China und die Frage: Wie aufgeklärt ist die Aufklärung?

China und die Frage: Wie aufgeklärt ist die Aufklärung?

Während oft gesagt wird, dass der Islam im Gegensatz zum Christentum die Aufklärung nicht durchgemacht habe, so stellt sich auch die Frage, inwieweit dies im Falle Chinas und anderer Länder der Fall ist und was man unter Aufklärung versteht und ob die Aufklärung überhaupt so aufgeklärt war. China ist konfuzianisch geprägt, also autoritär, wenngleich nicht religiös im konventionellen Sinne. Denn der Konfuzianismus ist keine monotheistische Weltreligion und auch mehr weltlich, ohne Gottesbezug, wenngleich Konfuzius und Buddha in Tempeln gottähnlich gehuldigt wurde. Der Konfuzianismus hatte aber ein starkes Bildungsideal, das sich bis heute in den konfuzianisch geprägten Ländern Asiens erhalten hat. Eine gewisse Säkularisierung ist insofern eingetreten, da der Konfuzianismus, wie der Daoismus nicht Religionen waren, mit seinen quasireligiösen Zügen unter Sun Yatsens Kuomindang und Maos KP China aufgeräumt wurde. Hierbei wurde aber stark der säkulare Autoritarismus, sowie der Nationalismus propagiert–ähnlich wie im islamischen Raum bei Attatürk, Ghaddafi, Nasser, Assad und den jungen Offizieren. Um Mao wurde ein Personenkult betrieben, der daran anknüpfte und quasireligiöse Züge hatte. Mao wurde zum Gott erhoben.Einige sprechen in der Tradition Erich Vögelins auch im Falle des Kommunismus und Maos, Stalins, Kims, Ho Chiminhs, Pol Pots oder beim Faschismus  von politischen Religionen, säkularen Religionen, also Ideologien. Man muss unterscheiden zwischen wissenschaftlicher und politischer Aufklärung.

Die KP China ist aufgrund des Marxismus eine Partei im Sinne des wissenschaftlichen Sozialismus und des Materialismus. Dennoch hat auch der Marxismus religionsähnliche Züge, wie etwa die Heilserwartung und Erlösungsideologie des historischen Materialismus, der teleologisch das Kommen eines Paradieses auf Erden in Form einer klassenlosen Gesellschaft unter der Führung einer Avantgardepartei und dem revolutionären Subjekt, der Arbeiterklasse und ihrer Vorhut, der Kommunistischen Partei verspricht. Ähnlich heute auch wieder Xi Jinping, der geschichtsteleologisch den Aufstieg Chinas unter seiner Führung automatisch kommen sieht. Insofern also auch wieder antiaufklärerisch und irrational, aber diese quasireligiösen Ideen waren auch schon in Hegels Dialektik und seinem Weltgeist mit der Ideologie von auserwählten Führungsvolkern, die diesen Weltgeist dann irdisch verkörpern, in Hegels Fall dem protestantischen Preußen angelegt, die dann von Marx unter anderem materialistischen Vorzeichen und der Arbeiterklasse als materialistischen Weltgeist auf den Kopf gestellt wurde.

Man vergesse auch nicht, dass die Vorreiter der Aufklärung, die Jakobiner und Robbespierre eine Terrorherrschaft errichteten, zumal Robbespierre dann die Göttin Vernunft anbetete und ihr eine Statue errichten liess. Auch Teile der Aufklärer hatten quasireligiöse Züge, da sie von einer objektiv bestimmbaren Wahrheit ausgingen, die durch die Vernunft erschließbar ist. In diesem Absolutheitsanspruch, die objektive Wahrheit zu kennen und ihr mit allen Mitteln zum Durchbruch zu verhelfen, liegt eigentlich der Kern des Totalitarismus, der keine selbstzweifelnde, reflektiernde, relativistische , pluralistische Denkweise zulässt, wie sie der Kern der eigentlichen Aufklärung in unserem heutigen Sinne von Liberalismus und Gewaltenteilung ist, noch die Verhältnismäßigkeit der Mittel oder die Würde des Menschen beachtet.

