwicklungshilfe müssen Regierungen in Afrika durch Koppelung der Hilfsgelder an eine realistische Bevölkerungspolitik gedrängt werden. Sonst droht noch mehr Menschen ein Leben in Armut. Allein in Nigeria werden jedes Jahr mehr Kinder geboren als in der gesamten EU. Kein Arbeitsmarkt der Welt kann solche Mengen auffangen.
Armut und Jugendarbeitslosigkeit produzieren Unzufriedene und führen zu einem ansteigenden Exodus nach Europa. Doch viele afrikanische Herrscher wollen das Problem der Abwanderung nicht sehen, im Gegenteil: sie werden die unruhige Jugend los. Außerdem übersteigen die Rücküberweisungen („remittances“) der afrikanischen Migranten nicht selten die Entwicklungshilfezahlungen.
Die Auswanderung der afrikanischen Jugend löst das Problem ihrer Herkunftsländer nicht, aber sie schafft Probleme in den Ankunftsländern. Insgesamt bleibt Afrika der Kontinent mit dem höchsten demographischen Druck und damit auch großer politischer und sozialer Instabilität. Nirgendwo auf der Welt ist die Jugendarbeitslosigkeit so hoch wie in Afrika. Was es an wirtschaftlichen Fortschritten gibt, wird vom Bevölkerungswachstum wieder zunichte gemacht. Das extrem starke Bevölkerungswachstum ist ein destabilisierender Faktor, der Entwicklungshoffnungen zerstören kann. Der Schlüssel zu einer Reduzierung der Geburtenrate liegt in einer besseren Schulbildung vor allem für die jungen Frauen. „Bildung ist das beste Verhütungsmittel“, sagt Reiner Klingholz vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.
Mit dem „Marshallplan“ wird Tatkraft simuliert
Mit dem „Marshallplan“ wird Tatkraft simuliert: In den weitaus meisten Ländern Afrikas fehlen sowohl die politischen als auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für solch ein Programm. Die „Compact with Africa“ (CWA) Initiative zur Förderung von privaten Investitionen und Investitionen in Infrastruktur könnte Entwicklungsprozesse unterstützen. Laut Jann Lay vom GIGA Institut in Hamburg kann die CWA-Initiative aber nur dann erfolgreich sein, wenn länderspezifische Entwicklungsstrategien entwickelt und Investitionen in Bildung integraler Bestandteil der Vereinbarungen werden.
Der Entwicklungshilfe-Debatte würde etwas mehr Ehrlichkeit gut tun. Die Hilfsindustrie hat sich so fest etabliert, dass sie gar nicht mehr abgeschafft werden kann. Entwicklungshilfe ist längst ein Geschäft geworden. Der nigerianisch-amerikanische Schriftsteller Teju Cole nennt sie treffend die Weiße-Retter-Industrie (White Saviour Industrial Complex). Die Entwicklungshilfe exportiert westliche Vorstellungen von Armut, Reichtum und Konsum in traditionelle Gemeinschaften und hält Afrika in ungesunden Abhängigkeitsverhältnissen. Die Idee, mit Geld wirtschaftliche Entwicklung zu erzwingen, ist so alt wie falsch. Statt z.B. mit modernen Maschinen gebaute Straßen, Brücken zu finanzieren, wäre es sinnvoller, mit arbeitsintensiven Beschäftigungsprogrammen Tausenden Arbeitslosen Einkommen zu verschaffen.
Die immer größere Hilfsschwemme hat die Selbsthilfekräfte erstickt. Entwicklungshilfe sollte nur unterstützen. Die Initiative und der Hauptanteil müssen bei den Regierenden selbst liegen. (Nur dann kann auch von „Entwicklungszusammenarbeit“ gesprochen werden.) Die Entwicklung Afrikas bleibt Sache der Afrikaner. Afrika wird, so wie viele asiatische Staaten es getan haben, nur Dank eigener Anstrengung und Eigenverantwortung aufblühen. Während in anderen Weltregionen alle wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklungsländer ihre Massenarmut mit Kampagnen zur Verringerung der Kinderzahl beseitigt haben, wächst auf dem afrikanischen Kontinent alle zwei Wochen die Bevölkerung um etwa eine Million. Der gebetsmühlenartige Ruf nach der „Ursachenbekämpfung“ impliziert, dass die Probleme Afrikas von außen gelöst werden können. Wo bleiben die Ansätze afrikanischer Politiker, das drängendste Problem, das ungezügelten Bevölkerungswachstum, wirksam anzugehen?
Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, das im Herbst 2014 in erweiterter siebter Auflage bei dtv erschienen ist. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.
http://www.achgut.com/artikel/familienplanung_darf_kein_afrika-tabu_bleiben
Was ich mich frage: Sind die vorbildlichen Entwicklungs- und Schwellenländer außer Afrika aufgeblüht, weil sie Familienplanung aktiv betrieben haben (z.B. China, Vietnam, Südkorea) oder sind die Geburtenzahlen infolge steigender Bildung und Arbeitstätigkeit der Frauen samt wirtschaftlicher Entwicklung und kulturellen Wertewandels gesunken oder weil beides zusammen geschah? In Deutschland sank die Zahl der Kinder ja auch mit der Industrialisierung und wirtschaftlichen Entwicklung, sowie der Verfügbarkeit von Kondomen nicht jedoch infolge von staatlicher Familienplanung–all dies ohne Pille, die erst in den 1960er Jahren samt Pillenknick kam.Wobei ja Kondom und Pille zwar Vorraussetzung waren, um verhüten zu können. Hätte aber ein Wunsch nach mehr Kindern bestanden, hätten diese Verhütungsmittel ja ebenso weggelassen werden können. Es liegt also auch an der gesellschaftlichen und privaten Akzeptanz von und dem Wunsch nach Kindern und deren ökonomischer Notwendigkeit wie auch den Lebensentwürfen- und ansprüchen moderner Menschen, dass die Kinderzahl gesunken ist. Aber verdreht Dr. Seitz da nicht etwas die Ursache-Wirkungs-Kausalität? Auch unberücksichtigt bleibt, dass viele europäischen Staaten mit Schaffung einer Sozial- und Rentenversicherung auch nicht mehr so den Zwang hatten Kinder als Sozial- und Altersvorsorge zu produzieren, wie sie auch nicht mehr als Arbeitskräfte im familiären Betrieb dienen müssen.
Davon ist in Afrika nichts in Sicht und wird auch von Dr. Seitz gar nicht erst gefordert oder in Erwägung gezogen.Hinzu kommt sicherlich auch noch die Stärkung ökonomischer Kinderzwänge durch ein Männlichkeitspotenzgehabe und religiöser Propaganda für Fruchtbarkeit bei den beiden wesentlichen Religionen Afrikas, sei es im Islam, sei es im Christentum „Seid zahlreich und vermehret euch und macht euch die Erde untertan!“, wobei Papst Franziskus neues Paradigma, dass Katholizismus nicht bedeuten würde, sich wie die Karnickel zu vermehren da sicherlich nicht einer Familienplanung abträglich und zu begrüssen ist. Da Seitz neben der berechtigten Kritik am westlichen Paternalismus aber die sozialen Aspekte nicht weiter ins Zentrum rückt, vertritt er also einen durchaus neoliberalen bis hin zu sozialdarwinistischen Ansatz des „Helft euch selbst, dann hilft euch Gott!“, der etwas verengt erscheint und nach mehr monokausalem Patentrezept klingt, der alles zu sehr auf die Familienplanung beschränkt. Zumal die Hilfezahlungen an Afrika seitens der UN heute inzwischen schon aus 2/3 aus Nothilfezahlungen bestehen, um Massenverhungern zu verhindern, was aber kein Hinderungsgrund sein darf strukturelle Veränderungen zu fördern. Aber deren ersatzlloses Streichen würde das Verhungern von Millionen von Afrikanern bedeuten.
