US-EU-Handelskrieg nach einem Trump-Xi-Handelsdeal-ist Merkel zu „vorlaut“?

US-EU-Handelskrieg nach einem Trump-Xi-Handelsdeal-ist Merkel zu „vorlaut“?

Das tägliche Börsenfernsehen hofft auf ein Handelsabkommen zwischen den USA und China, das einen Handelskrieg abwendet. Doch der Chefredaktuer des Münchner Merkur Georg Anastasiadis weist richtig darauf hin, dass sollte es zwischen Trump und China zu einem Handelsabkommen kommen, dies die Europäer nicht beruhigen kann, da er sich im nächsten Zug dann der EU und vor allem Deutschland zuwenden wird. Merkel dahingehend zu kritisieren, dass sie „vorlaut“sei , wie etwa bei ihrer Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz und Trump damit ansporne, trifft jedoch nicht den Kern. Auch wenn AKK oder Merz deutscher Kanzler wäre, würde die Konfrontation auch nicht ausbleiben, da Deutschland eben europäische Führungsmacht und Weltexportmeister ist. Merz hat als nun abgewählter Chef des Atlantic Council auch nur Kontakte zu dem vom Trump so verachteten alten Establishment, weswegen dies auch nichts ändern würde. Eine Nahles, ein Maas oder ein Gabriel wären noch vorlauter. Zudem sollte man sehen, wenn man Trump gegenüber „kleinlaut“wäre, nicht auch mit EU-Sanktionen drohen würde, er dies als Zeichen der Schwäche sehen würde, ja ihn dies erst recht anspornen dürfte.

Aber auch China könnte sich nicht zurücklehnen, wenn es zwischen EU und den USA zu einem Handelsstreit käme. Einmal wäre es dadurch auch ökonomisch betroffen, zweitens wäre ein Abkommen zwischen Xi und Trump auch nicht ein ewig gültiges Abkommen, sondern ein vorübergehender Waffenstillstand. Trump will China klar als Weltmacht Nr. 2 hinter den USA, seine Rolle als Weltexportmeister und kommender Hitechgrossmacht mittels des Made in China 2025-Programms einbremsen und rückgängig machen. Ebenso will er Deutschland und die Rolle der EU als Weltexportmeister und weltpolitischen global player zurechtstutzen und den USA unterordnen. Nur dies wird er als „Sieg“gelten lassen. Fraglich, ob China und die EU dazu bereit sind. Es steht zu befürchten, dass die Weltwirtschaft noch vor einer längeren Periode von Handelskonflikten steht, insofern Trump nicht abgewählt wird. Zumal die Anti-Chinapolitik inzwischen in den USA auch einen breiten parteiübergreifenden Konsens vorfindet, wenngleich Demokraten und auch die meisten Republikaner Deutschland und Europa nicht als Gefahr für die „nationale Sicherheit“sehen, wie dies der merkantilistische Geoökonom Trump tut, der nicht nur in militärischen Bedrohungen, sondern vor allem in konkurrierender Wirtschaftskraft und europäischen und deutschen Autos und nicht Raketen die wesentliche Bedrohung der USA sieht. Demokraten, Republikaner und die meisten US-Wirtschaftseliten würden lieber eine gemeinsame Anti-Chinafront mit der EU aufmachen anstatt den Westen so nachhaltig zu schwächen, zumal die Chinaeuphorie der vergangenen Jahrzehnte in Europa deutlich am Abklingen ist und auch Deutschland, Frankreich und der BDI China auch zunehmend als Konkurrenten wahrnehmen.

Anastasiadis schrieb mir noch:

 

Lieber Herr Ostner,

danke für den Leserbrief, den ich gut nachvollziehen kann. Lassen Sie mich nur einen Gedanken genauer erläutern: Wer Trump kritisiert, sollte das aus einer Position der Stärke heraus tun, sonst schaden wir uns nur selbst. Stark ist Deutschland aber nur, wenn es für Europa spricht. Und das tut es nicht mehr: Die Briten sind nur mit ihrem Brexit beschäftigt, Frankreich ist uns wegen North Stream und anderem gram, Italien sowieso auf Konfrontationskurs. Seien wir doch ehrlich: Deutschland ist in einer Position der Schwäche, hat mit Migration, Energiewende, Brexit usw. riesige Baustellen offen – da ist es besser, mehr diplomatische Zurückhaltung zu üben, statt eine dicke Lippe zu riskieren. Unter uns: Für mich pflegt Merkel nur ihr Ego als Führerin der multilateralen Welt. Aber sie hat kein gutes Blatt. Die Europäer werden sich im Autostreit nicht mit uns solidarisieren, sondern ihren eigenen Vorteil suchen. So wie Merkel (Migration, Energie) ja auch immer einen deutschen Sonderweg gegangen ist.

