Trumps Jerusalementscheidung: PLO und Hamas radikalisieren sich

Trumps Jerusalementscheidung: PLO und Hamas radikalisieren sich

Die Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung über Palästina ist etwas widersprüchlich, zumal hat man den Eindruck, dass die rechte Hand nicht weiß, was die linke schreibt. So ist in der SZ vom 12.1.2018 zu lesen:

„Palästinenser Warum die Hamas nun mit Islamisten kämpft

  • Die ehemals radikale Palästinenserorganistation Hamas wird zunehmend moderater – auch um der PLO beitreten zu können.
  • Die Lücke im extremen Spektrum versucht unter anderem der „Islamische Dschihad“ zu schließen.
  • Auf einer PLO-Sitzung sollte eigentlich das künftige Vorgehen abgesprochen werden. Die Hamas sagte die Teilnahme daran aber am Samstag ab.
  • http://www.sueddeutsche.de/politik/palaestinenser-kampf-der-islamisten-1.3822891

Zum einen wird so getan, als sei die Hamas nicht mehr islamistisch und werde nun moderater. Das exakt Gegenteilige ist dann in einem Artikel der SZ vom 13.Februar 2017 zu lesen:

„Nahostkonflikt Hamas wählt Hardliner zum neuen Anführer

  • Sicherheitsanalysten sehen in der Wahl eine Stärkung des militärischen Arms der Hamas.
  • Yahya Sinwar gilt selbst innerhalb der Terrororganisation als Extremist. Mit seiner Wahl zeichnet sich eine neue Eskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt ab.

Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas hat einen Hardliner zu ihrem neuen Anführer im Gazastreifen gewählt. Yahya Sinwar wird neuer Chef der Terrororganisation im Gazastreifen, wie Vertreter der Hamas am Montag mitteilten.

Yahya Sinwar ist den israelischen Behörden kein Unbekannter. Der heute 55-Jährige wurde schon 1988 von Israel wegen terroristischer Aktivitäten verhaftet und zu viermal lebenslänglicher Haft verurteilt. Er gilt als einer der radikalsten Gegner einer politischen Annäherung an Israel.

Nach seinem Studium baute Sinwar die Majd-Brigaden auf, die als eine Art Inlandsgeheimdienst der Hamas funktionieren und sich vor allem gegen Palästinenser richten, denen Kollaboration mit Israel vorgeworfen wird. Als Anführer der Majd-Brigaden soll Sinwar eigenhändig Dutzende Palästinenser ermordet haben. Seit 2015 steht er auch auf der Liste der „internationalen Terroristen“ der USA.

Nach 22 Jahren im Gefängnis kam Sinwar 2011 im Tausch gegen Gilad Schalit frei. Der israelische Soldat war von der Hamas entführt und fünf Jahre lang gefangen gehalten worden. Im Rahmen des Gefangenenaustauschs kamen neben Yahya Sinwar noch 1026 weitere Palästinenser frei.

Annäherung an den „Islamischen Staat“

Besonders besorgniserregend für Israel: Beobachter gehen davon aus, dass Sinwar einen Schulterschluss mit ägyptischen Terrorgruppen anstrebt, die sich dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen haben.

Mit Sinwar an der Spitze der Hamas im Gazastreifen wird eine neue Eskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt wahrscheinlicher. Denn auch auf israelischer Seite dominieren die Hardliner. Die Hamas könnte den verstärkten Siedlungsbau der Israelis als Anlass für neue Angriffe nehmen. Noch vor wenigen Tagen veröffentlichte die Terrororganisation ein Video, in dem die Hamas den Tod der israelischen Besatzer besingt. „Zionisten, in Gaza werdet ihr vernichtet“, heißt es in dem Video.

http://www.sueddeutsche.de/politik/nahostkonflikt-hamas-waehlt-hardliner-zum-neuen-anfuehrer-1.3377108

Von Mäßigung der Hamas, die zuvor nun nicht mehr islamistisch sein sollte, ist also nichts zu spüren. Dass die Hamas neuerdings wieder mit der PLO über eine Einheitsregierung und andere Punkte verhandelt, hängt weniger mit einer Moderierung der Hamas zusammen, sondern eher mit der Wiederradikalisierung der PLO infolge von Trumps Jerusalementscheidung. Hatte die PLO bisher im Rahmen des Osloabkommens jahrzehntelang eisern an der Linie festgehalten Israel anzuerkennen, den Terror einzustellen und auf friedliche Verhandlungen und eine politische Lösung zu setzen, so stellt die PLO neuerdings das Osloabkommen infrage und nun auch die Anerkennung des Existenzrechts Israels:

