Der Kampf um Afrika-„Shitholes“oder Zukunftsmarkt?

Der Kampf um Afrika-„Shitholes“oder Zukunftsmarkt?

Interessant die Berichterstattung über Afrika. Gestern noch Berichte über Merkels Afrikabesuch in Nigeria, Senegal und Ghana, heute ein langer Bericht über Chinas Engagement in Afrika und Befürchtungen, dass China dem Westen Afrika wegnehmen könne. Trotz ansonstigen apokalyptischen Schwanen- und Untergangsgesängen, sieht man Afrika scheinbar immer noch als primäre Einflusssphäre und Besitzstand Europas und des Westens, der nun von China gestohlen werden könnte. Nicht nur die Angst vor dem schwarzen Mann, sondern nun zugespitzt durch die gelbe Gefahr. Zudem ein FAZ-Kommentar, der dazu aufruft Afrika als Chance zu begreifen, die vielen positiven Entwicklungen zu sehen, die zahlreichen wachstumsstarken afrikanischen Länder in den Fokus zu nehmen, wie auch zu sehen, dass Europa in Sachen Korruption bei vielen Balkan-, ost- und südeuropäischen Staaten ebenso eine negative Bilanz hat, weswegen sich europäischer Hochmut verbiete. Verweise auch auf die sich entwickelnde urbane Mittelschicht, die immer mehr Bildung erfahre, immer augeklärter und liberaler werde, weniger Kinder in die Welt setze und inzwischen auch auf das ländliche Afrika ausstrahle.

Bezeichnend ist, dass die EU bisher immer noch keine ausgearbeitete Afrikastrategie hat und Afrika im Rahmen der US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsstrategie wie auch Europa kaum erwähnt wird.Die Afrika-Strategie der Europäischen Union sieht sehr allgemein einen Fleckenteppich an Massnahmen vor: Sie beinhaltet zahlreiche Aktionspläne für Regierungen, Binnenmärkte und die Zivilgesellschaft sowie für Umwelt, Kultur und Wissenschaft. Zudem werden verschiedene Kooperationsmodelle zwischen den Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union und der EU etabliert.

In Europa ist Merkel die exponierteste Vertreterin für Afrika. Das zeigte sich schon beim G-20-Gipfel, als sie einen Afrikaplan initierte, wie nun auch bei ihrer Afrikareise, wobei ihr da ja der Vorwurf gemacht wurde sich eher um Afrika zu kümmern als um Deutschland und ihr dies auch als Fluchtreise vor Chemnitzer Unruhen ausgelegt wurde, obgleich der Tatsache, dass die Afrikareise schon monatelang zuvor geplant war.

Sekundiert wird sie dabei von Entwicklungsminister Müller (CSU) und Außenminister Heiko Maas (SPD). Parallel zu Merkels Westafrikabesuch, bei der sie auch die Kooperation mit der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas fördern will, beginnt an diesem Montag im Auswärtigen Amt in Berlin eine Geberkonferenz für die Anrainerstaaten des Tschadsees in Afrika. Außenminister Maas zeigt sich besorgt über die Lage in der Region. In der Gegend spiele sich „eines der größten humanitären Dramen unserer Zeit“ ab, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Region sei „zum Tummelplatz für Gruppen wie Boko Haram und Isis geworden, die auch für unsere Sicherheit in Europa eine Bedrohung sind“. Man könne sich nicht erlauben, wegzuschauen, „wenn die Nachbarn unserer Nachbarn destabilisiert werden“.

Zu den Anrainerstaaten des Sees gehören Kamerun, Tschad, Niger und Nigeria. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind 2,3 Millionen Menschen in der Region binnenvertrieben, mehr als 200 000 auf der Flucht. Mehr als zehn Millionen Menschen seien auf humanitäre Hilfe angewiesen.Die zweitägige Geberkonferenz beginnt am Montag in Berlin. Sie widmet sich unter anderem Fragen der Stabilisierung und der Entwicklungszusammenarbeit in der Region. Im Auswärtigen Amt beraten Vertreter der Anrainerstaaten gemeinsam mit Mitarbeitern von regionalen und UN-Organisationen. Gastgeber der Konferenz sind Deutschland, Nigeria, Norwegen und die Vereinten Nationen.

