Die Linke jenseits der Spaltung

Die Linke jenseits der Spaltung


Veröffentlicht am 19. August 2019 von genova68

Ein Interview mit dem Philosophen Robert Pfaller in der taz und ein Interview mit der Soziologin Sabine Hark im Tagesspiegel. Die beiden vertreten angeblich weit auseinanderliegende Positionen, wobei sich vermutlich beide gegenseitig das Linkssein absprechen. Während man Pfaller im traditionellen linken Milieu verortet, der dabei der Perspektive des alten weißen Mannes verwurzelt bleibe, kritisiert man Hark, weil sie mit ihrer Identitätspolitik das Ganze aus dem Blick verliere und zur Infantilisierung von Politik beitrage.

Mir fällt bei den Interviews auf, dass man Beiden im Wesentlichen zustimmen kann. Was bedeutet, dass eine Linke beide Positionen braucht.

Pfaller argumentiert, dass die reine Verteilung von Macht auf zu bestimmende Minderheitspositionen das Folgende ergibt: Es würden weiterhin

„ein Prozent der Bevölkerung neunzig Prozent der Ressourcen kontrollieren, nur wären innerhalb dieses einen Prozents – in den USA – dann eben elf Prozent schwarz, zwölf Prozent Latino, fünfzig Prozent Frauen und irgendein entsprechender Anteil LGBT-Leute.“

Im falschen System wäre bislang Unterprivilegierte gleichberechtigt an der Ungleichberechtigung beteiligt.

Sabine Hark kritisiert die Heterormativität in der Gesellschaft, die „die gesamte Alltagskultur organisiert“, wobei sie Kinderücher, Lehrpläne und Werbung anführt.

Die Folge:

„Damit Heterosexualität normative Wirkung entfalten kann, muss eine Voraussetzung erfüllt sein: Es darf nur zwei Geschlechter geben. Diese müssen einander kontradiktorisch gegenüberstehen. Männer müssen vom Mars sein, Frauen von der Venus, um es salopp zu sagen. Entsprechend werden Geschlechterstereotype überall dramatisch inszeniert.“

Meine Rede. Auch die Polarisierung in Homo- und Heterosexualität ist nichts anderes als eine Normierung. Homosexualität ist heute weniger Diskriminierung ausgesetzt, aber eine Festlegung ist nach wie vor ein Muss. Wer sich nicht festlegt, dem fehlt offenbar die pressure group. Dabei ist der Mensch so angelegt, dass er sich nicht festlegen kann und das nur via gesellschaftliche Zwänge erfolgt. Genderpolitik ist so gesehen das Natürlichste überhaupt.

Kapitalismus ist genauso scheiße wie Heteronormativität. Würde man sich in der Linken auf diese selbstverständliche Position einigen, wäre der Stress nur noch halb so groß. Es gäbe vielleicht auch so eine Art Selbstreinigung in beiden Lagern: Im Pfallerlager kämen die altlinken Traditionalisten unter Druck, vornehmlich alte weiße Männer, die linke Politik jenseits ökonomischer Verteilungskämpfe nur als eine sehen, in der sie sich ein bisschen tolerant – abhängig von der Tagesform – gegenüber Minderheiten geben, ohne eigene Definitionsmacht abzugeben. Und im Harklager kämen Wichtigtuer, meist dumme Frauen, unter Druck, die Sprechverbote inszenieren und alles moralisieren, um ihre individuelle Position zu stärken.

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