Neue Ostpolitik?
In seinem heutigen Videokommentar der SZ meint Heribert Prantl, dass der Wahlkampf mit Schröder spannender wäre.
http://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-politik-schroeder-1.3633198
Jenseits des Unterhaltungswert und der Kampfbereitschaft, würde Schröder wohl eine neue Ostpolitik als Alternative zu Merkel fordern, mit der Zentralbotschaft, dass „wir Russland nicht aus Europa herausdrängen“ dürfen.Prantl denkt da wohl an Willy Brandt und die Auseinandersetzungen um die Ostpolitik in den 70er Jahren. Blickt man sich die Lage an, so sollte eher die EU aufpassen, dass Russland sie nicht aus Europa herausdrängt.Wie diese neue Ostpolitik überhaupt aussehen soll, dazu sagt Prantl nichts. Zudem hat ja die EU zuvor jahrelang auch eine Modernisierungspartnerschaft mit Russland betrieben ohne jegliche Resultate, den NATO-Russlandrat gegründet.Man fragt sich, ob eine neue Ostpolitik überhaupt möglich ist ohne dass sie dem Expansionismus Russlands nicht zu viele Konzessionen macht und zur Appeasementpolitik verkommt.Für eine solche neue Ostpolitik bräuchte Schröder eine rot-rot-gelbe Koalition–mit Sarah Wagenknecht und Christian Lindner. Aber wir wissen ja, dass das ohnehin nicht kommt.Ist eine neue Ostpolitik möglich oder handelt es sich hierbei eher um ein substanzloses Schlagwort?
Ich habe mir ja mal Gedanken gemacht, wie eine solche Schrödersche Neue Ostpolitik aussehen könnte und welche Elemente sie haben müsste:
Neue Ostpolitik
1) Deutschland setzt sich innerhalb der EU und der NATO dafür ein, dass die Ukraine einen neutralen Status erhält vergleichbar Österreichs in der Nachklriegszeit und als Brücke zwischen Eurasischer Union und EU dient
2) Deutschland setzt sich innerhalb der EU und NATO und gegenüber der Ukaine dafür ein, dass Russland seinen Schwarzmeerhafen auf der Krim garantiert bekommt, unabhängig von den jeweiligen ukrainischen Regierungen und im Gegensatz dazu die Annexion der Krim rückgängigmacht und die Unterstützung für die prorussischen Rebellengruppen in der Ostukraine einstellt Vorrausetzung und erster Schritt dazu: Einhaltung des Minsker Abkommens
3) Abrüstungsinitiative–Deutschland setzt sich innerhalb der EU, der UNO und der NATO dafür ein, dass sowohl Russland wie auch die NATO abrüsten, bzw. sich an die bisherigen Verträge zur konventionellen und atomaren Rüsstungsbegrenzung halten, bzw., diese neuverhandeln mit dem Ziel einer weiteren Rüstungsreduktion– mit Einbeziehung des Cyberspaces und des Weltraums
4) Wiederaufnahme der Modernisierungspartnerschaft, vor allem im wirtschaftlichen Bereich–Verhandlungen über das langfristige Ziel einer Freihandelszone oder eines gemeinsamen Marktes von Lissabon bis Wladiwostok
Was ist daran realistisch oder inwieweit wären diese Vorschläge kontraproduktiv und Appeasement? Punkt 4) dürfte wohl der FDPsehr gefallen, aber ob er realistisch ist, wenn selbst mit den USA nicht einmal TTIP klappt? Aber da Schulz und die SPD keine Neue Ostpolitik formulieren und diese auch nicht im Wahlkampf einbringen, wird es wie gehabt bei der weiteren Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen mit möglicher Aufrüstungsspirale bleiben. Und viel hinge auch davon ab, wie die USA reagieren würden. Brandts Ostpolitik hatte ja den Segen der US-Präsidenten und hatte ihre Anfänge schon nach dem Mauerbau, als Kennedy und Brandt gemeinsam über neue Wege im Umgang mit dem Osten nachdachten. Fraglich ist, ob die heutige USA eine eigenständige Ostpolitik Deutschlands heute in dem Maße akzeptieren würden, wie sie dies damals taten.
General a.D. Harald Kujat meinte auf den Vorschlag einer Neuen Ostpolitik und auf den Global Reviewartikel:
„Sehr geehrter Herr Ostner,
ich bin mit Ihrem Ansatz sehr einverstanden.
