Das iranische Kalifat–unterstützen die USA jetzt „wieder“ den IS?

Das iranische Kalifat–unterstützen die USA jetzt „wieder“ den IS?

Neueste Lügenpropaganda der Putin- und Erdoganmedien: Henry Kissinger soll gesagt haben, dass der Iran ein schiitisches Kalifat im Nahen Osten etablieren will und die USA daher den Islamischen Staat als Gegengewicht aufrüsten sollten. Nun hat Henry Kissinger vor der Gefahr des Irans und dessen expansionistischer Ausbreitung im Nahen Osten gewarnt, auch gesagt, dass nach dem Wegfall des IS der Iran ein grösseres Problem als der IS sei, aber nie etwas davon gesagt, dass man den Islamischen Staat dagegen aufrüsten und wiederbeleben solle, nachdem die USA ihn ja gerade in Raqqa und Mossul niederkämpfen. Hierzu Kissingers Statement in der Huffington Post und nicht verzerrt ala Russia Today und Turk TV–deutsche Ausgabe:

„Former Secretary of State Henry Kissinger said that Iran “is a bigger problem than ISIS.”

In an interview with NPR that was released on Saturday, Kissinger explained that because Iran has a stronger footing in the Middle East, it has a greater opportunity to create an empire.

“The borders of the settlement of 1919-‘20 are essentially collapsing,” he said. “That gives Iran a very powerful level from a strategic point of view. I consider Iran a bigger problem than ISIS. ISIS is a group of adventurers with a very aggressive ideology. But they have to conquer more and more territory before they can became a strategic, permanent reality. I think a conflict with ISIS — important as it is — is more manageable than a confrontation with Iran.

The Kissinger interview comes just a day after the BBC reported that Iran’s Supreme Leader had ordered his military to cooperate with the U.S. in the fight against ISIS forces. CNN had a similar report.

Kissinger’s warning about Iran is unsurprising given his past skepticism about its nuclear program. On Friday, nuclear talks went south after Iran failed to provide key information on its past nuclear work by an agreed-upon deadline.

Earlier this week, ISIS drew international fury when it released a video allegedly showing the beheading of an American journalist. Kissinger told NPR that he would “strongly favor a strong attack on ISIS” in response.“

http://www.huffingtonpost.com/2014/09/06/henry-kissinger-iran-isis_n_5777706.html

Diese russische und türkische Lügenpropaganda findet bei rechts-paranoiden Deutschen ihre Anhänger. Denn der Narrativ ist immer derselbe: Die USA wollen Unordnung in der muslimischen Welt, haben den IS geschaffen, um Russland, die Türkei und Europa/Deutschland mit Flüchtlingsströmen zu destabilisieren und zu vernichten und einen globalisitischen Bevölkerungsaustausch zu generieren, der die indigenen Völker vernichtet und austauscht und diese Länder bewusst schwächen soll. Dann werden auch noch angebliche Pläne des Bevölkerungsaustausch von Thomas Barnett und Coudenhove-Calergi ins Spiel gebracht, um einen langverschworenen Masterplan der USA gegen die anderen Völker zu untermauern. Die USA haben den Islamischen Staat geschaffen, wollen ihn nun „wieder“beleben–eigentlich sind die USA der Hauptunterstützer und Gründer des IS, sind quasi der IS, der uns alle bedroht und daher muss die Welt sich gegen diese IS-USA wehren, sie erkennen und gegen sie aufstehen. Ende des Plots! Diese Lügenpropaganda bezweckt, dass sich der liberal-demokratische Westen entzweit und man ein eurasisches Bündnis Rußland, autoritäres Europa, Türkei und vielleicht auch noch China antiamerikanisch bilden soll.

