Militarisierung der Flüchtlingsfrage?

Militarisierung der Flüchtlingsfrage?

Der “Wehrsprecher” der FPÖ, Reinhard Bösch, hat endlich die geniale Lösung des Flüchtlingsproblems gefunden und mutig ausgesprochen:Man müsse – militärisch natürlich – in Nordafrika (in Libyen am besten) ein Stück Land erobern und besetzen, um dann dort unsere “Anlandeplattformen” für Flüchtlinge aus Schwarzafrika einrichten zu können.

“Wenn es uns nicht gelingt, Anlandeplattformen in Nordafrika zu errichten, zum Beispiel in Libyen – wenn wir in Libyen mit der einen Regierung das nicht organisieren können, müssen wir es halt mit der anderen libyschen Regierung organisieren.

Und wenn das nicht funktioniert, dann ist das auch nach meiner Auffassung mit verschiedensten militärischen und polizeilichen Kräften einfach durchzuführen.

Also einen Raum in Besitz zu nehmen vonseiten der Europäischen Union, ihn zu sichern, dort auch Versorgungseinrichtungen für diese Menschen einzurichten und dann diese Menschen zurückzubringen in ihre Heimatländer.”

(…)

“Praktisch natürlich mit militärischen Kräften einen Raum in Besitz nehmen, ihn sichern, dort Versorgungseinrichtungen für diese Menschen bereitstellen und sie dann in ihre Heimatländer zurückbringen (…).

Eine Besetzung auf Zeit, das wird nur eine Besetzung auf Zeit sein müssen, weil wenn einmal klar ist, dass die Flucht über das Mittelmeer nicht eine Eintrittskarte nach Europa bedeutet, dann wird auch dieser Flüchtlingsstrom abebben.”

https://derstandard.at/2000086710079/Mitschnitt-von-Boesch-Interview-Bereich-in-Nordafrika-in-Besitz-nehmen

Damit ist er keineswegs ein Einzelfall und die Diskussion in der Flüchtlingspolitik nimmt eine bedrohliche Tendenz zu deren Militarisierung. Das italienische Parlament diskutierte schon vor einem Jahr einen italienisch-europäischen Militäreinsatz gegen nordafrikanische Staaten, speziell Lybien, um dort eine Regierung unter EU-Verwaltung zu errichten, die die Flüchtlingslager verwaltet und den Flüchtlingsstrom lenkt und abriegelt. Zudem kommen neben Flüchtlingsfragen auch noch die Erdölinteressen ins Spiel, da die italienische Eni mit der französischen Total, der deutschen BASF-Tochter Wintershall und US-amerikanischen Ölmultis  um die Kontrolle der Erdölfelder Lybiens kämpft und die jeweiligen Parteien unterschiedliche Milizen zur Kontrolle der Flüchtlinge und der Ölreserven unterstützen. Vor allem tritt hier innereuropäisch der Machtkampf zwischen Italien und Frankreich zutage, im ökonomischen Falle zwischen Eni und Total.

Auch die italienische Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta (M5S) schob die Verantwortung für die bewaffneten Konflikte Frankreich zu. „Es ist nicht zu leugnen, dass sich Libyen heute in dieser Situation befindet, weil jemand im Jahr 2011 seine eigenen Interessen über diejenigen der Libyer und von ganz Europa stellte“, schrieb die Ministerin der Fünf-Sterne-Bewegung auf Facebook. „Frankreich trägt eine Verantwortung, darüber können wir nicht hinwegsehen.“

Seit Monaten beschuldigt die italienische Regierung den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, in Libyen ohne Absprache mit den andern EU-Partnern Fakten zu schaffen. Ende Mai 2018 hatte Macron die Kontrahenten Sarradsch und General Khalifa Haftar nach Paris eingeladen, um einen Fahrplan für libysche Parlamentswahlen im kommenden Dezember abzustimmen. Für die italienische Regierung, die Libyen als ihren kolonialen Hinterhof betrachtet, kommt dieses Vorpreschen Macrons einer unzulässigen Einmischung gleich.

Im Gegensatz zu Italien arbeitet Frankreich eng mit General Haftar zusammen, der das Gegenparlament in Tobruk vertritt. Die Libysche Befreiungsarmee LNA, die Haftar kommandiert, kontrolliert weitgehend den Ölhalbmond an der Nordostküste Libyens. Haftar wird außerdem von den Regionalmächten Ägypten, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate unterstützt, während Katar, Iran und die Türkei hinter der von den UN anerkannten „Einheitsregierung“ von Sarradsch stehen.

Salvini setzt auch deshalb auf Sarradsch, weil er dessen libysche Küstenwache als zentralen Baustein zur Abschottung des Mittelmeers vor Flüchtlingen benötigt. Erst vor kurzem hat Italien ein Bündnis mit der Einheitsregierung über die Ausstattung der Küstenwache mit Waffen, Logistik und Marinebooten über mehrere Millionen Euro abgeschlossen.

