Linke Migrationsfantasien: Die Revolution soll einwandern-eine marxistische Position zum Streit in der Linkspartei

Linke Migrationsfantasien: Die Revolution soll einwandern-eine marxistische Position zum Streit in der Linkspartei

Der Parteitag der Linkspartei in Leipzig hat durch seinen Ablauf und seine Inszenierung endgültig bestätigt, dass radikale Open-Border-Linke und rationale Realsozialisten sich unversöhnlich gegenüberstehen, und – viel schlimmer noch – die Open-Border-Kippingianer jede Abweichung von der reinen Lehre im Geiste stalinistischer Tribunale strafen, wie es die Buhrufe auf Sahra Wagenknechts Rede mitsamt anschließender Aussprache in maoistischer Tradition von Kritik und Selbstkritik aufzeigen. Auch wenn im Leitantrag zum Parteitag nur noch die Rede von „offenen Grenzen“ statt von „offenen Grenzen für alle“ ist, hat diese Wortakrobatik die Situation weder befriedet noch entschärft, sondern vielmehr befeuert.

So interpretieren Wagenknechtianer und Kippingianer diesen Leitantrag jeweils gesondert voneinander, mit völlig divergierenden Auslegungen. Für Sahra Wagenknecht steht damit das Asylrecht für Flüchtlinge auch weiter nicht in Frage (was sie auch nie gefordert hat), sondern es adressiert vielmehr eine schrankenlose Wirtschaftsmigration als realpolitische Unmöglichkeit. Kippings Lesart gibt ein Spiegel-Interview wieder. Auf die Frage „Also gelten offene Grenzen auch für Arbeitsmigranten?“ antwortet sie recht unverblümt: „Ja klar. Sonst hätten wir ja hier nicht festgehalten, dass wir eine solidarische Einwanderungsgesellschaft wollen. Wir stehen an der Seite aller Entrechteten sowohl vor dem Jobcenter, am Werkstor und auf den Fluchtrouten.“

Der Co-Vorsitzende Riexinger toppt diese realpolitische Verweigerungshaltung noch, wenn er in einem geradezu surreal anmutenden Interview mit der Jungen Welt äußert: „Das [also offene Grenzen für alle Menschen] ist eine Frage unserer Identität als internationalistische Partei, die auf dem Parteitag klar entschieden wurde. Wir haben im übrigen viele Forderungen in unserem Programm, die sich vorerst nicht umsetzen lassen. Wir wissen, dass wir es nicht schaffen […] trotzdem fordern wir das“. Ergo: Wir wissen, dass das nicht geht, aber wir machen es trotzdem. Wie der Mann mit solch einer Geisteshaltung dreißig Jahre unbehelligt als Betriebsrat und Gewerkschaftsfunktionär arbeiten sowie Arbeitskämpfe führen konnte, stimmt einen wirklich nachdenklich.

Tobias Riegel fasst in seinem Beitrag für die NachDenkSeiten diese linke Misere recht prägnant zusammen: „Eine solche Haltung [zu offenen Grenzen für alle] hat mehr mit religiösen Diskursen gemein als mit einer Politik, die reale Veränderungen durchfechten will […] es gibt einen ganz offenen Widerspruch zwischen der Inanspruchnahme der ‚Vernunft’und der gleichzeitigen Negierung der Vernunft durch die – zugegebenermaßen – praktisch nicht umsetzbare Forderung der’offenen Grenzen für alle‘“. Und weiter: „Menschen, die auf diese Widersprüche hinweisen, werden oft mit moralisch grundierten Vorwürfen der ‚Unmenschlichkeit‘ bis hin zur infamen Unterstellung der AfD-Nähe zum Schweigen gebracht“. Die AfD-Keule als neuer Volksfeindbegriff, der die innerparteilichen Gegner von Kipping und Riexinger konditionieren soll; vorangetrieben von den linksliberalen Vasallen im Kippingschen Institut Solidarische Moderne.

