Belarus und Nawalny- Unruhe im Osten

Belarus und Nawalny- Unruhe im Osten

In Russland und Belarus kam es zeitgleich zu Anti-Präsidentenprotesten. In Russlands Fernen Osten nach der Absetzung des Gouverneurs und faschistischen Schirinowski–Manns Furjal in Chabarowsk gegen Putin, in Belarus Massenproteste in Minsk gegen Lukascheko. Wobei man auch bedenken sollte, dass Minsk nicht Gesamtbelarus ist, wie man anfangs auch übersah, dass Kiew und der Maidan nicht die gesamte Ukraine sind. Nachdem Lukaschenko den ersten Orkan gut zu überstanden zu haben scheint, die USA wie auch die EU recht zurückhaltend und moderat agieren, demonstrierten gestern nur noch einige Hunderte in Minsk. Die im Baltikum exilierte Oppositionsführerin Tichanwoskaja ,die Frau eines Bankers und Oligarchen, ruft nun zu weiteren Protesten auf, während Lukaschenko jetzt das Militär mobilisert und „an den Grenzen „stationieren will. Da keine NATO- und russische Invasion zu erwarten ist, ist klar, dass sich diese Drohung gegen die Opposition richtet.

In Russland wurde nun der prominenteste Putingegner Nawalny möglicherweise Opfer eines Giftattentats. Nicht der erste Versuch und nicht nur bei Nawalny. Im Westen vermutet man zwar Putin dahinter, aber direkt spricht dies keiner aus. Nur der Chefredakteur des Münchner Merkur spricht dies in erfrischender Offenheit im seinem Leitkommentar aus und meint, wer von einer europäischen Sicherarchitektur mit Russland rede oder Neuen Ostpolitik, könne selbst schnell Opfer des Appeasement und von Putin werden. Nawalny hatte Putin zum Feind, aber nicht nur ihn, da er auch gegen viele Politiker und Gouverneure, die mit der russischen Mafia in Verbindung stehen wegen Korruption ermittelt hatte. Putin ist die Methode des politischen Mords nicht fremd, er dürfte da auch keine moralischen Skrupel haben. Kremlkritiker meinen auch, dass Putin die russische Opposition enthaupten und auch ein Überspringen der Proteste von Russlands Fernen Osten in den Westen des Urals verhindern wolle. Erst Nemzwo, jetzt Nawalny. Kremlnahe Kräfte behaupten in ihrer Propaganda ein Komplett des Auslands, um Nawalny zum Märtyrer zu machen und damit dann Massenproteste in Russlands gegen Putin wie in Belarus gegen Lukaschenko zu initieren. Putin hält sich bei all dem mit öffentlichen Statements auffällig zurück als ob das nicht wichtig sei oder er mit alle dem nichts zu tun habe.

Wurde Nawalnys Familie erst der Zutritt zum russischen Krankenhaus verwehrt, dieses mit Sicherheitskräften gefüllt, so dass zu befürchten war, dass er versterben könnte und die Ursachen vertuscht würden, ist er nun in die Berliner Charite verlegt worden, die ihn nun behandeln und feststellen soll, ob es sich um eine Vergiftung handelt. Fraglich ist aber, wenn Putin soviel zu sagen hat, warum er dann die Ausreise Nawalnys erlauben sollte, wenn er etwas zu vertuschen hätte. Norbert Röttgen vermutete jedenfalls Kremlkreise hinter dem möglichen Giftanschlag, zumal er betonte, dass es ja ganze Serien von Anschlägen auf Oppositionelle gibt, dies also eher die Regel als die Ausnahme ist. Jürgen Trittin wiederum erklärte diametral entgegengesetzt, dass Putin wohl Russland nicht unter Kontrolle habe und er angesichts dieses Kontrollverlusts nicht mehr als Garant von Stabilität gelten könne.

Es bleibt abzuwarten, was die Untersuchungen der Charite ergeben und wie sich die Affäre weiterentwickelt. Interessant jedoch ist, dass man über Nawalnys Vita und politische Positionen nichts Näheres erfährt. Nawalny war Mitglied eines World Fellowship Program der Yale- University, vertrat dann , was er „demokratischen Nationalismus“nannte. Zusammen mit der Allianz gegen Illegale Immigration und der Organisation Großrussland ging er Wahlbündnisse und Aktionen ein, marschierte vorneweg beim rechten Russischen Marsch mit, bei dem er in Reden kaukasische und zentralasiatische Gastarbeiter als Ungeziefer bezeichnete. Ebenso trat er für die Rechte der ethnischen Russen ein. Kurzzeitig trat er der liberalen Yablokopartei bei, wurde dort aber wegen nationalistischer und völkischer Positionen wieder ausgeschlossen. Seitdem führt er seinen Kampf gegen Korruption in den sozialen Medien, hat aber darüber hinaus keine klares Programm formuliert. All das wird jedoch in westlichen Medien nicht mit einem Wort erwähnt. Motto: Hauptsache gegen Putin, es kann nicht schlimmer kommen, sondern nur besser werden.Das man da vielleicht einen russischen AfDler oder russischen Trump mit Russia First an die Macht hieven könnte, interessiert da nicht weiter.

