Wird der „digitale Werbemarkt“ zerstört oder braucht es ihn überhaupt?
Ja, ja, Probleme schafft die Digitalisierung auch für die Werbeindustrie. So klagen deren Vertreter, dass Google und Facebook nun den Werbemarkt zerstören und das Datenwissen intransparent monopolisieren würden. Als Beispiel:
„Berater Michael Heine warnt werbende Unternehmen vor dem Daten-GAU.
Mein Wissen gehört mir: Marketing-Analyst Michael Heine betrachtet den digitalen Werbemarkt voller Sorge. Google und Facebook saugen das Wachstum auf – und Heine sagt im Video-Interview bei den Digital Marketing Days: „Es ist absehbar, dass wir bald keinen funktionierenden Markt mehr haben werden.“ Heine beobachtet, wie große Plattformen und Agenturen die Intransparenz für leere Reichweiten-Versprechen ausnutzen.
Der Chef der Agentur Companion vermutet deshalb im Interview von „Horizont“ und turi2.tv: „Alle großen Unternehmen werden einen großen Teil ihrer Datenhaltung hinter ihre eigene Firewall ziehen.“ Im zunehmend digitalen Leben sei es fatal, wenn Kundendaten und -verbindungen an intransparente Plattformen und Agenturen outgesourct würden.
turi2.tv (4-Min-Video im YouTube Kanal von turi2)“
Von „Zerstörung“ des Marktes kann man nur insofern reden, dass sich eine Konzentration, Oligopolisierung bis Monopolisierung von Kapital und heute dazu Daten vollzieht, wie sie in Marxens Kapital eben beschrieben wird. Da regt sich dann Widerstand und Protest unter den weniger erfolgreichen Konkurrenten, die ebenso gerne Monopolisten wären, dies aber nicht schaffen und daher fordern diese dann Regulierungen seitens des Staates zu ihrem eigenen Schutz im Namen des „Konsumenten“. Meinetwegen können sie den Werbemarkt regulieren, damit Google und Facebook da nicht Monopolisten bei Datenspeicherung und dem „digitalen Marketing“werden. Aber grundsätzlicher wäre mal wieder die Diskussion zu führen, ob es Werbung und einen Werbemarkt, ob digital oder analog, überhaupt in seiner heutigen Form braucht. Dieser ist ja nicht dazu da neue Produkte mit Blick auf deren Nützlichkeit und deren Gebrauchswert nur vorzustellen, sondern manipulativ mit den Mitteln der Werbepsychologie dem Kunden etwas aufzuschwätzen und an dessen tiefenpsychologisches Unterbewusstsein und emotionale Gefühlswelt zu appelieren und zumeist den rationalen Verstand auszuschalten, sowie sich seiner Triebstrukturen zu bemachtigen („Sex sells“, Kindchenschema, etc.), um einen Kaufimpuls zu generieren, der fürs Geschäftemachen günstig ist.
Und ich kann mich noch an die nervigen Diskussionen der 80er und 90er Jahre mit jenen inflationär auftretenden Studenten der Kommunikationswissenschaften (das Boomfach dieser Zeit mit dem Aufkommen der werbefinanzierten privaten Medien) erinnern, die Werbung plötzlich nur noch als höhere Kunstform betrachten wollten, auf ihre Witzigkeit und gutes Geschichtenerzählen reduzierten und immer auf die Cannesrolle verwiesen. Diese Sorte Student bevölkerte in Heerscharen damals die Studentenkneipen und In-cafes und die Gespräche drehten sich nur noch über die tollste und witzigste Werbeidee und wie man die Konsumenten am besten manipulieren könne. Gebrauchswert der Produkte, gesellschaftskritisches Hinterfragen völlig ad acta und schon solch eine Fragestellung galt da schon als störende, den Kreativgeist hemmende Themaverfehlung und als ziemlich uncool.
Findigere Geister wollten einem Werbung auch als avangardistischen Beitrag zur modernen Popkultur verkaufen und Andy Warhol galt da neben verschiedenen Verpackungs- und Plakatkünstlern als Idol und Stichwortgeber. Man wurde bei Widerspruch von diesen hippen „neuen Kreativen“ als ewiggestriger, altbackener Kunst- und Kulturbanause wahrgenommen und dargestellt, der die Zeichen des medialen Fortschritts und der Moderne nicht internatilisiert und verstanden habe. Wozu noch über Gebrauchswert reden–ist das nicht Ökosandale und marxistisch? Konsumfeindlicher Hippie statt hipper Konsumtrottel?
Grundsätzlich wäre auch mal die Frage zu stellen, ob Firmen selbst noch Werbung machen dürfen oder dies nicht über Verbraucherschutzorganisationen wie TÜV oder Stiftung Warentest vorgenommen werden sollte, die die Produkte nicht aufgrund ihrer Heilsversprechen manipulativ plazieren, sondern aufgrund ihrer Nützlichkeit und Qualität bewerten und vorstellen- freilich müsste man der Gefahr vorbeugen, dass diese Organisationen dann nicht usurpiert werden und ihre Unabhängigkeit verlieren. Alternativ könnte man auch die Pros und Contras für den Gebrauchswert eines Produktes darstellen, um den Konsumenten seine eigene Wahlfreiheit zu lassen, zumal ja ein Teil von Design, Farbgebung bis Genuß nicht objektiv zu beurteilen, sondern durchaus subjektive Geschmackssache und Abwägungsgegenstand sind–aber zumindestens würde man erst einmal eine kritische Reflektion ermöglichen anstatt einem emotional-impulsiven Kaufdrang die Vorherrschaft zu überlassen..Und diese Werbeflut, mit der man zugemüllt wird, ob nun von Goggle oder sonst wem, gehört überhaupt abgeschafft.Aber diese gesellschaftskritischen Diskussionen werden heutezutage ohnehin nicht mehr geführt wie in den 70er Jahren, auch nicht in Sachen Datenschutz, wo die meisten Leute ja bereit sind so alles Private und nahezu alle Daten freiwillig und selbstaktiv abzuliefern. Und die letzte, die Interesse an solch einer Kritik oder ein Interesse für die Interessen des „Konsumenten“und „Kunden“ hat, ist gerade die in seinem Namen auftretende Werbeindustrie.