Viele Grüße,

Georg Anastasiadis

Daraufhin kommetierte ich:

Lieber Herr Anastasiadis,

diesen Einwand lasse ich gelten. Faktisch befindet sich Deutschland und die EU momentan und allgemein in einer Position der Schwäche.Von daher stellt sich dann doch wieder die Frage, ob man so großsprecherisch auftreten sollte, zumal das dann doch recht durchsichtig ist. Umgekehrt ist es aber auch richtig, dass Deutschland versucht die EU gegen einen Handelskrieg mit Trump zu formieren, denn trotz aller Differenzen dürfte doch ein gemeinsames ökonomisches Interesse gegen US-Strafzölle aller Europäer bestehen–ist man sich in Migrationsfragen und anderem uneinig, so glaube ich doch, dass man in Sachen Handelsstreit mit den USA ein gemeinsames ökonomisches Interesse hat

Vielleicht ist meine These, dass die Europäer ein gemeinsames ökonomisches Interesse gegen US-Strafzölle hätten vielleicht auch auf Sand gebaut. Trump wird ja nicht gegen alle Branchen Straffzölle errichten, sondern sich vor allem auf die Autoindustrie, die im wesentlichen die Autobauernationen Deutschland, Frankreich und Italkien treffen wird, sowie EU-Länder mit hohem Autozulieferer- und produktionsvolumen (wie etwa Orban-Ungarn, bei dem ja die ausländische Autoproduktion 1/3 der Wirtschaftskarft ausmacht) treffen. Gutmöglich, dass da ein Spaltkeil reingetrieben wird. Umgekehrt denke ich mir aber, dass etwa die EU in Sachen Brexit dann wieder ungewöhnlich geschlossen als Einheitsfront auftritt, wenn es um ökonomische Interessen geht. Die Frage ist also, inwieweit eine solche Einheitsfront dann auf einen Handelskonflikt mit den USA übertragbar ist.

Wie gesagt: Autobauernationen sind Deutschland, Frankreich und Italien. Ungarn, Tschechische Republik, Spanien, Portugal und andere Länder haben jedoch bedeutende Zweigwerke dieser Autokonzerne, so dass man hier schon von einem gemeinsamen Interesse ausgehen könnte. Zudem ja selbst die amerikanische Autoindsutrie und breite Teile der US-Wirtschaft von Trumps Idee nicht begeistert sind. Ebenso hat Trump ja bei seinem Treffen mit Juncker zuerst einmal eingelenkt als bei den Midterm Elections die EU selektive, gut dosierte Sanktionen androhten und möglicherweise will er den Handelkonflikt mit China vorerst nicht allzuweit eskalieren lassen, da der Wahlkampf in den USA gerade begonnen hat und die negativen Auswirkungen auch Trumps Wechselweähler abschrecken könnten.Ebenso müsste klar sein, dass wenn Trump mit seinen Strafzöllen gegen Autos durchkommt,  das Rückgrat der EU gebrochen ist und man diese dann auch schnell auf andere Bereiche und noch schwächere Länder ausweiten könnte.Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Interessant aber auch ein anderer Aspekt: Wenn der Handelsstreit zu den Europawahlen kommt, könnte dies sogar wieder die Position der Proeuropäer stärken, insofern sie sich eben nicht spalten und auseianderdifferieren lassen. Trump könnte versuchen durch die Verknüpfung von politischen und ökonomischen Fragen einen Spaltkeil hineinzubringen, indem er etwa die NATO-Ausgaben der Mitglieder und Nord Stream mit den Autostrafzöllen verbindet. Doch dies versuchte er auch schon bei den Strafzöllen bei Aluminium und Stahl und hatte damit bei der EU keinen Erfolg.

Nicht vergessen: Als Juncker das letzte Mal zu Trump reiste und ihm mit EU-Sanktionen wegen der Stahl- und Aluminiumstrafzölle drohte, hatte Juncker das Votum aller 28-EU-Staaten, auch des Nochmitglieds GB. Fraglich, ob dies dann bei Autozöllen anders wäre.Zudem hat Trump daraufhin gleich einen Rückzieher gemacht, da seine Wählerschaft da sehr sensibel reagierte. Mag die EU als Wertegemeinschaft uneinig sein, so scheint sie doch als Wirtschaftsgemeinschaft, wenn es um den Binnenmarkt und ums Geld geht, sehr einig. Also: Schwächeposition bei der Wertegemeinschaft, Stärkeposition bei der Wirtschaftsgemeinschaft.Das sollte man berücksichtigen–der Euro und eine eventuelle Finanzkrise können diese Einigkeit jedoch wieder schwächen.