Und wenn Kissinger ins Spiel kommt, blühen zumal alle antiamerikanischen Phantasien. Kissinger, der Machiavelist, der Jude und Bilderberger steht da für den Geheimplan einer verschworenen Weltregierung, die alles in der Welt steuert und manipuliert in Kooperation mit den Rockefellers und den Rothschilds. Dass Kissinger zwar noch gehörter Realpolitiker in westlichen Kreisen ist, die Bilderberger aber nie eine Weltregierung waren, sondern ein Netzwerk und Debatierclub ausgesuchter begrenzter Eliten, die nicht mal die meisten US-Präsidenten, Regierungsverantwortlichen und Eliten abbildeten, zumal auf die G7 schon relativ wenig Einfluss ausübten und bei den G 20 schon gar nicht, wird da gerne übersehen. Fakt ist, dass die Situation und ihre Ursachen komplizierter sind.

Erstens hat Kissinger nie das gesagt, was türkische und russische Lügenpropagandamedien verbreiten, zweitens hat Kissinger heute keinen realen Einfluss mehr und drittens haben die USA den Greater Middle East zwar grundlegend destabilisiert, aber nicht als Masterplan, sondern als Ergebnis einer völlig schwankenden Außenpolitik. Carter und Reagan unterstützten die Mudjahedin, dann die Taliban und Osama Bin Laden in Afghanistan und die Muslimbrüder gegen die Sowjetunion und den sozialistischen Panarabismus, züchteten damit den Islamismus, der ihnen spätesten mit dem Anschlag aufs World Trade Center selbst um die Ohren flog. Folgerichtig die Gegenaktion gegen Afghanistan, aber dann eben begannen die USA einen säkularen Despoten wie Saddam Hussein zu entfernen–in der Hoffnung, dass eine Demokratiewelle den Greater Middle East durchziehen werde, es lauter säkular-demokratische oder Muslimbruderschaftdemokratische Regierungen gebe, die dem Terrorismus abschwörten, den USA freundlich gesinnt sein und ihr etwaiges Öl auch gerne abliefern würden. Während die USA den Irakkrieg gewannen, so verloren sie doch den Frieden. 1 Millionen tote Iraker waren der Preis, Instabilität des Iraks allerortens.

Dann wurde Bush jr. und seine Neocons abgewählt und Obama zog seine Truppen aus dem Irak und teilweise aus Afghanistan zurück und dadurch machte er erst das Erstarken des Islamischen Staats möglich. Seine Strategie des „lead from behind“bedeutete, dass die USA sich militärisch raushalten und islamistischen Regionalmächten wie Saudiarabien, der Türkei und Katar sowie anderen Golfstaaten die Regie überliessen. Die USA unterstützten zwar über die CIA noch die arabischen Frühlinge, als diese als Demokratieprojekt scheiterten, hatten die USA und der Westen keinerlei starke säkulare Kräfte vor Ort, sondern vor allem die Muslimbrüder, Islamisten und Dschihhadisten, die von der Türkei, Saudiarabien, Katar und anderen muslischen finanzstarken Staaten gefördert wurden, was ebenso die Entstehung des Islamischen Staates bedeutete. Aber die Erdogantürkei unterstützte wie Saudiarabien den Islamischen Staat anfangs, während die USA da eigentlich nichts beitrugen. Die ewige Story, wonach der IS mit US-Waffen ausgerüstet ist, ergibt sich nicht aus direkten Waffenlieferungen der USA an den IS, um ihn zu unterstützen, sondern dadurch, dass die irakische Armee beim Angriff des IS auf Mossul massenhaft weglief und ihnen diese US-Waffen überliess.

Es war auch interessant, dass Putins Propagandamedien Erdogan und seine Familie anfangs kritisierten, dass sie die Türkei als Operationsbasis für den IS, wie auch für dessen Ölschmuggel gewähren liessen. Nun nachdem sich Putin und Erdogan nach dessen Abschuss eines russischen Flugzeugs mittels eines Canossagangs verständigt haben,  liest man in der unisono klingenden russisch-türkischen Lügenpropaganda, dass die USA den IS geschaffen hätten, während die russische Lügenpropaganda zuvor immer die Erdogantürkei und Saudiarabien für die Entstehung des IS kritisierten. Ebenso bezweckten die USA samt Frankreich und Großbritannien mittels eines NATO-Einsatzes von dem sich Deutschland fernhielt einen Sturz Ghaddafis. Irgendwie in der Hoffnung, dass sich daraus eine demokratische oder Muslimbruderschaftsdemokratische Regierung ergebe. Kurz:  Obama wollte Assad stürzen, hat Ghaddafi beseitigt, sich aber gleichzeitig dann militärisch zurückgezogen bei der Stabilisierung dieser Länder, mit seiner „lead from behind“-Strategie die Türkei, Saudarabien, Katar und andere Regionalmächte walten lassen, die aber vor allem islamistische Kräfte unterstützten und keine säkular-demokratischen Kräfte.

