Kommentare zum Interview mit General a.D. Domroese

Kommentare zum Interview mit General a.D. Domroese

Sehr geehrte GR-Redaktion,

in dem Interview mit General a. D. Domroese wird unter anderem auch eine Neue Ostpolitik diskutiert. Diese nimmt für sich in Anspruch, dass sie ein neues Denken verkörpere und den Konflikt mit Rußland durch die Umgestaltung der Ukraine und Weißrußlands zu Pufferstaaten lösen könne. General a.D. Domroese weist richtig darauf hin, dass man Pufferstaaten eigentlich zwischen zwei feindlich gesinnten Blöcken oder Staaten errichtet und dies eigentlich erst recht das alte Denken verkörpere und perpetuiere. Umgekehrt verschweigt aber General a.D. Domroese, dass es gerade die Expansionsbestrebungen der EU und der NATO waren, die zu der Ukrainekrise führten und hier unsensibel gegenüber russischen Interessen verfahren wurde. Insoweit würde eine Neue Ostpolitik doch wieder Sinn machen, insofern man die Pufferstaatenlösung als vertrauensbildende Übergangslösung sieht, die auch nicht endgültig ist, zumal ja beide Pufferstaaten auch als Brücke zwischen EU und Eurasischer Union dienen könnten. Vielleicht wäre der Widerspruch auflösbar, wenn man nicht von Pufferstaaten, sondern von neutralen Brückenstaaten konzeptionell spricht.

Sehr geehrtes GR,

das Interview habe ich mit großem Interesse gelesen und die meisten Aussagen von General Domroese machen Sinn. Dennoch erscheint er mir etwas von US-amerikanischen Zweckoptimismus getragen, denn Trump bedeutet für die NATO sehr wohl eine ernsthafte  Herausforderung und Infragestellung derselben. Ebenso ist es  auch durchaus denkbar, dass eine Le Pen doch einmal in Frankreich die Macht übernimmt, sollte der inzwischen an Strahlkraft verlierende Hoffnungsträger Macron abtreten .Von daher sind derartige Szenarien keineswegs nur spekulativ, sondern man muss sehr wohl einen Plan B haben und auch worst case-Szenarien andenken. Le Pens Wahl ist zwar im  Moment unwahrscheinlich, aber eine neue Finanzkrise oder eine Eurokrise können für eine andere Stimmung in Frankreich sorgen. Man hielt ja auch die Wahl Trumps zuerst für ausgeschlossen. Also unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Auch hierauf sollte man vorbereitet sein, da man sonst paralysiert und ohne Kleider dasteht. Schon in einem früheren Interview äußerte Herr Domroese, dass die Demokratie den Amerikanern quasi genetisch angeboren sei, hier nun auch bei den Franzosen. Scheinbar ein NATO-Genetiker, der gute Mann. Sich nur auf diesen Optimismus auf gute Amigene zu verlassen, ist aber zu kurz gesprungen, zumal er auch zugesteht, dass er da falsch liegen könnte. Was dann? Hier fehlt die Antwort. Es bleibt eine offene Frage! Deutsche Atomwaffen als extremste Option? Fraglich aber, ob das politisch (innen- wie außenpolitisch)  überhaupt durchsetzbar wäre und nicht alle gegen Deutschland aufbringen würde?

Sehr geehrter Global Review,

ein Interview, das Mut macht und Domroese jr. gehört wie sein Vater Domroese sen. noch zu jenen überzeugten und standhaften Transatlantikern, die sich klar und eindeutig zu den Werten und den Stärken des Westens bekennen. Hingegen scheint Global Review und der Fragesteller etwas zu sehr von der „German Angst“ verschreckt zu sein, Appeasement gegenüber Putin das Wort zu reden und nicht das nötige Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zu haben, das gerade in turbulenten geopolitischen Krisenzeiten dringend von Nöten ist. Kritisches Denken ist notwendig, aber zuviel Skeptizismus und zuviel Selbstzweifel sind selbstzerstörerisch und sie bewirken genau das, was man damit eigentlich verhindern will. Wir haben Nationalsozialismus und Kommunismus überwunden. Warum dann solche Bedenken, dass wir dies nicht auch gegenüber Putin schaffen können?!  Auch nach der Weltwirtschaftskrise 1929 schwadronierten alle vom Untergang der USA und des „Kapitalismus“—bekanntlich kam es anders.

