Dobrindts“Konservative Revolution“ und Weimers „Konservatives Manifest“
Konservativ will ja inzwischen wieder jeder sein. Sei es nun Weimers „Konservatives Manifest“
http://www.achgut.com/artikel/darum_ist_identitaet_so_wichtig
oder Dobrindts „konservative Revolution“. Dobrindt scheint sich gar nicht der Tragweite des Begriffs „Konservative Revolution“bewußt zu sein und hat scheinbar nie deren führende Denker, sei es der verhinderte SS-Freiwillige Armin Mohler oder die Vertreter der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik wie Oswald Spengler, Carl Schmitt, Ernst Jünger oder Arthur Möller van den Bruck gelesen. Es ist jedoch bezeichnend, dass selbst FJStrauß sich von Mohler abwandte und alle Kontakte abbrach, obwohl ja rechts der CSU demokratisch nichts entstehen sollte. Ihm war wohl klar, mit welch Geistes Kind er es zu tun hatte. Mohler hat damals auch als Präsident der Siemens-Siftung selbige zum Think Tank der Neuen Rechten umgebaut, bis auch Siemens diese Verbindung abbrach, nachdem Mohler sich nach seiner Enttäuschung mit Strauß als Bundeskanzlerkandidat zunehmend SS-Schönhuber und seinen faschistischen Republikanern zuwandte. Da knüpfte die „konservative Revolution“nahtlos wieder an den Faschismus an, wie einst schon deren Vertreter in der Weimarer Republik an den Nationalsozialismus.
Soviel Geschichtsbewußtsein scheint solch ein Doofbrindt nicht zu haben. Er scheint gerade mit jener „Geschichtsvergessenheit“ zu brillieren, die er den „links-grün-versifften 68ern“immerzu vorwirft.Da kenne ich mich als Linker scheinbar noch besser mit der Gedankenwelt und Geschichte der Rechten aus als dieser CSU-Yuppie mit Nerdbrille, der außer einer Maut und einigen rhetorischen Zündeleien noch nichts zustande gebracht hat.Dennoch fragt man sich bei der CSU angesichts ihrer ewigen Anwanzung an Victor Orban, der ja eine illiberale Demokratie fordert, also eine autoritäre Diktatur wie weit die Christlichsozialen gehen wollen.Da scheint es eine ideologische Grau-, wenn nicht gar Braunzone zu geben.Wohl kein Zufall, dass Kurz nicht zur CSU-Klausur im Kloster Seeon erschien, zu dem auch Orban geladen war.
Und Weimers „Konservatives Manifest“? Was macht den Konservativen aus?
„Konservative halten auf Respekt dem Ererbten, ihnen ist Geschichte etwas, Theorie aber etwas anderes. Sie interessieren sich für Geschichte und Geschichten, für ihre Städte und Gebäude und auch ihre Friedhöfe. Sie sind am Werke, wenn in Frankfurt die historische Mitte oder in Berlin und Braunschweig Stadtschlösser wieder aufgebaut werden, die eigentlich keiner braucht, wenn es nur utilitaristisch zuginge. Sie erkennen in ihnen aber den kulturellen Prägewert. Sie glauben nicht an eine Ende der Geschichte, sondern an immer neue Anfänge aus Geschichte.
Manchen galt die post-ideologische und ahistorische Zeit als Verheißung. Man schien zum Ende des 20. Jahrhunderts aus den Kerkern und Völkergefängnissen und Kriegen der Ideologien von Klassen- und Rassenwahn endlich herausgekommen und wähnte sich wahlweise am Ende der Geschichte oder im Paradies der Freiheit. Konservative waren da skeptischer.
Zwar hat sich die westliche Welt ihrer Ideologien entledigt, doch zugleich sind ihr die Epen abhanden gekommen. Sinnstiftende Geschichten haben über Jahrhunderte das Selbstbild des Abendlandes geprägt, große Erzählungen, die am Ende auch eindimensionale Ideologien sein konnten – sie gestalteten das Korsett gesellschaftlichen Bewusstseins. Die schiere Existenz lang laufender Narrative entfaltete eine Macht, die Zeiten erst zu Zeiten, Nationen zu Nationen, Kulturen zu Kulturen machte.
Heute haben wir nicht nur die Ideologien, sondern viele großen Erzählungen unserer Selbst verloren. Wir sind zu kurzatmigen, kurzweiligen, kurzsichtigen Kollektiv-Existenzen degeneriert. Kaum ein Horizont der Deutschen reicht weiter zurück als 1933, wir kennen die langen Linien unserer Herkunft nicht, nicht einmal mehr ihre rudimentären Sagen.“
Zuerst eine Absage an das vom Postmodernismus ausgerufene Ende der Großen Erzählungen. Man sucht wieder „Grand Narrative“, die ein deutsches Volk und eine Geschichte wieder konstituieren und länger als die Zeit 1933 bis 1945 zurückreichen. Das versuchen Höcke und Jürgen Elsässers COMPACT auch, auch mit Sonderausgaben zum 1000 jährigen Deutschen Reich. Mit der Tatsache, dass es den deutschen Nationalstaat erst ab 1871 gibt, will man sich nicht abfinden. Zurück zu den alten Epen, Sagen und Legenden, die Edda, Hermann und Arminius und den Nibelungen. Deutschland ist mehr als 1871 und 1933, sondern hat eine lange, zumal mythische und sagenumwundene Geschichte, aus der sich ein deutsches Wesen und ein deutscher Geist ergibt, ein „kollektives Unterbewutsein“ (C.G.Jung) das archetypisch in der deutschen Seele schlummert und aus seinem winterlichen Tiefschlaf wiedererweckt und liebevoll wachgeküsst werden muss. Ähnlich praktizieren dies ja auch Höcke und Gauland mit ihren Kiffhäusertreffen des Flügels und der Patriotischen Plattform der AfD, die scheinbar immer noch auf ein Erwachen des schlummernden „deutschen“Kaisers am Kiffhäuser warten. Deutschland erwache! Kennt man eigentlich auch schon.Nicht sonderlich originär. Desweiteren:
„Es dämmert damit eine Tugendrepublik herauf, in der Hohepriester des Gutmenschentums uns mit ihren Geboten umstellen: Du sollst kein Fleisch essen und kein Kaminfeuer anzünden, du sollst nicht Glücksspielen, du sollst nicht nach Leistung beschäftigen, sondern nach Geschlecht und Herkunft. Mit Quoten und Verboten kommen sie daher, die Verbraucher- und Familienschützer, die Gleichstellungsbeauftragten und Integrationsberater. Sie tragen Menschen teure Bildungspakete hinterher, die gar keine haben wollen, denn sie wissen alles besser. Sie sind Profiteure des Freiheitsentzugs, jene Armutsbekämpfer, Präventionsräte und Klimaretter, Lobbyisten der Gewissheitsindustrie, die ihr Geschäft mit der Besserwisserei so verfolgen, dass sie ihre Nachfrage mit Problemstudien immer selbst erzeugen. Ihre Absicht, das Land in eine gigantische Besserungsanstalt zu verwandeln, folgt einer ganz eigenen Logik, denn dann haben sie als Besserungs-Pädagogen ihr Auskommen.
