Atommacht Frankreich: Energiewende durch Bewußtseinswende?
Ging man bisher davon aus, dass die Franzosen glühende Verehrer der Atomenergie waren und sind, zumal sich anders als in Deutschland nie eine starke Grüne Partei etablierte, eine Antiatombewegung bildete oder es damit etwaig einhergehende Demonstrationen, Proteste oder gar bürgerkriegsähnliche Schlachten mit der Polizei wie in Whyl, Brokdorf oder Wackersdorf gab ,noch eine Umweltbewegung oder gar ein ausgeprägtes Umweltbewußtsein, so deuten nun neueste Umfragen laut FAZ auf einen Bewußtseins-wandel hin:
„Die Umfrageergebnisse haben Gewicht. Denn Paris und Berlin wollen in energiepolitischen Fragen zusammenarbeiten, obwohl ihre Interessen teilweise schwer zu vereinbaren sind. So will Frankreich zur Vermeidung von Treibhausgasen einen Mindestpreis im europäischen CO2-Handel von 30 Euro je Tonne – eine Versechsfachung des aktuellen Niveaus. Die deutsche Industrie dagegen befürchtet eine weitere Steigerung der Strompreise, die ohnehin schon über dem Niveau in Frankreich liegen, wo die vielen abgeschriebenen Kernkraftwerke für Entspannung sorgen. Am kommenden Dienstag findet in der französischen Hauptstadt zwei Jahre nach dem Pariser Klimagipfel ein Folgetreffen der Staats- und Regierungschefs statt, das weitere Impulse für den Kampf gegen die Treibhausgase geben soll.
„Inspiration und Ermutigung“
Die Online-Umfrage wurde vom französischen Institut Harris im Auftrag der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung sowie der französischen Stiftung La Fabrique Écologique unter gut 1000 Franzosen Ende November durchgeführt. Demnach finden 74 Prozent der Befragten, dass die französische Energiepolitik zu stark auf die Kernenergie setze. Rund drei Viertel des Stroms kommen in Frankreich aus nuklearen Quellen, und das dürfte eine Weile so bleiben: Die Regierung von Emmanuel Macron hat unlängst verkündet, dass sie das gesetzliche Ziel der sozialistischen Vorgänger aufgeben werde, den Atomstrom bis zum Jahr 2025 auf 50 Prozent zu verringern. Der Teilausstieg sei nur für den Preis von mehr fossilen Kraftwerken zu haben. Das sei nicht akzeptabel, sagte Umweltminister Nicolas Hulot.
So wirkt die französische Energiepolitik teilweise wie ein Festhalten am Status quo. Doch das scheint nicht nach dem Geschmack der Franzosen zu sein: Zu viel Energie werde verschwendet, zu wenig für Energiesparmaßnahmen getan, und die Anlagen seien zu alt, finden jeweils mindestens 80 Prozent der Befragten. Vor diesem Hintergrund meinen 83 Prozent der Franzosen, ihr Land müsse mehr in die alternativen Energien investieren. Nur 16 Prozent befürworten höhere Mittel zugunsten der nuklearen Stromerzeugung – trotz des hohen Investitionsbedarfs der alternden Atommeiler Frankreichs. Klimaschädliche Energieprojekte sollte man meiden, auch wenn sie mehr Beschäftigung bringen, findet eine Mehrheit der Befragten.“
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/umfrage-der-faz-franzosen-wollen-weniger-atomkraft-15329965.html
Dennoch sollte man dieser Umfrage gegenüber kritisch stehen, da sie von der deutschen Heinrich-Böllstiftung, also der Parteistiftung der Grünen und einem mit ihr verbundenem französischen Umweltinstitut durchgeführt wurde, also auch tendenziös und parteipolitisch ausgerichtet sein könnte und 1000 Befragte auch nicht so die repräsentative Massenerhebung sind, zudem es auch immer darauf ankommt, wen man da befragt. Über die soziologische Zusammensetzung der Umfrage nach Geschlecht, Altersgruppen, Berufen, politischer Präferenz, Bildungsgrad,etc. erfährt man dazu nichts. Man sollte also erst einmal abwarten, ob sich der hier vermutete Bewußtseinswandel auch politisch artikuliert, etwa im Sinne einer Stärkung der Grünen Partei, einer Anti-AKW-Bewegung oder inwieweit die bestehenden Parteien, allen voran Macrons En Marche diesen vermeintlichen Bewußtseinswandel auch in politisches Programm und praktische Politik übersetzt. Zumal anders als in Deutschland in Atommachtsstaaten wie Frankreich die Atomkraft auch als Quelle nationaler und militärischer Größe, hier der Force de Frappe und Frankreichs Atomwaffen gesehen wird, für die eine atomare Infrastruktur unabdingbar ist ganz unabhängig von der zivilen Nutzung.