Wertes Global Review,

die Ausführungen des Ex-NATO-General Domroese erscheinen mir vollends widersprüchlich. Zum einen betont er die Werte des Westens und dessen vermeintlliche Stärke. Zum anderen befürwortet er eine „Friedens“lösung mit den Taliban und einen Abzug der NATO aus Afghanistan. Während mit Putin keine Kompromisse möglich sein sollen, soll man Vertrauen in die islamistischen Machomassenmörder, Frauenunterdrücker  und mittelalterlichen Steinzeitdiktatoren der Taliban haben. Was für ein „Frieden“wäre das? Ein Friedhofsfrieden, vor allem auf Kosten der Frauen. Vielleicht ist ihm das als Mann und Krieger egal. Die Taliban kommen gleich hinter dem Islamischen Staat, was Menschen- und Frauenrechte angeht. Den Islamischen Staat hat man besiegt, mit den Taliban soll man „Frieden“schliessen?   Was geschieht dann mit den vielzitierten Werten und vor allem mit den Frauen Afghanistans? Dagegen ist ein Macho wie Putin eher ein harmloser Softie. Und mit der Stärke der USA ist es auch nicht mehr so weit her. Bodentruppen trauen sich die Amerikaner nirgendsmehr einzusetzen. Der Rückzug aus Syrien und Afghanistan offenbart doch ihre Schwäche. Zudem ging es bei der Frage nicht darum, ob die USA keine Kriege mehr führen könnten, sondern noch imstande wären, einen neuen Grossmachtskrieg zu führen, der sich auch leicht zu einem neuen Weltkrieg ausweiten könnte. Da sind doch Zweifel mehr als angebracht. Auch in Fragen Werteorientierung, Menschen- und Frauenrechten und doppelten Standards.

Sehr geehrter GR,

in dem Interview kann man sehen, wie neu Fragen im Zusammenhang mit IT-Technologien, Cyberwar und damit verbundenen Themenkomplexen noch sind. Möglicherweise kennt sich ein pensionierter General da ebenso wenig aus wie Angela Merkel bezüglich des Internets. Neuland. Es ist schade, dass die Themen Cyberwar, Cybersecurity und etwaige Cybersecurityabkommen nur ganz oberflächlich und kurz tangiert werden, obgleich sie einen immer zentraleren Stellenwert auch innerhalb des Militärs und von Kriegen haben werden. Und zwar weit über das Hacken von Bundestagscomputern oder solch noch harmlosen Kleinangriffen hinaus. Vielleicht kann GR dieses Thema einmal vertiefen und einen IT-Experten interviewen.