Linke für den Wilden Westen

Was ich mich seit diesem linksutopistischen Fanal frage: Inwieweit kann man bei den Jüngern von Katja Kipping eigentlich noch von Marxisten, Sozialisten oder wenigstens Sozialdemokraten reden!? Ihr nach links umdekliniertes Prinzip der offenen Grenzen würde doch nicht nur bei Anhängern der Reagonomics Anklang finden, sondern jedem rassistischen Sozialdarwinisten Tränen in die Augen treiben. Der Wilde Westen, in dem das Recht des Stärkeren zählt und in dessen Wettlauf der Migration sich derjenige durchsetzt, der am zähesten und brutalsten seine Interessen durchsetzen kann. Was daran ist bitte links? Sind sie so nicht viel eher neoliberal und prokapitalistisch? Oder im schlimmsten Fall sogar sozialdarwinistisch und rassistisch?

Im Grunde zeigt sich doch, dass diese Leute, wenn sie auch Marx‘ Kapital und Lenins sowie Trotzkis Werke in ihrem überdimensionierten Bücherschrank nebst Curved-LCD-Fernseher und Apfel-Notebook stehen haben werden, dieser linken Standardliteratur wie auch dem kleidsamen „Che Guevara“-T-Shirt eher eine dekorative Funktion zuschreiben, und so jedes Buch ungelesen gleichermaßen vor sich hin vergilbt wie verstaubt.

Denn die Massenmigration infolge offener Grenzen, die uns als Humanismus, Einsatz für Geflüchtete und Sozialismus in Reinform verkauft werden soll, hat bereits Marx in seinem ersten Band des Kapitals in ihrer Gesamtheit analysiert. Es ist nichts anderes als das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Marx macht diese an einer industriellen Reservearmee fest, die sich durch Überbevölkerung bildet und so für das Kapital „das stets bereite exploitable Menschenmaterial“ schafft. Die Aufgabe diese Reservearmee ist es, „auf die aktive Arbeiterarmee“ zu drücken und „ihre Ansprüche […] im Zaum“ zu halten.

Floss diese Überbevölkerung zu Marx‘ Zeiten vom Land in die Städte, so tut sie dies heute von der Dritten in die industrialisierte Erste Welt. Wobei diese Überbevölkerung „mit einem Fuß stets im Sumpf des Pauperismus“ steht, das heißt, im modernen Prekariat der Lumpenproletarier, bestehend aus „Vagabunden, Verbrechern, Prostitutierten“. Der Vergleich mit der migrantischen Realität in Deutschland fördert zum Teil noch Erschreckenderes zu Tage.

„Akkumulation von Elend, Unwissenheit, Brutalisierung“

Daher fasst Marx dies in seinem Gesetz der kapitalistischen Akkumulation auch treffend mit zwei Axiomen zusammen: (1) „je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Überbevölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht“ und (2) „je größer endlich die Lazarusschicht der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus“.

Marx war also bereits vor hundertfünfzig Jahren klar, was die Konsequenzen für die Arbeiter und Arbeitslosen sein wird, wenn Heerscharen weiterer arbeitsfähiger Konkurrenten die Gesellschaft überbevölkern. Es ist die „Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation“.

Dass Kippings Entourage dies nicht berücksichtigt, sondern diesen unseligen Zustand auch noch aktiv befördern will, kann nur einen der drei folgenden Gründe haben. Marx verstaubt tatsächlich ungelesen in ihren Bücherschränken, sie sind selbst neoliberale Kapitalisten oder, was Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten vermutet, die Linkspartei wird fremdgesteuert. Das mag zwar sehr verschwörungstheoretisch klingen. Wenn man sich aber in Erinnerung ruft, wie die Piratenpartei bereits erfolgreich von bestimmen linken Kreisen zersetzt und demontiert worden ist, liegt es nahe zu vermuten, dass dies auch hier der Fall sein wird oder zumindest könnte.

Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Ich würde sogar behaupten, dies sind exakt dieselben Kreise, die die Piraten zerlegt haben. Antifanten und hedonistische Linksliberale, für die Internationalismus und Sozialismus zugleich Gott und Goldenes Kalb ist. Also im Grunde Vulgärrevolutionäre. Geradezu beispielhaft sind hierfür die Karrieren der ehemaligen Piratinnen Julia Schramm und Anne Helm, die mit ihrem Bombergate und plumpdümmlicher antideutscher Rhetorik wie „Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei“ bereits in exponierter Position die Piraten desavouiert haben und nun, prominent platziert, gleiches bei der Linkspartei tun.