Man siehe, selbst viele aufgeklärte Aufklärer waren gar nicht so aufgeklärt. Auch der Terreur und das Aufkommen Napoleons zeigten, dass es selbst in Frankreich mit der politischen Aufklärung nicht so weit war. Der Kapitalismus führt zu einer gewissen Verwissenschaftlichung und Ökonomisierung des Denkens, aber auch dies bewahrt nicht vor unaufgeklärten Gedanken. Aufklärung nur mit dem Einzug eines wissenschaftlichen Weltbildes und der Absenz von Religion gleichzusetzen, ist ein sehr verengender und technologischer Begriff von Aufklärung. Zumal eben auch die Wissenschaft ideologische Züge annehmen kann.  Wissenschafter behaupten über empirisch meßbare, verifizierbare Wahrheiten zu verfügen, insofern nicht Meßfehler vorliegen. Dies übersieht zum einen, dass selbt naturwissenschaftliche Studien und Messungen aufgrund ökonmischer und ideologischer Interessen gefälscht, deren Interpretation und deren Einstellen in einen Kontext auch interessengeleitet sein können.

Zudem Wissenschaftlichkeit auch nicht vor Totalitarismus bewahrt. Denn auch Wissenschaftler oder politische Interpreten wissenschaftlicher Erkenntnisse müssen nicht zwangsläufig einem liberalen, demokratischen Weltbild anhängen, sondern der Mediziner kann die menschliche Gesellschaft als biologischen Organismus begreifen, dessen politische Opposition dann ein Krebsgeschwür oder Virus ist, den es zu entfernen ginge, der Kybernetiker kann dysfunktionale Subsystem ausmachen, die eliminiert gehören oder der Maschinenbauer geht von der Gesellschaft als einer Maschine aus, dessen Rädchen total funktionieren müssen, um höchste Leistungen und Drehzahlen zu erhalten, wie auch der Astrophysiker oder Ökologen dann doch wieder an göttliche Wesen oder Mutter Erde glauben kann oder aber den Mensch als unwesentlichen, unwichtigen Teil einer kosmologischen höheren Ordnung sieht.

Es gibt auch Islamisten, die ein naturwissenschaftliches Studium absolvierten und trotzdem ein islamofaschistisches Regime anstreben wie z.B. Erbakan und seine Wohlfahrts-/Refahpartei, der an der TU Aachen Maschinenbau studierte. Der Sozialdarwinismus wie der Neoliberalismus sind da Beispiele für deren autoritäre Ausformung von Wissenschaftlichkeit mit ihrer Vergötzung des Darwinschen Überlebenskampfes und der Vergötzung des Marktes, wie umgekehrt der Marxismus mit seiner Verteufelung des Marktes. Man vergesse auch nicht, dass die Rassenlehre auch lange Zeit wissenschaftlich begründet und legitimiert wurde, wie auch der lineare Fortschrittsglauben oder nun extreme Gegenströmungen im Namen des Ökologismus. Wissenschaftliche Aufklärung, die Absenz der Religion bedeutet noch lange nicht politische Aufklärung, kann auch oftmals das Gegenteil sein. Bassam Tibi spricht auch von „halber Aufklärung“ im Falle von Entwicklungsdikaturen.

Es bliebe also auch zu fragen: Wie aufgeklärt war eigentlich die Aufklärung? Selbst die Berufung auf wissenschaftliches Denken bewahrt vor irrationalem Glauben und Ideologien im Namen der Wissenschaft nicht. Von daher ist Aufklärung im eigentlichen Sinne politische Aufklärung, Pluralismus, Liberalismus, Gewaltenteilung, die einen Wettbewerb der Gedanken zulässt und auch die Korrektur von Fehlern mittels Begrenzung der Macht und dem Zulassen von Alternativen .

In China herrscht ein autoritäres Sytem, das nie die politische Aufklärung durchmachte, dem Gewaltenteilung völlig fehlt und das nun wieder droht durch die Ersetzung der Einparteienherrschaft durch die Einmannherrschaft Xi Jinpings wieder in eine totalitäre Richtung zu gehen. Und das China mit Aberglauben und Autoritarismus selbst unter der KP China nie aufgeklärt wurde, zeigt das Aufkommen der Falungong, die nahtlos an diese Traditionen anknüpft, die zumal anfangs von der KP China bis 1998 sogar gefördert und toleriert wurde, eine manichistisch-endzeitlich- fundamentalistisch- autoritäre Organisation ist. Es zeigt, dass eigentliche Aufklärung im Sinne von Demokratisierung, Gewaltenteilung, Individuum, Liberalismus, etc. in China fast nicht existent ist, zumal alle Ansätze dahingehend 1989 am Platz des Himmlischen Friedens blutig mit Panzern unterdrückt wurden.  Viele Experten waren der Ansicht, dass infolge der Zulassung von Marktelementen in China und dem Einzug des Kapitalismus China nun aufgeklärter würde, da Deng Maos „Rot statt Fachmann“ und die Planwirtschaft zugunsten der sozialistischen Marktwirtschaft abgeschafft habe, was eine Entideologisierung und eine gewisse Aufklärung bedeute.