Ich würde allerdings eine neue deutsche Ostpolitik eingebettet sehen in eine neue Entspannungspolitik der NATO. Damit wären auch die USA eingebunden.
Deshalb habe ich die Bundeskanzlerin im vergangenen Jahr vor dem NATO-Gipfel in Warschau aufgefordert, die 50jährige Wiederkehr des Harmel-Berichts 2017 zum Anlass für eine neue Politik der NATO gegenüber Russland zu nehmen. „Sicherheit und Entspannung“ ist etwas völlig anderes als „Dialog und Abschreckung“.
Die vom Harmel-Bericht ausgelöste Entspannungspolitik hat erst die deutsche Ostpolitik ermöglicht. Ebenso den KSZE-Prozess, die konventionellen und nuklearen Abrüstungsvereinbarungen bis hin zur Beendigung des Kalten Krieges.
Aber wir betreiben ja keine aktive, gestaltende Außen- und Sicherheitspolitik. Wie die Bundeskanzlerin vor einiger Zeit bei Anne Will sagte, sie reagiere lediglich auf die Entwicklungen in der Außenpolitik.
Mit den besten Grüßen,
Harald Kujat“
Ein mit mir befreundeter Diplomat aus dem Auswärtigen Amt kommentierte diese Ideen derfolgt:
„Lieber Herr Ostner,
der Verweis auf den Harmel-Bericht wirkt etwas aus der Zeit gefallen und dürfte bei zahlreichen NATO-Partnern keine bzw. eher eine negative Reaktion hervorrufen. Dennoch wäre es richtig, im NATO-Rahmen (und flankierend in der OSZE) eine vergleichbare, breite Diskussion unter dem Motto „Sicherheit und Dialog“ zu initiieren.
Wichtig erscheinen mir dabei folgende Punkte:
– Das abrüstungs- und rüstungskontrollpolitische acquis der 80er Jahre muss erhalten bleiben. Leider wird es von verschiedenen Seiten in Frage gestellt.
– Der territoriale Status der Ukraine (einschließlich der Krim) darf nicht aufgrund einseitiger russ. Gewaltaktionen in Frage gestellt werden. Verhandelbar erscheinen mir allerdings Fragen, die den Status der Russisch sprechenden Bevölkerung auf der Krim und in der Ostukraine genauer regeln. Hier besteht auf der Grundlage des Minsker Abkommens m.E. erheblicher Handlungsspielraum, der in einem institutionellen Rahmen unter dem Dach der OSZE ausgelotet und ergebnisorientiert genutzt werden sollte (Minderheitenschutzabkommen wie etwa in Südtirol, Regelungen wie im Mährischen Ausgleich von 1905 etc.).
– Eine deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft (Wandel durch Kooperation) erscheint mir mittel- bis langfristig weiterhin wünschenswert, ist aber realistischerweise erst dann möglich, wenn die o.g. Punkte geklärt sind bzw. in positivem Geist verhandelt werden.
Leider sehe ich sowohl in der russischen als auch in der US-amerikanischen Führung und Öffentlichkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum Bereitschaft, die o.g. Punkte ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die ideologischen und politischen Weichen scheinen in Richtung eines neuen Kalten Krieges gestellt zu werden. Dass ich dies für hoch problematisch halte, versteht sich eigentlich von selbst.
In Sorge, dennoch mit herzlichem Gruß
Ihr Dr. X“
Desweiteren ist zu überlegen, ob man mit Rußland nicht vereinbaren sollte, dass sowohl die Ukraine wie auch Weißrußland neutrale Pufferstaaten bleiben. Denn die Sapadmanöver Rußlands mit Weißrußland haben klar gemacht, dass Lukatschenko im Falle einer farbenen Revolution sich auf Putin stützen würde und man in Weißrußland ukrainische Verhältnisse bekommen könnte, sollte eine Bewegung Lukatschenko stürzen und in die EU und NATO streben wollen. Sollte Putin auf diese Vorschläge nicht eingehen, entlarvte er sich selber und wäre er politisch isoliert. Aber das Angebot sollte man machen, um Rußland und der NATO die Chance zu geben aus einem neuen Kalten Krieg und einer Aufrüstungsspirale herauszukommen.