Dass Afrika aber für jegliche Form wirtschaftlicher Entwicklung auch eine Energiewirtschaftsstruktur braucht und man hier eben die gescheiterte Deserttech- Initiative mit China zusammen wiederbeleben könnte, sowie Afrika mit erneuerbaren Energien statt mit chinesischen Atomreaktoren und konventionellen Kraftwerken wie jetzt für Ghana ausrüstet, fehlt auch bei diesen Überlegungen. Auch ist die Frage, ob man nun ganz Afrika mit alten Industrien überziehen soll oder eher einen Quantensprung ala Ruanda macht, das als IT- Technologiezentrum und neues Singapur ein anderes Entwicklungsmodell einschlägt. Aber die Repräsentation der Bedürfnisse der afrikanischen Länder fehlen in der G-20-Struktur, bei dem nur das wirtschaftsstärkste Südafrika als einziger Staat vertreten ist und die anderen als Zaungäste beisitzen oder gar nicht vertreten sind. Zumal eben auch Land Grabbing, die Freihandelsknebelverträge der EU und anderer Staaten zuungunsten der afrikanischen Staaten, die Zerstörung klein-und mittelbäuerlicher Existenzen und Fischer durch subventionierte Agrarexporte der EU und ausländische großindustrielle Hochseefischtrawler , sowie die Rohstoffausbeutung ohne afrikanische Verwertungsketten gar nicht auf der Agenda stehen. Da wird dann wieder der Freihandel gelobt, solange er einem nutzt und für einen „Africa first“-Populisten sind diese Peripherie-Länder zu marginal und zu schwach innerhalb der Weltökonomie und selbst die Afrikanische Union (AU) ist nicht mehr so entschieden panafrikanisch wie zu Zeiten der Dekolonialisierungsbewegungen und hat nur eine Gastrolle bei dem G-20 Gipfel bei informellen Nebensitzungen.
Jedoch sind all diese Bemühungen der G-20 immerhin noch Versuche das Ärgste auch mit eigenen Interessen zu mildern oder zu lösen, während Rechtsradikale und reaktionäre Ökologen da eher darauf setzen, dass die beste Methode wäre, Afrika verhungern zu lassen, die medizinische und finanzielle Hilfe zu kürzen, ja auch Ausrottungskriege und Genozide zu fördern, damit die Bevölkerungsexplosion samt Flüchtlingswelle gestoppt wird und der Kontinent wieder in ein quasi ökologisch-biologisches Gleichgewicht kommt. Diese Option vertrat schon in den 80er Jahren Hoimar von Dithfurth in seinen zahlreichen ZDF- Wissenschaftssendungen , bei dem er vor falscher Humanität warnte, die in der 3. Welt nur ein ungesundes Bevölkerungswachstum generieren würde, das die Grenzen und Resourcen des Planeten und sein ökologisches Gleichgewicht vernichten würden, was auch der Hintergrund war, dass eine Tochter Jutta von Dithfurth den Grünen beitrat und sich von ihrem Vater, der dann auch im dem Chemieindustrie nahestehenden Boehringer Forum Mengelsche Zwillingsforschung wiederbelebte.
Insofern versuchen die G-20 eine wirtschaftliche Entwicklung Afrikas herzubekommen, die ihren eigenen imperialistischen und ökonomischen Interessen entspricht und durch diese Wirtschaftsentwicklung den Bevölkerungszuwachs als auch Flüchtlingsursachen zu mildern oder zu beseitigen. Fraglich, ob der Plan so aufgeht oder durch die eigenen Profitinteressen überhaupt realisiert wird oder nicht noch für mehr Ausbeutung, Armut und Instabilität sorgt. Aber humaner gedacht als die Option Afrika verrecken zu lassen wie dies Rechtsradikale und reaktionäre Ökologen befürworten. Letztendlich stellt sich aber auch wieder die Frage, falls dies absehbar keine Ergebnisse zeitigen sollte nach einer sozialen Revolution.