Bei aller Kritik an Merkel, so ist doch ihr neuer Vorschlag mit Macron eine europäische Industriestrategie zu versuchen, goldrichtig. Schon Altmeiers industriestrateigsches Papier für Deutschland und Europa war da wegweisend, auch wenn Merkur-Herausgeber Dirk Ippen als erklärter Gegner von Industriepolitik, der Strauss als Staatskapitalisten bezeichnet hier auch wieder als Neoliberaler „zuviel Staat statt Markt“nebst anderen Marktradikalen wittern wird. Die deutsche und europäische Industriepolitik haben dafür gesorgt, dass es eine nennenswerte deutsche und europäische Luft- und Raumfahrtindustrie gibt- von Tornado bis Eurofighter, von ESA bis Arianne, Airbus und Gallileo. Da diese im Falle der neuen Technologien in den 80, 90ern und Folgejahren ausblieb, verfügt Deutschland und Europa eben über keine grossen IT-Konzerne, die es mit Microsoft, Google, Amazon, Tencent, Baidu, Alibaba,etc. aufnehmen könnten. Mit Ausnahme von SAP gibt es nur viele kleine hidden chmapions, die jedoch global gar nicht mithalten können und eher Gefahr laufen wie viele start-ups von US- und chinesischen IT_-Konzenrnen aufgekauft zu werden. Daher ist eine solche europäische Industriestrategie längst überfällig, wenn sie nicht gar zu spät kommt.

Ebenso wäre zu überlegen, wie die EU die 16 plus 1-Gruppe der ost- und südeuropäischen Staaten, die inzwischen schon ein Vorhof undBrückenkopf der chinesischen Neuen Seidenstrasse geworden sind, wieder aus dem chinesischen Einflussbereich löst. Interessant ist, dass nun das US-nahe Polen mittels seiner Drei-Meeres-Initiative, der inzwischen 12 Länder angehören hier ein Gegengewicht zu China setzen will und der alten polnischen Strategie des Intermarium des sozialistischen polnischen Diktators Pilsudski aus den 20er und 30er Jahren folgt. Polen, dem Deutschland nicht nur wegen Nordstream 2 zu russlandfreundlich ist, versucht hier eine Art Cordonne sanitaire und Sperrriegel zwischen Deutschland, der EU und Russland zu formieren und hofft dabei auch auf US-Unterstützung, wie es auch schon den USA anbot 2 Mrd. Euro pro Jahr für die Stationierung von US-Truppen in Polen ganz an der NATO vorbei zu zahlen. Hier sollte man handeln, bevor sich solche Trends verstetigen oder auch auf US-amerikanische Gegenliebe stossen. Besser wäre es, wenn Deutschland und Frankreich in der EU dahinwirken, dass diese sich abzeichnende Spaltung Europas mittels eines eigenen einigenden gigantischen Infrastruktur- und Digitalisierungsprojekts, einer europäischen Seidenstrasse Marco Polo 2.0 wieder aufgehoben wird und auch europäische Staaten ohne EU-Mitgliedschaft angebunden und assoziiert werden können. Dabei wäre auch darauf zu achten, dass eine europäische Seidenstrasse nicht nur einige wenige Prestigeobjekte baut, sondern eine eher nachhaltige Struktur erhält.

1) Inwieweit kann eine neue europäische Seidenstrasse überhaupt ökologisch nachhaltig und nicht solch eine Resourcenverschwendung und Umweltzerstörung wie Chinas Neue Seidenstrasse sein?

2) Wie soll eine neue europäische Seidenstrasse finanziert werden?

3) Entspricht eine neue Seidenstrasse nicht der üblichen Wachstumsideologie?

Zu 1) Indem sie den Verkehr über die Schiene stärkt, also weg von nur Autobahnen und Flughäfen, zudem auch neben der Förderung von einigen Großstrecken vor allem eine regionale Verkehrs- und Mobilitätsstruktur schafft, die auch mehr den regionalen Handel und regionale Wirtschaftskorridore , vor allem in strukturschwachen Regionen, v.a der 16-plus 1-Staaten, die noch als Chinas Einflußsphäre in Europa bestehen, fördert, die neueste Technologie einsetzt, sowie anders als China auch die Umwelt- und Artenschutzverträglichkeit in Betracht zieht. Zudem eine digitalisierte Infrastruktur, die auch das Stadt-Landgefälle ausgleicht.

Zu 2) Entweder durch eine Europäische Infrastrukturinvestitionsbank (EIIB) nach Vorbild der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), den Europäischen Strategischen Investitionsfonds und / oder durch Kofinanzierung mit der Europäischen Investitionsbank und der Umverteilung und Erhöhung des EU-Budgets für konkrete Ziele . Wichtigwäre erst eine politische Einigung über die Ziele zu erreichen, dann daraus hervorgehender Haushalt und nicht umgekehrt: erst Haushalt erhöhen und sich dann darüber zerstreiten, welche Projekte und Ziele man überhaupt will–am Anfang steht der politische Einigungsprozess über die konkrete Ausgestaltung der Europäischen Seidenstrasse und dadurch ein vereinigendes europäisches Projekt, dessen Finanzierung man nach der politischen Einigung gemeinsam angeht-wenn alle wissen, was konkret gefördert und gebaut wird, sind auch alle bereit sich daran zu beteiligen).

Zu 3) Nein, da sie vor allem auf nachhaltiges, regionales und qualitatives Wachstum und nicht auf quantitatives, gigantomanisches , prestigeträchtiges, resourcenineffizientes und ökologisch negatives Wachstum einiger weniger Großprojekte setzt.

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