Sehr geehrter GR,

das Interview mit einem ehemaligen NATO-General könnte man als übliche NATO-Propaganda abtun, zumal mit der üblichen Werterhetorik. Zudem der General die sich verschiebenden Kräfteverhältnisse scheinbar nicht wahrnehmen will, die es mit China und anderen autoritären Staaten gibt. Anders als im Kalten Krieg, in dem der Westen noch ökonomische wie auch militärische Überlegenheit hatte, verfügen die heutigen autoritären Staaten bereits über ca. die Hälfte des Welteinkommens und das recht erfolgreiche Modell eines autoritären Kapitalismus samt Wohlstandsgewinnen statt Mangelwirtschaft. Es klingt wie der trotzige Schwanengesangs eines „angry white man“, der sich mit der schwindenden Macht des Westens und den Übergang zu einer multipolaren Weltordnung nicht abfinden will. Die eigentlich interessante Passage in dem Interview ist der Satz, dass Teltschiks Vorschläge nachdenkenswert seien .Zwischen den Zeilen wird also Kritik an der Sinnhaftigkeit des 2%- NATOziels angedeutet, sowie Telschtiks in seinem Buch „Russisches Roulette“ skiziierte neue Russlandstrategie nicht als Putinversteherei reflexartig abgelehnt. Das ist schon bemerkenswert für einen „Kalten Krieger“. Dennoch verbleibt der General bei seinem mantrahaften Bestehen auf dem Minsker Abkommen. Möge er darauf bestehen, aber damit allein ist es nicht getan. Russland sollte ein strategisches Angebot gemacht werden, um Anreize für es zu schaffen, das Minsker Abkommen zu erfüllen .Ohne solche „incentives“ besteht auch keine Aussicht auf eine Verhaltensänderung, es sei denn man hofft, dass Besseres nach Putin kommen wird und man den Konflikt nur standhaft aussitzen müsse. Um den Preis eines neuen Kalten Krieges samt Wettrüsten eben.


Comment

As a Western political analyst, I share Gen. Domroese‘s arguments. Europe needs to rethink its security capabilities. It is high time to do it. For the sake of time, I will pick up only one major aspect from the excellent interview.  

I share the General’s doubts concerning a realistic functioning of a common European army. There is no consensus among European nation states on a command structure without NATO and without the US. I simply believe that the US will obstract any attempts by its European allies to create independent defence structures. The East Europeans mistrust Germans and French in defence questions. They want to be protected only by the US.  In other words: the Transatlantic bloc will remain, the EU will not manage to decouple herself from the US. The influence of the Berlin-Paris axis in Europe will be weakened. A new „axis“ Wahington-Warsaw will emerge. The US‘ security agenda is directed towards creating a Three-Maritean-Theater, comprising countries between the Baltic, Black and Adria Sea. The East European states and Washington will design the future European security agenda, not Berlin and Paris.

 Would that mean that Europe will enter a new Cold War with Russia, since Poland and the Balts are so critical of Russia? Perhaps, but not necessarily. Everything depends on the US. For Washington, China is a much greater foe than Russia. 

Prof. Alexander Rahr

Ein deutscher Diplomat schrieb:

Lieber Herr Ostner,

in allen Punkten mit HLDomroese grundsätzlich einverstanden.

2 %: Es geht nicht um die Zahl, sondern um den politischen Willen der Bundesregierung, die deutschen Streitkräfte auch im 21. Jahrhundert bündnis- und einsatzfähig zu erhalten! Da muss dringend mehr geschehen!!!!

NRFA: Einen tatsächlichen Verstoß der NATO gegen NRFA sehe ich bisher ebenso wie HLDomroese nicht. Irritierend sind allerdings manche medialen Überzeichnungen in den USA und in Polen. Am air policing der Bundeswehr im estnischen Luftraum nimmt die Russische Föderation m.E. keinen Anstoß.

Russlands Strategie und neue Ostpolitik: Russlands Strategie und Handeln (Krim, Georgien, Syrien) irritiert die Nachbarn und den Westen insgesamt. Dringend notwendig auf beiden Seiten eine Rückkehr oder ein Aufbruch zu neuen Initiativen der Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle. Aber das will ja auch HLDomroese.

Afghanistan: Ja, kritische Phase. Deutschland kann eine konstruktive Rolle spielen, weil wir anders als USA und RF in AFG keine eigenen geostrategischen Interessen haben. Letztes Treffen in Katar war durchaus positiv, auch dank der Rolle von Herrn Potzel, der einer meiner Nachfolger in Kabul war. Allerdings wichtig: Der Vermittler muss sich regelmäßig zurückhalten, die Afghanen müssen untereinander sprechen und verhandeln. Diskretion und Verzicht auf Öffentlichkeit bleiben unabdingbar.

Und: Es gibt keine Erfolgsgarantie!

Kommentare sind geschlossen.