Coviddemonstrationen: Die Republik vor dem Sturm?

Coviddemonstrationen: Die Republik vor dem Sturm?

Infolge der Lockerungen kam es nun zu bundesweiten Demonstrationen. Dabei kann man vier Motivgruppen ausmachen: Geschäftsleute und Gaststättenbesitzer, die durch einen lockdown um ihre finanzielle Existenz fürchten. Gruppen, die ihre Bürgerrechte beeinträchtigt sehen. Zum dritten Rechtsradikale, und Verschwörungstheoretiker, die die „Merkeldiktatur“, die „Finanzeliten“, „die NWO“ stürzen wollen, um selbst eine Diktatur aufzubauen. Esoteriker und Impfgegner. Dabei überschneiden sich einige Gruppen und Apologeten und vermischen sich auch auf Demos. Der eigentliche Sturm aber kann kommen, wenn 10 Millionen Kurzarbeiter arbeitslos und Hartz4empfänger werden sollten und Klein- und Mittelbetriebe millionenfach pleite und insolvent gehen sollten.

Zwar dürfte dies in den USA noch gravierender sein, da es keinen Sozialstaat gibt, aber die Frage ist, ob der deutsche Sozialstaat bei derart vielen Hilfeempfängern noch in seinem bisherigen Ausmaß halten kann und finanzierbar bleibt bei einbrechenden Steuereinnahmen. Steuererhöhungen befürchten etliche Wirtschaftsverbände würden die Krise noch vertiefen. Einige Ökonomen halten denn auch angesichts des gleichzeitigen Angebots- und Nachfrageschocks ein Investitionsprogramm ohne Steuererhöhungen mittels Neuverschuldung und Konjunkturprogramm für die bessere Variante. Dies könnte aber wiederum inflationäre Wirkungen haben.

Aber je nach Verlauf der Covid- und Wirtschaftskrise, die sich auch zu einer Finanzkrise, ja vielleicht einer erneuten Eurokrise ausweiten könnte, erhoffen sich AfD, FDP, die neue Coronapartei Widerstand 2020 und Boris Palmer Zulauf. Die AfD hat inzwischen ihre abwartende Linie geändert, Gauland kritisiert nun Merkel dafür, dass sie anfangs zu spät und dann zu überzogen reagiert hätte, spricht mehr die Arbeiter und Geschäftsleute an, während andere AfDler Verschwörungstheorien anfeuern und verbreiten und nun auch bei einigen Demos präsent sind. Künftig könnten die finanziell Deklassierten und existentiell Betroffenen aus der schieren Not heraus zu Verzweiflungstaten und Kurzschlussreaktionen neigen, die einfache Lösungen und womöglich einen Führer und Erlöser erhoffen—ähnlich wie in den 30er Jahren der Weimarer Republik.

Viele werden dann rationalen Argumenten nicht zugängig sein, da sie eben faktische Verlierer sind und radikale Lösungen propagieren, eben auch eine höhere Totenzahl in Kauf nehmen, um durch breite Lockerungen sich zu erhoffen, dass wirtschaftlich wieder alles gut werde. Da ist vielen dann wahrscheinlich der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach und das Hemd näher als der Anzug. Und Verantwortliche, Schuldige und Sündenböcke für die Misere werden dann auch sicherlich im Rachegefühl gesucht, was Verschwörungstheorien dann wiederum Aufwind geben kann. Der Sturm auf die bisherige Wohlstandsdemokratie steht scheinbar erst noch bevor. Bleibt abzuwarten, ob sie es aushält.

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