Demo gegen Wohnungsnot in Berlin-isolierter Einzelfall oder Beginn einer Massenbewegung?

Demo gegen Wohnungsnot in Berlin-isolierter Einzelfall oder Beginn einer Massenbewegung?

Gestern war eine Demo in Berlin gegen zu hohe Mieten und Gentrifizierung. 2016 und 2017 gab es auch schon solche Demos, aber es beteiligten sich gerade mal 100-300 Leute. Nun 14000 (laut Polizei)-25000 (laut Veranstalter). Nicht die üblichen Verdächtigen der Hausbesetzerszene und des autonomen Schwarzen Blocks, sondern einfache Bürger–junge und alte Paare, Familien mit Kindern, Rentner, Behinderte, etc. Mal sehen, ob sich die Demos ausweiten oder gar auf andere Städte überspringen. Bleibt abzuwarten, ob dies ein einmaliger Protest ist oder sich zur Massenbewegung ausweitet.

Die ersten Hausbesetzungen der Nachkriegszeit fanden Ende der 60er Jahre und in den 70er Jahren statt. Alte Häuser, die abgerissen werden sollten, wurden von zumeist linken Studenten“instandbesetzt“. So entstand z.B. auch in Frankfurt eine Hausbesetzerszene und ein radikales Biotop mit linksradikalen politischen Gruppen, Aussteigern, Hippies, Alternativen, zu denen auch der spätere Außenminister Joschka Fischer und seine militante „Putztruppe“ gehörten, die sich Straßenkämpfe mit der Polizei lieferten. Einige fanden darüber auch den Weg in den Terrorismus. Hausbesetzungen und Immobilienspekulation war ein heißes Thema damals, das auch im Theaterstück von Rainer Werner Fassbinder „Der Müll , die Stadt und der Tod“thematisiert wurde, wobei auf den damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Ignaz Bubis und seine Immobilienspekulationen angespielt wurde, was dem Stück auch den Vorwurf des Antisemitismus einbrachte.Michel Friedmann betätigte sich damals auch noch als bühnenstürmender Aktivist gegen das Stück.

In den 80er Jahren waren es vor allem einige Hunderte Hausbesetzer, die bundesweit für Schlagzeilen sorgten, etwa in der Hamburger Hafenstrasse, während in Bayern Strauss die Parole ausgab, dass kein Haus länger als 24 Stunden besetzt bleiben würde- und so geschah es auch im Freistaat. In den 80ern gab es auch studentische Demos gegen „Wohnklos“. Da aber die Hausbesetzer Linksradikale waren und die Demonstranten nur Studenten, die nur für sich, aber nicht für die Allgemeinheit Wohnungen forderten, blieb der Protest isoliert. Ja, BILD wetterte gegen die priviligierten, faulen Gammelstudenten, die mittags verhascht spät aufstehen, nichts arbeiten und nur an sich denken würden. In den 90er Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung gesellte sich zu den linken Hausbesetzern auch eine rechtsradikale Hausbesetzerszene dazu, die einander bekriegten und auch bald wieder auflösten im Laufe des Jahrzehnts. Aus einigen der Hausbesetzer wurden Hausbesitzer.

Diesmal scheint der Protest aber anders strukturiert. Bleibt auch abzuwarten, ob AfD und Rechtsradikale versuchen werden die Proteste zu kapern–vielleicht mit Slogans gegen Flüchtlinge: Wohnungen zuerst für Deutsche oder so. Seitens der rechten Parteien könnten dann die 890 000 Flüchtlinge und die im Zuge der EU-Freizügigkeit zugereisten ausländischen Mieter für die Wohnungsmisere verantwortlich gemacht werden, obgleich die ja schon zuvor existierte und dadurch verschärft wird. Dann wäre dies schnell eine Inländer-/Ausländerfrage, hieße es wie bei der NPD „Sozial geht nur national!“ mit Forderungen nach Massenabschiebungen, Begrenzung des Familiennachzugs, Einschränkung der EU-Freizügigkeit, Zuzugsstopp für schon dicht besiedelte Städte, Wohnungsgeld nur für Deutsche, Unterbringung der Flüchtlinge in Massenunterkünften, damit sie den Wohnungsmarkt nicht belasten anstatt soziale Forderungen wie Mietpreisbremse, sozialer Wohnungsbau, Bindung des Wohneigentums an die Gemeinnützigkeit des Grundgesetzes, gesetzliche Regulierung von Spekulationsobjekten, etc. Zu den Mietgeschädigten und Wohnungssuchenden kommen auch noch     650 000 Obdachlose in Deutschland, deren Not auch als naturgegebene Größe eines freien Marktes angesehen wird. Zudem käme eben dann wohl das obligatorische“Merkel muss weg“! Dass der neue Staatssekretär von SPD-Finanzminister Scholz da ehemaliger JuSo war und dann der Deutschlandchef von Goldmann Sachs, die ja auch bei Immobilienspekulationen mitmischen, könnte da der ideale Aufhänger sein. Aber der Wohnungsbauminister heißt Seehofer.Mal sehen, ob der auf den Protest reagiert oder abwartet in der Hoffnung, dass sich das wieder verläuft.Mit einer Demo im Jahr lässt sich ja gut leben als Politiker.

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