Nahostkonflikt Palästinenser-Führung will Anerkennung des Staates Israel aussetzen

  • Die Entscheidung des PLO-Zentralkomitees folgt auf den umstrittenen Schritt von US-Präsident Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen.
  • Formal muss den Beschluss das PLO-Exekutivkomitee herbeiführen – nur dieses höchste Gremium kann Entscheidungen über den Friedensprozess treffen. Dort gilt die Zustimmung aber als sicher.
  • Palästinenser-Präsident Abbas treibt die Eskalation in einer Rede beim PLO-Treffen in Ramallah weiter voran

Die palästinensische Führung will die Anerkennung des Staates Israel aussetzen. Das Zentralkomitee der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) hat am Montagabend mit großer Mehrheit für diesen Schritt gestimmt. 74 Delegierte votierten dafür, zwei dagegen, es gab etwa ein Dutzend Enthaltungen. Die Suspendierung soll sofort in Kraft treten und so lange bestehen bleiben, bis Israel „den palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 anerkennt“, die Annexion Ost-Jerusalems aufhebe und seine Siedlungsaktivitäten stoppe, hieß es in der in Ramallah verabschiedeten Erklärung.(…)

Forderungen in Richtung Washington

In der Erklärung werden die USA aufgefordert, die Entscheidung zu Jerusalem zurückzunehmen und auch die Drohung aufzuheben, die PLO-Vertretung in Washington zu schließen. Die Palästinenser versuchen nun verstärkt, die Anerkennung des palästinensischen Staates vor internationalen Organisationen durchzusetzen. Die Zwischenphase mit Israel sei beendet, hieß es in der Stellungnahme, in der auch ein Appell enthalten ist, Sanktionen gegen Israel wegen der fortgesetzten Besatzung zu erlassen. Die Palästinenser werden zur Fortsetzung von nicht gewalttätigen Protestmaßnahmen aufgerufen.

Für besondere Empörung sorgte in Israel, dass Abbas Israel in seiner Rede als kolonialistisches, von Europa unterstütztes Projekt bezeichnete. Staatsgründer David Ben-Gurion habe Juden aus dem Jemen und dem Irak gegen ihren Willen nach Palästina gebracht, erklärte Abbas. Die Oslo-Friedensverträge seien tot und verantwortlich dafür sei Israel. Die Arabische Liga kritisierte er scharf dafür, dass diese zu geringe Proteste bei Palästinensern festgestellt habe.

Bei dem zweitägigen Treffen des zweithöchsten PLO-Gremiums lagen Optionen auf dem Tisch, die noch gravierendere Folgen gehabt hätten als die Suspendierung der Anerkennung Israels. Das Zentralkomitee schreckte am Ende davor zurück, die diplomatischen Beziehungen zu Israel völlig abzubrechen oder die Osloer Friedensverträge aufzukündigen. 2015 war vom PLO-Zentralkomitee bereits der Beschluss gefasst worden, die Zusammenarbeit mit Israel im Sicherheitsbereich aufzukündigen, was dann aber doch nicht umgesetzt wurde.

Die Palästinenser halten trotz scharfer Rhetorik die Türen für mögliche Verhandlungen offen – auch wenn sie mehrfach klargestellt haben, dass sie die USA nicht mehr als alleinige Vermittler akzeptieren. Bei seinem Besuch in Brüssel am 22. Januar will Abbas die Europäer überzeugen, eine stärkere Rolle im Nahen Osten einzunehmen.“

http://www.sueddeutsche.de/politik/nahostkonflikt-palaestinenser-fuehrung-will-anerkennung-des-staates-israel-aussetzen-1.3827186

Die EU wird wiederum Israel nicht als Vermittler akzeptieren, zumal es ja nun auch für die weitere Expansion des Siedlungskolonialismus grünes Licht aus Washinton bekommen hat und an einer Zweistaatenlösung des Konflikts, geschweige denn dem Osloer Abkommen ohnehin nicht interessiert ist. Sollte wiederum die PLO die bisher von ihr bekämpfte islamofaschistische Hamas als Mitglied ihrer Dachorganisation aufnehmen, würde dies bedeuten, dass die PLO ihren säkularen Charakter verliert. Das entspräche einer Teilislamisierung der PLO. Taktische Bündnisse bei organisatorischer Trennung einzugehen, ist noch etwas anderes als die organisatorische Vereinigung unter einem Dach als offiziellem Mitglied. Diese Hemmschwelle scheint nun angesichts von Trumps Jerusalementscheidung möglicherweise zu fallen mit weitreichenden Auswirkungen und einer weiteren Radikalisierung.

 

 

 

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