Einwanderung als Beschleuniger der Revolution

Was diese Menschen eint, ist der unverbrüchliche Glaube, dass die Zeit für die sozialistische Revolution längst reif ist und ihnen ihre ummasozialistischen Brüder im Geiste im Zuge der Masseneinwanderung schon behilflich sein werden. So klingt es auch im Leitantrag an, den der Parteitag mit überwältigender Mehrheit angenommen hat: „Nach der Oktoberrevolution 1917, 100 Jahre nach der Novemberrevolution in Deutschland und der Einführung des Frauenwahlrechtes, 200 Jahre nach Marx‘ Geburt erinnern wir daran: Gesellschaft wird von unten verändert. Von den vielen Menschen, die sich mit den Gegebenheiten nicht mehr abfinden und ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen. Wir gehören zu ihnen, wir sind Teil von ihnen und bringen sie zusammen.“

Und weiter: „Die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche erfordern dringend eine andere, antikapitalistische Politik, die auf soziale, ökologische, demokratische, integrative und friedliche Umgestaltung setzt […] für eine soziale, friedliche und gerechte Gesellschaftsordnung brauchen wir einen grundlegenden Richtungswechsel, einen ganz neuen Weg, der die Eigentumsfrage in den Fokus rückt.“ Hierbei sehen sie sich ganz bei Marx und Engels.

Denn Engels schrieb ja, Marx referenzierend, schon im Vorwort zur englischen Ausgabe des Kapitals im Jahr 1886 über das hochindustrialisierte England, „daß, zumindest in Europa, England das einzige Land ist, wo die unvermeidliche soziale Revolution gänzlich mit friedlichen und gesetzlichen Mitteln durchgeführt werden könnte“. Diesen Grundsatz versuchen sie nun auf Deutschland zu übertragen. Ihr gesetzliches Mittel ist hierbei das Einwanderungsgesetz der Kipping-Getreuen, das offene Grenzen rechtssicher zementieren und so die „soziale Revolution gänzlich mit friedlichen und gesetzlichen Mitteln“ durchführen soll.

Dass die Zeit reif sei für eine neue Revolution, prophezeite Leo Trotzki 1938 in seinem „Übergangsprogamm“:

„Die wirtschaftlichen Voraussetzungen der proletarischen Revolution ist schon seit langem am höchsten Punkt angelangt, der unter dem Kapitalismus erreicht werden kann. Die Produktivkräfte der Menschheit stagnieren. Die neuen Erfindungen und die technischen Fortschritte dienen nicht mehr dazu, das Niveau des materiellen Reichtums zu erhöhen. Unter den Bedingungen der sozialen Krise des ganzen kapitalistischen Systems laden die Konjunkturkrisen den Massen immer größere Entbehrungen und Leiden auf. Das Anwachsen der Arbeitslosigkeit vertieft wiederum die finanzielle Krise des Staates und unterhöhlt die erschütterten Geldsysteme. Die Regime – die demokratischen wie die faschistischen – taumeln von Bankrott zu Bankrott.“

Bürgerkrieg statt Frieden auf dem Weg zum Sozialismus

Jedoch kommt Trotzki in seiner „Permanenten Revolution“ von 1928 zu ganz anderen Schlüssen als die „friedlichen“ Sozialrevolutionäre Kipping und Riexinger:

„Der sozialistische Aufbau ist nur auf der Basis des Klassenkampfes im nationalen und internationalen Maßstabe denkbar. Unter den Bedingungen des entscheidenden Übergewichts kapitalistischer Beziehungen in der Weltarena wird dieser [Klassen-] Kampf unvermeidlich zu Explosionen führen, d.h. im Inneren zum Bürgerkrieg und außerhalb der nationalen Grenzen zum revolutionären Krieg. Darin besteht der permanente Charakter der sozialistischen Revolution“.