Jede einzelne Steuererklärung in Deutschland ist ein Beweis für die These vom Marsch in das Freiheitsdefizit. Deutsche Finanzämter sind Tempel der Bürokratievergötterung, sie huldigen 33.000 (!) Steuerparagrafen. Steuererklärungen können wir gar nicht mehr alleine abgeben; wir brauchen dazu 100.000 Steuerberater und noch einmal so viele Steuerbeamte, und wir verschwenden Tag für Tag die Intelligenz einer Kulturnation mit dem erniedrigenden Aufarbeiten von Abschreibungen, Freibeträgen und Bemessungsgrenzen. Zigtausende von Rechtsverfahren sind anhängig, millionenfache Sachverständigenstunden von Juristen sind gefordert in einer absurden Welt, die ihren Sachverstand längst verloren hat. Und die Antwort des Staates darauf: Die Schaffung neuer Aufsichten für einen Bürokratieabbau, der nie kommt.
Was aber schützt vor der Übergriffigkeit einer Gesellschaft, die glaubt alles regeln zu müssen, weil es keine Selbstverständlichkeit im Regelwerk der Tradition, des Comments, der herkömmlichen Usancen gibt? Der Konservative kennt sie noch und vertraut ihnen, weil sie die gesiebte Vernunft von Generationen zeigen. Er muss nicht alles geregelt haben, aber die großen Regeln der Vorväter haben ihn.
Ein Herkunftsbewusstsein ist also von größerer Bedeutung als Quell für Orientierungswissen. In Deutschland ist dieses Herkunftsbewusstsein nach der Katastrophe von 1933 – 1945 freilich ängstlich und verschämt bekämpft und systematisch zerstört worden, als habe es die Welt vor 1933 und ihre geistigen Traditionen nie gegeben.“
Das viele dieser geistigen Traditionen der Konservativen und Nationalkonservativen eben auch gerade Förderer des Nationalsozialismus und Faschismus waren, übersieht Weimer etwas unkritisch und unreflektiert. Zudem gibt er sich (neo)liberal bis semilibertär und spricht sich für einen „schlanken Staat“ aus, der keinen „Tugendterror“(Sarrazin) ausüben soll.Auch ein Reichsbürger könnte sich hier wiederfinden.
Weimers konservatives Manifest zeigt zumindestens, dass Dobrindts Ausspruch nun als Startsignal gesehen wird , um eine „konservative Revolution“ nun auch inhaltlich auszufüllen. Ich bin mal gespannt, wer sich da noch weiter als Ideengeber präsentiert und wie sich die Sache weiter entwickelt. Ob Söder, KAS, Spahn oder andere Konservative sich da auch noch inhaltlich als Vordenker einbringen. Ansonsten läuft die Sache Gefahr, so folgenlos wie Kohls „geistig-moralische Wende“ zu werden und Diskussionen und Versuche der Begriffsbestimmung von Konservatismus und Neuer Bürgerlichkeit gab es in den 90er und 2000er zu Genüge, jedoch ohne Ergebnis.Das ging in der Vielzahl der Wortmeldungen und Stimmen unter und heraus kristallisierte sich nur die breite und vage „Mitte“, einem vagen und breiten begrifflichem Wackelpudding, in dem sich jeder neue Bürgerliche wiederfinden wollte und konnte.
Zudem wird es dann immer schwierig, wenn man konkreter definieren soll, was denn nun Identität, Heimat, (Leit-)Kultur, Tradition und Geschichte sein soll, wenn man das ausbuchstabiert. Denn da gibt es auch im konservativen Lager verschiedene Interpretationen und Sichtweisen, die eben nicht monokulturell sind.Zu Weimer nur soviel: Was ich bisher gelesen habe, könnte man auch in 3 Sätze fassen. Für ein Manifest und Neubestimmung des Konservatismus etwas mager, aber ich habe zugegebenermassen noch nicht das ganze Manifest gelesen.Wie gesagt, ich bin mal gespannt, ob das als Startsignal für eine inhaltliche Bestimmun g für einen neuen Konservatismus und Neue Bürgerlichkeit gesehen wird oder die ganze Sache wieder im Sande verläuft und außer rhetroischen Blubberblasen nichts an die Oberfläche bringt und nur Altbekanntes wieder aufwärmt–das wäre dann allerdings sehr konservativ.