Dennoch steht das deutsche Engagement vor allem mit Blick auf Migration und Bekämpfung von Fluchtursachen, wobei die EU-Landwirtschaftspolitik auch im Ruf steht die bäuerlichen Existenzen Afrikas zu ruinieren, nebst EU-Hochseeflotten und Leerfischung der Fischgründe Teil des Flüchtlingsproblems zu sein und unfaire Freihandelsabkommen mit Afrika zu unterhalten. Der deutsche Ansatz präferiert sogenannte Leuchtturmprojekte, die auf wenige afrikanische Staaten mit  good governance, Demokratieförderung und gutem Investitionsklima für deutsches Kapital als Leuchttürme und nachahmenswerte Länder aus dem Kontinent herausstechen. Damit unterscheidet sich der deutsche Ansatz vom französischen und britischen, die auch in der Kooperation mit autoritären Regimen keine Skrupel haben und hier mehr realpolitisch denn werteorientiert denken., wenngleich dies eine idealtypische Zuspitzung ist.

China hingegen hat den gesamte Kontinent im Auge, hat kein Leuchtturmprojekt, sondern sein Engagement umfasst den gesamten Kontinent, macht keine Unterscheidungen zwischen demokratischen und autoritären Regierungen, hat auch keine Bedenken in Sachen Menschenrechten, Umweltzerstörung und Korruption. Für China ist ganz Afrika sein Leuchtturmprojekt. China sieht in Afrika zum einen seine zukünftige verlängerte Werkbank, was erklärt, dass chinesische Firmen massiv in Afrika investieren und Kredite vergeben, um dies in der globalisierten Wertschöpfungskette als Niedriglohnproduktionsstandort zu nutzen. Viele neue Produktionsstandorte folgen dem chinesischen Beispiel seiner Sonderwirtschaftszonen in den 80ern, in denen etwa aus dem Fischerdorf Shenzhen heute eine blühende Metropole geworden ist.

Zudem ist Afrika Teil der Neuen Seidenstrasse und China baut Tausende Kilometer von Strassen, Zugverbindungen und massig Infrastrukturprojekte, Kraftwerke, Staudämme, Bewässerungskanäle, ganze Städte wie in Angola und Aufforstungsflächen zur Begrünung der Wüsten, zumal es auch in Sachen erneuerbarer Energien führend ist, da China inzwischen neben den USA und der EU der weltgrösste Produzent von Solaranlagen und Windkraftanlagen ist, die es auch exportieren möchte. China hat inzwischen mit einem Handelsvolumen von 170 Milliarden US$ die USA und ehemalige Kolonialmacht Frankreich als wichtigste Handelspartner Afrikas abgelöst. Die USA, Indien, Japan und Australien, der sogenannte Quadrilateral Dialogue (Quad) hat nun als Gegenprojekt zu Chinas Neuer Seidenstrasse einen Asia-Africa-Development-Corridor , ein Infrastrukturprojekt beschlossen, doch konzentriert sich dieser mehr auf Asien denn auf Afrika und ist erst in den Anfängen, wobei die Finanzierung und Koordinierung noch auf schwachen Füßen, zumal unter Trumps „America-First“-Vorbehalt steht.

Natürlich sind die Bodenschätze und das Öl-/Gas auch ein wichtiger Motivationsgrund, aber ebenso für westliche Firmen und Länder, aber eben nicht ausschließlich. Afrika ist für China der Baustein für seine Neue Seidenstrasse, neuer Niedriglohnsproduktionsstandort für chinesische multinationale Konzerne, Markt und Rohstofflieferant zugleich, wenngleich Afrika bisher kaum nach China exportiert, sondern die Handelsverhältnisse sehr einseitig laufen und Afrika eher die Stellung eines Zwischenglieds bei den globalen chinesischen Produktions- und Wertschöpfungsketten zur Belieferung der amerikanischen, europäischen und asiatischen Märkte einnimmt und einnehmen soll.

Der Afrika-China -Gipfel in Peking , bei dem Xi Jinping nun Investitionen von 60 Mrd. Euro zugesagt hat, zeigt, dass China Afrika weltweit am meisten Beachtung schenkt, während Trump Afrika mehr oder weniger abgeschrieben hat und dessen Staaten als „shitholes“bezeichnete, sowie nun mit Südafrikas Regierung einen Streit über die Enteignung weißer Farmer und deren angeblicher Ermordung losgebrochen hat. Dabei handelt es sich bei den angeblichen Enteignungen zumeist um legale Aufkäufe schwarzer Farmer von Grundstücken weißer Farmer und Morde an weißen Farmern sind sehr marginal, Zustände wie in Mugabe-Zimababwe sind fern, was Trump in den Verdacht bringt, hier eher Stimmung bei white supremacists, schwarzenhassenden Rassisten und Rechtsradikale machen zu wollen.Zumal Südafrika neben Nigeria das wachstumsstärkste afrikanische Land ist und mit China auch Mitglied der BRICS-Gruppe. Der US-amerrikanische Imagevorteil des ersten afroamerikanischen und schwarzen US-Präsiedenten Obama, der auch in Afrika Jubelstürme auslöste, hat sich nun in das Bild eines amtierenden angry white man und weißen Rassisten verkehrt, der von afrikanischen Staaten nur als „shitholes“spricht.