Daher noch zwei unverdächtige Stimmen: Einmal Profesor Baberowski von der Uni Berlin und dann der prominenteste Putin-Kritiker in Deutschland, Boris Reitschuster , wobei Reitschuster den Nationalismus der Opposition noch versucht als taktisches Zugeständnis an den virulenten Nationalsims Putins und dessen Propaganda zu legitimeren. Aber sicher ist sich Reitschuster auch nicht.

So Professor Baberowski zu Putin:

„Man liebt ihn ja nicht. Aber er hat die Ordnungssicherheit wiederhergestellt. Ein Bekannter in Moskau, der ein kleines Restaurant besitzt, sagte mir einmal: «Unter Jelzin wurde ich von fünf Banditen pro Woche ausgeraubt. Jetzt nur noch einmal pro Jahr, vom Staat. Das ist ein Fortschritt.» Was wir im Westen immer vergessen: Autoritäre Ordnungen können unter prekären Bedingungen den Freiheitsspielraum von Menschen erweitern. Das Leben in Russland ist besser geworden.

Im Westen scheint man sich aber darauf geeinigt zu haben, Putin abzulehnen. Wie sollte der Westen mit Putin oder der russischen Führung intelligenter umgehen?

Indem er die Lebenswirklichkeit zur Kenntnis nimmt. Indem wahrgenommen wird, dass die Geschichte der Sowjetunion eine andere ist als diejenige der Deutschen. Wir sollten versuchen, das zu verstehen. Es wird in Russland keine demokratische Ordnung geben, nicht in fünf, nicht in zehn Jahren. Mit dieser Realität muss man sich auseinandersetzen. Die russische Opposition besteht nicht aus Liberalen, sondern wird von Kommunisten und Neofaschisten getragen. Man sollte sich gut überlegen, ob es eine gute Idee ist, Putin zu stürzen. Ich bin auch kein Anhänger des autoritären Systems. Aber pragmatische Politik muss diesen Gegebenheiten ins Auge sehen. Die Bundesregierung in Berlin verfährt doch auch mit Saudiarabien auf diese Weise.“

https://www.nzz.ch/feuilleton/man-sollte-sich-gut-ueberlegen-ob-es-eine-gute-idee-ist-putin-zu-stuerzen-ld.1327082

Der Putinkritiker Boris Reitschuster muß bezüglich der rußischen Opposition, auch bezüglich Nawalnys folgendes einräumen:

„Hier lest ihr die größten Irrtümer – und die Wahrheit – über die Opposition in Russland.

  1. Die Opposition ist eine demokratische Alternative

Leider stimmt das nur teilweise. Sie ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen, dessen Spektrum von linientreuen Linken bis hin zu strammen Rechten reicht.

Liberale Köpfe der Opposition – wie der frühere Schach-Weltmeister Garry Kasparow – halten Mitstreitern vor, dass sie in Wirklichkeit weniger etwas am autoritären System unter Putin auszusetzen hätten, als an Putin selbst.

Die Opposition ist weit davon entfernt, „lupenrein demokratisch“ zu sein; sollte sie an die Macht kommen, was nicht absehbar ist, würde Russland damit keinesfalls über Nacht eine rechtsstaatliche Demokratie nach westlichem Vorbild.

Andererseits wäre ein friedlicher Machtwechsel ein entscheidender Schritt in Richtung Demokratie und Freiheit.

  1. Die Opposition ist gegen Putins Nationalismus

Alexeji Nawalny, der Organisator der gestrigen Proteste und Hoffnungsträger der Opposition, ist durch nationalistische und fremdenfeindliche Töne aufgefallen.

Seine Anhänger machen geltend, diese lägen schon einige Zeit zurück und seien nicht das Leitmotiv seiner politischen Aussagen.

Liberale Mitstreiter werfen Nawalny und auch anderen prominenten Oppositionellen wie Michail Chodorkowski dagegen vor, sie koketierten mit dem Nationalismus – etwa indem sie Verständnis für die Besetzung und den Anschluss der Krim äußerten.

Die leider recht zahlreichen nationalistische Töne aus der Opposition müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Putin und seine Propaganda-Medien massiv solche Stimmungen anheizen.

Im Kampf um die Sympathie der Menschen versuchen Teile der massiv geschundenen Opposition, auf dieser Welle mitzureiten.“

http://www.huffingtonpost.de/2017/06/13/die-10-groten-irrtumer-uber-die-russischen-opposition_n_17069546.html#

Kommentare sind geschlossen.