Entscheidend war das Eintreten Russlands in den Syrienkonflikt, das Assads Macht stabilisierte und dass Russland auch General Haftar und die Übergangsregierung in Lybien stabilisiert, wie auch von Irak, Iran und Ägypten inzwischen als stabilisierender Faktor gesehen wird. Das war die Zeit, als  die Trump-USA intervenierten. Zum einen mit verstärktem Engagement in Syrien und Irak, um mit verbündteten Rebellen den Islamischen Staat mittels der Luftwaffe der Anti-IS-Koalition zurückzubomben und nun Raqqa und Mossul zu befreien, während Assad, Rußland und der Iran da zeitgleich in Syrien expandiert und Iran auch im Irak zur immer bedeutenderen Macht wird, nebst seinem Stellvertreterkrieg mit Saudiarabien im Yemen und der Unterstützung der schiitischen Minderheit im ölreichen Nordsaudiarabien. Trumps Saudiarabienbesuch hat klargemacht, was nun Kissinger auch sagt: Nach dem Sieg über den Islamischen Staat wird nun der Iran die grösste Herausforderung für die USA im Greater Middle East.

Neben den bisherigen Schlachtfeldern Syrien und Yemen wird wahrscheinklich der Irak Hauptschauplatz dieses US-saudisch-iranischen Showdowns. Hierbei setzen die USA nicht auf eine Wiederbelebung des Islamischen Staats, da dieser alle mit den USA verbündeten Dikaturen, politischen Kräfte und Regierungen ja beseitigen will, sondern momentan auf den irakischen Ministerpräsidenten Abadi von der schiitischen Dawapartei, der anders als sein Vorgänger Maliki für Ausgewogenheit zwischen den Religionen und Ethnien im Irak sorgen soll. Das ist nicht einfach, denn der autoritär-schiitische Maliki sorgte für eine Schiitisierung des Staates und der Armee, was die Sunniten eben dann auch zum Teil zum ebenso sunitischen Islamischen Staat trieb.

Die Dawapartei Malikis und Abedis ist aber ein Konglomerat aus mindestens drei Fraktionen: Zum einen eine mehr moderat- demokratische Fraktion, die sich aber immer noch sehr ethnisch-religiös als Schiiten begreift und Dominanz haben will. Dann eine mehr schiitisch-autoritäre Fraktion vergleichbar mit der Muslimbruderschaft, die eine irakisch- schiitische Präsidialdiktaur anstebt und nicht eine theokratische Diktatur ala Iran, dann ein kleiner Flügel der eine mehr Iranorientierte Herrschaft hätte, die mit dem Quietismus eines Sistani bricht. Tendenziell ist die Dawapartei eher ethnisch-religiös orientiert als iranischtheokratisch. Aber innerhalb der Dawapartei brodelt es und zumal ist auch wichtig, dass neben ihr als Hauptkraft als erste oder zweite ungeschriebene Autorität im Irak Großajatollah Sistani steht.