Was sich in der revolutionären Praxis dann wie folgt fortsetzt:

„Die sozialistische Revolution beginnt auf nationalem Boden, entwickelt sich international und wird vollendet in der Weltarena. Folglich wird die sozialistische Revolution in einem neuen, breiteren Sinne des Wortes zu einer permanenten Revolution: sie findet ihren Abschluß nicht vor dem endgültigen Siege der neuen Gesellschaft auf unserem ganzen Planeten.“

Der Missbrauch von Massenmigration und damit die Inkaufnahme von millionenfachem Leid und Tod auf den migrantischen Wegen durch die Sahara und das Mittelmeer sowie der Versklavung in arabischen Despotien zur Forcierung des Klassenkampfes in Deutschland ist es, was uns die Kippingsche soziale Revolution bringen soll. Jeder Tote kann und wird da nur ein Kollateralschaden für das hehre Ziel „der neuen Gesellschaft auf unserem ganzen Planeten“ sein. Ob die Migranten (oder wir) das so wollen, interessiert dabei nicht. Und mit Sicherheit gilt eines nicht, dass nämlich diese „soziale Revolution“ in irgendeiner Weise „friedlich“ sein oder ablaufen wird.

Diese „Klassenkämpfer“ mögen sich in ihren Augen für Sozialisten und wahre Marxisten halten, doch in Wirklichkeit sind sie revolutionäre Glücksritter, kindliche Linksradikale, die nie erwachsen geworden sind und keinen Blick für die Realität oder die Menschen haben, die sie mit ihren Utopien beglücken wollen. Selbst Gregor Gysi stimmt bereits in den Chor der Internationalisten ein, wenn er in seiner Parteitagsrede sagt:

„der Internationalismus der Linken […] ist eine zentrale Frage. Bekämpfe ich nur Armut in meiner Gesellschaft oder weltweit? Streite ich für Chancengleichheit nur in meiner Gesellschaft oder weltweit? Kann man überhaupt von sozialer Gerechtigkeit sprechen, wenn sie an der eigenen Landesgrenze stoppt? Kann man überhaupt von Chancengleichheit sprechen, wenn sie nur in einem Land gilt? Ist der Internationalismus nicht eine zwingende Voraussetzung, wenn man für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit eintritt?

Vulgärrevolutionäres Lebensgefühl

Dieses vulgärrevolutionäre Lebensgefühl der Kipping-Linken hat Lenin bereits 1920 in seinem Werk „Der Linke Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus“ eindrücklich beschrieben. Dieses Werk hat an seiner Aktualität nichts eingebüßt und ist auch heute noch sehr lesenswert. Dort hat er die verschiedenen Auswüchse eines linken Sektierertums, das hauptsächlich um sich selbst kreist und irrationale Maximalforderungen aus dem Elfenbeinturm zur sozialistischenRealität umdeutet, in aller Deutlichkeit kritisiert.

Dass dieses Werk bei den Delegierten der Linkspartei offenkundig in völlige Vergessenheit geraten ist, ist eigentlich verwunderlich, priesen sie die russische Oktoberrevolution von 1917 doch in einem Beschluss: „Die Oktoberrevolution war die erste siegreiche Revolution mit sozialistischer Orientierung“. Aber wie das kleidsame Guevara-T-Shirt wird wohl diese sozialistische Reminiszenz auch nur nostalgische Folklore gewesen sein, statt tatsächlicher Auseinandersetzung.

So schreibt Lenin: „die Unbeständigkeit dieses Revolutionarismus, seine Unfruchtbarkeit, seine Eigenschaft, schnell in Unterwürfigkeit, Apathie und Phantasterei umzuschlagen, ja sich von dieser oder jener bürgerlichen Modeströmung bis zur ‚Tollheit‘ fortreißen zu lassen – all das ist allgemein bekannt“. Diese „Phantasterei“ und „sich von dieser oder jener bürgerlichen Modeströmung bis zur „Tollheit“ fortreißen zu lassen“, ist auch beim Parteitag deutlich geworden, wenn man sieht, mit welcher Vehemenz die jungen, urbanen Hipsterlinken Sahra Wagenknecht attackiert haben.

Engels‘ Aussagen zu den dreiunddreißig „blanquistischen Kommuneflüchtlinge[n]“ referenzierend, heißt es bei Lenin weiter: „Die Dreiunddreißig sind Kommunisten, weil sie sich einbilden, sobald sie nur den guten Willen haben, die Zwischenstationen und Kompromisse zu überspringen, sei die Sache abgemacht, und wenn es, wie ja feststeht, dieser Tage ‚losgeht‘ und sie nur ans Ruder kommen, so sei übermorgen der Kommunismus eingeführt‘ […] Kindliche Naivität, die Ungeduld als einen theoretisch überzeugenden Grund anzuführen!“. Und auch das ist uns beim Parteitag begegnet, „kindliche Naivität“ in Form eines „guten Willen[s]“ zu offenen Grenzen für alle, die dann, wenn die LINKE denn einmal „ans Ruder kommt“, im „Kommunismus eingeführt“ wird.