Interessant ist auch, dass der Afrika-China-Gipfel nun erstmals ein Militärforum eingerichtet hat. China unterhält nebst anderen Staaten in Dschibouti am Horn von Afrika seinen ersten Militärstützpunkt und gedenkt weitere MiIlitärkooperationen mit anderen afrikanischen Staaten aufzunehmen, auch als Sicherheitsgürtel für seine  Neue Seidenstrasse und Investitionsschutz. Damit wird China immer mehr in Konkurrenz mit den USA und ihrem AFRICOM-Kommando in Stuttgart geraten, das Afrika vor allem unter dem Aspekt der Islamismusbekämpfung sieht. Desweiteren ist vor allem noch Frankreich militärisch aktiv in seinen ehemaligen Kolonialgebieten und hat Deutschland mit Frankreich auch seinen Malieinsatz zur Bekämpfung islamistischer Milizen, wie sie die Sahel-G5-Truppe unterstützen, sowie mittels Antipirateneinsätzen vor der Küste Somalias aktiv sind. Als Operationen zu nennen sind vor allem „Atalanta“, „Ocean Shield“ und der „Combined Task Force 151“: den Anti-Piraterie-Operationen unter Führung von EU, Nato und den USA, an denen auch Bundeswehr-Fregatten beteiligt sind. Seit die multinationalen Marineverbände in der Region die Handelsflotten beschützen, Kriegsschiffe und Kampfhubschrauber gegen die Piraten einsetzen, deren Camps, Boote und Ausrüstung zerstören, sinkt die Zahl der Angriffe drastisch. Die Handelsschiffe ihrerseits haben meistens auch aufgerüstet und private, bewaffnete Sicherheitsteams angeheuert.und bei der Unterstützung von Truppenentsendungen der Afrikanischen Union beitragen. Zudem werden auch Militäropoerationen der Afrikanischen Union diplomatisch, finanziell und logitisch unterstützt. Afrika wird da eher als Sicherheitsrisiko gesehen.

Anders als die USA und großteils Europa vermittelt China den afrikanischen Staaten und Kontinent den Eindruck, dass es an seine Zukunft glaubt, bei allen Schwierigkeiten und Problemen Afrika als Chance begreift und auch zur Lösung der Probleme der Unterentwiclung seinen Teil beitragen will und eher Optimismus verbreitet.

Anders als etwa die EU, die Afrika aufgrund ihrer geographischen Nähe vor allem als Migrationsbedrohung, Krisenkontinent und Projektionsfläche für Untergangsängste weißer Männer sieht. Europa, das eher eine paternalistische Haltung gegenüber Afrika hat, die dieses vor allem nur als Bezieher von Entwicklungs-, AIDS und Hungerskastrophenhilfe bei den alljährlichen karikativen Weihnachtsaktionen christlicher Missionarsstiftungen oder Benefizkonzerte westlicher Musikprominenz ala LIVE AID oder Bono von U 2 sieht, der auch mal zu einem Schwätzchen mit Angela Merkel eingeladen wird. Auch wird China nicht in Verbindung mit ertrinkenden Afrikanern im Mittelmeer, dem Aufkommen nationalistischer und rassistischer Parteien wie in den USA und Europa und KZ-ähnlichen Flüchtlingslagern ala Lybien, die von der EU unterstützt werden, gebracht und hat China wie Osteuropa auch nicht den Makel der westeuropäischen Kolonialmächte Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Portugal und Belgien, deren Grenzziehung und kolonialistisches Wirken bis heute noch negativ nachwirken. Zwar würde China in der Flüchtlindfrage auch nicht anders handeln, aber das Bild vom menschenverachtenden Europa bleibt. Zudem zehrt China immer noch von seinem Nimbus als ehemaligem Entwicklungsland und einstmaligem Kämpfer gegen Kolonialismus, Apartheid und Imperialismus des Westens und nun als Erfolgsstory eines ehemaligen 3.-Weltlandes, das den Sprung in die globale Weltliga geschafft hat, dem man nun nacheifern will. Also als nachahmenswerte Erfolgsgeschichte- und modell, einstiger Kampfgefährte der Vergangenheit und potentieller Partner der Zukunft zugleich, was die afrikanische Befürchtungen vor einem chinesischen Neokolonialismus und Langgrabbing relativiert und dämpft.

 

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