Zumal die Kräfte des Marktes dann eine Mittelschicht aufkommen lassen würden, die liberal wäre und ihre politischen Rechte einfoirdern und eine Liberalisierung, wenn nicht gar Demokratisierung Chinas nach sich ziehen würde. Ökonomische Mitte wurde gleichgesetzt mit politischer Mitte, so als würde ein mittleres Einkommen schon automatisch eine liberale Gesinnung bedeuten. Ähnlich wie im Marxismus die Arbeiterklasse als historisch-revolutionäres Subjekt im teleologischen historischen Materialismus gesehen wurde, so in dieser westlich-liberalen Demokratisierungsideologie die Mittelschichten. Diese telelogische Ideologie des Demokratismus zeigte sich auch in Fukuyamas liberaler Endzeitschrift „Das Ende der Geschichte“, in der er einen Siegeszugs der liberalen Demokratie weltweit kommen sah wie dies früher die Kommunisten mit dem geschichtlich automatischen Kommen des Kommunismus glaubten. Ebenfalls gingen Demokratieideologen davon aus, dass Mittelschichten automatisch liberal und kosmopolitisch seien und sich nicht wie das deutsche Bürgertum und die Mittelschichten nationalistisch, chauvinistisch, militaristisch gebärden können, wie im Wilhelminischen Deutschland und im „Der Untertan“von Heinrich Mann beschrieben. Oder wie im Falle des Faschismus und Nationalsozialismus durch die „Radikalisierung der Mitte“ im Lipsettschen Sinne geschehen oder nun eben im Falles des weltweiten Aufkommens rechtspopulistischer und rechtsradikaler Parteien oder Politiker. Man sieht also, wie wenig aufgeklärt selbst der Liberalismus und seine Demokratismusideologen waren.

In China ist die säkular-demokratische Opposition recht isoliert, marginalisiert durch die Krise des Liberalismus und der Demokratie im Westen, durch das sich totalisierende Regime der KP China, zumal die Falungong eine ebenso antiaufklärerische fundamental-religiöse, antimaterialistische und totalitäre Führerorganisation mit Personenkult ist. Die Chancen für eine kulturelle und politische Aufklärung in China stehen schlecht, da China nie eine liberale Aufklärung durchlebte und Xi Jinping seine Gedanken nun als neue Ideologie in die Verfassung schrieben liess, die Amtszeitbegrenzung streichen hat lassen, ein totalitäres soziales Bonussystem einführen will, was eine Ideologisierung und Totalisierung Chinas gleichkommt Zumal die Opposition in Form der Falungong ebenso eine fundamentalistisch-religiösen Totalitarismus bedeuten würde.

Die Niederschlagung der demokratischen Bewegung von 1989 in China ist vergleichbar mit der Niederschlagung der demokratischen Revolution 1848 in Deutschland. Danach folgte der Autoritarismus und Deutschland als aufstrebende Weltmacht wurde zunehmend nationalistischer, chauvinistischer und militaristischer, zudem dann auch Faschsimus und Kommunismus als Diktaturen folgten, die Weimarer Republik die kurze Ausnahme wurde und erst nach dem 2. Weltkrieg eine liberale Demokratie in Europa Einzug hielt, die mit der 68er Studentenbewegung ihre eigentliche Demokratisierung erfuhr. Inzwischen aber sind die Kräfte des Liberalismus, der politischen Aufklärung weiter auf dem Rückzug,, zumal eben auch die Wahl Trump deutlichstes Zeichen dafür ist, zumal dieser nun selbst die Wissenschaft angreift, weswegen es auch „Marches for Science“inzwischen gibt.

 

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