Offene Grenzen als unbedingte Progressivität

Lenin brandmarkt diese sektiererische Kompromisslosigkeit noch an vielen weiteren Stellen als „kindliche Naivität“: „Kompromisse ‚prinzipiell‘ abzulehnen, jedwede Zulässigkeit von Kompromissen, welcherart sie auch seien, schlechthin zu verneinen, ist eine Kinderei, die man schwerlich ernst nehmen kann“.

Und dass diese radikale Kompromisslosigkeit, wie sie die Kipping-Getreuen predigen, auch nichts weiter als ein altbekanntes Phänomen ist, wird an einer Aussage von Sylvia Pankhurst deutlich, die Lenin nur noch als „sonderbar“ deklarieren konnte: „Die Kommunistische Partei darf keine Kompromisse eingehen … Sie muß ihre Lehre rein und ihre Unabhängigkeit vom Reformismus unbefleckt erhalten. Ihre Mission ist es, ohne haltzumachen oder vom Wege abzubiegen, direkt zur kommunistischen Revolution vorwärtszuschreiten“. Diese Aussage von Sylvia Pankhurst könnte genauso gut von Kipping oder Riexinger stammen.

Schließlich schreibt Lenin der politischen Linke folgendes ins Stammbuch:

„Der linke Doktrinarismus versteift sich darauf, bestimmte alte Formen unbedingt abzulehnen, weil er nicht sieht, daß der neue Inhalt sich durch alle nur denkbaren Formen Bahn bricht, daß es unsere Pflicht als Kommunisten ist, alle Formen zu meistern und es zu lernen, mit maximaler Schnelligkeit eine Form durch die andere zu ergänzen, eine Form durch die andere zu ersetzen, unsere Taktik einer jeder solchen Änderung anzupassen, die nicht durch unsere Klasse oder nicht durch unsere Anstrengungen hervorgerufen worden ist“.

Offene Grenzen als unbedingte Progressivität zu verkaufen, als Internationalismus und Sozialismus, der den Weg in die Zukunft weist, wobei alles andere (Sozialstaat, Nationalstaat) rückständig und reaktionär sei, ist nichts anderes als „linker Doktrinarismus“, damals wie heute. Vielleicht würde uns all dies erspart bleiben, wenn diese Epigonen einmal den Unterschied zwischen der kindischen Postulierung der Utopie zur Realität und der marxistischen Analyse eben dieser Realität erfassen würden.

Wie hat es der Vater des italienischen Marxismus und Professor für theoretische Philosophie, Antonio Labriola, einst so treffend in seinen „Essays on the Materialist Conception of History“ formuliert:

„Our doctrine does not pretend to be the intellectual vision of a great plan or of a design, but it is merely a method of research and of conception. It is not by accident that Marx spoke of his discovery as a guiding thread, and it is precisely for this reason that it is analogous to Darwinism, which also is a method“.

In Labriolas Augen gibt der Marxismus nicht vor, eine intellektuelle Vision eines großen Plans zu sein, vielmehr sei er eine Forschungsmethode, ein Leitfaden, vergleichbar mit der wissenschaftlichen Methode des Darwinismus. Die Kippingianer scheinen dies jedoch genau umgekehrt zu sehen. Für sie ist der Marxismus tatsächlich die intellektuelle Vision eines großen Plans. Kein Wunder also, dass sie vornehmlich Utopien umsetzen wollen, statt aus der Analyse der Realität adäquate politische Schlussfolgerungen zu ziehen.

Eben diese Substitution marxistischer Analysefähigkeit durch plumpen Vulgärradikalismus geben Katja Kipping und Bernd Riexinger in den eingangs erwähnten Interviews mit dem Spiegel bzw. der jungen Welt ja freimütig zu, wenn sie einerseits fordern in „eine[r] solidarische[n] Einwanderungsgesellschaft […] an der Seite aller Entrechteten […] auf den Fluchtrouten“ zu stehen und andererseits „wissen, dass wir es nicht schaffen […] trotzdem fordern wir das“

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