Schon seit 2014 hat Italien seine militärische Präsenz in Libyen ausgebaut. Die italienische Armee unterhält heute eine 350-köpfige Militäreinheit in Misrata, deren Aufgabe offiziell darin besteht, ein Militärlazarett zu sichern. In Wirklichkeit ist sie von der italienischen Regierung beauftragt, in Libyen „bestimmte sensible Punkte zu schützen, darunter die Ölquellen“. Auch soll sie die libysche Küstenwache als Türsteher Europas ausbilden, um – egal um welchen Preis – die Migranten von Europa fernzuhalten.

Die Konflikte zwischen Frankreich und Italien gehen auf den NATO-Krieg gegen Libyen vor sieben Jahren zurück. Damals bombardierte die Nato den funktionierenden Staat Libyen in Schutt und Asche und ließ sein Oberhaupt, Muammar al-Gaddafi, brutal ermorden. Seither zerfällt das Land in Chaos und Bürgerkrieg.

Italien hatte die Nato-Intervention zunächst abgelehnt, die von Frankreich, den USA und Großbritannien ausging. Der italienische Regierungschef Silvio hatte mit Gaddafi erst 2008 einen Vertrag abgeschlossen, der die Konflikte über die Verbrechen der italienischen Kolonialherrschaft gegen eine geringe Entschädigung beilegte und der italienischen Ölindustrie privilegierte Handelsbeziehungen mit Tripolis einräumte. Gaddafi hatte sich außerdem verpflichtet, afrikanische Flüchtlinge an der Flucht nach Europa zu hindern.

Im Verlauf des Kriegs änderte Italien allerdings seine Haltung, um bei der Verteilung der Beute nicht leer auszugehen. Es stellte logistische Unterstützung und die Abschussrampen auf Sizilien für den Krieg zur Verfügung. Dennoch machen italienische Politiker immer wieder Frankreich wegen seiner treibenden Rolle im Krieg von 2011 für die Flüchtlingskrise verantwortlich. So bezeichnete Roberto Fico (M5S), Präsident der Abgeordnetenkammer, die libysche Situation als ein „ernstes Problem, das uns Frankreich hinterlassen hat“.

Neben den öfteren Forderungen Frontex auch militärisch zu unterstützen, um das Mittelmeer gegenüber Flüchtlingen wasserdicht zu machen wie dies etwa die AfD im Bundestag vor dem letzten NATO-Gipfel als neue NATO-Aufgabe forderte, sind diese Ideen nicht nur auf Deutschlands, Österreichs und Italiens Rechtsradikale beschränkt. So forderte auch Ex-Außenminister Sigmar Gabriel in einem Interview einen europäischen Militäreinsatz in Lybien, um die KZ-mäßigen Flüchtlingslager dann der EU-Verwaltung zu unterstellen und in Lybien eine stabile Zentralregierung nach europäischem Gusto zu etablieren.

Freilich haben diese Forderungen glücklicherweise bisher noch keine Aussicht auf Erfolg, da in Europa die meisten Bürger Militärinterventionen noch ablehnend gegenüberstehen und auch befürchten, dass man sich da wie die USA in Vietnam,  Afghanistan und Irak in einen außenpolitischen Sumpf begibt, in dem man dann glorreich untergeht. Selbst, wenn die ÖVP-FPÖ-Regierung nun den EU-Ratsvorsitz hat, ist es unwahrscheinlich, dass sich in Europa Mehrheiten für Militärinterventionen ergeben werden.  Zumal dies vom „Wehrsprecher“ der FPÖ geäußert wurde, Kurz noch nicht sein Einverständnis erklärt hat und Österreich wahrscheinlich in der EU nicht allzuviele Unterstützer für eine Militärintervention finden würde, auch wenn es sich nur um die Besetzung eines kleinen Stück Lands handeln sollte, da die Situation doch eskalieren und großflächiger werden könnte..Aber bei erneuten Flüchtlingswellen könnte sich die Stimmung ändern, zumal daneben auch noch handfeste ökonomische Interessen hinzukommen.

Schon im Umfeld des arabischen Frühlings forderte der heutige Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD, Alexander Gauland in einem außenpolitischen Papier den Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan, da sie nur US-Interessen und keine deutschen Interessen am Hindukusch verteidigten, um im nächsten Atemzug dann Militäreinsätze der Bundeswehr in Nordafrika „von Tunis bis Bengasi“zu fordern. Wohlgemerkt strich Gauland dann diese Passage für sein neues Afrikakorps, da er merkte, dass selbst AfD-Wähler dies ablehnten und auf Nachfragen erklärte er, es habe sich mal wieder nur um ein Mißverständnis gehandelt und er nur logistische Unterstützung, aber keine Militärintervention gemeint. Zwar betont Gauland, dass deutsche Außenpolitik „mit Blut und Eisen“gemacht gehöre, weiß aber dass er dies nicht zu oft und zu laut äußern darf, da die Deutschen doch eher einem Nachkriegspazifismus aufgrund der letzten beiden deutschen Weltkriege fröhnen und man seinen Militarismus nicht zu klar aussprechen sollte.

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