Großajatollah Sistani ist der geistige Führer des irakischen Schiitentums, das seinen Hauptsitz in Kerbala hat und in direkter Konkurrenz mit dem iranischen Qom steht, aus dem Khomeini als anderer Führer des Schiitentums hervorgegangen ist. Sistani ist aber Queitist, d.h. für eine Trennung von Staat und Religion, wenngleich er bei kritischen Situationen im Irak da durchaus eingriff, aber nicht um eine Theokratie unter seiner Führung zu etablieren wie Khomeini, sondern um der Erhalt des Landes zu garantieren und sicherzustellen und als das geschafft war zog er sich genausoschnell wieder zurück aus der Politik.Sollte der sehr alte Großajatollah Sistani sterben, wird der Iran dies sicherlich als Signal sehen den Quietismus im Irak zu verdrängen und ihm genehme Theokraten einzusetzen, samt SCIRI, Dawa-Verbündeten, schiitischen Milizen, Teilen des Militärs und Sicherheitsapperates, Hisbollah und verbündeten Klerikern versuchen den Irak mehr in Richtung iranisches System zu transformieren..

Ein weiterer schiitischer Hauptakteur ist der proiranische SCIRI unter dem Hakim-Clan, der sich durchaus ein iranisches Sytem im Irak zumal im Bündnis oder Vereinigung mit diesem vorstellen könnte. Letzter wesentlicher schiitischer Akteur ist Muktadar El Sadr. Sein Vater war angesehener schiitischern Theologe, zumal mit guten Verbindungen nach Qom, aber der Sohn hat es nie zu theologischen Weihen geschafft, auch nicht nachdem der Khomeiniiran in auf Seminare schickte. Dennoch hat Muktadar El Sadr eine breite Basis unter den irakischen Schiiten, zum einen wegen der Verdienste seines Vaters, zum anderen, weil er der entschiedenste Kämpfer gegen die US-Besatzung war und zugleich die soziale Frage mit dem Islam verbindet. Deswegen wollten ihn die USA nach seinem Aufstand auch völlig auslöschen, aber Großajatollah Sistanis Unterstützung für Muktadar El Sadr verhinderte selbiges. Aus Sistanis Sicht war er der Sohn eines verdienten Klerikers, um den Erhalt des Iraks bemüht, wie auch für die Sache der Schiiten, halt ein feuriger Jungsporn, der aber noch durch gutes Beispiel Sistanis dazulernen könne.. Interessant ist nun, dass Muktadar El-Sadr in Konkurrenz zur dominant schiitischen Dawapartei und dem SCIRI Hakims nun eine überkonfessionelle, säkular-religiöse, ethnisch gemischte Bewegungspartei aufstellen will.

Hier spielen mehrer Faktoren zusammen: Muktadar will nicht, dass der Iran die Oberhand über den Irak übernimmt, ist insofern Nationalist. Zum zweiten weiß er, dass er bei einer Theokratie nichts zu gewinnen hätte, da ihm alle theologische Ränge fehlen. Zum dritten weiß er, dass er gegen Dawa nd SCIRNI nur eine Chance hat, wenn er auch sunnitische, kurdische und andere Kräfte einbindet. Interessant war auch, dass Muktadar El Sadr jetzt zu einem Besuch in Saudiarabien eingeladen wurde auf hoher Ebene. Desweiteren kommt hinzu ,das Irans Revolutionskorps nebst Hisbollah und iranischunterstützten Schiitenmilizen das Land bevölkern, wie auch der Iran immer mehr Kleriker nach Irak schickt, um den Quietismus Sistanis zu schwächen.Scheinbar wird Muktadar El Sadr seitens Saudiarabien und der USA neben der Dawa da als möglicher Verbündeter gegen den kommenden Kampf im Irak gegen den Iran gesehen.Gleichzeitig haben die Kurden des Nordiraks ein Unabhängigkeitsreferendum angekündigt, das die Teilung des Landes oder neue Kriege hervorbringen könnte.Unklar bleibt auch, wie sich dies auf das Machtgefüge innerhalb des Iraks, auf die Türkei auswirken wird und wie die USA und die EU dazu stehen. Momentan ist man ja noch für den Erhalt des Iraks, solange dieser nicht zu sehr proiranisch wird.Jedenfalls setzen die USA wie auch Saudiarabien nicht auf den Islamischen Staat, sondern suchen gerade nach geeigneten Kräften in Syrien und dem Irak.

Kommentare sind geschlossen.